TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/19 95/20/0769

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §3;

Betreff

Der Verwaltunsgsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1995, Zl. 4.328.328/12-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 15. August 1991 in das Bundesgebiet ein. Mit schriftlichem Asylantrag vom 22. August 1991 beantragte er, ihm Asyl zu gewähren, und begründete dies wie folgt:

"Als Angehöriger der in der Türkei lebenden kurdischen Minderheit habe ich in einem kleinen Dorf namens Kigi mit meiner Familie gewohnt. Als Angehöriger des kurdischen Volkes wurde ich immer wieder von der türkischen Militärpolizei beobachtet und auch zu Verhören geladen, da man mir vorwarf, mit den in den Bergen kämpfenden Kurden Verbindung zu haben bzw. diese mit Lebensmittel etc. zu unterstützen. In unserem Ort, der nur von Kurden bewohnt ist, bestand auch ab 21 Uhr eine Ausgangssperre und wurde ab diesem Zeitpunkt das Licht ausgeschaltet. In unserem Dorf war ständig türkisches Militär stationiert. Sobald Auseinandersetzungen und Kämpfe mit den in den Bergen lebenden Kurden stattfanden, wurden sowohl ich als auch andere Dorfbewohner neuerlich der Zusammenarbeit mit diesen Kurden verdächtigt. In diesem Zusammenhang wurde ich wiederholt bei Einvernahmen von türkischem Militär auf die Fußsohlen, aber auch an anderen Körperstellen geschlagen. Wegen dieser ständigen Verfolgungen, die ich nicht mehr ausgehalten habe, verließ ich im August 1989 meinen Heimatort und zog vorübergehend nach Istanbul. Obwohl in Istanbul keine direkten Verfolgungen stattfanden, konnte ich auch dort nicht länger leben, da ich keine Arbeit finden konnte, sobald es bekannt wurde, daß ich Kurde bin."

Anläßlich seiner am 13. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien durchgeführte niederschriftliche Befragung, verwies er zunächst auf die im schriftlichen Asylantrag gemachten Angaben und fügte auf näheres Befragen folgendes an:

"Ich war in der Türkei niemals bei einer Partei oder politischen Gruppierung. Obwohl ich keinerlei Anlaß dazu bot, wurde ich von türkischen Soldaten wiederholt gedemütigt und beschimpft. Aufgefordert, eine zusammenhängende Darstellung meiner Verfolgungshandlungen, wie etwa Inhaftierungen, Anhaltungen und Hausdurchsuchungen zu geben, führe ich aus:

Meine erste Festnahme erfolgte, als ich noch jugendlich war. Über den Grund kann ich keine näheren Angaben machen. Jedenfalls war ich bis 1985 etwa zehn- bis fünfzehnmal in Gewahrsam der Polizei. Meine letzte Anhaltung und Festnahme erfolgte etwa im Frühling 1985. Ich wurde im Dorf Osmanusagi auf offener Straße von Gendarmeriesoldaten, das sind Präsenzdiener, die der Gendarmerieeinheit zugeteilt wurden, angehalten. Dann wurde ich zur Gendarmeriestation Adakli-Kigi gebracht. Die Beamten warfen mir die Unterstützung der PKK-Kämpfer vor. Ich erhielt einige Schläge und konnte nach drei Stunden die Gendarmeriestation verlassen.

Einen direkten Anlaßfall für meine Ausreise aus der Türkei gab es nicht. Der Grund meiner Ausreise aus der Türkei liegt darin, daß ich weder in Istanbul noch in Kigi und Umgebung Arbeit finden konnte.

Wenn mir vorgehalten wird, daß ich auf Seite 3 der vorliegenden Niederschrift angab, Kellner in Istanbul gewesen zu sein und ein monatliches Einkommen von 300.000,-- türk. Lira bezog, so gebe ich an, daß der Cafeinhaber ein Freund von mir war und mich unangemeldet beschäftigte."

Mit (Formular-)Bescheid vom 9. Dezember 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. Eine Auseinandersetzung mit den von ihm geltend gemachten Fluchtgründen erfolgte nicht. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen Begründungsmängel sowie unrichtige rechtliche Beurteilung seiner Angaben geltend, führte jedoch keine von seinen Angaben in erster Instanz abweichenden Umstände an.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Begründend führte sie im wesentlichen aus, den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Festnahmen bzw. Übergriffen durch Behördenangehörige seines Heimatlandes fehle im Hinblick auf seine erst im Jahr 1991 erfolgte Flucht der zeitliche Zusammenhang. Seinen Angaben sei auch zu entnehmen gewesen, daß er während seines Aufenthaltes in Istanbul unbehelligt geblieben sei. Der in der Berufung aufgestellten Behauptung, er habe "in nächster Zeit" mit seiner Einberufung zur Militärdienstleistung zu rechnen gehabt, antwortete die belangte Behörde, die Einberufung zur Militärdienstleistung stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG 1991 dar, weil die Militärdienstpflicht und deren Sicherstellung durch Strafandrohung eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme eines jeden Staates darstelle. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl. 94/20/0515-8, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Anwendung der Rechtslage vor der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994, betreffend die Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde. Von der belangten Behörde mit Manuduktionsschreiben vom 20. September 1995 eingeräumten Möglichkeit zur Ergänzung der Berufung im Sinne des aufhebenden Erkenntnisses machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab und verwies begründend auf die in ihrem Bescheid vom 20. Dezember 1993 enthaltene Sachverhaltsdarstellung und rechtliche Beurteilung und erhob sie "vollinhaltlich" zum Inhalt auch des gegenständlichen Bescheides.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides sei nicht ersichtlich, von welchem Bescheid "der Sicherheitsdirektion" die Rede sei, weil weder Datum noch Geschäftszahl noch das Datum der abgewiesenen Berufung dem Spruch zu entnehmen gewesen sei. Dies sei umso mehr gesetzwidrig, als bei der Sicherheitsdirektion Wien ein weiteres Asylverfahren zur Zl. IV-83.049-AF/91, betreffend seine Berufung vom 23. Dezember 1991, anhängig (gewesen) sei. Daher sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, welche Berufung gegen welchen Bescheid der Sicherheitsdirektion abgewiesen worden sei. Dieses Vorbringen ist nicht nachzuvollziehen, da zunächst einmal dem angefochtenen Bescheid zwar nicht im Spruch, aber im zweiten Absatz der Begründung eindeutig zu entnehmen ist, welcher Bescheid der Sicherheitsdirektion Gegenstand des Spruches der belangten Behörde gewesen ist. Zudem ist die in der Beschwerde angeführte Zahl des Aktes der Sicherheitsdirektion Wien identisch mit jenem des hier gegenständlichen Asylverfahrens. Auch die Berufung vom 23. Dezember 1991 betrifft das gegenständliche Verfahren. Für ein "weiteres" Asylverfahren betreffend den Beschwerdeführer sind aus den vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es entspricht der ständigen Judikatur, daß ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde als ganzes zu beurteilen ist und die Bescheidbegründung zur Auslegung dort heranzuziehen ist, wo der Spruch für sich allein allenfalls die gebotene Deutlichkeit vermissen läßt, was auch im vorliegenden Fall Klarheit geschafft hätte.

Im übrigen hegte der Beschwerdeführer selbst keine Zweifel an der Identität des erstinstanzlichen Bescheides anläßlich der Erhebung der (1.) Beschwerde gegen den (gleichfalls abweisenden) Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1993.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer lediglich geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, Widersprüche zwischen seinen Angaben in seinem schriftlichen Asylantrag und seiner niederschriftlichen Befragung einer näheren Klärung und Überprüfung zuzuführen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, durch entsprechende Fragen auf eine Klärung der Ungereimtheiten hinzuwirken. Sie wäre auch auf Grund der im Verwaltungsverfahren geltenden Offizialmaxime dazu verpflichtet gewesen. Hätte die belangte Behörde bei hinreichender Klärung des Sachverhaltes entsprechende Beweisaufnahmen angestellt, und konkrete Fragen an ihn gerichtet, hätte sich herausgestellt, daß er tatsächlich in seiner Heimat konkreten politischen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Damit geht der Beschwerdeführer auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommenen Begründungselemente des Bescheides vom 20. Dezember 1993 nicht ein, daß nämlich den vom Beschwerdeführer dargestellten Vorfällen der zeitliche Zusammenhang zu seiner Flucht gefehlt habe. Auch auf die weitere Argumentation der belangten Behörde, die sich sowohl im Hinblick auf die mangelnde Asylrelevanz der allgemeinen Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers, der behaupteten Arbeitslosigkeit sowie die rechtliche Würdigung des Vorliegens einer "inländischen Fluchtalternative" auf dem Boden der Rechtslage befindet, geht der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht ein. "Widersprüche", die Gegenstand einer Klärung oder weiteren Befragung des Beschwerdeführers hätten sein müssen, wurde von der Behörde überhaupt nicht aufgezeigt und sind auch aus den oben wörtlich wiedergegebenen Darstellungen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Die Verwaltungsbehörde hat die Abweisung des Asylbegehrens nicht mit der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers (zurückzuführen auf Widersprüche, deren Klärung unterblieben sind), sondern darauf gestützt, daß die von ihm geltend gemachten, glaubwürdigen Angaben im Rahmen der rechtlichen Überprüfung zur "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht ausgereicht haben. Damit gehen die Beschwerdeausführungen ins Leere. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200769.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten