TE Bvwg Beschluss 2020/11/21 I417 2111613-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs3

Spruch

I417 2111613-3/2E

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Johannes ZANIER, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. IRAK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 23.10.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A)
Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 VwGVG wird die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.09.2020, Zl. I417 2111613-2/12E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens verfügt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

1.       Verfahrensgang:

Zum vorangegangen Asylverfahren:

Am 14.01.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.07.2015, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zugesprochen und eine befristete Aufenthaltsbewilligung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 09.07.2016 erteilt (Spruchpunkt II.).

Mit Schriftsatz vom 27.07.2015 erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig Beschwerde gegen oben genannten Bescheid.

Mit Beschluss des BVwG vom 20.08.2015 zu L507 2111613-1 wurde in Erledigung der Beschwerde Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Nach niederschriftlicher Einvernahme des Beschwerdeführers am 14.09.2017 erging am 23.10.2017 durch die belangte Behörde der verfahrensgegenständliche Bescheid mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde.

Mit Schriftsatz vom 16.11.2017 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde an das BVwG.

Mit Ladung vom 16.07.2020 wurde für den 21.09.2020 zu I417 2111613-2/6Z eine mündliche Verhandlung in dieser Rechtssache anberaumt.

In Abwesenheit des Beschwerdeführers wurde vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung das Erkenntnis mündlich verkündet, mit dem die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen wurde (I417 2111613-2/12E).

Am 25.09.2020 wurde durch XXXX ein Schriftstück geöffnet, das an ihn persönlich gerichtet und sohin in dessen Abwesenheit nicht durch die Einlaufstelle des Gerichtes geöffnet worden war. Darin enthalten war der schriftliche „Rückzug der Beschwerde“ des Beschwerdeführers in dieser Angelegenheit. Aufgrund des Poststempels geht hervor, dass dieser Brief vom Beschwerdeführer am 07.09.2020 eingeschrieben der Post zur Zustellung übergeben worden war und dieser sohin jedenfalls rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung am 21.09.2020 im Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck eingelangt sein musste.

2.       Beweiswürdigung

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. Nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann gemäß § 32 Abs. 3 VwGVG die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

Gemäß § 32 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind gemäß § 32 Abs. 5 VwGVG die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen.

Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bis-herigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können. Dies gilt sinngemäß natürlich auch für Verfahren, die mit einer Entscheidung des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgeschlossen worden sind.

„Die in Abs. 1 Z 2 genannten „Tatsachen oder Beweismittel“ müssen nach der stRsp des VwGH und der hL bereits zum Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses vorhanden gewesen, aber für die Partei ohne ihr Verschulden erst nachträglich verwertbar geworden sein. (vgl. zur Judikatur zu „nova reperta“ VwGH 20.6.2001, 95/08/0036). Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des Wiederaufgenommenen Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, 2001/21/0031; 7.9.2003/08/0093).

Für die Verschuldensfrage (des Abs. 1 Z 2) sind die Bestimmungen des § 1294 ABGB zu beachten. Für die Bueurteilung des Verschuldens ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann. Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schonim – hier – Beschwerdeverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. dazu zB VwGH 8.4.1997, 94/07/0063).“ (Schrrefler-König, Fremdempolizei- und Asylrecht, Anmerkungen 6 und 7 zu II C § 32 VwGVG).

Der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat nach herrschender Ansicht absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470; vgl. auch VwGH 25.09.1990, Zl. 86/07/0071, VwGH 6.11.1972, 1915/70; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 27). Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hat die Bewilligung bzw. Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht allein die Zulässigkeit einer neuerlichen Entscheidung der schon einmal entschiedenen Sache zur Folge, sondern darüber hinaus auch die Aufhebung der seinerzeitigen Entscheidung (VwGH 21.11.2002, 2001/07/0027). Der das vorangegangene, das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid tritt bereits im Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung) der Bewilligung (Verfügung) der Wiederaufnahme des Verfahrens außer Kraft (VwGH 23.03.1977, 1341/75 [verstärkter Senat], VwGH 13.11.1986, 86/08/0163, VwGH 17.11.1995, 93/08/0114).

Im gegenständlichen Fall ist evident, dass der Beschwerdeführer am 07.09.2020 ein Schreiben an das BVwG verschickt hat, mit welchem er den Rückzug seiner Beschwerde erklärte. Wäre das Schriftstück rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung am 21.09.2020 geöffnet und dem erkennenden Richter zur Kenntnis gebracht worden, wäre die Verhandlung abberaumt, das mündliche Erkenntnis sohin nicht gefällt worden und in weiterer Folge das Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt worden.

Ein Verschulden des Beschwerdeführers kann auch unter Beachtung von § 1294 ABGB nicht erkannt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt daher das mit Erkenntnis vom 21.09.2020 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wieder auf.

Mit Erlassung des gegenständlichen Beschlusses tritt das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.09.2020, Zl. I417 2111613-2/12E ex tunc außer Kraft (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG § 70 AVG Rz 6).

Da die Sachlage wie dargestellt aufgrund der Aktenlage als erklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung anlässlich der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

amtswegige Wiederaufnahme Außerkrafttreten ex tunc Wiederaufnahme Wiederaufnahmegrund Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I417.2111613.3.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten