Entscheidungsdatum
02.12.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W256 2181664-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Somalia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20. November 2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III-VI des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 7. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005).
Am 7. Juli 2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Darin gab der Beschwerdeführer an, in Mogadischu geboren und dem Clan der Mareexsan (alternative Schreibweise für Marehan) anzugehören. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er (wortwörtlich wiedergegeben) Folgendes an: „In Somalia gibt es Bomben, Schwierigkeiten, keine Arbeit und Al Sharab [sic] Milizen, auch wurde mein Haus bombardiert, daher habe ich die Entscheidung getroffen, wo ich, meine Frau und meine Kinder in Sicherheit weiterleben können, das heißt, ich werde meine Familie nachholen.“
Der Beschwerdeführer wurde am 14. Februar 2017 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Darin gab er – soweit hier wesentlich – ergänzend an, dass er gesund sei, aber schlecht höre. Seitdem er ein Hörgerät bekommen habe, gehe es ihm aber gut. Zu seinen Fluchtgründen führte er ergänzend aus, dass Al Shabaab 2012 versucht habe, seinen Sohn für sich zu gewinnen. Nachdem er seinen Sohn vor Al Shabaab gewarnt habe, sei der Beschwerdeführer von ihnen bedroht worden und allein aus diesem Grund und nicht wegen seiner Volksgruppe oder einer politischen Tätigkeit aus Somalia 2015 geflohen. Nach dem Sturz Siad Barres 1991 seien zwar Angehörige des Clans des Beschwerdeführers aus Mogadischu vertrieben worden. Dies sei aber nicht der Grund seiner Flucht gewesen. Unter einem wurden vom Beschwerdeführer diverse Unterlagen vorgelegt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohenden Erkrankung. Bei einer Rückkehr nach Somalia werde er mit Unterstützung seiner Frau, seiner Angehörigen im Ausland und seines Clans in der Lage sein, eine ausreichende Lebensgrundlage für sich und seine Familie zu sichern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Schwerhörigkeit teilweise zu wenig konkret auf Fragen der Einvernahmeleiterin geantwortet habe. Al Shabaab habe versucht, seinen Sohn mittels Geschenken zu einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Da er diesen Rekrutierungsversuch seines Sohnes vereitelt habe, sei er aus Somalia geflohen und werde er aus religiösen und weltanschaulich oppositionellen Motiven von Al Shabaab verfolgt. Wie er bereits im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde klargestellt habe, sei er zwar 1991 wegen seiner Volksgruppe aus Mogadischu vertrieben worden, letztendlich aber nicht wegen seiner Volksgruppe oder einer politischen Tätigkeit aus Somalia geflohen. Sein Fluchtvorbringen werde durch die Länderberichte untermauert, wonach Al Shabaab auch in von AMISOM kontrollierten Gebieten eine verdeckte Präsenz habe und jederzeit gezielte Angriffe durchführen könne. Der Staat könne den Beschwerdeführer nicht gegen Übergriffe durch Al Shabaab schützen. In eventu sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, weil ihm eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK drohe.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden den Parteien diverse Länderberichte, darunter u.a. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17. September 2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 20.11.2019 (im Folgenden: LIB) sowie die Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika Covid-19 aktuelle Lage vom 9. Juli 2020 (im Folgenden: Kurzinformation) zum Parteiengehör übermittelt. Weiters wurde der Beschwerdeführer dazu aufgefordert, Angaben zu seinem aktuellen Gesundheitszustand und seiner Integration in Österreich zu tätigen und allenfalls ergänzende Unterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.
Mit Schreiben vom 6. November 2020 wurden den Parteien u.a. die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11. Mai 2018 „Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu“ (im Folgenden: Anfragebeantwortung vom 11. Mai 2018) durch das Bundesverwaltungsgericht zum Parteiengehör übermittelt.
In seiner Stellungnahme vom 9. November 2020 verwies der Beschwerdeführer auf sein Hörleiden und brachte ergänzend vor, dass seine Familie zwischenzeitig nach Kenia geflüchtet sei.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 11. November 2020 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurde der Beschwerdeführer sowie ein von ihm zu seiner Integration beantragter Zeuge befragt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer u.a. ein Behindertenausweis vorgelegt, welcher dem Beschwerdeführer aufgrund seines Hörleidens eine Behinderung von 50 % nachweist. Laut dem dazu ergangenen – ebenfalls vorgelegten – Sachverständigengutachten vom 7. März 2019 habe der Beschwerdeführer vor 25 Jahren ein Ohrentrauma erlitten und ist er insofern hochgradig schwerhörig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
zur Person
Der – im Spruch genannte – Beschwerdeführer besitzt die somalische Staatsangehörigkeit und ist Moslem (Protokoll der Erstbefragung, Seite 1; Verhandlungsschrift, Seite 5).
Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Marehan an (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme, Seite 4; Verhandlungsschrift, Seite 5). Er ist verheiratet und hat neun Kinder (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme, Seite 3 f; Verhandlungsschrift, Seite 5).
Er ist in Mogadischu geboren und aufgewachsen. Nach der Vertreibung seines Clans aus Mogadischu hat der Beschwerdeführer in XXXX in der Region Gedo gemeinsam mit seiner Familie gelebt. Er ist ca. im Jahr 2012 wieder nach Mogadischu zurückgekehrt. Er hat Somalia im Jahr 2015 verlassen (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme, Seite 3; Verhandlungsschrift, Seite 5).
Der Beschwerdeführer hat zwölf Jahre eine Schule besucht und u.a. als Hilfsarbeiter gearbeitet (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme, Seite 3 f; Verhandlungsschrift, Seite 5ff).
Seine Familie ist nach seiner Ausreise bis 2019 in Mogadischu verblieben. 2019 ist seine Familie nach Kenia ausgereist (Verhandlungsschrift Seite 8 und Seite 14).
Seine Ausreise aus Somalia hat sich der Beschwerdeführer zum Teil aus eigenem Ersparten finanziert und zum Teil hat er das Geld von seinem in Australien lebenden Onkel erhalten (Verhandlungsschrift Seite 8).
Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Somalia (Verhandlungsschrift, Seite 8).
Der Beschwerdeführer erlitt vor ungefähr 26 Jahren durch einen Faustschlag ein Ohrtrauma und ist er seither hochgradig schwerhörig. Seit 2016 verfügt der Beschwerdeführer über Hörgeräte auf beiden Seiten. Der Beschwerdeführer verfügt wegen seines Ohrenleidens über einen Behindertenpass, welcher ihm eine Behinderung von 50 % ausweist (angefochtener Bescheid, Seite 5; Verhandlungsschrift Seite 5 samt vorgelegten Unterlagen sowie Seite 10).
Ansonsten ist der Beschwerdeführer gesund (Verhandlungsschrift Seite 5 und 10).
Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt (Auszug aus dem Grundversorgungssystem vom 1. Dezember.2020). Zudem ist er strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 1. Dezember 2020).
zur Lage in Somalia
Das Gebiet von Somalia ist faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird, aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert. Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (LIB, Seite 8).
Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (LIB, Seite 8).
Mogadischu:
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt. Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (LIB, Seite 29).
Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIB, Seite 29).
Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu. Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen. Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und –Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM. Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden. Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen. Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (LIB, Seite 29).
Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an. Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden. Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIB, Seite 30).
Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko, von der Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab. Es besteht kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (LIB, Seite 29 f).
Erreichbarkeit:
Luftweg: Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international (mit Ethiopian Airlines und Turkish Airlines) erreicht werden. In die Städte Kismayo, Dhobley, Baidoa, Doolow, Xudur, Belet Weyne, Guri Ceel, Cadaado und Galkacyo gelangt man mit kleineren Fluglinien, wie African Express Airways, Daallo Airlines oder Jubba Airways (LIB, Seite 110).
Minderheiten und Clans:
Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft. Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen. In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (LIB, Seite 82).
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB, Seite 82).
Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden (LIB, Seite 83):
? Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
? Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
? Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
? Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.
? Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen (LIB, Seite 83).
Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil-Mirifle stellen je ca. 20-25% der Bevölkerung, die Dir deutlich weniger. Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium (LIB, Seite 83).
Daneben finden sich in Somalia einige ethnische und berufsständische Minderheiten (LIB, Seite 83 ff).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören auch Angehöriger „nobler Clans“, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben (LIB, Seite 83).
Die somalische Verfassung bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten „4.5 Lösung“ organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans bzw. Minderheitenclans zufällt. So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft (LIB, Seite 81).
zu Al Shabaab
Al Shabaab ist eine radikalislamistische, mit der al Kaida affiliierte Miliz. Ziel von al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Al Shabaab betreibt einen Staat im Staat und ist eine entwickelte, bürokratische Organisation. Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. (LIB, Seite 38).
Al Shabaab kontrolliert immer noch ca. ein Fünftel Somalias. In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus. Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können, bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (LIB, Seite 40).
Al Shabaab verhängt und vollstreckt in den Gebieten unter ihrer Kontrolle weiterhin unmenschliche und erniedrigenden Strafen. Dort ist auch von unmenschlicher Behandlung auszugehen, wenn Personen gegen die Interessen von al Shabaab handeln oder verdächtigt werden. Exekutiert werden u.a. Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft (LIB, Seite 60).
zur Zwangsrekrutierung
Beginnend im Jahr 2017 hat Al Shabaab immer mehr Kinder zwangsrekrutiert, teils mit aggressiven und gewalttätigen Methoden. Auch im Jahr 2018 hat Al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten in Süd-/und Zentralsomalia Kinder zwangsrekrutiert. Al Shabaab bedroht und erpresst Eltern, Lehrer usw., damit diese der gruppe Schüler zuführen. Es kommt in diesem Zusammenhang auch zu Gewalt und Inhaftierungen. Eltern rekrutierter Kinder haben keine Möglichkeit Protest einzulegen, ihnen droht bei Widerstand Bestrafung oder sogar der Tod (LIB, Seite 64).
Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (LIB, Seite 66).
Al Shabaab ist in der Lage, einen Deserteur aufzuspüren – auch auf dem Gebiet von AMISOM und der somalischen Regierung. Sie tragen wahrscheinlich ein Risiko der Verfolgung. Dies gilt insbesondere für Deserteure mittleren Ranges. Doch auch einfache Mannschaftsgarde können zum Ziel werden. Tatsächlich finden sich aber kaum Beispiele von Morden an Deserteuren. Interessanter Weise sind auch die vorhandenen Rehabilitationszentren für ehemalige Angehörige von Al Shabaab noch nie zum Angriffsziel geworden. Inwiefern Al Shabaab also tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar (LIB, Seite 68).
zur Versorgungslage
Die Arbeitsmöglichkeiten für Rückkehrer und andere voulnerable Personen sind limitiert. Eine Arbeit zu finden, ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan Netzwerke vergeben. Generell ist das Clan Netzwerk vor allem außerhalb von Mogadischu von besonderer Relevanz (LIB, Seite 117).
Die humanitäre Krise in Somalia bleibt eine der komplexesten und am längsten dauernden weltweit. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Teilen nicht gewährleistet. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (LIB, Seite 122).
Große Teile der Bevölkerung sind hinsichtlich Armut und Nahrungsversorgung vulnerabel. Eine Schätzung besagt, dass rund 77 % der Bevölkerung mit weniger als 1,9 US Dollar pro Tag auskommen müssen und daher als extrem arm gelten – insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP Lagern. Nach anderen Angaben leben 69 % der Bevölkerung in Armut. Dabei finden sich die höchsten Raten bei IDPs, in ländlichen Gebieten und Nomaden. Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten. Die ländliche Bevölkerung und IDPs verfügen kaum über Mittel, um die durch die Dürre entstandenen Verluste wieder wett zu machen (LIB, Seite 122).
60 % der Somali leben zum größten Teil von der Viehzucht. Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben die Frequenzen und Dauer von Dürre zugenommen. Deswegen wurden auch die Kapazitäten der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Zusätzlich verstärken Mangel an Bildung, übermäßige Abhängigkeit von einem Einkommen aus der Landwirtschaft, Arbeitslosigkeit, geringes Vermögen und eine große Personenanzahl in einem Haushalt die Vulnerabilität im Fall einer Katastrophe. Bereits 2016/2017 wurden im Zuge der Dürre fast eine Million Somali vertrieben. Nur aufgrund groß angelegter und erfolgreicher humanitärer Hilfe wurde eine Hungersnot verhindert (LIB, Seite 122 f).
Zwischenzeitlich hatte sich die humanitäre Situation aufgrund guter Regenfälle im Jahr 2018 etwas entspannt. Die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hatte sich verbessert – nicht zuletzt aufgrund fortgesetzter humanitärer Hilfe und aufgrund überdurchschnittlicher Regenfälle (LIB, Seite 123).
Somalia steht nunmehr wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu- Regenzeit (April-Juni) 2019. Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs verbessert. Trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken. Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um einen Monat später als normal (LIB, Seite 123).
zur Versorgungslage in Mogadischu
Die Stadt Mogadischu wird als IPC-1 Kategorie bewertet [IPC: Integrated Phase Classification for Food Security ; 1-moderat bis 5-Hungersnot] (LIB, Seite 123 ff).
Die Bundesregierung und Hilfsorganisationen haben einen Drought Impact Response Plan (DIRP) auf die Beine gestellt, damit soll 4,5 Millionen Menschen kritisch notwendige lebenserhaltende Unterstützung zukommen. Mit der Umsetzung wurde bereits begonnen. Die Kosten werden bis Dezember 2019 mit 686 Millionen US-Dollar beziffert. Insgesamt sind die Hilfsprogramme aber unterfinanziert, manche Agenturen müssen ihre Maßnahmen sogar zurückfahren. Im September 2019 war der DIRP nur zu 50% ausfinanziert. So wurden z.B. im Juni 2019 nur 1,4 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe erreicht, angepeilt wurden hingegen 2,2 Millionen. Hilfsprojekte von internationalen Organisationen oder NGOs erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen (LIB, Seite 126 f).
Al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure behindern die Leistung humanitärer Hilfe und die Lieferung von Hilfsgütern an vulnerable Bevölkerungsteile – speziell in Süd-/Zentralsomalia. In den Gebieten unter Kontrolle der Gruppe wurden Aktivitäten humanitärer Organisationen gänzlich verboten. Nach anderen Angaben erlaubt al Shabaab Hilfsorganisationen zunehmend, auf ihrem Gebiet tätig zu sein (LIB, Seite 127 f).
Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem, keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe. In Mogadischu muss für jede Dienstleistung bezahlt werden, es gibt keine öffentlichen Leistungen. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden (Sub-)Clan, erweiterte Familie und Remissen aus dem Ausland. Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (LIB, Seite 128).
Generell stellt in (persönlichen) Krisenzeiten die Hilfe durch Freunde oder Verwandte die am meisten effiziente und verwendete Bewältigungsstrategie dar (LIB, Seite 128).
Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clan-Heimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (LIB, Seite 128).
Andererseits liegen keine Informationen vor, wonach es gesunden jungen Männern im arbeitsfähigen Alter (15-29 Jahre; 14 % der Gesamtbevölkerung Somalias) an einer Existenzgrundlage mangeln würde, oder dass alle diese Männer keine Unterkunft haben würden (LIB, Seite 128 f).
In Mogadischu sind 28% der Bevölkerung arbeitssuchend. 6% der Jugendlichen sind arbeitssuchend (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 19).
Es gibt in Mogadischu bessere Job-Aussichten als in den meisten anderen Teilen Somalias, auch für Jugendliche ohne Bildung und Arbeitserfahrung. Während in Somalia die meisten Menschen in der Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei arbeiten, arbeiten in Mogadischu die meisten Menschen im Handel bzw. im Dienstleistungssektor oder in höheren bildungsabhängigen Berufen (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 21).
Das Auswahlverfahren im Arbeitsleben basiert oft auf Clanbasis, gleichzeitig werden aber viele Arbeitsplätze an Rückkehrer aus der Diaspora vergeben. Es gibt auch Beschäftigungsmöglichkeiten, die von vielen Somaliern nicht in Anspruch genommen werden, da diese Arbeit als minderwertig erachtet wird, z.B. Friseur, Kellner oder Reinigungsarbeiten (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 22).
Die somalische Wirtschaft zeigt eine positive Entwicklung. Die Schaffung an Arbeitsplätzen bleibt jedoch unter den Bedürfnissen. Trotzdem gibt es in Mogadischu aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs zahlreiche Möglichkeiten. Das Durchschnittseinkommen für Jugendliche beträgt 190 USD im Monat. In Mogadischu beträgt das Durchschnittseinkommen 360 USD im Monat. Fast 10% der Jugendlichen in Mogadischu verdienen mehr als 400 USD im Monat (Anfragebeantwortung Mogadischu vom 11. Mai 2018, Seite 23 ff).
Rückkehrer:
Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Im herausfordernden Umfeld von Mogadischu sind entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig, um ein Auslangen finden zu können. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig. Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (LIB, Seite 130).
Außerdem haben Rückkehrer nach Mogadischu dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen. Bei Ankunft in Somalia bekommt jede Person eine Einmalzahlung von 200 US-Dollar, danach folgt eine monatliche Unterstützung von 200 US-Dollar pro Haushalt und Monat für ein halbes Jahr. Das World Food Programm gewährleistet für ein halbes Jahr eine Versorgung mit Nahrungsmitteln. Für Schulkosten werden 25 US-Dollar pro Monat und Schulkind ausbezahlt. Bei Erfüllung bestimmter Kriterien wird für die Unterkunft pro Haushalt eine Summe von 1.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt, die etwa zur Organisation einer Unterkunft dienen können. Deutschland unterstützt in Jubaland ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (LIB, Seite 130).
Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen. Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden. Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an. Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein innersomalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (LIB, Seite 131).
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung, de facto ist nur eine Primärversorgung verfügbar (LIB, Seite 131).
Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind (LIB, Seite 132).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer (LIB, Seite 132).
Speziellere medizinische Versorgung – etwa Chirurgie – ist nur eingeschränkt verfügbar. In öffentlichen Einrichtungen fast gar nicht, unter Umständen aber in privaten. So werden selbst am Banadir Hospital – einem der größten Spitäler des Landes, das über vergleichsweise gutes Personal verfügt und auch Universitätsklinik ist – nur einfache Operationen durchgeführt. Patienten, die auf eine anspruchsvolle Behandlung angewiesen sind, müssen nach Somaliland, Kenia oder Äthiopien ausweichen (LIB, Seite 133).
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
Die meisten Staaten Afrikas melden weiterhin vergleichsweise niedrige Infektionszahlen. Die vorhandenen Zahlen geben das Infektionsgeschehen indes nur unvollständig wieder. Denn wegen der teils sehr schwachen Gesundheitssysteme ist anzunehmen, dass es weitaus mehr Kranke und Todesfälle gibt, als die Behörden offiziell melden (Kurzinformation, Seite 1).
