Entscheidungsdatum
27.11.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I415 2237256-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West vom 23.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein, wobei er am 20.10.2020 vor den Polizeiorganen der LPD XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Dazu wurde der BF von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.10.2020 erstbefragt. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führte der BF dazu befragt aus, er finde in seiner Heimat keine Arbeit und wolle daher nach Frankreich zu seinen Verwandten und dort als LKW-Fahrer oder Landwirt arbeiten. Weitere Fluchtgründe habe er keine.
3. Ebenfalls am 21.10.2020 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde). Er habe in Algerien von 2014-2018 als LKW-Fahrer gearbeitet. Seine Angehörigen würden von der Pension seines Vaters leben, seine Mutter arbeite nicht. Dabei gab der BF hinsichtlich seiner Fluchtgründe auf Nachfrage zu Protokoll, sich in Österreich ein besseres Leben zu erhoffen und seine Heimat aufgrund wirtschaftlicher Probleme verlassen zu haben.
4. Im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.10.2020 gab der BF zu Protokoll, dass er seine im Rahmen der ersten Einvernahme getätigten Angaben weiter aufrecht halte. Er wolle lediglich korrigieren, dass er Berber und nicht Araber sei. Als Berber habe er keine Rechte und könne nicht frei entscheiden. Es gebe Rassismus zwischen Arabern und Berbern. Ansonsten habe er keine Korrekturen oder Ergänzungen vorzubringen.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.10.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Ihm wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.)
6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde am 19.11.2020 bei der belangten Behörde Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der BF sein Herkunftsland aufgrund der schlechten Sicherheits- und Wirtschaftslage verlassen habe. Er befürchte in seinen Rechten nach Art 2 und Art 3 verletzt zu werden und sei eine Rückkehr daher unzumutbar.
7. Mit Schriftsatz vom 20.11.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 26.11.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige BF ist ledig, kinderlos und Staatsangehöriger von Algerien. Er gehört der Volksgruppe der Berber an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er spricht muttersprachlich Arabisch. Seine Identität steht nicht fest.
Er reiste von Algerien aus mit dem Flugzeug in die Türkei, wo er ca. 1 Jahr und 2 Monate verblieb, bevor er über Griechenland, Albanien, Montenegro, Bosnien, Serbien und Ungarn schließlich Österreich erreichte. Spätestens im Oktober 2020 reiste der BF unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.10.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Er ist gesund und arbeitsfähig. Der BF fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.
In Algerien war der BF zuletzt von 2014 bis 2018 als LKW-Fahrer tätig. Im Bundesgebiet geht der BF keiner Erwerbstätigkeit nach.
In Algerien leben nach wie vor die die Eltern und Geschwister des BF (drei Schwestern sowie sechs Brüder). Mit seinen Verwandten gab es im Herkunftsstaat keine Probleme. Im Bundesgebiet verfügt der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte und keine maßgeblichen privaten Beziehungen. Eine Tante des BF wohnt in Frankreich.
Eine Integration des BF in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht liegt nicht vor.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der BF hat für das Verlassen seines Herkunftsstaates in erster Linie wirtschaftliche Gründe angeführt. Auch das – erstmals zweiten Einvernahme getätigte – Vorbringen hinsichtlich der Problematik zwischen Berbern und Arabern im Rahmen seiner zweiten Einvernahme beim BFA entfaltet keinerlei Asylrelevanz.
Der BF wird in seinem Herkunftsland Algerien weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt und ist in seinem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden.
Der BF wird im Fall seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall seiner Rückkehr nach Algerien droht dem BF nicht die Gefahr, durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in seinem Herkunftsstaat in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihm droht im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Hinsichtlich der aktuellen Lage in Algerien sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 23.10.2020 getroffenen Feststellungen keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien, letzte Information eingefügt am 26.06.2020, zitiert. Den Länderberichten wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten und sind im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch keine Änderungen der Lage bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Zudem gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung.
