Entscheidungsdatum
25.11.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W272 2233642-1/5E
W272 2233642-2/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom XXXX , XXXX , sowie über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020, beschlossen:
A)
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 09.10.2020 wird gemäß § 33 Abs. 1 und 4 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.07.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.10.2004, Zl. XXXX , wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland ausgewiesen.
3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.
4. Mit (Berufungs-)bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 13.04.2005, Zahl: XXXX , wurde der Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben und ihm gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
5. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich fünfmal strafgerichtlich verurteilt.
6. Am 12.09.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinem Aberkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.
7. Mit den im Spruch ersichtlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis vom 13.04.2005 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.) Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest(Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
Die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid weist ausdrücklich darauf hin, dass gegen diesen Bescheid beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung wurde in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache übersetzt.
8. Dieser Bescheid wurde mittels RSa an den bevollmächtigten Vertreter am 26.06.2020 zugestellt (ein entsprechender Beleg liegt im Akt auf).
9. Am 23.07.2020 brachte der nunmehr bevollmächtigte Vertreter mittels Email die, mit 23.07.2020 datierte, Beschwerde des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Dabei führte er, als nunmehr mit der rechtsfreundlichen Vertretung bevollmächtigter Rechtsanwalt aus, dass der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 zur Zahl: XXXX , dem ehemaligen ausgewiesenen Vertreter zugestellt am 26.06.2020, innerhalb offener Frist Beschwerde erhebe.
10. Mit Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020, mit ERV-Versand zugestellt am 25.09.2020, wurde der Vertretung des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 26.06.2020 (Freitag) die zweiwöchige Rechtsmittelfrist bereits mit Ablauf des 10.07.2020 (Freitag) geendet habe und die am 23.07.2020 per E-Mail an das BFA übermittelte Beschwerde sohin verspätet sei. Diesbezüglich wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens gewährt (Fristende: 09.10.2020).
11. Mit Stellungnahme vom 09.10.2020 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter im Wesentlichen darauf verwiesen, dass entsprechend dem Verspätungsvorhalt binnen entsprechender Frist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Nachreichung der Beschwerde eingebracht worden sei.
12. Mit Schriftsatz vom 09.10.2020 wurde eine Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht sowie die Beschwerde nachgereicht. Begründend wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der ausgewiesene Rechtsvertreter der Beschwerdeführer/Antragsteller durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis i.S.d. § 33 VwGVG an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Handlung, nämlich der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerden, gehindert worden sei. Dabei wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter ausgeführt, dass XXXX , welche seit Juli 2015 als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt sei, für die Fristenverwaltung zuständig sei und diese im vorliegenden Fall aus Versehen eine Rechtsmittelfrist von vier Wochen vermerkt hätte. Dieser Irrtum sei im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass in der Rechtsmittelbelehrung der Exfrau – deren Bescheid einen Tag vor jener des BF in der Kanzlei eingelangt sei – eine Frist von vier Wochen angegeben worden sei. Ein derartiger Fehler sei seiner Mitarbeiterin noch nie, weder in asyl- und fremdenrechtlichen noch in anderen Belangen unterlaufen. Der Rechtsanwalt legte dar, dass er die eingetragenen Fristen stichprobenartig kontrolliere und die Fristen in einen Handkalender und auch im Aktenverwaltungsprogramm eingetragen wurden. Eine Woche vor der Endfrist werde eine Vorfrist und zwei Tage vor der Endfrist sodann eine Fixfrist eingetragen. Betreffend den BF, dessen Bescheid einen Tag später zugestellt wurde, wurde die Beschwerdefrist mit 24.07.2020 eingetragen. Vorliegend erfolgte die Fristeintragung von XXXX , welche auch die Frist im Akt des Beschwerdeführers eintrug. Der Rechtsanwalt gab an, dass er die Eintragungen der Fristen sowohl im Handkalender als auch in dem elektronischen Akt und natürlich auch stichprobenartig die Angaben in den Rechtsmittelbelehrungen. Da auch die Frist betreffend die Exfrau des Beschwerdeführers entsprechend richtig eingetragen wurden, konnte er auf die richtige Eintragung der Frist des Beschwerdeführers durch seine seit Jahren zuverlässige Mitarbeiterin vertrauen. Der BF brachte vor, dass er vom gewillkürten nunmehrigen Rechtsvertreter informiert worden sei, dass neben dem Bescheid seiner Exfrau, nunmehr auch sein Bescheid am 26.06.2020 zugestellt worden sei und sein Asyl aberkannt wurde und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Er sei auch gemeinsam mit seiner Exfrau bei den Terminen in der Kanzlei gewesen. Aufgrund des Verspätungsvorhalts des Bundesverwaltungsgerichts sei noch einmal Nachschau gehalten und dabei festgestellt worden, dass eine kürzere Rechtsmittelfrist von zwei Wochen in der Rechtsmittelbelehrung angeführt wurde.