Generell ist nach wie vor unklar, was Afrika infolge der Seuche droht. Manche Experten meinen, dass die Erfahrung in der Seuchenbekämpfung, das tropische Klima sowie die junge und wenig mobile Bevölkerung die Ausbreitung von Covid 19 eindämmen wird. Andere sehen die größte humanitäre Katastrophe der Geschichte heraufdämmen (Kurzinformation, Seite 2).
Bei der Gesamtzahl der Infizierten sind folgende Länder am meisten betroffen (Stand 5.7.2020): Südafrika (187.977), Ägypten (74.035), Nigeria (28.167), Algerien (15.500), Ghana (19.388) und Marokko (13.822); Vergleichswert Österreich (18.196) (Kurzinformation, Seite 2).
In Somalia wurden (mit Stand KW 27/2020) 3. 972 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 92 Todesfälle bestätigt wurden (Kurzinformation, Seite, 11; vgl. demgegenüber https://covid19.who.int/region/emro/country/so, wonach (mit Stand 26.11.2020) 4.445 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und 113 Todesfälle bestätigt wurden.
In vielen Staaten gibt es bislang keinen merkbaren Ansturm auf die Spitäler. In manchen Ländern- etwa Kenia – gehen möglicherweise Infizierte wegen der Kosten nicht ins Spital. Zudem waren öffentliche Gesundheitseinrichtungen schon vor COVID 19 überlastet (Kurzinformation, Seite 4)
In Somalia werden Covid-19-Patienten im einzigen funktionierenden staatlichen Krankenhaus behandelt (Kurzinformation, Seite 4).
Die Intensivmedizin ist in den meisten afrikanischen Staaten schwach ausgeprägt (Kurzinformation, Seite 4).
Die gesundheitlichen Kollateralschäden durch nationale, kontinentale und internationale Maßnahmen gegen die Pandemie wird für Afrika sehr hoch geschätzt. Dies betrifft etwa unterbrochene Immunisierungskampagnen, HIV – und Tuberkulose-Behandlung oder auch Programme der Malariaprävention. Und weil die Nahrungsmittelpreise steigen, können sich viele Menschen noch weniger Lebensmittel leisten. Dies führt zu einem Anstieg an Hunger und Unterernährung (Kurzinformation, Seite 5).
Für die Grundversorgung schlimm ist das Ausbleiben von ausländischen Geldtranfers. Ein in Afrika agierendes Geldtransferunternehmen berichtet, dass die übermittelten Remissen im Zeitraum März/April 2020 um mehr al 70 % eingebrochen sind (Kurzinformation, Seite 8).
Laut Weltwirtschaftsforum steht Afrika außerdem vor der schlimmsten Landwirtschaftskrise. Die Landwirtschaft hat schon vor Covid 19 unter Überschwemmungen, Dürren und Schädlingen gelitten, der Virus verschlimmert die Situation noch einmal. Dadurch wird auch die Nahrungsversorgung getroffen (Kurzinformation, Seite 8).
In Somalia ist davon auszugehen, dass Tests nur eingeschränkt zur Verfügung stehen und dass nicht alle Gebiete erreicht werden können (Kurzinformation, Seite 11).
In Somalia herrschen mehrfache Krisen (Überschwemmungen, Heuschreckenplage, Covid-19). Dadurch werden in den nächsten drei Monaten 3,5 Millionen Menschen in IPC 3 und höher fallen. Eine Millionen Kinder sind unterernährt. Von Covid-19-Maßnahmen negativ betroffen sind insbesondere Personen mit niedrigem Einkommen und Haushalte, die von Remissen von im Ausland wohnenden Angehörigen abhängen (Kurzinformation, Seite 11).
2. Beweiswürdigung:
zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln sowie aus den in dieser Hinsicht glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen – Angaben zu zweifeln.
Die Feststellungen zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit und seiner Teilnahme an der Grundversorgung ergeben sich auch aus einer Einsichtnahme in das Strafregister und das Grundversorgungsinformationssystem.
zur behaupteten Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia
Die vom Beschwerdeführer behauptete konkret seine Person betreffende Bedrohung in Somalia durch Al Shabaab konnte nicht glaubhaft gemacht werden, weshalb dazu auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.
Der Beschwerdeführer brachte dazu vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, Al Shabaab habe 2012 in XXXX versucht, seinen Sohn zu rekrutieren. Dies sei vom Beschwerdeführer jedoch verhindert worden, weshalb Al Shabaab ihn und seine Familie bedroht habe. Daraufhin sei zunächst er und schließlich auch seine Familie nach Mogadischu in ein (geerbtes) Haus geflohen und habe er – nach weiteren Bedrohungen – schlussendlich 2015 Mogadischu verlassen (Verhandlungsschrift Seite 11ff).