COVID 19-Situation in Algerien
(https://covid19.who.int/region/afro/country/dz)
Basierend auf den Daten der WHO (Stand: 16.11.2020) ergeben sich 67.679 bestätigte COVID-19-Fälle mit 2.154 Verstorbenen.
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung am 26.6.2020
Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern, wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit identifiziert sich selbst als Berber, etwa 15% (CIA 3.3.2020).
Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor (AA 25.6.2019).
Neben der mehrheitlich arabischen Bevölkerung leben in verschiedenen Regionen Berbervölker, unter denen sich besonders die Kabylen seit der Unabhängigkeit Algeriens für die Anerkennung ihrer Sprache (Tamazight) und ihrer Kultur einsetzen. Durch die Verfassungsreform von 2016 wurde Tamazight, nach dem Arabischen, zur Amtssprache erklärt (AA 25.6.2019).
Ethnische (Berber)Minderheiten, vor allem im Süden des Landes, führen diskriminierendes Verhalten der Sicherheitskräfte an. Mozabiten [Anm.: eine muslimische Minderheit] in der Wilaya Ghardaia beklagen, dass sie von Sicherheitskräften nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt würden. Polizei und Gendarmerie seien parteiisch, außerdem mache sich bemerkbar, dass Mozabiten vom verpflichtenden Militärdienst praktisch befreit seien und keine Vertreter in Polizei und Gendarmerie entsendeten. Auch in der Kabylei mit einer starken regionalen Identität gibt es immer wieder Klagen über systematische Benachteiligungen und Repressionen (ÖB 11.2019).
Im Zuge von Protestbewegungen wurden im Herbst 2019 einige Personen zu Haft- und Geldstrafen für das öffentliche Mitführen der Fahne der Berberminderheit verurteilt. Das Tragen der Fahne ist gesetzlich nicht verboten, verurteilt wurden die Angeklagten daher für das "Untergraben der nationalen Integrität". Die Staats- und Armeeführung versucht mit dem gezielten Vorgehen gegen Berberaktivisten, die Protestbewegung zu spalten und Araber und Berber gegeneinander auszuspielen (Standard 13.11.2019; vgl. IPB 12.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (3.3.2020): The World Factbook - Algeria - Peoples and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 18.3.2020
- IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak - Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.
- Standard, der (13.11.2019): Politisch motivierte Urteile gegen Berberaktivisten in Algerien, https://www.derstandard.at/story/2000111030569/politisch-motivierte-urteile-gegen-berberaktivisten-in-algerien, Zugriff 27.11.2019
Grundversorgung
Letzte Änderung am 26.6.2020
Nahezu die gesamten Staatseinkünfte des Landes stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas. Rund 90 Prozent der Grundnahrungsmittel und fast die Gesamtheit der Pharmazeutika und Gebrauchsgüter werden importiert. Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte oder auf Autarkie zielende Industrialisierung hat nicht stattgefunden. Die Staatseinnahmen – und damit die Fähigkeit zur Subventionierung von Grundbedürfnissen (Grundnahrungsmittel, Wohnungsbau, Infrastruktur) – sind seit 2014 aufgrund des sinkenden Öl- und Gaspreises drastisch zurückgegangen (RLS 17.12.2019; vgl. BS 29.4.2020).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2019).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband, für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 25.6.2019).
Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12 bis 17%, die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-jährige) bei 30 bis 50% (WKO 10.2019 [jeweils niedrigerer Wert], RLS 17.12.2019 [jeweils höherer Wert]). Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2019).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie werden an vulnerable Familien in isolierten und vom Lockdown besonders betroffenen Gebieten Lebensmittel und Hygieneprodukte verteilt (Gentilini et al 12.6.2020: 29f).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020
- Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 17.6.2020
- IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak – Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.
