Entscheidungsdatum
26.11.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W124 2217914-3/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX StA: Somalia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX beschlossen:
A.)
Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA - Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I.1. Verfahrensgang
Am XXXX stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX abgewiesen wurde, der Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia wurde verfügt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachte der BF eine Beschwerde ein, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX abgewiesen wurde und das Verfahren in weiterer Folge in Rechtskraft erwuchs.
Am XXXX wurde dem BF im Rahmen einer nachfolgenden Untersuchung in einem namentlich genannten Krankenhaus ein Spannungsgefühl im Bereich der sog. Cubita bei Extension attestiert. Im Nachfolgebefund XXXX wurden für den BF neben einer stationären Behandlung weitere medizinische Maßnahmen ins Auge gefasst. Entsprechende Nachbehandlungen auf dem europäischen Standard seien in Somalia nicht möglich und würde eine anzunehmende „Revisionsoperation“ auf dem Standard der westlichen Medizin nicht durchgeführt werden können.
Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), sowie gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen.
Gegen diesen Bescheid des BFA wurde fristgerecht durch den Vertreter des BF Beschwerde erhoben. Hierin wurde zusammenfassend ausgeführt, dass seit dem Abschluss des Vorverfahrens neue Verfolgungsmomente aufgetreten wären, hinsichtlich welcher der BF Angst um sein Leben gehabt hätte.
Wegen seines langen Aufenthaltes in Österreich habe der BF in Österreich bereits jegliche Bindung zu Somalia verloren und könne im Falle einer Abschiebung keine menschenwürdige Existenz dort mehr führen. Das Bundesamt behaupte, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorhanden sein würde, ohne diesen soweit geprüft zu haben, dass im konkreten Fall eine Ausweisung gegen Art 2 oder Art 3 EMRK verstoßen würde. Ebenso würde keine ordnungsgemäße Beurteilung der Situation des BF im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegen.
Eigene dem Verfahren zugrunde gelegten Länderberichte würden für Personen, die nach Europa geflüchtet seien und den familiären bzw. sozialen Bezug verloren hätten, zeigen, dass diese keine Zukunftsperspektive in Somalia haben würden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde nicht vorliegen.
Der BF habe ausführlich erklärt, worin die Neuerungen der Verfolgung bestehen würden, die zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Vorverfahrens noch nicht bestanden hätten. Es seien vom BFA keinerlei Recherchen zu den vorgebrachten Fluchtgründen getätigt worden. Zentrale Teile des Vorbringens seien von der Behörde nicht in die Beurteilung des Falles einbezogen worden. Die vom BF vorgelegten Beweismittel seien nicht untersucht worden.
Es könne unmöglich angenommen werden, dass das Vorbringen keinen glaubwürdigen Kern enthalte, der eine Neubeurteilung notwendig machen würde.
Der BF habe in seiner Einvernahme angegeben, inwieweit er durch die Situation in seinem Heimatland dazu gezwungen gewesen sei nach Österreich zu flüchten, um einen Asylantrag zu stellen und worin die neu entstandenen Verfolgungsmomente bestehen würden, die eine Neubeurteilung seiner Gefährdung erforderlich machen würde. Es habe kein Interesse bestanden den relevanten Sachverhalt aufzuklären.
Ein bloßer Verweis auf eine angeblich bestehende innerstaatliche Fluchtalternative, die der BF bereits in nachvollziehbarer Weise ausgeschlossen habe und auf das rechtskräftig abgeschlossene Vorverfahren, könne eine eigentliche Beschäftigung mit dem Vorbringen des BF nicht ersetzten. Auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung könne Asylrelevanz zukommen, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Auch wenn der Staat nicht jeden Übergriff Dritter verhindern könne, sei die Frage zu beantworten, ob im Falle des BF eine Verfolgung entsprechender Intensität auf Grund von Konventionsgründen durch Dritte mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Die heimatlichen Behörden würden dem BF gegenüber jedenfalls schutzunfähig sein, möglicherweise auch schutzunwillig.