Die vom Beschwerdeführer behauptete seine Person betreffende Gefährdung durch Al Shabaab kann schon allein deshalb als nicht glaubhaft befunden werden, weil andernfalls nicht einzusehen wäre, weshalb dem Beschwerdeführer nach seiner Flucht von Al Shabaab 2012 ein weiterer unbehelligter Verbleib in Somalia bis 2015 möglich gewesen sein soll.
Dass Al Shabaab ihn in dieser (langen) Zeit in Mogadischu nicht aufspüren hätte können, kann mit dem eigenen Vorbringen, er habe in dieser Zeit im eigenen Haus gelebt und sei er überdies einer Arbeit nachgegangen, nicht nachempfunden werden. Dies umso mehr, als auch nach den vorliegenden Länderberichten Al Shabaab durchaus in der Lage ist, gesuchte Personen aufzuspüren und zwar auch auf dem Gebiet von AMISOM und der somalischen Regierung (Verhandlungsschrift Seite 12: „R: Wie war es Ihnen möglich, trotz Ihrer behaupteten Bedrohung 2012 bis 2015 in Somalia zu verbleiben? BF: Ich habe nach vielen Bedrohungen die SIM-Karte weggeworfen und bin von Mogadischu geflohen. […] R wiederholt die Frage. BF: Ich hatte Not. Ich hatte kein Geld. Ich musste sparen, bevor ich wegging. [..]“).
Gegen eine Verfolgung des Beschwerdeführers spricht im Übrigen auch der Umstand, dass seiner Familie, insbesondere seinem von der behaupteten Zwangsrekrutierung betroffenen Sohn ein weiterer Verbleib in Somalia bis 2019 möglich gewesen ist und das, obwohl gerade auch diese – laut seinen eigenen mit den Länderberichten in Einklang stehenden Angaben – angesichts einer verweigerten Zwangsrekrutierung einer Verfolgung ausgesetzt sein müsste (Verhandlungsschrift Seite 13: „R: Wie erklären Sie sich, dass es Ihrer Frau möglich gewesen ist, nach Ihrer Ausreise 2015 bis 2019 in Somalia zu verbleiben? BF: Sie ist in ein Mietshaus umgezogen. Das Haus hatte sich ja aufgelöst. R: Laut den übermittelten Länderberichten droht den Eltern, also auch den Müttern, im Falle einer vereitelten Zwangsrekrutierung Bestrafung, wenn nicht sogar der Tod. Was sagen Sie dazu? BF: Das ist richtig. Aus diesem Grund ist sie aus Mogadischu geflohen, sie wollten ja ihren Sohn mitnehmen. Deshalb lebt sie jetzt in Kenia. R: Aber die von Ihnen vorgebrachte Zwangsrekrutierung war 2012. Wie konnte sie so lange in Somalia verbleiben? BF: Sie wohnte in einer Mietwohnung, weil es das Haus nicht mehr gab. Sie lebte unter schwierigen Umständen. Jetzt, wo sie geflohen ist, geht es ihr viel besser. R: Wie erklären Sie sich, dass Ihr Sohn [..] trotz ihrer vereitelten Zwangsrekrutierung in Somalia in Mogadischu verbleiben konnte? BF: Er hat sich auch versteckt. Sie haben sich alle versteckt gehalten. Nachdem sie es nicht ertragen konnten, sind sie alle nach Kenia geflohen. Sie wären in Mogadischu geblieben, wenn sie dort Frieden gehabt hätten. R: Sie haben vor der belangten Behörde ausgeführt, dass nach Ihrer Flucht Ihre Frau für den Lebensunterhalt für die Familie aufgekommen ist. Ist das richtig? BF: Sie hat gearbeitet. Sie hat die Wäsche gewaschen. Sie war Haushälterin. R: Wie ist das mit Ihrer Aussage, dass Ihre Familie versteckt gelebt hätte, vereinbar? BF: Nachdem Sie in eine andere Wohnung umgezogen sind, kannte sie dort niemand. Sie musste arbeiten, um den Kindern etwas zu essen zu geben. So ging es immer weiter.“).
Da der sonstigen Familie, insbesondere dem von der Zwangsrekrutierung eigentlich betroffenem Sohn ein Verbleib in Somalia bis zumindest 2019 möglich gewesen ist, kann auch die vom Beschwerdeführer behauptete Ermordung seines Bruders im Jahr 2016 (und damit erst ein Jahr (!) nach seiner Flucht) mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung nicht in Zusammenhang gebracht werden. Dabei ist auch anzumerken, dass die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers ohnedies in sich widersprüchlich waren (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme, Seite 9: „F: Sie behaupteten heute, Al Shabaab habe aus Rache, dass Sie die Rekrutierung Ihres Sohnes verhindert hätten, Ihren Bruder im Mai 2016 in XXXX getötet. Was ist genau passiert und wie wollen Sie davon erfahren haben? A: Er wurde gefragt, wo ich bin. Ok. Frage wird wiederholt. A: Er wurde nach mir gefragt, konnte aber nicht sagen, wo ich bin, und dann wurde er getötet. Anmerkung: Erneut beantwortet der AW die gestellte Frage nicht. Frage wird wiederholt. A: Meine Frau, sie wurde von den Verwandten in XXXX angerufen. V: Die Verwandten, zu denen angeblich kein Kontakt besteht? A: Nein, doch nicht meine Verwandten, meine Volksgruppe, die siedelt dort. V: Ob nun Verwandte oder die Volksgruppe – woher hätten die Informanten wissen sollen, was das Motiv des angeblichen Mordes war und sogar den Gesprächsverlauf wissen sollen? A: Sie waren dabei, auch als er erschossen wurde. Alle wissen, dass Al Shabaab die Menschen tötet dort.“).