Unter Vorlage zweier eidesstattlichen Erklärungen des Rechtsanwaltes und der Rechtsanwaltsanwärterin wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Rechtsanwalt zahlreiche Klienten vor allem im asylrechtlichen Aberkennungsverfahren vertrete und mit der Einbringung von Rechtsmitteln in Asylverfahren regelmäßig, vor allem mit der Einbringung von Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, beauftragt sei. Bei der Rechtsanwaltsanwärterin handle es sich um eine geschulte, genaue und verlässliche Person, die mit der diesbezüglichen Fristenverwaltung und auch Konzipierung der Schriftsätze und der Rechtsmittel – seit mehreren Jahren schwerpunktmäßig im Fremden- und Asylwesen - befasst sei. Vor allem die Fristenverwaltung werde durch die Rechtsanwaltsanwärterin wahrgenommen und sei es dem Rechtsanwalt bei den regelmäßigen Kontrollen der Rechtsanwaltsanwärterin in all den ganzen Jahren noch nie ein Fehler aufgefallen. Vor allem bei den asylrechtlichen Beschwerden sei es von besonderer Wichtigkeit auf die exakte Fristeneintragung zu achten. Aufgrund der Ausbildung und der langen Beschäftigung der Rechtsanwaltsanwärterin und der bisherigen Erfahrungen bei den Überprüfungen der Tätigkeiten könne der Rechtsanwalt davon ausgehen, dass sie alle gesetzlichen Bestimmungen und auch Sonderbestimmungen für Fristen kenne und diese im Einzelfall beim Fristenvermerk beachte. Diesbezüglich sei auszuführen, dass seitens der Behörde vorwiegend eine längere Frist – zumeist vier Wochen, sofern diese nicht sowieso greife – als die gesetzlich vorgesehene zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG gewährt werde, auch wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhängt würden. Zudem werde nicht nur der BF, sondern auch dessen Exfrau und dessen Kinder vertreten, gegen die ebenfalls ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden sei, da beide Vorstrafen aufweisen würden. Da der BF zuvor von einem anderen Kollegen vertreten worden sei, sei diesem mitgeteilt worden, dass der BF einen Vertreterwechsel wünsche und sei um Übermittlung der Aktenbestandteile gebeten worden. Der diesem 26.06.2020 übermittelte Bescheid sei sogleich per E-Mail übermittelt und in den Akt gezogen, ausgedruckt und die Frist, wie bei jeder anderen Zustellung entsprechend eingetragen und vermerkt worden. Jedoch sei ein Tag zuvor der Bescheid der Exfrau des BF der Kanzlei per Post zugegangen. Die Rechtsanwaltsanwärterin habe die Akten des BF und der Exfrau auf ihren Tisch gelegt, noch ein paar E-Mails bearbeitet und sodann auf der letzten Seite nachgesehen und sei ihr erinnerlich, dass hier eben die Rechtsmittelfrist mit vier Wochen angegeben gewesen wäre. Dementsprechend habe sie die Frist zunächst in den elektronischen Akt eingetragen und sodann auch in das Fristenbuch. Die Endfrist sei entsprechend der Zustellung und der Angabe in der Rechtsmittelbelehrung mit 24.07.2020 kalendiert worden. Auch die Rechtsanwaltsanwärterin bekräftigte in ihrer eidesstattlichen Erklärung, dass ihr bei der Fristeneintragung noch nie ein Fehler unterlaufen sei, in diesem Fall habe sie jedoch offenbar anstatt im Bescheid des BF, in die auf dem Tisch ebenfalls liegende Rechtsmittelbelehrung seiner Exfrau Einsicht genommen und entsprechend die Frist falsch eingetragen. Aufgrund der Verbundenheit der beiden Akten, desselben Sachbearbeiters, demselben Aberkennungsgrund und da in gleich gelagerten Fällen oft eine längere Beschwerdefrist seitens der Behörde gewährt werde, welche sodann anzuwenden sei, sei ihr die in der Rechtsmittelbelehrung angegebene Frist von vier Wochen auch nicht ungewöhnlich lange vorgekommen, zumal auch bei seiner Exfrau eine Frist von vier Wochen einen Tag zuvor richtig eingetragen worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird der eben dargelegte Verfahrensgang; insbesondere wird festgestellt, dass der Bescheid des BFA vom 18.06.2020 am 26.06.2020 (Freitag) an den gewillkürten Rechtsvertreter zugestellt wurde, sowie, dass die zweiwöchige Rechtsmittelfrist, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des im Spruch ersichtlichen Bescheides hingewiesen wurde und in ein für den BF verständliche Sprache übersetzt wurde, mit Ablauf des 10.07.2020 (Freitag) endete. Die am 23.07.2020 per E-Mail an das BFA übermittelte Beschwerde erweist sich daher als verspätet.
Der BF wechselte den gewillkürten Rechtsvertreter und der Bescheid wurde sodann an den nunmehr ausgewiesenen Rechtsvertreter übermittelt. Der Rechtsanwalt informierte den BF, dass sein Bescheid erhalten wurde, Asyl aberkannt und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde.
Die Rechtsanwaltsanwärterin habe den Akt des BF mit dem Akt seiner Ehefrau, welche ebenfalls der Status als Asylberechtigte aberkennt wurde, jedoch keine Rückkehrentscheidung erlassen und ein Aufenthaltstitel erteilt wurde, auf dem Tisch gelegt. Der Rechtsanwaltsanwärterin ist erinnerlich, dass sie auf der letzten Seite des Bescheides der Exfrau eine vierwöchige Frist gesehen habe. Auf dem Akt habe sie diese Frist eingetragen. Der Rechtsanwalt hat im konkreten Fall nicht die Rechtsmittelbelehrung und die dementsprechende Eintragung der Rechtsmittelfrist überprüft.
Nachdem der Beschwerdeführer am 25.09.2020 von der Versäumung der Rechtsmittelfrist im Wege seines Rechtsvertreters Kenntnis erlangt hat, stellten er am 09.10.2020 (somit innerhalb der zweiwöchigen Frist) den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt und wurden seitens des Beschwerdeführers bzw. seines Vertreters auch nicht bestritten.
Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Verspätung ergibt sich aus dem Sendungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Schriftstücke (Verspätungsvorhalt) am 25.09.2020 um 13.38 Uhr im elektronischen Rechtsverkehr erfolgreich hinterlegt wurden.
Die falsche Kalendierung durch die Rechtsanwaltsanwärterin ergibt sich aus den Angaben des Rechtsanwaltes und der Rechtsanwaltsanwärterin.
Die Zustellung und der Inhalt des Bescheides der Ex-Frau, in welchem ihr der Status als Asylberechtigte aberkannt wurde, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht erteil wurde, ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt wurde, ein Aufenthaltstitel gem. § 55 Abs. 2 AsylG erteilt wurde ergibt sich aus dem Einblick in den Verfahrensakt W277 2233643-1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss. Da im vorliegenden Verfahren die Beschwerde zurückzuweisen ist, ist in Beschlussform zu entscheiden.
Zu A)
3.1. Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ra 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (siehe etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist im Fall des § 33 Abs. 1 VwGVG bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 33 Abs. 3 VwGVG). Nach § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage die Behörde über den Antrag mit Bescheid, ab Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.
Der Bescheid und die Beschwerde wurden am 03.08.2020 dem BVwG vorgelegt.
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).
Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, liegt ein „minderer Grad des Versehens“ (§ 1332 ABGB) nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wurde, der gelegentlich auch einem sorgfältig handelnden Menschen widerfahren kann. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw. der diesem zurechenbare Vertreter) darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, die im Verkehr mit Gerichten und Verwaltungsbehörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; VwGH 15.12.1995, 95/17/0469; VwGH 23.05.2001, 99/06/0039). An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen anzulegen (vgl. etwa VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229 bis 0230-17).
Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 18.04.2002, Zl. 2001/01/0559; 29.01.2004, Zl. 2001/20/0425; 17.07.2008, Zl. 2007/21/0227; 23.06.2008, Zl. 2008/05/0122).
