TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/30 W256 2181077-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W256 2181077-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25. Oktober 2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 1. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005).

Am 2. August 2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er (wortwörtlich wiedergegeben) Folgendes an: „Ich habe mein Land verlassen, weil die Volksgruppe Madiban diskriminiert wird und Al Shabaab wollten mich rekrutieren. Ich will in die Schule gehen.“

Der Beschwerdeführer wurde am 25. Oktober 2017 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Darin gab er ergänzend an, dass er in XXXX geboren und dort auch mehrheitlich sein Leben verbracht habe. Seine Eltern seien geschieden und würden nach wie vor in XXXX leben. Darüber hinaus verfüge er über eine Tante mütterlicherseits und einen Onkel, welche ebenfalls in Somalia aufhältig seien. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer (wortwörtlich wiedergegeben) u.a. Folgendes an: „A: Ich habe mein Land verlassen, weil al shabaab mich rekrutieren wollte. Sie wollten mich umbringen. Sie haben mich festgenommen und mich wo hingebracht. Anm: Dolmetsch gibt an, dass AW sich wiederholt. Ich habe mit al shabaab gearbeitet. Ich habe für sie gekocht. Eines Tages bin ich weggelaufen. Dann bin ich nach Mogadischu. Ich war bei meinem Onkel und er hat alles organisiert und ich habe Somalia verlassen.“

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Dem Beschwerdeführer sei es als gesunden und arbeitsfähigen Mann zumutbar, im Falle der Rückkehr selbst für sein Auskommen zu sorgen. Auch stehe ihm mit Mogadischu eine innerstaatliche Fluchtalternative offen und könne er auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, seine Bedrohung durch die Al Shabaab im Rahmen seiner Einvernahme lediglich konkretisiert und seine Fluchtgeschichte schlüssig und konsistent vorgetragen habe. Auch habe sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Ebenso seien die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach Mogadischu und XXXX vor Al Shabaab sicher sei, verfehlt. Al Shabaab sei in ganz Somalia noch präsent. Darüber hinaus drohe ihm aufgrund seiner Clanzugehörigkeit zu den Madhiban eine asylrelevante Verfolgung. Die belangte Behörde hätte ihm aber jedenfalls subsidiären Schutz angesichts der derzeitigen Berichtslage gewähren müssen. Auch sei Mogadischu von der Dürrekatastrophe betroffen und damit eine Rückkehr nach Somalia nicht zumutbar.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Mit Schreiben vom 8. Jänner 2020 wurden den Parteien u.a. die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11. Mai 2018 „Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu“ (im Folgenden: Anfragebeantwortung vom 11. Mai 2018) durch das Bundesverwaltungsgericht zum Parteiengehör übermittelt. Dabei wurde dem Beschwerdeführer auch die Möglichkeit eingeräumt, aktuelle Angaben zu seinem Verfahren zu machen.

Dazu hat sich der Beschwerdeführer nicht geäußert.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden den Parteien diverse Länderberichte, darunter u.a. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17. September 2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 20.11.2019 (im Folgenden: LIB) sowie die Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika Covid-19 aktuelle Lage vom 9. Juli 2020 (im Folgenden: Kurzinformation) zum Parteiengehör übermittelt. Weiters wurde der Beschwerdeführer dazu aufgefordert, Angaben zu seinem aktuellen Gesundheitszustand und seiner Integration in Österreich zu tätigen und allenfalls ergänzende Unterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 16. November 2020 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit Schreiben vom 20. November 2020 wurden vom Beschwerdeführer eine Bestätigung über seine Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs sowie – wie aufgetragen – eine Bestätigung über seine Teilnahme an einem Deutschkurs dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

zur Person

Der – im Spruch genannte – Beschwerdeführer besitzt die somalische Staatsangehörigkeit (angefochtener Bescheid, Seite 7; Verhandlungsschrift, Seite 5).

Er stammt aus XXXX , in der Region Middle Shabelle (Verhandlungsschrift, Seite 5). Vor seiner Ausreise hat der Beschwerdeführer einige Monate bei seinem Onkel in Mogadischu gelebt (Verhandlungsschrift, Seite 6) und hat Somalia im Juli 2015 mit (finanzieller) Unterstützung seiner Familie verlassen (Verhandlungsschrift, Seite 6).

Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Madhiban an (angefochtener Bescheid, Seite 7; Verhandlungsschrift, Seite 5). Er ist ledig und hat keine Kinder (angefochtener Bescheid, Seite 6).

Der Beschwerdeführer hat zwölf Jahre eine Schule besucht (angefochtener Bescheid, Seite 6; Verhandlungsschrift, Seite 5).

Der Beschwerdeführer verfügt über Familienangehörige in Somalia. Seine Eltern leben nach wie vor im Heimatdorf. Auch sein Onkel ist nach wie vor in Mogadischu wohnhaft (Verhandlungsschrift Seite 6).

Er steht mit seiner Familie in Kontakt. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers kann er auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen (Verhandlungsschrift, Seite 6ff; siehe auch die Beweiswürdigung).

Der Beschwerdeführer ist gesund (angefochtener Bescheid, Seite 4; Verhandlungsschrift, Seite 5 und 9).

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt (Auszug aus dem Grundversorgungssystem vom 26. November 2020). Zudem ist er strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 26. November.2020).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und verfügt auch sonst über keine nennenswerten Bindungen im Bundesgebiet (angefochtener Bescheid, Seite 6; Verhandlungsschrift, Seite 8).

Der Beschwerdeführer spricht etwas Deutsch, Somali und Englisch (angefochtener Bescheid, Seite 7; Verhandlungsschrift, Seite 7).

Er hat bislang einen Deutschkurs A1 sowie einen Werte- und Orientierungskurs besucht (Urkundenvorlage vom 20. November 2020).

zur Lage in Somalia

Das Gebiet von Somalia ist faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird, aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert. Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (LIB, Seite 8).

Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (LIB, Seite 8).

Mogadischu:

Mogadischu bleibt weiterhin unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt. Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (LIB, Seite 29).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIB, Seite 29).

Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu. Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen. Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und –Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM. Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden. Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen. Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (LIB, Seite 29).

Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an. Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden. Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIB, Seite 30).

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko, von der Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab. Es besteht kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (LIB, Seite 29 f).

Erreichbarkeit:

Luftweg: Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international (mit Ethiopian Airlines und Turkish Airlines) erreicht werden. In die Städte Kismayo, Dhobley, Baidoa, Doolow, Xudur, Belet Weyne, Guri Ceel, Cadaado und Galkacyo gelangt man mit kleineren Fluglinien, wie African Express Airways, Daallo Airlines oder Jubba Airways (LIB, Seite 110).

Minderheiten und Clans:

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft. Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen. In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (LIB, Seite 82).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB, Seite 82).

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden (LIB, Seite 83):

?        Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

?        Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

?        Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

?        Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

?        Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen (LIB, Seite 83).

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil-Mirifle stellen je ca. 20-25% der Bevölkerung, die Dir deutlich weniger. Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium (LIB, Seite 83).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische und berufsständische Minderheiten (LIB, Seite 83 ff).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören auch Angehöriger „nobler Clans“, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben (LIB, Seite 83).

Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums. Die soziale Stellung der ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich. Es gibt seit Jahren keine Berichte mehr zu (staatlicher) Repression im engeren Sinn. In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten nicht systematischer Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LIB, Seite 84).

Die Bantu sind die größte Minderheit in Somalia. Traditionell leben sie als sesshafte Bauern in den fruchtbaren Tälern der Flüsse Juba und Shabelle. Es gibt zahlreiche Bantu-Gruppen bzw. -Clans, wie z.B. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli, Oji oder Gobaweyne; pejorativ werden sie auch Adoon (Sklaven) oder Jareer (Kraushaar) genannt (LIB, Seite 84).

Die meisten Somali schauen auf die sesshaften Bantu, die zum Teil einst als Sklaven ins Land gekommen waren, herab. Sie sind auch weiterhin Diskriminierung ausgesetzt, darunter Beschimpfungen. Auch in IDP-Lagern werden sie diskriminiert, Bantu-Frauen mangelt es dort an Schutz durch die traditionelle Clanstruktur. Üblicherweise gehen die Kinder von Bantus nicht zur Schule. Im September 2018 wurde ein Bantu in Mogadischu in Zusammenhang mit einer Mischehe getötet. Allerdings war dies ein sehr außergewöhnlicher Vorfall, über welchen viele Somali ihre Entrüstung äußerten. Es gibt aber auch höherrangige Bantu, z.B. den Parlamentsabgeordneten Mohamed Nur. Die SEMG erwähnt im Gegensatz zum Bericht 2017 im Jahr 2018 keine Vorfälle, die sich explizit gegen Bantu gerichtet hätten (LIB, Seite 84).

Benadiri ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben (z.B. Mogadischu, Merka, Baraawe) und sich traditionell im Handel betätigen. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien, Persien, Indien und Portugal. Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos. Heute werden Benadiri gemeinhin als Händler respektiert. Im Gegensatz zu den Bantu kommt ihnen kein geringerer Status zu, Mischehen sind kein Problem. Viele von ihnen sind relativ wohlhabend, befinden sich in relevanten Positionen und sind in der Lage, Schutz zuzukaufen. Einigen von ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Vielen Reer Xamar (Teil der Benadiri) ist es gelungen, ihre vormaligen Immobilien im Bezirk Xamar Weyne (Mogadischu) durch Zahlungen zurückzuerhalten. Dort stellen sie auch die Bevölkerungsmehrheit (LIB, Seite 84 f).

Die Bajuni sind eine kleines Fischervolk, das auf den Bajuni-Inseln an der Südspitze Somalias sowie in Kismayo lebt (LIB, Seite 85).

Berufsständische Minderheiten unterscheiden sich hinsichtlich Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die „noblen“ Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraumes, mehrheitlich aber in Städten. Ein vor allem im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (LIB, Seite 85 f).

Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe auf oder Misshandlungen von Gabooye. In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potentiell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LIB, Seite 86).

Zur Diskriminierung berufsständischer Kasten trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen. Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (LIB, Seite 86).

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (LIB, Seite 86).

Die somalische Verfassung bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten „4.5 Lösung“ organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans bzw. Minderheitenclans zufällt. So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft (LIB, Seite 81).

Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion. Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (LIB, Seite 81).

zu Al Shabaab

Al Shabaab ist eine radikalislamistische, mit der al Kaida affiliierte Miliz. Ziel von al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Al Shabaab betreibt einen Staat im Staat und ist eine entwickelte, bürokratische Organisation. Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. (LIB, Seite 38).

Al Shabaab kontrolliert immer noch ca. ein Fünftel Somalias. In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus. Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können, bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (LIB, Seite 40).

Al Shabaab verhängt und vollstreckt in den Gebieten unter ihrer Kontrolle weiterhin unmenschliche und erniedrigenden Strafen. Dort ist auch von unmenschlicher Behandlung auszugehen, wenn Personen gegen die Interessen von al Shabaab handeln oder verdächtigt werden. Exekutiert werden u.a. Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft (LIB, Seite 60).

zur Zwangsrekrutierung

Beginnend im Jahr 2017 hat Al Shabaab immer mehr Kinder zwangsrekrutiert, teils mit aggressiven und gewalttätigen Methoden. Auch im Jahr 2018 hat Al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten in Süd-/und Zentralsomalia Kinder zwangsrekrutiert. Al Shabaab bedroht und erpresst Eltern, Lehrer usw., damit diese der gruppe Schüler zuführen. Es kommt in diesem Zusammenhang auch zu Gewalt und Inhaftierungen. Eltern rekrutierter Kinder haben keine Möglichkeit Protest einzulegen, ihnen droht bei Widerstand Bestrafung oder sogar der Tod (LIB, Seite 64).

Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (LIB, Seite 66).

Al Shabaab ist in der Lage, einen Deserteur aufzuspüren – auch auf dem Gebiet von AMISOM und der somalischen Regierung. Sie tragen wahrscheinlich ein Risiko der Verfolgung. Dies gilt insbesondere für Deserteure mittleren Ranges. Doch auch einfache Mannschaftsgarde können zum Ziel werden. Tatsächlich finden sich aber kaum Beispiele von Morden an Deserteuren. Interessanter Weise sind auch die vorhandenen Rehabilitationszentren für ehemalige Angehörige von Al Shabaab noch nie zum Angriffsziel geworden. Inwiefern Al Shabaab also tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar (LIB, Seite 68).

zur Versorgungslage

Die humanitäre Krise in Somalia bleibt eine der komplexesten und am längsten dauernden weltweit. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Teilen nicht gewährleistet. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (LIB, Seite 122).

Große Teile der Bevölkerung sind hinsichtlich Armut und Nahrungsversorgung vulnerabel. Eine Schätzung besagt, dass rund 77 % der Bevölkerung mit weniger als 1,9 US Dollar pro Tag auskommen müssen und daher als extrem arm gelten – insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP Lagern. Nach anderen Angaben leben 69 % der Bevölkerung in Armut. Dabei finden sich die höchsten Raten bei IDPs, in ländlichen Gebieten und Nomaden. Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten. Die ländliche Bevölkerung und IDPs verfügen kaum über Mittel, um die durch die Dürre entstandenen Verluste wieder wett zu machen (LIB, Seite 122).