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die von ihm vereitelte Zwangsrekrutierung und damit seinen eigentlichen Fluchtgrund im Zuge der Erstbefragung nicht einmal erwähnt hat.
Dabei wird von der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung – wie in der Beschwerde auch vorgebracht – nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe bezieht und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer allerdings die eigentlich seine Flucht auslösende Zwangsrekrutierung nicht einmal ansatzweise erwähnte, sondern seinen Fluchtgrund auf die allgemeine Lage in Somalia beschränkte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.
Zuletzt darf aber auch nicht darüber hinweggesehen werden, dass der Beschwerdeführer die von ihm erstmals vor der belangten Behörde vorgebrachte Zwangsrekrutierung seines Sohnes und die daraus resultierende Gefährdung für den Beschwerdeführer sowohl vor der belangten Behörde, als auch vor dem erkennenden Gericht nicht nur vage und detaillos, sondern auch widersprüchlich erzählt hat (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme, Seite 7: „F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Somalia verlassen haben? A: Sie haben versucht, meinen Sohn eine Gehirnwäsche zu betreiben, sie haben ihm ein Mobiltelefon geschenkt und ihm eingeredet, dass er für die Al Shabaab kämpfen und am heiligen Krieg teilnehmen soll. Nachdem ich ihn gewarnt hatte 2012 in XXXX , griffen sie mich mit einer Bombe an und wollten mich töten. Sie riefen mich auch telefonisch an und drohten mir, von 2012 bis zu meiner Ausreise. Ich lebe, weil mein Tag noch nicht gekommen war. Das mit Al Shabaab, das war mein Grund, Somalia zu verlassen, sonst war nichts. Ich würde mein Land und meine Kinder nie verlassen“; Verhandlungsschrift Seite 12: R: Laut Ihren bisherigen Angaben im Verfahren seien Sie in Mogadischu weiterhin wegen der vereitelten Rekrutierung Ihres Sohnes von Al Shabaab bedroht worden und seien deshalb 2015 aus Somalia ausgereist. Ist das richtig? BF: Ja, das ist richtig. R: Wie sahen diese Bedrohungen aus? BF: Ich bin wegen meines Sohnes geflohen. Ich bin deshalb nicht mehr bei meiner Frau und meinen Kindern. R wiederholt die Frage. BF (beginnt zu weinen): Sie wollten meinen Sohn mitnehmen und zu einem von ihnen machen. Sie wollten, dass mein Sohn die Menschen tötet bzw. schlachtet. Ich hasse die Al Shabaab. Sie schlachten die Menschen, sie töten die Menschen. R wiederholt und erörtert die Frage. BF: Zuerst sind Sie zu mir gekommen und haben gesagt, ich soll ihnen meinen Sohn geben. R: Das war aber noch in XXXX , ist das richtig? BF: Ja. Dann haben sie mich per Telefon bedroht, bis ich aus Mogadischu weggegangen bin. R: Können Sie das näher schildern? BF: Sie haben gesagt, dass sie mich töten werden, weil ich ihnen meinen Sohn nicht gegeben habe. Wenn sie sagen, dass sie mich töten werden, machen sie das auch wahr.“; Verhandlungsschrift Seite 15: „R: Sie haben vor der belangten Behörde ausgeführt, dass die Al Shabaab Ihren Sohn ohnedies nicht unter Zwang rekrutieren wollte. Ist das richtig? BF: Ja genau, sie wollten die freiwillige Rekrutierung. R: Wenn Al Shabaab keinen Zwang ausgeübt hat, weshalb sollte Ihnen dann überhaupt Gefahr drohen? BF: Es war doch Zwang. Ich habe ihn gehalten, sie wollten ihn mitnehmen. Ich habe es Ihnen nicht erlaubt, ihn mitzunehmen. R: Weshalb haben Sie dazu vor der belangten Behörde [..] etwas anderes ausgeführt? BF: Sie wollten sein Gehirn waschen und ihm was erzählen, sodass er mit ihnen arbeitet.“).
Dass dies – wie vom Beschwerdeführer in der Beschwerde behauptet – auf Verständigungsschwierigkeiten im Hinblick auf seinen Hörleiden zurückzuführen sei, kann aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund seiner Hörgeräte nunmehr gut höre, nicht nachempfunden werden (angefochtener Bescheid Seite 5, Verhandlungsschrift Seite 10).
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers kann daher insgesamt nicht als glaubhaft befunden werden, weshalb diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.
Sonstige Anhaltspunkte, die für eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in Somalia sprechen würden, liegen nicht vor und wurden solche vom Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht dargelegt. Der Beschwerdeführer brachte vielmehr (auch in der Beschwerde) dezidiert vor, dass er allein wegen der behaupteten Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab und nicht wegen einer politischen Tätigkeit oder seiner Volksgruppe Somalia verlassen habe (siehe dazu nochmals das Protokoll der Einvernahme Seite 7 sowie Seite 6 „Früher hatte ich Probleme aufgrund meiner Volksgruppe, beim ersten Mal 1991, aber das war nicht der Grund, warum ich Somalia verlassen habe, da hatte ich kein Problem mit meiner Volksgruppe.“ sowie „F: Sind oder waren Sie politisch tätig? A: Ja, ich habe für die Regierung gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich damit die Arbeit in der Versicherungsgesellschaft meine, es war eine sehr gute Regierung damals. Nachgefragt gebe ich an, dass ich doch nicht politisch tätig war. Die Regierung war mein Arbeitgeber, deshalb war ich politisch tätig. F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei? A: Ja, ich war Mitglied der Partei Siad Barres. Nachgefragt gebe ich an, dass ich doch kein Parteimitglied war, ich habe mich doch nicht politisch betätigt, ich hatte auch keine politische Funktion, aber ich habe in einer staatlichen Gesellschaft gearbeitet, der Versicherung.“).
zu den Feststellungen zur Lage in Somalia
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten – den Parteien übermittelten – Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer dazu auch nichts substantiiert Gegenteiliges vorgebracht hat. Dass die Sicherheits- und Versorgungslage insgesamt in Somalia angespannt ist, kann mit den oben getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht in Widerspruch gebracht werden.
Die Feststellungen zu den Fallzahlen und der Situation von Covid-19 ergeben sich aus den allgemein zugänglichen Informationen der Weltgesundheitsorganisation (https://covid19.who.int/region/emro/country/so, 16.10.2020).
3. Rechtliche Beurteilung:
zu Spruchpunkt A.
zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2020/69 (im Folgenden: AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1955/55 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78 (im Folgenden: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 2011/337, 9 [im Folgenden: Statusrichtlinie] verweist).
Flüchtling iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl bspw VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074 uva).
§ 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 der Statusrichtlinie, worunter – unter anderem – Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 idF BGBl III 2018/139 (im Folgenden: EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083).
Im vorliegenden Fall ist eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung – wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt – nicht hervorgekommen.
Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen und wurden solche vom Beschwerdeführer auch gar nicht (mehr) behauptet. Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG 2005 droht, weshalb im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.
zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach Abs 3 dieser Bestimmung sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.
§ 11 Abs 1 AsylG 2005 ordnet an, dass Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ra 2019/19/0006-3, ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 AsylG ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 3 EMRK an sich, und zwar unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.2.2016, Ra 2015/20/0233).
Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat; es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra2018/18/0001). Dabei handelt es sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
Im vorliegenden Fall ist für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ein „real risk“ einer Verletzung seiner Rechte nach Art 3 EMRK zu erkennen.
Dabei wird nicht verkannt, dass die allgemeine Situation in Somalia in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage – wie den Feststellungen zu entnehmen ist – nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde.
Allerdings handelt es sich im vorliegenden Fall um einen 55 Jahre alten Mann, der hochgradig schwerhörig und zu 50 % behindert ist sowie über keine familiären Anknüpfungspunkte in Somalia verfügt.
Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, ist die Versorgungslage in Somalia angesichts der Dürresituation und auch der aktuellen Corona Pandemie allgemein sehr angespannt. Dementsprechend gestaltet sich auch die Arbeitsfindung in Somalia schon generell für Rückkehrer schwierig.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei der Arbeitssuche schon allein aufgrund seiner Behinderung mehrfach benachteiligt sein wird, wobei in seinem Fall sein höheres Alter zusätzlich erschwerend hinzukommt. Zudem gehört der Beschwerdeführer einem in Mogadischu nicht ansässigen und damit einem dortigen Minderheitenclan an, weshalb er – wie den Feststellungen zu entnehmen ist – auch diesbezüglich Benachteiligungen nicht nur in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern auch beim Zugang zur Nahrungsmittelhilfe und medizinischen Dienstleistungen in Mogadischu ausgesetzt sein wird.
Der Beschwerdeführer wird dahe