Die Partei hat aber nicht nur eigenes Verschulden zu vertreten, sondern ihr ist auch das Verhalten ihres Vertreters zuzurechnen (siehe etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 72 ff. zu § 71 AVG zitierte Rechtsprechung des VwGH, die auch auf die vergleichbare Bestimmung des § 46 VwGG angewendet wird; vgl. dazu unter vielen VwGH 11.07.2000, Zl. 2000/16/0311; 28.03.2001, Zl. 2001/04/0005).
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen (VwGH 22.01.1992, Zl. 91/13/0254). Demnach bildet die Untätigkeit eines Vertreters im Allgemeinen auch keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Machthaber wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, und es träfe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens (VwGH 26.03.1996, Zl. 95/19/1792; 04.12.1996, Zlen. 96/21/0914, 0915; 25.03.1999, Zl. 99/20/0099; und 03.12.1999, Zl. 97/19/0182).
Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson, deren sich die Partei zur Besorgung ihrer Angelegenheiten bedient, vertreten wird (vgl. VwGH 26.01.1995, Zl. 94/06/0090). Der Vertreter ist - um sein Verschulden auszuschließen - verhalten, sich selbst unverzüglich von der vertretenen Partei alle erforderlichen Informationen zu verschaffen, um die Prozesshandlungen zeitgerecht setzen und damit die Fristen wahren zu können (VwGH 13.12.1989, Zl. 89/03/0091; siehe Hengstschläger/Leeb, AVG, 4. Tb. [2009] § 71 Rz 45).
Da der Beschwerdeführer die Rechtsanwaltskanzlei XXXX mit seiner Vertretung im Beschwerdeverfahren bevollmächtigt hat, ist ihm dessen Verschulden zuzurechnen (vgl. VwGH 09.02.2018, Ra 2018/20/0008; VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, wenn er also der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229 bis 0230-17).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0583). An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (VwGH 31.05.2017, Ra 2017/22/0064).
Die Einhaltung von Rechtsmittelfristen erfordert größtmögliche Sorgfalt von der Partei und ihrem Vertreter. Wie vom bevollmächtigten Vertreter im Antrag auf Wiedereinsetzung und auch in den vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen, die mit der Fristenberechnung in den gegenständlichen Fällen vertraut gewesen seien, angegeben, wurde die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2020 irrtümlich falsch in den Kalender eingetragen.
Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen einer Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichtspflichten und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Gerade an beruflich rechtskundige Parteienvertreter, die im alltäglichen Leben mit Anträgen und damit mit dem Fristenlauf und den daran geknüpften Bedingungen vertraut sind, ist ein strenger Maßstab anzulegen, um eine fristgerechte Setzung von Verfahrenshandlungen sicherzustellen. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen ua dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 23. Februar 1993, Zl. 91/08/0170, und die Beschlüsse vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/1062, 22. März 1991, Zl. 91/10/0018, 90/08/0149, 25. September 1990). Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (vgl VwGH 18.4.2002, 2001/01/0559). Ein Anwalt verstößt gegen seine Überwachungs- und Sorgfaltspflichten, wenn er im Vertrauen auf die Verlässlichkeit seiner Büroangestellten weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens einer Kanzleiangestellten Fristversäumnisse auszuschließen geeignet sind (VwGH 21.05.1996, 96/05/0047).
In einer Rechtsanwaltskanzlei ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets vor allem der Anwalt und nicht etwa jene Kanzleiangestellte allein verantwortlich, die den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 677, Rz 43 zu § 71 AVG).