60 % der Somali leben zum größten Teil von der Viehzucht. Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben die Frequenzen und Dauer von Dürre zugenommen. Deswegen wurden auch die Kapazitäten der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Zusätzlich verstärken Mangel an Bildung, übermäßige Abhängigkeit von einem Einkommen aus der Landwirtschaft, Arbeitslosigkeit, geringes Vermögen und eine große Personenanzahl in einem Haushalt die Vulnerabilität im Fall einer Katastrophe. Bereits 2016/2017 wurden im Zuge der Dürre fast eine Million Somali vertrieben. Nur aufgrund groß angelegter und erfolgreicher humanitärer Hilfe wurde eine Hungersnot verhindert (LIB, Seite 122 f).

Zwischenzeitlich hatte sich die humanitäre Situation aufgrund guter Regenfälle im Jahr 2018 etwas entspannt. Die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hatte sich verbessert – nicht zuletzt aufgrund fortgesetzter humanitärer Hilfe und aufgrund überdurchschnittlicher Regenfälle (LIB, Seite 123).

Somalia steht nunmehr wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu- Regenzeit (April-Juni) 2019. Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs verbessert. Trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken. Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um einen Monat später als normal (LIB, Seite 123).

zur Versorgungslage in Mogadischu

Die Stadt Mogadischu wird als IPC-1 Kategorie bewertet [IPC: Integrated Phase Classification for Food Security ; 1-moderat bis 5-Hungersnot] (LIB, Seite 123 ff).

Die Bundesregierung und Hilfsorganisationen haben einen Drought Impact Response Plan (DIRP) auf die Beine gestellt, damit soll 4,5 Millionen Menschen kritisch notwendige lebenserhaltende Unterstützung zukommen. Mit der Umsetzung wurde bereits begonnen. Die Kosten werden bis Dezember 2019 mit 686 Millionen US-Dollar beziffert. Insgesamt sind die Hilfsprogramme aber unterfinanziert, manche Agenturen müssen ihre Maßnahmen sogar zurückfahren. Im September 2019 war der DIRP nur zu 50% ausfinanziert. So wurden z.B. im Juni 2019 nur 1,4 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe erreicht, angepeilt wurden hingegen 2,2 Millionen. Hilfsprojekte von internationalen Organisationen oder NGOs erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen (LIB, Seite 126 f).

Al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure behindern die Leistung humanitärer Hilfe und die Lieferung von Hilfsgütern an vulnerable Bevölkerungsteile – speziell in Süd-/Zentralsomalia. In den Gebieten unter Kontrolle der Gruppe wurden Aktivitäten humanitärer Organisationen gänzlich verboten. Nach anderen Angaben erlaubt al Shabaab Hilfsorganisationen zunehmend, auf ihrem Gebiet tätig zu sein (LIB, Seite 127 f).

Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem, keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe. In Mogadischu muss für jede Dienstleistung bezahlt werden, es gibt keine öffentlichen Leistungen. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden (Sub-)Clan, erweiterte Familie und Remissen aus dem Ausland. Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (LIB, Seite 128).

Generell stellt in (persönlichen) Krisenzeiten die Hilfe durch Freunde oder Verwandte die am meisten effiziente und verwendete Bewältigungsstrategie dar. 22% der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten, 28% bei institutionellen Pflegeeinrichtungen (7%) untergebracht. Weitere 28% schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. In der somalischen Gesellschaft – auch bei den Bantu – ist die Tradition des Austauschs von Geschenken tief verwurzelt. Mit dem traditionellen Teilen werden in dieser Kultur der Gegenseitigkeit bzw. Reziprozität Verbindungen gestärkt. Folglich wurden auch im Rahmen der Dürre 2016/17 die über Geldtransfers zur Verfügung gestellten Mittel und Remissen mit Nachbarn, Verwandten oder Freunden geteilt – wie es die Tradition des Teilens vorsah (LIB, Seite 128).

Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clan-Heimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (LIB, Seite 128).

Andererseits liegen keine Informationen vor, wonach es gesunden jungen Männern im arbeitsfähigen Alter (15-29 Jahre; 14 % der Gesamtbevölkerung Somalias) an einer Existenzgrundlage mangeln würde, oder dass alle diese Männer keine Unterkunft haben würden (LIB, Seite 128 f).

In Mogadischu sind 28% der Bevölkerung arbeitssuchend. 6% der Jugendlichen sind arbeitssuchend (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 19).

Es gibt in Mogadischu bessere Job-Aussichten als in den meisten anderen Teilen Somalias, auch für Jugendliche ohne Bildung und Arbeitserfahrung. Während in Somalia die meisten Menschen in der Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei arbeiten, arbeiten in Mogadischu die meisten Menschen im Handel bzw. im Dienstleistungssektor oder in höheren bildungsabhängigen Berufen (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 21).

