TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/28 I422 2237084-1

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Veröffentlicht am 28.11.2020
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Entscheidungsdatum

28.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8

Spruch

I422 2237084-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz UNTERASINGER, Radetzkystraße 8, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2020, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 27.10.2020 erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin, einer ägyptischen Staatsangehörigen, aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ über sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Ägypten fest (Spruchpunkt III.). Zugleich erließ die belangte Behörde über die Beschwerdeführerin ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren (Spruchpunkt IV.), gewährte ihr keine Frist für eine freiwillige Auseise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung zugleich die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte sie im Wesentlichen vor, dass die Ausführungen der Behörde, wonach die Beschwerdeführerin die Ehe ausschließlich zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangen sei, nicht der Wahrheit entspreche. Tatsächlich sei die Scheidung aus Lieb- und Interessenlosigkeit erfolgt. Somit liege kein Grund für die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe vor. Des Weiteren könne auch nicht von einer fehlenden Integration und einer mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang erweise sich das Ermittlungsverfahren als mangelhaft, zumal sich die belangte Behörde nicht mit der bisher erlangten Integration der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt habe. Der Bescheid sei somit rechtswidrig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ägyptische Staatsangehörige. Ihre Identität steht fest.

Die gesunde und erwerbsfähige Beschwerdeführerin wurde in Ägypten geboren, absolvierte dort ihre Schulausbildung und ihr Studium, dass sie mit dem Titel Bachelor für Philosophie abschloss. Zuletzt war die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat im Zeitraum April 1999 bis April 2017 in einem Unternehmen als „Spezialistin für Verwaltungsangelegenheiten“ beruflich tätig. Im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin leben ihre Eltern und ihre Geschwister.

Am 01.08.2016 heiratete die Beschwerdeführerin in Kairo einen österreichischen Staatsangehörigen. Am 09.04.2018 beantragte der Ex-Ehegatte beim Bezirksgericht XXXX die Aufhebung der Ehe. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 01.07.2020, zu XXXX wurde aufgrund von Zerrüttung die Ehe aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Aus der Beziehung entstammen keine Kinder.

Auf Grundlage eines von der Österreichischen Botschaft Kairo ausgestellten Visum D mit dem Gültigkeitszeitraum 04.02.2017 bis 03.06.2017 reiste die Beschwerdeführerin legal in das Bundesgebiet ein und hält sie sich seit den 29.04.2017 im Bundesgebiet auf, wobei sie am 08.05.2017 erstmals und seit dem Zeitpunkt durchgehend melderechtlich erfasst ist. Zunächst lebte die Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem (mittlerweile geschiedenen) Ehegatten in der Gemeinde XXXX und war sie bei ihm von 08.05.2017 bis 27.11.2017 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Am 18.10.2017 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Beschwerdeführerin und dem (nunmehr geschiedenen) Ehegatten zu der die Polizei gerufen wurde und sprachen die Polizeibeamten im Zuge dessen über den (nunmehr geschiedenen) Ehegatten ein Betretungsverbot über die eheliche Wohnung aus. In weiterer Folge kam die Beschwerdeführerin in einer Einrichtung des Vereins „XXXX“ unter und war sie dort im Zeitraum von 09.11.2017 bis 27.11.2017 mit Nebenwohnsitz und im Zeitraum von 27.11.2017 bis 03.04.2018 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Von 03.04.2018 bis 04.06.2020 war die Beschwerdeführerin mit Hauptwohnsitz in einer Privatunterkunft in XXXX und ist sie seit 04.06.2020 an einer privaten Adresse in XXXX melderechtlich erfasst.

Erstmals beantragte die Beschwerdeführerin am 23.10.2016 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Dieser wurde ihr von der Bezirkshauptmannschaft XXXX am 15.12.2016, zu Zl. XXXX befristet für die Dauer eines Jahres zuerkannt.

Mit Formularvordruck vom 27.11.2017 beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ und wurde ihr dieser durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX am 15.12.2017, zu Zl. XXXX befristet für die Dauer eines weiteren Jahres erteilt.

Mit Formularvordruck vom 30.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ und wurde ihr dieser durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX am 15.12.2018, zu Zl. XXXX befristet für die Dauer eines weiteren Jahres erteilt. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung führte die Beschwerdeführerin mit ihrem Ex-Ehegatten bereits kein Familienleben mehr.