- RLS - Rosa-Luxemburg-Stiftung (17.12.2019): Algerien: Wahlen gegen Legitimität, https://www.rosalux.de/news/id/41412/algerien-wahlen-gegen-legitimitaet, Zugriff 17.6.2020
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2019): Länderprofil Algerien, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-algerien.pdf, Zugriff 18.3.2020
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.10.2020 und vor der belangten Behörde am 21.10.2020 sowie am 23.10.2020, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz vom 19.11.2020. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS) und des Strafregisters eingeholt, weiters auch ein Sozialversicherungsdatenauszug. Zudem wurde Einsicht in die Homepage der WHO genommen.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, zum Familienstand, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen sowie zur Herkunft des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor der belangten Behörde. In Ermangelung der Vorlage eines identitätszeugenden Dokumentes konnte seine Identität nicht festgestellt werden.
Hinsichtlich der Reiseroute gilt es, auf die Angaben des BF im Zuge seiner Erstbefragung (Protokoll vom 21.10.2020, AS 11) zu verweisen.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde gab der BF zu Protokoll, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, welche den BF an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden bzw. nicht an irgendwelchen Krankheiten zu leiden und keine Medikamente einzunehmen. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF gesund ist, zumal auch aus dem unbestrittenen Akteninhalt nichts Gegenteiliges entnommen werden konnte. Damit ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf medizinische Indikationen für die Zuordnung des BF zur COVID-19-Risikogruppe entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/202. Aufgrunddessen konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF nicht unter die COVID-19-Risikogruppe fällt.
Aufgrund des Gesundheitszustandes lässt sich auf die Arbeitsfähigkeit des BF schließen, überdies aufgrund des erwerbsfähigen Alters des BF und vermeinte dieser vor der belangten Behörde zudem, dass er das Ziel verfolgt habe, in Österreich ein besseres Leben zu haben und der Gesellschaft Gutes zu tun (Protokoll vom 21.10.2020, AS 41). Auf den Angaben des BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde beruhen die Feststellungen zu seiner Tätigkeit in Algerien als LKW-Fahrer von 2014-2018 (Protokoll vom 21.10.2020, AS 39). Der Umstand, dass der BF im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF.
Die Feststellungen zu den in Algerien lebenden Familienangehörigen samt dem Umstand, dass es mit denselben keine Probleme gab, beruhen ebenfalls auf den Angaben des BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.10.2020, AS 39). Auch der Umstand, dass der BF im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt, jedoch eine Tante in Frankreich habe, ergibt sich aus den Ausführungen des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 21.10.2020, AS 26-29).
Dass der BF über keine maßgeblichen privaten Beziehungen im Bundesgebiet verfügt und auch keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht aufweist, ist dem Umstand geschuldet, dass der BF erst seit (mindestens) 20.10.2020 im Bundesgebiet aufhältig war und eine Integration in der kurzen Zeit von einem Monat realistischerweise nicht möglich ist, zudem auch nicht vorgebracht bzw. urkundlich nachgewiesen wurde. Der Umstand, dass der BF kein Deutsch spricht, ergibt sich daraus, dass der BF befragt nach seinen Sprachkenntnissen ausschließlich Arabisch angeführt und dezidiert ausgeführt hat kein Deutsch zu sprechen (Protokoll vom 21.10.2020, AS 41).
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF lässt sich dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 26.11.2020 entnehmen.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Feststellung, dass der BF in Algerien weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde.
Der BF brachte vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge seiner Erstbefragung glaubhaft vor, Algerien verlassen zu haben, weil er in seiner Heimat keine Arbeit finde. So wie ihm gehe es allen in seiner großen Familie, keiner arbeite wirklich. Deshalb wolle er nach nach Frankreich zu Verwandten und dort als LKW-Fahrer oder als Landwirt arbeiten. (Protokoll vom 21.10.2020, AS 13).
Auch vor der belangten Behörde legte der BF ausschließlich dar, dass es in Algerien keine Arbeit gebe und er deshalb aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist sei. (Protokoll vom 16.10.2020, AS 41).