Das Auswahlverfahren im Arbeitsleben basiert oft auf Clanbasis, gleichzeitig werden aber viele Arbeitsplätze an Rückkehrer aus der Diaspora vergeben. Es gibt auch Beschäftigungsmöglichkeiten, die von vielen Somaliern nicht in Anspruch genommen werden, da diese Arbeit als minderwertig erachtet wird, z.B. Friseur, Kellner oder Reinigungsarbeiten (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 22).

Die somalische Wirtschaft zeigt eine positive Entwicklung. Die Schaffung an Arbeitsplätzen bleibt jedoch unter den Bedürfnissen. Trotzdem gibt es in Mogadischu aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs zahlreiche Möglichkeiten. Das Durchschnittseinkommen für Jugendliche beträgt 190 USD im Monat. In Mogadischu beträgt das Durchschnittseinkommen 360 USD im Monat. Fast 10% der Jugendlichen in Mogadischu verdienen mehr als 400 USD im Monat (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 23 ff).

Rückkehrer:

Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Im herausfordernden Umfeld von Mogadischu sind entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig, um ein Auslangen finden zu können. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig. Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (LIB, Seite 130).

Außerdem haben Rückkehrer nach Mogadischu dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen. Bei Ankunft in Somalia bekommt jede Person eine Einmalzahlung von 200 US-Dollar, danach folgt eine monatliche Unterstützung von 200 US-Dollar pro Haushalt und Monat für ein halbes Jahr. Das World Food Programm gewährleistet für ein halbes Jahr eine Versorgung mit Nahrungsmitteln. Für Schulkosten werden 25 US-Dollar pro Monat und Schulkind ausbezahlt. Bei Erfüllung bestimmter Kriterien wird für die Unterkunft pro Haushalt eine Summe von 1.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt, die etwa zur Organisation einer Unterkunft dienen können. Deutschland unterstützt in Jubaland ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (LIB, Seite 130).

Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen. Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden. Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an. Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein innersomalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (LIB, Seite 131).

Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international (mit Ethiopian Airlines und Turkish Airlines) erreicht werden (LIB, Seite 110).

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung, de facto ist nur eine Primärversorgung verfügbar (LIB, Seite 131).

Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind (LIB, Seite 132).

Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer (LIB, Seite 132).

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Die meisten Staaten Afrikas melden weiterhin vergleichsweise niedrige Infektionszahlen. Die vorhandenen Zahlen geben das Infektionsgeschehen indes nur unvollständig wieder. Denn wegen der teils sehr schwachen Gesundheitssysteme ist anzunehmen, dass es weitaus mehr Kranke und Todesfälle gibt, als die Behörden offiziell melden (Kurzinformation, Seite 1).

Generell ist nach wie vor unklar, was Afrika infolge der Seuche droht. Manche Experten meinen, dass die Erfahrung in der Seuchenbekämpfung, das tropische Klima sowie die junge und wenig mobile Bevölkerung die Ausbreitung von Covid 19 eindämmen wird. Andere sehen die größte humanitäre Katastrophe der Geschichte heraufdämmen (Kurzinformation, Seite 2).

Bei der Gesamtzahl der Infizierten sind folgende Länder am meisten betroffen (Stand 5.7.2020): Südafrika (187.977), Ägypten (74.035), Nigeria (28.167), Algerien (15.500), Ghana (19.388) und Marokko (13.822); Vergleichswert Österreich (18.196) (Kurzinformation, Seite 2).

In Somalia wurden (mit Stand KW 27/2020) 3. 972 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 92 Todesfälle bestätigt wurden (Kurzinformation, Seite, 11; vgl. demgegenüber https://covid19.who.int/region/emro/country/so, wonach (mit Stand 26.11.2020) 4.445 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und 113 Todesfälle bestätigt wurden.

In vielen Staaten gibt es bislang keinen merkbaren Ansturm auf die Spitäler. In manchen Ländern- etwa Kenia – gehen möglicherweise Infizierte wegen der Kosten nicht ins Spital. Zudem waren öffentliche Gesundheitseinrichtungen schon vor COVID 19 überlastet (Kurzinformation, Seite 4)

In Somalia werden Covid-19-Patienten im einzigen funktionierenden staatlichen Krankenhaus behandelt (Kurzinformation, Seite 4).

Die Intensivmedizin ist in den meisten afrikanischen Staaten schwach ausgeprägt (Kurzinformation, Seite 4).