Letztmalig beantragte die Beschwerdeführer mit Formularvordruck vom 11.12.2019 die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Eine Verlängerung erfolgte nicht.

In Österreich weist die Beschwerdeführerin keine familiären Anknüpfungspunkte auf. Ein Privatleben der Beschwerdeführerin ist im Bundesgebiet vorhanden. Von März 2018 bis Juni 2018 nahm die Beschwerdeführerin am Projekt „Basisbildung für Frauen mit digitalen Anwendungen“. Im Dezember 2018 besuchte die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet den Kurs „Zweitschriftlernerinnen“ und absolvierte am 25.01.2020 die Integrationsprüfung A1. Vom 25.11.2019 bis zum 17.12.2019 war die Beschwerdeführerin als Reinigungskraft in einem steirischen Einkaufszentrum tätig. Ein weiteres Beschäftigungsverhältnis im Bundesgebiet liegt nicht vor. Sie verfügt jedoch über eine Einstellungszusage als Küchengehilfin in einem XXXX Gastronomiebetrieb. Ihren Lebensunterhalt sichert sich die Beschwerdeführerin seit dem 06.04.2018 durch den Bezug bedarfsorientierter Mindestsicherung und ist es ihr gegenwärtig nicht aus eigenem Antrieb möglich sich ihre Existenz im Bundesgebiet zu sichern.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

Am 06.11.2020 erklärte sich die Beschwerdeführerin bereit freiwillig in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren und beantragte sie bei der Caritas eine freiwillige Rückkehrhilfe in Form einer finanziellen Starthilfe und der Übernahme der Reisekosten. Am 25.11.2020 reiste die Beschwerdeführerin freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Ägypten aus.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 27.10.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die Lage in Ägypten stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

Sicherheitslage:

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch. Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger. Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten. Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden. In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert. Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte. Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch. Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden. Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte. Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen. Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt. Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018“ gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel. Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben und zahlreiche weitere verletzt. Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre. Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können. Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan. Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai. Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden. Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden. Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt. Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt. Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen. Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen.

Frauen:

Die Verfassung verpflichtet den Staat die Gleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten, da Frauen in der ägyptischen Gesellschaft in einigen Bereichen schlechter gestellt sind als ihre männlichen Mitbürger und nicht die gleichen gesetzlichen Rechte und Chancen haben wie Männer. Gesetze und traditionelle Praktiken beeinträchtigten Frauen im Familien-, Sozial- und Wirtschaftsleben weiterhin. Frauen sehen sich auch weiterhin einer weit verbreiteten gesellschaftlichen Diskriminierung, Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit und Vorurteilen am Arbeitsplatz ausgesetzt, die ihren sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt behinderten. Frauen werden auch durch Einzelvorschriften des ägyptischen Rechts diskriminiert. Insbesondere im Familienrecht kommt es zu einer systematischen Ungleichheit und auch im islamischen Erbrecht sind diskriminierende Regelungen vorhanden. Gesellschaftlich ist ein konservatives Rollenbild vorherrschend. Im öffentlichen Leben sind Frauen präsent, aber deutlich unterrepräsentiert. Bei der Beurteilung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft ist nach der sozialen Stellung zu differenzieren. So sind die selbstbewusst und in angesehenen beruflichen Positionen oder öffentlichen Ämtern auftretenden Frauen in aller Regel Angehörige der Oberschicht. Sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt gehören weithin zur gesellschaftlichen Realität und werden oft nicht strafrechtlich verfolgt. Auch die gesetzlich verbotene Praxis der Genitalverstümmelung wird, trotz verschärfter Strafen, weiterhin von weiten Teilen der Bevölkerung und unabhängig von der Religionszugehörigkeit praktiziert.

