TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/30 W250 2230073-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77

Spruch


W250 2230073-7/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Legal Focus, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 19.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 20.03.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung angeordnet.

3. Der Beschwerdeführer wird seit 20.03.2020 in Schubhaft angehalten.

4. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Für den Beschwerdeführer wurde bereits ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers über den Flugweg nach Nigeria konnte noch nicht durchgeführt werden, da aufgrund der COVID-19-Situation Einschränkungen im internationalen Flugverkehr bestehen und zuletzt ein Abschiebetermin am 21.10.2020 aufgrund von Unruhen in Nigeria nicht stattfand. Für 10.12.2020 ist ein weiterer Chartertermin fixiert und wurde der Beschwerdeführer für diesen Abschiebetermin angemeldet.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.04.2020, vom 20.07.2020, vom 17.08.2020, vom 14.09.2020, vom 09.10.2020 sowie zuletzt vom 02.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

6. Am 06.10.2020 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Die Schubhaft wurde aufrechterhalten. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.10.2020 wurde der Asylfolgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2020 abgewiesen.

7. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2020 erneut die Akten gemäß §22a BFA-VG zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer wurde am 03.03.2015 in Griechenland sowie am 02.04.2015 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt. Er stellte bereits am 03.04.2015 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er den Ausgang dieses Verfahrens nicht abwartete, sondern sich dem Verfahren entzog und nach Österreich weiterreiste.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte am 19.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.4. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.

1.5. Am 17.01.2018 wurde ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft von Nigeria eingeleitet.

1.6. Der Beschwerdeführer wurde straffällig und mehrfach von einem Landesgericht verurteilt. Er wurde in Strafhaft genommen.

1.7. Am 20.03.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

1.8. Mit Bescheid vom 20.03.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 1 und 2 FPG sowohl zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme als auch zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer wird seit 20.03.2020 in Schubhaft angehalten.

1.9. Gegen den Bescheid vom 20.03.2020 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.04.2020 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

1.10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.2020 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 20.07.2017 (Verfahren über Antrag auf internationalen Schutz) als unbegründet abgewiesen.

1.11. Der Beschwerdeführer wurde als Angehöriger Nigerias identifiziert. Für den BF wurde ein bis XXXX gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt, die Verlängerung wurde bei der nigerianischen Vertretungsbehörde beantragt.

1.12. Der Beschwerdeführer beantragte am 10.07.2020 eine unterstütze freiwillige Rückkehrhilfe. Mit Schreiben vom 13.07.2020 teilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer mit, dass die Ausreisekosten nicht übernommen werden, da der Beschwerdeführer durch seine Arbeit während der Strafhaft über genügend Eigenmittel verfügt. Eine freiwillige Ausreise – ohne finanzieller Rückkehrhilfe – wird vom Bundesamt unterstützt.

1.13. Am 06.10.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag im Stande der Schubhaft. Die Schubhaft wurde gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten. Mit Bescheid vom 22.10.2020 wurde der Asylfolgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2020 abgewiesen.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist Staatsangehöriger von Nigeria. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

3.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 19.10.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Besitzes und teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Verkaufes von Suchtmitteln (§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG sowie § 27 Abs. 1 achter Fall und Abs.3 SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 07.08.2015 einem anderen Abnehmer gewerbsmäßig 2 Baggies Marihuana mit insgesamt 1,6 Gramm gewerbsmäßig zu einem Kaufpreis von EUR 20,00 überlassen. Er hat am 07.08.2015 6 Baggies mit insgesamt 4,8 Gramm Marihuana gewerbsmäßig zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an einer szenetypischen Örtlichkeit bereit gehalten. Er hat am 26.08.2015 10 Baggies mit insgesamt 6,1 Gramm Marihuana zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

3.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 15.06.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Besitzes und des gewerbsmäßigen Verkaufes von Suchtmitteln (§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG sowie § 27 Abs. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

3.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 29.11.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 09.11.2018 in einer U-Bahnstation einem verdeckten Ermittler 0,7 Gramm Kokain gegen Entgelt von EUR 50,00 überlassen, indem er mit dem verdeckten Ermittler ein Verkaufsgespräch führte, das in seinem Mund verwahrte Suchtgift ausspuckte und Zug um Zug gegen Übernahme des Kaufpreises übergab.

3.2. Der Beschwerdeführer hat in den Asylverfahren unterschiedliche Angaben zu seinem Namen und zu seinem Geburtsdatum gemacht. Der Beschwerdeführer versuchte seine Identität zu verschleiern.

3.3. Der Beschwerdeführer hat sich in Ungarn dem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen und er ist nach Österreich weitergereist.

3.4. Der Beschwerdeführer stellte während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

3.5. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.6. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformem Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Ungarn seinem Asylverfahren entzogen. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.7. Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.11.2020 wurde das Asylfolgeantragsverfahren mit Bescheid des Bundesamtes beendet, die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen und ein neuer Abschiebetermin fixiert.

3.8. Dem Beschwerdeführer wurde bereits am XXXX ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Dieses kann jederzeit verlängert werden.

Eine Abschiebung mit Charterflug konnte aufgrund der COVID-19-Einschränkungen und der Lage in Nigeria noch nicht durchgeführt werden. Es gibt noch Einschränkungen im internationalen Flugverkehr. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria mit einem Charterflug ist für 10.12.2020 geplant, soweit es die COVID-Situation und die Lage in Nigeria zulässt. Dass dieser Flug nicht durchgeführt werden kann, ist aus derzeitiger Sicht nicht erkennbar. Eine freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wird vom Bundesamt jederzeit unterstützt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Schubhaftverfahren sowie die Asylverfahren des BF betreffend, durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Schubhaftverfahren sowie die Asylverfahren des BF betreffend, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Die Asylanträge des Beschwerdeführers wurden ab- bzw. zurückgewiesen, weshalb er weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

1.3. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme beruhen auf den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF betreffend.

Die Feststellung zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 20.03.2020 ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegt. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellung über die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes.

2.3. Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer bereits dem Asylverfahren in Ungarn entzogen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte, um seine Abschiebung zu verhindern ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 20.11.2020 sowie dem vom Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid vom 22.10.2020 festgestellten Sachverhalt, wonach der Beschwerdeführer keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vorgebracht hat.

2.5. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen vom 20.03.2020 sowie vom 23.06.2020. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen.

2.6. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus den unrichtigen Angaben zu seiner Identität, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits in Ungarn einem Asylverfahren entzogen hat.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich auch über keine sozialen Anknüpfungspunkte, die einer Flucht entgegenstehen würden.

2.7. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen.

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, es wurde der internationale Flugverkehr jedoch wieder aufgenommen. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht. Die für Oktober 2020 geplante Charterabschiebung nach Nigeria wurde auf Grund von Unruhen in Nigeria nicht durchgeführt. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass der nächste geplante Charterflug im Dezember 2020 nicht stattfinden wird.

2.8. Dass seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.11.2020 im Asylfolgeantragsverfahren die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 22.10.2020 abgewiesen und ein neuer Abschiebetermin fixiert wurde, ergibt sich insbesondere aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 20.11.2020 sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.10.2020 betreffend.

2.9. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich zudem auf die Einvernahmeprotokolle vom 20.03.2020 sowie vom 23.06.2020 stützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren ausgestellt, dessen Gültigkeitsdauer verlängert werden kann. Das Gericht geht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hat unterschiedliche Identitäten angegeben. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Ungarn einem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Durch die Stellung eines Asylfolgeantrages während seiner Anhaltung in Schubhaft versuchte er seine Abschiebung zu verzögern.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine sozialen Anknüpfungspunkte, er ist weder beruflich noch sozial in Österreich verwurzelt. Er verfügt weder über eine gesicherte Wohnmöglichkeit, noch über einen gesicherten Arbeitsplatz. Es konnten auch Verurteilungen und Inhaftierungen den Beschwerdeführer nicht davon abhalten in Österreich weitere einschlägige Straftaten zu begehen. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Das Bundesamt hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bereits erwirkt. Das Bundesamt hat daher auf eine besonders kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt.

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, der Flugverkehr konnte jedoch wieder aufgenommen werden. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit wenigen Tagen, bis zum 10.12.2020, einzustufen. Eine gänzliche Verhinderung der Abschiebung unmittelbar aufgrund der Corona-Pandemie ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht ersichtlich, auch nicht, dass die Lage in Nigeria eine Charterabschiebung in nächster Zeit gänzlich unmöglich machen wird. Das Bundesamt hat die nächstmögliche Charterabschiebung für 10.12.2020 geplant und ist der Beschwerdeführer für diesen Termin auch angemeldet. Entsprechend der Judikatur des VwGH ist es trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar eine Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen vorerst aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).

Da sich der Beschwerdeführer bereits einmal dem Verfahren entzogen hat, scheint eine Abschiebung des Beschwerdeführers bei Beendigung der Schubhaft erheblich gefährdet (§ 80 Abs 4 Z 4 FPG). Die höchstmögliche Schubhaftdauer beträgt daher 18 Monate.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

3.1.6. Die Abschiebung des Beschwerdeführers ist für 10.12.2020 geplant. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 80 Abs. 1 FPG ist zudem gewährleistet, dass das Bundesamt die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft insbesondere im Hinblick auf den zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Abschiebetermin und die Lage in Nigeria im Falle einer diesbezüglichen Änderung einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen haben wird. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 20.03.2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Hinblick auf die in wenigen Tagen geplante Abschiebung verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft seit dem 02.11.2020 auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführerin der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.9. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Identität Interessenabwägung Kooperation öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2230073.7.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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