Die gesundheitlichen Kollateralschäden durch nationale, kontinentale und internationale Maßnahmen gegen die Pandemie wird für Afrika sehr hoch geschätzt. Dies betrifft etwa unterbrochene Immunisierungskampagnen, HIV – und Tuberkulose-Behandlung oder auch Programme der Malariaprävention. Und weil die Nahrungsmittelpreise steigen, können sich viele Menschen noch weniger Lebensmittel leisten. Dies führt zu einem Anstieg an Hunger und Unterernährung (Kurzinformation, Seite 5).

Für die Grundversorgung schlimm ist das Ausbleiben von ausländischen Geldtranfers. Ein in Afrika agierendes Geldtransferunternehmen berichtet, dass die übermittelten Remissen im Zeitraum März/April 2020 um mehr al 70 % eingebrochen sind (Kurzinformation, Seite 8).

Laut Weltwirtschaftsforum steht Afrika außerdem vor der schlimmsten Landwirtschaftskrise. Die Landwirtschaft hat schon vor Covid 19 unter Überschwemmungen, Dürren und Schädlingen gelitten, der Virus verschlimmert die Situation noch einmal. Dadurch wird auch die Nahrungsversorgung getroffen (Kurzinformation, Seite 8).

In Somalia ist davon auszugehen, dass Tests nur eingeschränkt zur Verfügung stehen und dass nicht alle Gebiete erreicht werden können (Kurzinformation, Seite 11).

In Somalia herrschen mehrfache Krisen (Überschwemmungen, Heuschreckenplage, Covid-19). Dadurch werden in den nächsten drei Monaten 3,5 Millionen Menschen in IPC 3 und höher fallen. Eine Millionen Kinder sind unterernährt. Von Covid-19-Maßnahmen negativ betroffen sind insbesondere Personen mit niedrigem Einkommen und Haushalte, die von Remissen von im Ausland wohnenden Angehörigen abhängen (Kurzinformation, Seite 11).

2. Beweiswürdigung:

zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln sowie zum Teil aus den in dieser Hinsicht glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen – Angaben zu zweifeln.

Die Feststellungen zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit und seiner Teilnahme an der Grundversorgung ergeben sich auch aus einer Einsichtnahme in das Strafregister und das Grundversorgungsinformationssystem.

Die Feststellungen zu seinem Leben und seiner Integration in Österreich ergeben sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenhalt mit den vorgelegten Bestätigungen.

zur behaupteten Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia

Die vom Beschwerdeführer behauptete konkret seine Person betreffende Bedrohung in Somalia durch Al Shabaab konnte nicht glaubhaft gemacht werden, weshalb dazu auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.

Der Beschwerdeführer brachte dazu vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, Al Shabaab habe ihn ungefähr im Jänner 2014 gemeinsam mit anderen Jugendlichen entführt und in einem Camp festgehalten. Im März 2014 (laut Befragung vor der belangten Behörde März 2015) sei ihm die Flucht gelungen. Er sei zu seinem Onkel nach Mogadischu geflohen, von wo er im Juli 2015 schlussendlich ausgereist sei (Verhandlungsschrift Seite 9ff; angefochtener Bescheid, Seite 7ff).

Die vom Beschwerdeführer behauptete seine Person betreffende Gefährdung durch Al Shabaab kann schon allein deshalb als nicht glaubhaft befunden werden, weil andernfalls nicht einzusehen wäre, weshalb dem Beschwerdeführer nach seiner Flucht von Al Shabaab im März 2014 bzw. im März 2015 ein weiterer unbehelligter Verbleib in Somalia bis Juli 2015 möglich gewesen sein soll.

Dass Al Shabaab ihn in dieser (langen) Zeit (bei seinem Onkel und auch bei seiner Mutter) nicht aufspüren hätte können, weil sie nichts von ihm gewusst hätten und er bei seinem Onkel versteckt gelebt habe, kann mit den vorliegenden Länderberichten, wonach Al Shabaab durchaus in der Lage ist, einen Deserteur aufzuspüren und zwar auch auf dem Gebiet von AMISOM und der somalischen Regierung, nicht in Einklang gebracht werden.