Sexuelle Belästigung bleibt weit verbreitet und bleibt ein ernstes Problem. Die Behörden unternahmen begrenzt Schritte, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung hat die Bemühungen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung priorisiert. Laut einer Studie von UN Women von 2013 waren 99,3 % der befragten ägyptischen Frauen sexuellen Belästigungen und/oder Übergriffen ausgesetzt, insbesondere im familiären Umfeld. Strafvorschriften zur sexuellen Gewalt sind unzureichend und diskriminierend gegenüber Frauen und erschweren die juristische Aufarbeitung. Es besteht kein effektiver staatlicher Schutz vor sexueller Gewalt; selbst wenn es zu Verurteilungen kommt, bleiben Opfer oft lebenslänglich sozial stigmatisiert. Dem Problem der verbreiteten sexuellen Gewalt wird vorherrschend durch Wegsehen und Verschweigen begegnet. NGOs, die sich für die Rechte von Frauen und Gewaltopfern einsetzen, bemängeln das Fehlen einer Strategie der Regierung, sich dem Problem von Gewalt und Diskriminierung anzunehmen. Die Regierung hat es verabsäumt, Frauen und Mädchen angemessen vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen und sie in einigen Fällen sogar bestraft, weil sie sich zu diesem Thema geäußert haben. Andere Frauenrechtsgruppen und Frauenrechtsaktivistinnen stehen weiterhin vor Gericht wegen ihres Frauenrechtsaktivismus. Der Prozess der offiziellen Meldung sexueller Belästigung blieb für weibliche Überlebende äußerst anstrengend. Staatliche Institutionen, einschließlich Staatsanwälte und Polizeistationen, haben es verabsäumt, die Privatsphäre der Überlebenden zu respektieren; ein Mangel, der in der Vergangenheit zu Repressalien gegen Überlebende geführt hat. In einem seltenen Fall, im September 2018, verurteilte ein Gericht einen Mann zu zwei Jahren Gefängnis, weil er zwei Frauen sexuell belästigt hatte. Die Behörden haben jedoch auch zwei Frauen verfolgt, die sich gegen sexuelle Belästigung gewehrt haben.

Genitalverstümmelung ist ein ernstes Problem und ein weit verbreitetes Phänomen, auch wenn die Praxis seit 2008 illegal und rechtlich verboten ist. Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren Haft. Einem Bericht von UNICEF aus dem Jahr 2016 zufolge befindet sich Ägypten unter den Ländern mit der höchsten FGM-Rate. Eine Umfrage der Regierung von 2015 schätzt, dass 87 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren betroffen sind, im Vergleich zu 91 % im Jahr 2008. Die Anzahl der beschnittenen Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren ist von 74 % auf 61 % gesunken. FGM wird angewandt, um die Reinheit der Frau und Ehre der Familie zu bewahren. Familien aus bestimmten sozialen Schichten berichten, dass Töchter ohne FGM kaum Aussichten haben, einen Ehemann zu finden. Die Praxis ist in allen sozialen Schichten und Religionen verbreitet, besonders in den ländlichen Gegenden Oberägyptens. Im Durchschnitt wird der Eingriff im Alter von zehn Jahren durchgeführt. Im Feber 2018 haben sich 12 zivilgesellschaftliche Organisationen zur Task Force gegen FGM zusammengeschlossen. Im Mai 2018 gab die Task Force zur Bekämpfung von Genitalverstümmelung eine Erklärung heraus, in der sie die äußerst laschen Bemühungen zur Förderung der nationalen Strategie gegen Genitalverstümmelung (2016-2020) und den unzureichenden Schutz von Leben und Gesundheit von Mädchen verurteilte. Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Diese wird mit einer Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft. Das Gesetz wird jedoch nicht effektiv umgesetzt. Vergewaltigung in der Ehe ist nicht strafbar. Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem. Das Gesetz verbietet nicht häusliche Gewalt oder Missbrauch durch den Ehegatten. Mehrere NGOs boten Beratung, Rechtshilfe und andere Dienstleistungen für Frauen an, die Opfer von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt waren. Das Ministerium für soziale Solidarität unterstützte neun Frauenhäuser.

Keine Gesetze beschränkten die Teilnahme von Frauen und Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess. Sowohl Frauen als auch Minderheiten nahmen an diesem teil. Frauen führten vier Kabinettsministerien. Jedoch gehörten keine Frauen zu den ernannten Gouverneuren der 27 Regierungsbezirke.

Zur Rückkehr:

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 29.06.2020, in bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Eingeholt wurden zudem Auszüge aus dem Strafregister der Republik Österreich, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Einsicht genommen wurde außerdem in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellung zur Person der Beschwerdeführerin, insbesondere ihrer Volljährigkeit und ihrer Staatsangehörigkeit ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie ihres ägyptischen Reisepasses. Aus diesem resultiert auch die Identität der Beschwerdeführerin.

In ihrer Stellungnahme vom 29.06.2020 bestätigte die Beschwerdeführerin, dass sie gesund ist. In Zusammenschau mit ihrem Alter und ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit resultiert daraus die Feststellung, dass die erwerbsfähig ist. Dass die Beschwerdeführerin in Ägypten geboren ist, sie dort ihre Schulausbildung und ihr Studium absolvierte ergeben sich einerseits aus dem Angaben der Beschwerdeführerin im Administrativverfahren und lässt sich dies andererseits auch aus einer im Verwaltungsakt einliegenden und beglaubigten Übersetzung einer Bescheinigung der Universität entnehmen. Zum Nachweis ihrer beruflichen Tätigkeit im Herkunftsstaat legte die Beschwerdeführerin mit dem Beschwerdeschriftsatz eine Arbeitsbestätigung ihres ehemaligen Arbeitgebers und zwei ägyptische Fortbildungsbescheinigungen aus 2009 und 2015 vor. In ihrer Stellungnahme vom 29.06.2020 verwies die Beschwerdeführerin, dass ihre Eltern und ihre Geschwister nach wie vor in Ägypten leben.

Dass die Beschwerdeführerin am 01.08.2016 in Kairo einen österreichischen Staatsangehörigen heiratete, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Originalehevertrages sowie dessen beglaubigte deutsche Übersetzung. Die Auflösung der Ehe durch Scheidung und die Gründe hiefür, sind durch das sich im Verwaltungsakt einliegende Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 01.07.2020, zu XXXX belegt. Dass aus der Beziehung keine Kinder entstammen ist den Angaben der Beschwerdeführerin zu entnehmen.

Die legale Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet mittels Visum D und ihr seither bestehender durchgehender Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich einerseits aus dem sich im Reisepass (und in Kopie im Verwaltungsakt) befindlichen Visum und Einreisestempel des Flughafen Wien-Schwechat sowie andererseits aus den Auszügen des IZR und des ZMR. Die Feststellungen zu den melderechtlichen Erfassungen und den Wohnsitznahmen der Beschwerdeführerin sind durch einen Auszug des ZMR belegt. Zudem liegt im Verwaltungsakt ein von der Beschwerdeführerin abgeschlossener Mietvertrag ein. Aus einem Bericht des Bezirkspolizeikommandos XXXX vom 18.10.2017 basiert die Feststellung zum ausgesprochenen Betretungsverbot.

Die Feststellungen zum erteilten Aufenthaltstitel und dessen mehrfachen Verlängerungen ergeben sich einerseits aus den sich im Verwaltungsakt einliegenden Anträgen und Kopien der Aufenthaltstitel sowie der Einsichtnahme in das IZR. Dass zum Zeitpunkt ihres Verlängerungsantrages vom 30.10.2018 und auch vom 11.12.2019 kein Familienleben mehr mit ihrem Ex-Ehegatten bestand, gründet auf einem im Verwaltungsakt einliegenden Aktenvermerk der NAG-Behörde vom 30.10.2018, demzufolge die Beschwerdeführerin bei der Antragsstellung angegeben hat, dass sie zwar nicht geschieden sei, sie aber mit ihrem Mann nicht mehr zusammenlebe und es Probleme gebe. Zudem ergibt sich aus der Einsichtnahme in das ZMR, dass zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerer Zeit kein gemeinsamer Wohnsitz mehr bestand.

Dass die Beschwerdeführerin familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet hätte, wurde im Administrativverfahren nicht vorgebracht und ergaben sich hierfür auch keinerlei Anhaltspunkte. Das Bestehen eines Privatlebens im Bundesgebiet ergibt sich bereits aus der rund dreieinhalbjährigen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet. Ihr Besuch des Projekts „Basisbildung für Frauen mit digitalen Anwendungen“ und des Kurses „Zweitschriftlernerinnen“ ergeben sich aus den mit dem Beschwerdeschriftsatz vorgelegten Teilnahmebestätigungen. Aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie der absolvierten Integrationsprüfung A1 ist deren Absolvierung belegt. Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit im Bundesgebiet ergeben sich einerseits aus dem im Administrativverfahren vorgelegten Kopie ihres Arbeitsvertrages sowie der Kopie der einvernehmlichen Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses innerhalb des Probemonats sowie aus einem aktuellen Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger. Im Zuge ihrer Stellungnahme vom 29.06.2020 legte die Beschwerdeführerin die Kopie einer Einstellungszusage vor. Aus einem sich im Verwaltungsakt einliegenden Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 10.03.2020 sowie einem Bescheid der der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 31.01.2020 und den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin vor der NAG-Behörde vom 30.10.2018 resultiert die Feststellung, dass sie sich ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet seit 06.04.2018 durch den Bezug bedarfsorientierter Mindestsicherung abdeckt. Dass ihr gegenwärtig die Sicherung ihrer Existenz im Bundesgebiet nicht aus eigenem Antrieb möglich ist, bestätigte sich zuletzt auch aus ihren Angaben vor der Caritas, wonach sie über keine Eigenmittel verfüge, sie sich selbst als nicht selbsterhaltungsfähig bezeichne und sie ihren Lebensunterhalt durch die Unterstützung von Bekannten absichere.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit basiert auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellung zur freiwilligen Rückkehr in ihren Herkunftsstaat und die Beantragung einer freiwilligen Rückkehrhilfe ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden diesbezüglichen Antragsformular sowie einer Ausreisebestätigung durch das IOM.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellsten Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten (24.07.2019) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der verwendeten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Beschwerdeführerin trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von rund einem Monat ergeben sich keine wesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zur Rechtslage:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG hat das Bundesamt über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen

3.1.2. Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt verwirklicht hätte, bei der ihr ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist die Beschwerdeführerin Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen den ersten Teil des Spruchpunktes I. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Zur Rechtslage:

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Ebenso sieht die Bestimmung des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG vor, dass das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen hat mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung steht unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 1 BFA-VG, wonach dann, wenn durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, deren Erlassung (nur) zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles (insbesondere die Aufenthaltsdauer; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration des Fremden; die Bindungen zum Heimatstaat; die strafgerichtliche Unbescholtenheit; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; und ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.) eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362).

3.2.2. Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Nachdem sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und ihr ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen ist, hat sich die belangte Behörde zu Recht auf die Grundlage des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.

Die legale Einreise der Beschwerdeführerin erfolgte am 29.04.2017 und resultiert daraus eine Aufenthaltsdauer von rund dreieinhalb Jahren. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt allerdings lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin fußte zunächst auf einer Aufenthaltsberechtigung „Familienangehöriger“, die von der Niederlassungsbehörde mehrfach verlängert wurde und war somit rechtmäßig. Mangels Verlängerung ihres letztmaligen Antrages im Dezember 2019 wurde ihr Aufenthalt im Bundesgebiet zuletzt unrechtmäßig. Auf dieser Grundlage durfte die Beschwerdeführerin während der gesamten Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen, dass sie sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Hinzu kommt, dass es sich bei einer Aufenthaltsdauer im Bereich von drei Jahren jedenfalls um eine „außergewöhnliche Konstellation“ handeln muss, um die Voraussetzungen für die Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 MRK“ zur Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienlebens gemäß § 55 AsylG zu erfüllen (vgl. VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0306). Die Beschwerdeführerin verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte, allerdings ergibt sich aus ihrer rund dreieinhalbjährigen Aufenthaltsdauer zweifelsfrei ein Privatleben im Bundesgebiet. Hinweise für das Vorliegen enger privater Beziehungen oder besonderer persönlicher Bindungen ergaben sich nicht und wurden von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Zudem erschöpfen sich ihre integrativen Bemühungen in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht in ein für die Dauer ihres Aufenthaltes überschaubares Maß. So wies die Beschwerdeführerin für das Jahr 2018 den Besuch des Projekts „Basisbildung für Frauen mit digitalen Anwendungen“ und den Kurs „Zweitschriftlernerinnen“ nach und absolvierte sie Anfang des Jahres 2020 die Integrationsprüfung A1. Ihre berufliche Anbindung im Bundesgebiet ist mit ihrer Beschäftigung vom 25.11.2019 bis zum 17.12.2019 ebenso äußerst gering und wird dahingehend auch nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin ihren Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem 06.04.2018 aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung finanzierte. Nicht unberücksichtigt bleibt in diesem Zusammenhang die vorliegende Einstellungszusage als Küchengehilfin. Allerdings ist diese Einstellungszusage an das Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis geknüpft. Des Weiteren fehlt es der Einstellungszusage an den wesentlichen Grundbedingungen wie Ausmaß der Beschäftigung (Vollzeit oder Teilzeit) und Höhe der Entlohnung. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich aus einer Einstellungszusage allein (bzw. nach Ablauf der Probezeit) noch kein Recht auf eine (Weiter)Beschäftigung der Beschwerdeführerin ableiten lässt (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0035, 25.04.2019, Ra 2019/22/0058). Weitere Anhaltspunkte für eine Integration der Beschwerdeführerin ergaben sich nicht und kann im gegenständlichen Fall somit das Vorliegen einer „außergewöhnlichen Konstellation“ nicht bejaht werden.

Hingegen kann nach wie vor vom Bestehen von Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Herkunftsstaat Ägypten ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin wurde in Ägypten geboren, wuchs dort auf und verbrachte dort bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2017 den Großteil ihres bisherigen Lebens. Sie spricht nach wie vor die Landessprache Arabisch und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der Landeskultur vertraut. Sie hat in Ägypten Philosophie studiert und arbeitete bis zur ihrer Ausreise über mehrere Jahre als Verwaltungsspezialistin in einem Unternehmen. Es liegen daher keine Anhaltspunkte vor, dass es der Beschwerdeführerin als gesunde, gebildete, arbeitsfähige und arbeitswillige Frau nicht möglich wäre, ihren Lebensunterhalt in Ägypten durch die (Wieder)Aufnahme einer Beschäftigung aus eigener Kraft zu bestreiten. Hinzu kommt, dass ihre Eltern und Geschwister in Ägypten leben.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die Beschwerdeführerin erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet beispielsweise durch ihre illegale Einreise, durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages oder durch einen unrechtmäßigen Verbleib im Bundesgebiet erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde. In diesem Zusammenhang wird auf den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, verwiesen (vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007 bzw. nimmt zu dieser Entscheidung auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010 Bezug und erklärt in diesem Zusammenhang explizit, dass „eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.“).

Hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ist auszuführen, dass dies nach der höchstgerichtlichen Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt, da es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Den nicht gewichtigen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062; 20.12.2012, 2011/23/0480), weshalb dieses schwerer wiegt als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.

Bei der im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung folglich die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in ihr Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Zur Rechtslage:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Dafür, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Die Beschwerdeführerin ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig. Sie weist eine Hochschulbildung und eine mehrjährige Berufserfahrung im Verwaltungsbereich auf. Aufgrund ihrer bisherigen Arbeitserfahrung und ihrer Kenntnis der Landessprache hat die Beschwerdeführerin eine Chance am ägyptischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Es liegen daher keine Anhaltspunkte vor, dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich wäre, ihren Lebensunterhalt in Ägypten aus eigener Kraft zu bestreiten.

Zudem kann sie sich der Unterstützung ihrer in Ägypten lebenden Familienangehörigen bedienen. Im Übrigen signalisierte die Beschwerdeführerin eine freiwillige Ausreise und die die Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe.

Im Übrigen besteht in Ägypten derzeit ganz allgemein keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Ägypten, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Damit ist die Beschwerdeführerin durch die Abschiebung nach Ägypten nicht in ihrem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil ihr die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Beschwerdeführerin allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation in Ägypten bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, sie würde in Ägypten keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

In Zusammenhang mit der gegenwärtigen COVID-19-Situation gilt anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt und demzufolge sowohl Österreich als auch Ägypten davon betroffen ist. Selbst unter Berücksichtigung der COVID-19-Situation erweist sich das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer allfälligen Erkrankung für die Beschwerdeführerin als eine gesunde Frau ohne Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe als gering.

Im vorliegenden Fall ist somit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin im Falle der Abschiebung nach Ägypten ein über die bloße Möglichkeit hinausgehendes "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßende Behandlung droht. Substantiierte Gründe, die gegen eine Rückkehr ihrer Person nach Ägypten sprechen würden, hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde auch nicht geltend gemacht.

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da der Beschwerdeführerin keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Ägypten erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher weiters insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.

3.4. Zur Verhängung eines Einreiseverbots (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1 Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 2 Z 8 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.

Der mit „Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption“ betitelte § 30 Abs. 1 NAG lautet: Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.

3.4.2 Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Die belangte Behörde begründete das Einreiseverbot damit, dass die Beschwerdeführerin die Ehe lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossen habe und verwies im Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides, dass dies auch im Scheidungsurteil des Bezirksgerichtes XXXX festgestellt worden sei.

Dahingehend ist der Beschwerde beizutreten, dass sich eine derartige Feststellung nicht richtig ist. Bei den diesbezüglichen Ausführungen im Scheidungsurteil – wonach die Beschwerdeführerin ihren Ex-Ehegatten lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels geheiratet habe – handelt es sich um ein Vorbringen des Ex-Ehegatten im Scheidungsverfahren um dadurch ein alleiniges Verschulden der Beschwerdeführerin an der Scheidung zu begründen. Die Feststellung des Vorliegens einer Aufenthaltsehe wurde im Scheidungsurteil nicht getroffen. Vielmehr lauteten die Feststellungen im Scheidungsurteil dahingehend, dass beide Streitteile das gleichteilige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anerkennen und hätten beide ein liebloses und interessenloses Verhalten an den Tag gelegt.