Bei einer weiteren Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.10.2020 hielt der BF seine im Rahmen der ersten Einvernahme getätigten Angaben weiter aufrecht, korrigierte seine Ausführungen jedoch dahingehend, dass er nicht Araber, sondern Berber sei (Protokoll vom 23.10.2020, AS 68). Als Berber habe er keine Rechte und gebe es Rassismus zwischen den Arabern und den Berbern (Protokoll vom 23.10.2020, AS 69).
Im Rahmen seiner Beschwerde verwies der rechtsfreundlich vertretene BF auf seine bisherigen Ausführungen und dabei insbesondere auf die schlechte Sicherheits- und Wirtschaftslage. Es könne davon ausgegangen werden, dass der BF in Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sei, in seinen Rechten nach Art 2 und Art 3 verletzt zu werden und eine Rückkehr daher unzumutbar sei (Beschwerde vom 19.11.2020, AS 179ff).
Zusammenfassend lässt sich daher jedenfalls festhalten, dass der BF Algerien in erster Linie verlassen hat, um in Europa Arbeit finden zu können, er sein Heimatland somit aus wirtschaftlichen Erwägungen verlassen hat.
Für das Bundesverwaltungsgericht besteht daher kein Grund, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln und entfaltet auch das Beschwerdevorbringen in Zusammenhang mit einer Bedrohung bzw. Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Berber keine Entscheidungsrelevanz. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass sich rund 15% der algerischen Bevölkerung der berberischen Volksgruppe zugehörig fühlt und das Zusammenleben mit der arabischen Mehrheitsbevölkerung durchaus von Spannungen geprägt ist. Allerdings erreichen diese - insbesondere unter Berücksichtigungen der Ausführungen in den Länderberichten - kein derartiges Ausmaß, dass sich daraus eine systematische Diskriminierung und Verfolgung von Berbern in Algerien schließen lässt.
2.4. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Algerien gilt als ein sicherer Herkunftsstaat.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Algerien und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht fußt sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von rund einem Monat haben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.
Auch wenn die angespannte wirtschaftliche Lage in Algerien durchaus nicht verkannt wird, steht es für das Bundesverwaltungsgericht nach Würdigung sämtlicher Umstände fest, dass Algerien ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist und dass dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen BF daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Algerien zurückkehrt. Das unsubstantiierte Vorbringen im Zuge der Beschwerde vermag dabei keine gegenteilige Ansicht zu erwirken.
Die COVID-19-Daten zu Algerien entstammen dem Dashboard der Website der WHO. In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation, welche im Zuge der Beschwerde ebenfalls vorgebracht wurde, gilt es anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Algerien davon betroffen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Algerien ist gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019, ein sicherer Herkunftsstaat.
Zu A)
I. Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, vermochte der BF im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen, sondern haben ihn wirtschaftliche Gründe zum Verlassen seines Herkunftsstaates bewogen.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2020, Ra 2020/14/0368).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie bereits dargelegt wurde, droht dem BF in Algerien keine asylrelevante Verfolgung.
Auch dafür, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der BF kann in Algerien Berufserfahrung als LKW-Fahrer vorweisen. Er ist gesund und arbeitsfähig, es ist daher davon auszugehen, dass er durch die (Wieder-)Aufnahme einer Beschäftigung in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt in Algerien sicherzustellen. Darüber hinaus leben seine Eltern und Geschwister (drei Schwestern und sechs Brüder), mit denen es keine Probleme gegeben hat, nach wie vor in Algerien und ist der BF bei einer Rückkehr daher auch nicht auf sich allein gestellt.
Damit ist der BF durch die Abschiebung nach Algerien nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, zumal die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können.