Umgekehrt zeigt der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen aber auch selbst auf, dass Al Shabaab ihn als Person eben gar nicht gekannt habe und ihn damit nicht nur wahllos rekrutiert, sondern – entgegen seinen Befürchtungen – eben auch nicht gezielt verfolgen werde (Verhandlungsschrift Seite 10: „R: Sie haben vor der belangten Behörde ausgeführt, dass Sie nach Ihrer Flucht von Al Shabaab nach Mogadischu zu Ihrem Onkel geflohen seien und schließlich im Juli 2015 aus Mogadischu ausgereist seien. Ist das richtig? BF: Ja, es ist richtig. R: Wo haben Sie in dieser Zeit gelebt? BF: In seinem Haus haben wir gelebt. R: Was haben Sie in dieser Zeit gemacht? BF: Wir hatten Angst, es gab Krieg in Mogadischu. Es wurden Bomben geworfen, wir blieben zu Hause. R: Was hat Ihr Onkel in dieser Zeit gemacht? BF: Er hat gearbeitet im Hafen. R: Wurden Sie in dieser Zeit von Al Shabaab bedroht? BF: Ich habe mich im Haus meines Onkels versteckt. Ich habe keine Bedrohungen bekommen. Meine Mutter hat gesagt, sie werden mich töten und ich soll so schnell wie möglich vom Land weggehen. R: Wie erklären Sie sich, dass es von März 2014 bis Juli 2015 zu keiner Bedrohung gekommen ist? BF: Ich blieb in dem Haus meines Onkels versteckt. [..] R: Aber Sie haben bei Ihrem Onkel gelebt. Wieso hätte Al Shabaab Sie nicht finden sollen? BF: Sie haben nicht gewusst, wo mein Onkel lebt und ich bin nicht rausgegangen. [..] R: Wurde Ihre Mutter in dieser Zeit bedroht? BF: Nein. R: Wie erklären Sie sich das? BF: Sie haben nicht gewusst, wo meine Mutter ist, deswegen hat sie keine Bedrohungen bekommen. R: Sie haben vorher gesagt, dass Ihre Mutter im Heimatdorf verblieben ist. Ist das richtig? BF: Ja, sie lebt noch dort. R: Weshalb hätte Al Shabaab dann Ihre Mutter nicht finden sollen. BF: Als Sie mich gefangen hatten, wussten Sie nicht, wer ich war und wer meine Mutter war, deshalb haben Sie meine Mutter nicht gefunden. R: Das heißt wurden Sie aus einem bestimmten Grund von Al Shabaab rekrutiert? BF: Ja, sie haben gesagt, wir schauen Filme an und wir sollen uns lieber an die Religion wenden“).

Gegen eine gezielte Verfolgung des Beschwerdeführers spricht im Übrigen auch der Umstand, dass seiner Familie ein weiterer Verbleib in Somalia möglich ist und zwar obwohl auch diese – laut seinen eigenen mit den Länderberichten in Einklang stehenden Angaben – angesichts seiner behaupteten Flucht vor Al Shabaab einer Verfolgung ausgesetzt wäre (Verhandlungsschrift Seite 11: „R: Laut den übermittelten Länderberichten droht Eltern Zwangsrekrutierter bei Widerstand gegen Al Shabaab Gewalt oder sogar der Tod. Wie erklären Sie sich, dass Ihre Eltern selbst nach Ihrer Flucht in Somalia verbleiben konnten? BF: Es stimmt, aber wenn sie wissen, wer und wo meine Eltern sind, dann drohen sie ihnen und vielleicht töten sie sie sogar.“).

Letztlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Beschwerdeführer seine Festnahme durch Al Shabaab im Zuge der Erstbefragung nicht einmal erwähnt hat.

Dabei wird von der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung – wie in der Beschwerde auch vorgebracht – nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe bezieht und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer allerdings die eigentlich seine Flucht auslösende Festnahme durch die Al Shabaab und die daran anschließende Flucht aus dem Al Shabaab Camp nicht einmal ansatzweise erwähnte, sondern seinen Fluchtgrund auf eine versuchte Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab und auf eine allgemeine Diskriminierung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit beschränkte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.

Sonstige Anhaltspunkte, die für eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in Somalia sprechen würden, liegen nicht vor und wurden solche vom Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht dargelegt, weshalb dazu auch keine Feststellungen getroffen werden konnten (Verhandlungsschrift Seite 12: „R: Gibt es sonstige Gründe, die eine Rückkehr nach Somalia für Sie unmöglich machen würden? BF: Der einzige Grund ist, dass die Al Shabaab nach mir suchen [wird] und ich werde getötet, deshalb darf ich nicht zurückgehen.“).

zu den Feststellungen in Bezug auf seine Familie in Somalia und eine Unterstützungsmöglichkeit durch seine Familie