Allerdings erfüllt die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall den Tatbestand der Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 Abs. 1 NAG 2005. Dieser ist unter anderem dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG 2005 nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des VwG kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK (mehr) geführt wird (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0020).

Der Begriff des in Art. 8 MRK geschützten Familienlebens umfasst jedenfalls das Verhältnis zwischen Ehepartnern, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Ehepartner tatsächlich zusammenleben (Hinweis E vom 24. November 2000, 2000/19/0126). Beziehungen, die sich aus einer rechtmäßigen Eheschließung ergeben, sind auch dann von Art. 8 MRK erfasst, wenn bestimmte Elemente eines typischen Familienlebens, wie z.B. eine gemeinsame Wohnung, (noch) nicht vorhanden sind (Hinweis Grabenwarter, EMRK4, 204 mwN, vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0020).

Beruft man sich nach Auflösung des gemeinsamen Familienlebens für die Erteilung eines beantragten Aufenthaltstitels (zum Zweck der Familiengemeinschaft mit dem Ehemann/der Ehefrau) auf eine Ehe, wird der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 erfüllt. Es liegt der absolute Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG 2005 vor. In einem solchen Fall ist eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG 2005 (Art. 8 MRK) nicht vorzunehmen (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0020).

Bereits ein halbes Jahr nach ihrer Einreise nach Österreich wurde die Polizei wegen einer Auseinandersetzung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ex-Ehegatten in die eheliche Wohnung gerufen und wurde die eheliche Wohnung in Folge aufgelöst. Die Beschwerdeführerin lebte (spätestens) ab 27.11.2017 getrennt von ihrem Ex-Ehegatten und reichte dieser am 09.04.2018 die Scheidung ein. Trotz des Wissens um die Auflösung des gemeinsamen Familienlebens und der vom Ex-Ehegatten eingereichten Scheidung beantragte die Beschwerdeführerin am 30.10.2018 die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels als „Familienangehöriger“ und führte sie dabei bereits vor der NAG-Behörde aus, dass sie Probleme mit ihrem (Ex)-Ehegatten habe und nicht mehr mit ihm zusammenlebe. Erneut beantragte sie am 11.12.2019 die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels, wohlwissentlich, dass zu diesem Zeitpunkt seit längerem kein Familienleben mit ihrem Ex-Ehegatten mehr bestand.

Die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ist angesichts der mehrfachen Antragsstellung der Beschwerdeführerin auf Aufenthaltsverlängerung trotz Wissens über das Nichtbestehen eines aufrechten Familienlebens erfüllt.

Zu prüfen ist des Weiteren, ob aufgrund des bisherigen (Fehl-)Verhaltens der Beschwerdeführerin davon auszugehen ist, dass durch ihren weiteren Aufenthalt eine maßgebliche Störung der in § 53 Abs. 2 FPG genannten Interessen (die öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen) zu gewärtigen ist. Zuletzt bestätigte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.07.2020, Ra 2019/21/0247, dass das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, also wenn mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK nicht geführt und sich trotzdem (u.a.) für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen wird, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es bestehen keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken dagegen, dass das Gesetz bei den Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes im § 53 Abs. 2 Z 8 FrPolG 2005 nicht auf das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Bestrafung des Fremden wegen Beteiligung am Eingehen einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 oder 2 iVm Abs. 4 FrPolG 2005 abstellt, sondern nur auf das in der erstgenannten Bestimmung umschriebene Verhalten. Die Behörde ist daher befugt, das Vorliegen eines solchen Verhaltens selbständig zu prüfen und auf Basis entsprechender Feststellungen ein Einreiseverbot zu erlassen (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Die Beurteilung, ob der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (hier: § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005), erfordert im jeweiligen Einzelfall eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. §§ 9 Abs. 2 Z 2 und 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FrPolG 2005). Bei dieser Einzelfallprüfung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar (vgl. VwGH 07.10.2020, Ra 2019/20/0358).

Zu Lasten der Beschwerdeführerin ist im gegenständlichen Fall insbesondere zu berücksichtigen, dass sie bei den letzten beiden Verlängerungsanträgen wusste, dass sie im Zeitpunkt der Antragsstellungen kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK mehr führte. Es war ihr somit bewusst, dass sie sich durch ihr Verhalten einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erschleicht und sie so ihren Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig verlängert.