Im Lichte der zitierten Judikatur des VwGH war daher in den gegenständlichen Fällen ein besonderes Augenmerk auf eine nachhaltige und fristgerechte Kontrolle des Fristenlaufes bzw. der richtigen Eintragung desselben im Kalender zu legen:
Der bevollmächtige Vertreter des Beschwerdeführers hat im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes dargelegt, dass die Rechtsanwaltskanzlei sehr gut organisiert sei, so dass sämtliche Fristen sowohl in einem Aktenverwaltungsprogramm als auch in einem Handkalender eingetragen würden. Der Fristenvermerk werde weiters auf dem Schriftstück mit dem jeweiligen Personalkürzel vermerkt. Es werde eine Woche vor Endfrist eine Vorfrist von zwei Tagen vor der Endfrist sodann eine Fixfrist eingetragen. Alle offenen Fristen würden täglich an alle per E-Mail versandt. Darüber hinaus gebe es für die einlangenden Dokumente Post- und ERV Mails, sodass alle Mitarbeiter und der Rechtsanwalt sogleich vom Einlangen eines Schriftstückes verständigt würden. Die Fristeneintragung werde regelmäßig und stichprobenartig durch den Rechtsanwalt überprüft und wäre seiner Rechtsanwaltsanwärterin hierbei noch nie ein Fehler unterlaufen und seien alle Fristen immer zuverlässig eingetragen und alle Aufgaben verlässlich erfüllt worden. Dass im gegenständlichen Fall der Rechtsanwalt selbst die Frist festgelegt und eingetragen hätte oder der Rechtsanwaltsanwärterin die Weisung gegeben hätte die Frist einzutragen, wurde durch ihn nicht behauptet. In seiner eidestaatlichen Erklärung gab der Rechtsanwalt an, dass er da die Frist für betreffend die Exfrau des Beschwerdeführers entsprechend richtig eingetragen wurde, er auch darauf vertrauen konnte, dass seine seit Jahren zuverlässige Mitarbeiterin, die Frist für den BF richtig eingetragen hat. Die Rechtsanwaltswärterin selbst gibt an die Frist eingetragen zu haben. Dass der Rechtsanwalt, nach selbständiger Fristeintragung durch die Rechtsanwaltsanwärterin, die Frist selbst überprüft hätte, wurde wiederum nicht vorgebracht. Sodass hier ein Sorgfaltsverstoß erfolgte, welcher nicht mehr minderen Ausmaßes ist, zumal dem Rechtsanwalt bewusst war, dass die Verfahren betreffend des BF und der Exfrau nicht gleich waren. So gab der BF an, gemeinsam mit seiner Frau bei den Terminen in der Kanzlei gewesen zu sein, sowie dass der Rechtsanwalt ihn informierte, dass der Bescheid am 26.06.2020 zugestellt wurde und ihm Asyl aberkannt und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Dass es ein Kontrollsystem gebe, welches die Kanzleikraft überprüft, ob die richtige Frist verwendet wurde, wurde nicht vorgebracht.
Weiter ist dem Rechtsanwalt ebenfalls entgegen zu halten, dass der bevollmächtigte Vertreter - der selbst vorbringt, dass er als auch seine Kanzleimitarbeiterin mit dem Asyl- und Fremdenrecht und die damit zusammenhängen Fristen vertraut sei – hierbei die nötige Sorgfalt außer Acht ließ, zumal von der gleichen Rechtsmittelfrist, die die Rechtsanwaltsanwärterin versehentlich angenommen habe, da sie den Bescheid der Exfrau in derselben Mappe, wie jene des BF gehabt und offenbar versehentlich die Frist der Exfrau auch für das Verfahren des BF angenommen habe, und somit die Frist zur Einbringung einer Beschwerde irrtümlich falsch berechnet und falsch eingetragen worden sei. Die falsche Fristenberechnung und -eintragung ist durch das vom bevollmächtigten Vertreter vorgebrachte Kontrollsystem nicht aufgefallen, geschweige denn verhindert worden - somit konnte der bevollmächtigte Vertreter damit kein wirksames Kontrollsystem dartun. Aber auch die Darlegung, dass eine Woche vor der Endfrist eine Vorfrist und zwei Tage vor der Endfrist sodann eine Fixfrist eingetragen wurde, überzeugte nicht und zeigt auf, dass der Rechtsanwalt sich die im Bescheid festgelegte Frist hier nicht überprüfte oder die Kanzleikraft nochmals überprüfte. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass selbst beim Abfassen der Beschwerde die falsch berechnete Frist offenbar nicht aufgefallen ist. Hinzu kommt, dass – wenngleich der Bescheid der Exfrau bei der Kanzlei eingelangt sei – nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein inhaltlich eigenständiger Bescheid, welcher jedoch nicht den gleichen Inhalt aufweist, dieselbe Rechtsmittelfrist aufweist. Zudem auch kein Familienverfahren vorlag. Es wird nicht verkannt, dass vorgebracht wird, dass die Behörde, der Exfrau – im Gegensatz zum BF - eine vierwöchige Rechtsmittelfristen gewährt hat.
Weiter wurde seitens des Rechtsanwaltes geradezu vorgebracht, mit den Fristen bestens vertraut zu sein und, dass seitens der Behörden vorwiegend eine längere Frist – zumeist von vier Wochen, sofern diese nicht sowieso greife – als die gesetzlich vorgesehene zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG gewährt werde – auch wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhängt würden.