Dass der BF allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Algerien bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Algerien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Zumal auch im Zuge des Beschwerdevorbringens diesbezüglich nichts substantiiert ausgeführt wurde, fehlen hierfür im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem gilt Algerien als ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Algerien, die nahelegen würden, dass bezogen auf den BF ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Diesbezüglich vermag auch eine etwaige Reisewarnung keine gegenteilige Ansicht erwirken.
In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation gilt es nochmals anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Algerien davon betroffen ist. Selbst unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie erweist sich das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer allfälligen Erkrankung für den BF als einen gesunden, jungen Menschen ohne Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe als sehr gering.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
3.3.1. Rechtslage
Gemäß § 58 Abs 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG 2005). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
3.4.1. Rechtslage
Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Dabei hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Auf Grundlage des § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG – wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird – zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Nachdem der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen war, hat sich die belangte Behörde zutreffenderweise auf § 52 Abs 2 Z 2 FPG gestützt.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Punkt 3.3.2. ergaben sich auch keine Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre.
Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.
Dabei stellt die Aufenthaltsdauer für sich zunächst lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289) und der Aufenthalt des BF zudem auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage beruhte, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Der BF ist seit seiner illegalen Einreise (spätestens) am 20.10.2020, somit rund einen Monat, in Österreich aufhältig. Zwischen der Asylantragstellung am 20.10.2020 und der negativen Entscheidung seitens der belangten Behörde am 23.10.2020 ist lediglich eine halbe Woche vergangen.
Der BF führt kein Familienleben in Österreich. Auch private Anknüpfungspunkte haben sich im Verfahren nicht ergeben. Nennenswerte integrative Merkmale in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht liegen – schon ob der geringen Dauer des Aufenthaltes von rund einem Monat – nicht vor. Demgegenüber verfügt der BF in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, über sprachliche und kulturelle Verbindungen sowie auch über familiäre Anknüpfungspunkte.
Es sind bei einer Rückkehrentscheidung in weiterer Folge aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen. So sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaige wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0076). Im gegenständlichen Fall ist dahingehend keine besondere Vulnerabilität des BF hervorgekommen. Er wird bei einer Rückkehr durch seine Berufserfahrung in der Lage sein, sich ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.
Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF vermag seine Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht entscheidend zu verstärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt schwerer, als die nur schwach ausgeprägten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher – nach Abwägung der privaten mit den öffentlichen Interessen – nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der BF verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
3.5.1. Rechtslage
Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat Algerien gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen.
3.6. Zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. und VII. des angefochtenen Bescheides):
3.6.1 Rechtslage
Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt oder gemäß § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat. Sichere Herkunftsstaaten sind ua die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (§ 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG).
Nach § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG erfolgt ist.
3.6.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 23.10.2020 die aufschiebende Wirkung – zu Recht, wie unten auszuführen sein wird – aberkannt.
Algerien gilt gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat.
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des BF nach Algerien keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des BF und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG gegeben.
Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs 1a FPG sowie jedenfalls § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG zur Anwendung gebracht und erweist sich die Beschwerde daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich der Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Den Umfang der Verhandlungspflicht aufgrund dieser Bestimmung umschrieb der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, worin die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst wurden (vgl. zum grundrechtlichen Gesichtspunkt auch VfGH 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, betreffend die inhaltsgleiche Bestimmung des § 41 Abs 7 AsylG 2005): „Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf, zumal seit der negativen Entscheidung seitens der belangten Behörde und dem gegenständlichen Erkenntnis lediglich circa ein Monat verstrichen ist. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente, es wurde weiterhin auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Somit lagen weder strittige Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor, noch waren Beweise aufzunehmen.
Auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten ist gegenständlich selbst dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. B 25. Februar 2016, Ra 2016/21/0022; B 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0179; B 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0163) (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0007).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliche Interessen Pandemie Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung Selbsterhaltungsfähigkeit sicherer Herkunftsstaat soziale Verhältnisse Volksgruppenzugehörigkeit wirtschaftliche GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2237256.1.00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021