Im Hinblick auf die zu treffende Gefährdungsprognose zeigt sich somit für das Bundesverwaltungsgericht, dass das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin und deren Persönlichkeitsbild von einer weitreichenden Missachtung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geprägt sind. Die Beschwerdeführerin hat sich dadurch nicht nur ihren Aufenthalt im Bundesgebiet erschlichen, sondern lässt sich auch durch ihre mehrfachen Verlängerungsanträge offenbar nicht davon abhalten, sich weiterhin auf diese Ehe bzw. das nicht mehr geführte Familienleben zu berufen, um sich unberechtigte fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen. Im gegenständlichen Fall kommt erschwerend hinzu, dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich war, sich ihren Lebensunterhalt aus eigenem Antrieb heraus zu sichern und finanzierte sie sich ihren Aufenthalt im Bundesgebiet ab April 2018 aus den Mitteln der öffentlichen Hand. Ihr Gesamtverhalten begründet somit eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, welche ein Einreiseverbot dem Grunde nach zu rechtfertigen vermag.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind in einem Verfahren betreffend die Verhängung eines Einreiseverbots insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich zu prüfen (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Wie bereits zuvor in den Ausführungen zur Rückkehrentscheidung unter Punkt 3.2.2 ausführlich dargestellt, liegen kein Familienleben und lediglich ein wenig ausgebildetes Privatleben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet vor. Infolgedessen schlägt die Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an ihrer Ausreise aufgrund ihres Fehlverhaltens und ihrer mangelnden Bereitschaft die rechtsstaatlichen Regeln zu befolgen, zuungunsten der Beschwerdeführerin und zugunsten des öffentlichen Interesses an ihrer Außerlandesschaffung aus. Ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin durch die Erlassung eines Einreiseverbotes kann daher als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden. Für die belangte Behörde bestand daher kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 53 Abs. 1 FPG (arg: "kann") von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen.

Im Hinblick auf die Befristung des Einreiseverbotes erweist sich die von der belangten Behörde verhängte Höchstdauer des Einreiseverbotes von fünf Jahren als nicht verhältnismäßig und erforderlich. Es wirken sich zwar das Gesamtverhalten, insbesondere die mehrfache Verlängerung ihres Aufenthaltstitels trotz fehlendem Familienleben, die Sicherung ihres Lebensunterhaltes durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung und das gering ausgeprägte Privatleben der Beschwerdeführerin für die Erlassung eines langfristigen Einreiseverbots aus. Demgegenüber sprechen die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin; der Umstand, dass die Ehe aus zwischenmenschlichen Gründen scheiterte und im Juli 2020 geschieden wurde und die Beschwerdeführerin dies der NAG-Behörde auch von sich aus kommunizierte und die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin zuletzt auch freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreiste, gegen die von der belangten Behörde ausgesprochene Dauer von fünf Jahre, weshalb das Einreiseverbot auf die Dauer von zwei Jahre zu reduzieren war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zur Zuerkennung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Zugleich mit einer Rückkehrentscheidung wird gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, die grundsätzlich 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids beträgt, wenn nicht der Betroffene besondere Umstände nachweist, die eine längere Frist erforderlich machen. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG ist von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil „die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist“.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Mit Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil „die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist ".

Umseits unter Punkt 3.4.2 (Einreiseverbot) wurde bereits ausgeführt, dass einem weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich angesichts dessen bisherigen Fehlverhaltens und der negativen Zukunftsprognose das überwiegende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens entgegensteht, welchem im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zukommt.

Unter diesem Aspekt hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid somit zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Wie zuvor in den Ausführungen zur Abschiebung unter Punkt 3.3.2 bereits erläutert, besteht bei der Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Ägypten keine Gefahr, dass ihr die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten (siehe Punkt 3.2.2, Rückkehrentscheidung). Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen der Beschwerdeführerin und jenen Österreichs ergibt, wie umseits bereits ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides.

Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG lagen somit nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200), stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihr einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0068, Rn. 12).

Da für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind und sich insbesondere aus den Ausführungen der Beschwerde auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit der Beschwerdeführerin zu erörtern, wurde von einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das Bundesverwaltungsgericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Einreiseverbotes bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0020; ua.) auseinander.

Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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