Von Seiten des BFA sei es unterlassen worden zu prüfen, inwieweit die in Somalia grassierende Covid-19 Epedemie dazu führen würde, dass der BF im Falle einer Abschiebung einer Art 2 bzw. 3 EMRK widersprechenden Situation ausgesetzt sein würde. Der BF sei aktuell in Covid-19 Quarantäne. Es wäre daher jedenfalls vorübergehend eine Ausweisung als unzulässig zu erklären gewesen.
Die Abwägung des BFA zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Privat-, und Familienleben des BF sei unrichtig. Der BF sei arbeits-, und integrationswillig. Er habe umfangreiche soziale Kontakte und die deutsche Sprache ausreichend erlernt, um sich im Alltag verständigen zu können. Im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels sei er auf jeden Fall in der Lage sich aus eigenem seinen Lebensunterhalt zu verdienen ohne auf Leistungen der Gebietskörperschaft angewiesen zu sein. Es habe keine Neubeurteilung dessen stattgefunden, obwohl sich hinsichtlich der Integration zweifellos Änderungen ergeben hätten. Der bloße Verweis des BFA auf die Aufenthaltsdauer des BF könne die Tatsachen nicht entkräften und jedenfalls alleine kein überzeugender Grund für eine Ablehnung der Schützenswürdigkeit des Privat-, und Familienlebens des BF sein.
Dem BF würde in seiner Heimat Verfolgung i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention drohen und es würde ihm daher Asyl zu gewähren sein. Allenfalls wäre dem BF auf Grund der Situation in seiner Heimat subsidiärer Schutz zu gewähren oder eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären.
Des weiteres sei kein Grund ersichtlich, worin die Notwendigkeit bestehen würde, den BF abzuschieben, bevor eine Entscheidung über die vorliegende Beschwerde ergehe.
Für die Erlassung eines Einreiseverbotes würde kein dringender Anlass bestehen. Weder aus präventiven Gründen noch zur Wahrung der Interessen Österreichs. Es seien auch keine nachvollziehbaren Überlegungen bezüglich des Einreiseverbotes erkennbar.
Es würde eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstellen, als es die Behörde verabsäumt habe sich mit der konkreten Situation des BF und der aktuellen Situation in seinem Heimatland auseinanderzusetzen. Die Verpflichtung ein amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen bedeute, dass die konkrete und aktuelle Situation untersucht werden würde. Dies sei im konkreten Fall verabsäumt worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Aus der dem BVwG zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage – insbesondere aufgrund der aktuellen Situation des BF in Österreich bzw. im Herkunftsland- kann in Zusammenschau mit der im Bescheid vorgenommenen rechtlichen und faktischen Beurteilung– nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung einzelner durch die EMRK garantierter Rechte bei einer Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat Somalia angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.
2. Beweiswürdigung:
Der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt der Akten der belangten Behörde und des BVwG. Zweifel an der Richtigkeit sind nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
III.2. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
1. Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
2. Im vorliegenden Verfahren hat das BFA insbesondere festgehalten, dass es zu keiner relevanten Änderung der Lage in Somalia seit der Rechtskraft des Vorbescheides gekommen wäre, bzw. eine Rückkehrentscheidung des BF nach Somalia weiterhin zulässig, wäre.
Aus der dem BVwG zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage – insbesondere zur aktuellen Rückkehrsituation des BF in sein Herkunftsland in Zusammenschau mit der im Bescheid vorgenommenen faktischen als auch rechtlichen Beurteilung– nach Durchführung einer Grobprüfung kann eine Verletzung von einzelnen durch die EMRK garantierter Rechte (im gegenständlichen Verfahren insbesondere Art. 3 EMRK) bei einer Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat Somalia, insbesondere auch angesichts der kurzen Entscheidungsfrist und des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes, nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.
Daher war der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W124.2217914.3.00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021