Vor dem Hintergrund, dass dem Rechtsvertreter bekannt ist, dass die Behörde teilweise längere Fristen und damit auch nicht gesetzlich vorgesehen Fristen – die auch zur Anwendung kommen – gewährt, müsste er ein besonderes Augenmerk darauf legen, zumal er eine diesbezügliche Sensibilisierung geradezu behauptete. Auch bei dem unterschiedlichen Inhalt der Bescheide zwischen dem BF und der Ex-Frau, bei ihr wurde keine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlasen – hätte der Rechtsanwalt bei Kontrolle und Prüfung der Bescheide, sofort auffallen müssen und seine Kanzleikraft sensibilisieren bzw. überprüfen müssen, dass es hier zu einer unterschiedlichen Rechtsmittelfrist kommen kann. Auch das vorgesehene Kanzleiwesen unterscheidet nicht bezüglich des Inhaltes des Bescheides, es ansonsten eine Warnung erfolgen hätte müssen.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich somit – auch aufgrund der Seitens des Rechtsanwaltes fundierten Erfahrung im Asyl- und Fremdenwesen, dass nicht von einem minderen Grad des Versehens auf Seiten des bevollmächtigten Vertreters auszugehen ist, zumal einerseits der Fehler der Angestellten bei der Fristberechnung und -eintragung dem bevollmächtigten Vertreter zuzurechnen war und andererseits der zuständige Rechtsanwalt – der die Festlegung der Frist im gegenständlichen Fall – wie er selbst angab – nicht kontrollierte, wobei er dazu verpflichtet gewesen wäre -den Fehler selbst nicht erkannte. Dies ist in Ansehung der strengen Sorgfaltspflicht für berufsmäßige Parteienvertreter nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten.
Es kann daher nicht erkannt werden, dass der Fehler des bevollmächtigten Vertreters als unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis nur auf einem minderen Grad des Versehens beruhte. Nachdem dem Beschwerdeführer das nicht bloß geringfügige Versehen seines Vertreters zuzurechnen ist, war der Antrage auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. – Zurückweisung der Beschwerden wegen Verspätung
Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018, in Kraft seit 01.09.2018, beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes ua. in den Fällen des Abs. 2 zwei Wochen; Abs. 2 leg. cit umfasst Beschwerden gegen eine Entscheidung, mit der (1) ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, (2) ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht oder (3) eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird.
Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sind, mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 33 Abs. 1 AVG durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich unzweifelhaft, dass der im Spruch genannte Bescheid dem Vertreter des Beschwerdeführers am 26.06.2020 zugestellt und sohin rechtswirksam erlassen wurde. Nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BFA-VG iVm §§ 32 Abs. 2 und 33 Abs. 1 AVG hat im gegenständlichen Fall der Lauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist am 26.06.2020 (Freitag) begonnen und mit Ablauf des 10.07.2020 (Freitag) geendet.
Dies stellt auch der Beschwerdeführervertreter in seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes außer Streit, zumal er auch mit dem – unbegründeten – Wiedereinsetzungsantrag, im Ergebnis die verspätete Einbringung des verfahrensgegenständlichen Rechtsmittels bestätigte.
Da die gegenständliche Beschwerde erst am 23.07.2020 per E-Mail übermittelt wurde und sohin erst nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist bei der belangten Behörde eingelangt ist, war die Beschwerde gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BFA-VG als verspätet zurückzuweisen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine weitere Klärung weder notwendig noch zu erwarten ist, konnte eine mündliche Verhandlung trotz des diesbezüglichen Antrags unterbleiben. Dass die Beschwerde verspätet eingebracht wurde, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten, sondern vielmehr in der Stellungnahme sowie im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand festgestellt. Der Beschwerdeführer sowie die ausgewiesene Vertretung hat somit Kenntnis erlangt von der verspäteten Beschwerdeerhebung im gegenständlichen Fall und hatte hinreichend Gelegenheit sämtliche Gründe für den behaupteten "minderen Grad des Verstehens" an der Fristversäumnis im gegenständlichen Fall darzulegen. Es konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Kontrollsystem Maßstab Rechtsmittelfrist Sorgfaltspflicht Verschulden des Vertreters Verspätung Wiedereinsetzung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2233642.1.00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021