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren selbst angegeben, mit seiner in Somalia lebenden Familie in Kontakt zu stehen und dass es ihr gut gehe (angefochtener Bescheid, Seite 6; Verhandlungsschrift Seite 6) und auch über familiäre Anknüpfungspunkte in Somalia zu verfügen (angefochtener Bescheid, Seite 5; Verhandlungsschrift Seite 6). Zudem habe er einige Monate vor seiner Ausreise aus Somalia bei seinem Onkel in Mogadischu gelebt, welcher auch die Ausreise (finanziell) organisiert haben und auch aktuell dort leben soll (angefochtener Bescheid, Seiten 8, 10 und Seite 12, Verhandlungsschrift Seite 6). Es kann aufgrund dieser eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia von seiner Familie unterstützt werden wird und wurde dies im Übrigen vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch gar nicht bestritten (Verhandlungsschrift Seite 12: „R: Wo würden Sie hingehen, wenn Sie nach Somalia zurückkehren würden? BF: Ich werde bestimmt getötet. R: Könnten Sie mit finanzieller Unterstützung Ihrer Familie rechnen? BF: Ich weiß es nicht. R: Könnten Sie bei Ihrem Onkel in Mogadischu leben? BF: Ich kann nicht mit meinem Onkel leben. R: Aber Sie haben bereits einmal bei ihm gelebt und wurden auch finanziell unterstützt. Warum sollte dies nicht mehr möglich sein? BF: Ich wurde gezwungen bei ihm zu leben, weil ich mich verstecken musste. R wiederholt die Frage. BF: Wenn ich mit meinem Onkel leben würde, dann dürfte ich nicht rausgehen. Wenn ich so leben müsste, wäre es so, als ob ich in einer Haft sein würde.“).

zu den Feststellungen zur Lage in Somalia

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten – den Parteien übermittelten – Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer dazu auch nichts substantiiert Gegenteiliges vorgebracht hat. Dass die Sicherheits- und Versorgungslage insgesamt in Somalia – wie vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angeführt – angespannt ist, kann mit den oben getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht in Widerspruch gebracht werden.

Die Feststellungen zu den aktuellen Fallzahlen und der Situation von Covid-19 ergeben sich aus den allgemein zugänglichen Informationen der Weltgesundheitsorganisation (https://covid19.who.int/region/emro/country/so, 15.10.2020).


3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2020/69 (im Folgenden: AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1955/55 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78 (im Folgenden: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 2011/337, 9 [im Folgenden: Statusrichtlinie] verweist).

Flüchtling iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl bspw VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074 uva).

§ 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 der Statusrichtlinie, worunter – unter anderem – Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 idF BGBl III 2018/139 (im Folgenden: EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083).

Im vorliegenden Fall ist eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung – wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt – nicht hervorgekommen.

Auch eine den Beschwerdeführer treffende Verfolgung aufgrund bestimmter Eigenschaften kann nicht erkannt werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nämlich nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, werden Angehörige des Clans der Madhiban zwar zweifelsohne nach wie vor gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt, deren Lage hat sich allerdings insgesamt verbessert. In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten nicht systematischer Gewalt ausgesetzt. Von einer systematischen Vertreibung oder massiv diskriminierenden Benachteiligung und damit von einer asylrechtlichen (Gruppen-)Verfolgung im oben beschriebenen Sinn kann daher nicht ausgegangen werden, weshalb das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zu verneinen war.

Die gleichen Erwägungen gelten auch für die allein in der Beschwerde angedeutete Gefährdung aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Gruppe der jungen Männer, welchen eine Zwangsrekrutierung durch al Shabaab drohe. Wie den Länderfeststellungen zwar zu entnehmen ist, kommt es nach wie vor zu Rekrutierungen durch Al Shabaab. Aus den Länderfeststellungen ist aber auch ersichtlich, dass Al Shabaab keineswegs im gesamten somalischen Gebiet ihren Einfluss geltend macht. In Mogadischu kommt es zu gar keinen Zwangsrekrutierungen mehr. Da somit die allgemeine Lage in Somalia nicht derart gestaltet ist, dass jeder Mann der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt wäre, und auch sonst nicht hervorgekommen ist, dass der Beschwerdeführer im besonderem Maße gefährdet wäre, rekrutiert zu werden, war dem Beschwerdeführer auch aus diesem Grund der Status von Asylberechtigten nicht zuzuerkennen

Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen und wurden solche vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet. Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG 2005 droht, weshalb im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach Abs 3 dieser Bestimmung sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

§ 11 Abs 1 AsylG 2005 ordnet an, dass Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ra 2019/19/0006-3, ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 AsylG ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 3 EMRK an sich, und zwar unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Di

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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