Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
I421 2229481-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Mag. Gregor KLAMMER, Jordangasse 7/4, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.10.2020, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 sowie hinsichtlich Spruchpunkt IX. gemäß § 13 Abs 2 AsylG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V., VI., und VIII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am 09.09.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab der BF zu Protokoll, er stamme aus Liberia. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte er aus, die Eltern des BF seien beide Polizisten gewesen und 2003 im Bürgerkrieg in Liberia getötet worden. Danach habe der BF als Verkäufer gearbeitet. Als dann auch sein Chef Anfang 2014 verstorben sei, sei das Leben für den BF sehr schwierig geworden, zudem sei Ebola ausgebrochen.
2. Am XXXX wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Aufgrund der Angaben des BF in dessen Zuge wurde ein linguistisches und landeskundliches Gutachten in Auftrag gegeben. Aus diesem, bei der belangten Behörde eingelangt am 09.12.2019, ergab sich der eindeutige Befund, dass die Hauptsozialisierung des BF in Nigeria erfolgt sei.
3. Am XXXX wurde der BF neuerlich vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Unter Vorhalt des Gutachtens vermeinte der BF nach wie vor, nicht aus Nigeria zu stammen und sonst keine Stellungnahme zum Gutachten abgeben zu wollen.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiters festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem BF nicht gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Zudem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.) und darüber abgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12.05.2015 verloren habe (Spruchpunkt IX.).
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht durch die [damalige] Rechtsvertretung des BF erhobene Beschwerde vom 10.03.2020, bei der belangten Behörde per E-Mail eingelangt am selben Tag, wobei Rechtswidrigkeit moniert wurde. Im Wesentlichen wurde in der Beschwerde auf den gesundheitlichen Zustand des BF verwiesen. Bei ihm sei eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden, aufgrund derer er unter Wahnvorstellungen und einer beeinträchtigten Wahrnehmung der Realität leide. Er habe Schwierigkeiten, sich an Ereignisse aus der Vergangenheit zu erinnern, weshalb seine Angaben im Rahmen einer behördlichen Einvernahme nicht unbedenklich als Beweismittel gelten könnten. Weder in Liberia noch in Nigeria sei diese Erkrankung adäquat behandelbar. Überdies bestehe die Gefahr, dass psychisch Erkrankte unbehandelt sozial geächtet werden würden oder sich die Bevölkerung vor dieser Person fürchte. Dem BF drohe daher bei einem Leben in Nigeria unmenschliche Behandlung. Das auf 10 Jahre verhängte Einreiseverbot sei grob unverhältnismäßig und stelle eine massive Verletzung nicht nur der Rechte des BF auf Privat- und Familienleben, sondern auch auf seine Rechte auf Schutz vor Gewalt und unmenschlicher Behandlung dar.
6. Mit Schriftsatz vom 10.03.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 11.03.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
7. Mit Datum 19.03.2020 erging zu GZ I417 2229481-1/3Z ein Teilerkenntnis seitens des Bundesverwaltungsgerichtes, Außenstelle Innsbruck, durch welches dem BF die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde bis zum Abschluss einer mündlichen Verhandlung zuerkannt wurde.
8. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.05.2020 wurde die Rechtsache der Gerichtsabteilung I417 des Bundesverwaltungsgerichtes, Außenstelle Innsbruck, abgenommen und der Gerichtsabteilung I421 neu zugewiesen.
9. Am 18.08.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF, eines Rechtsvertreters des Vereins SUARA und eines Dolmetschers für englische Sprache statt. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Aufgrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen und aufgrund des Verhaltens des BF in der Verhandlung wurde die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens seitens des erkennenden Richters für erforderlich erachtet und die Verhandlung vertagt.
10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.09.2020 wurde ein Sachverständiger für die Erstellung eines Gutachtens über den BF inklusive mündlicher Erörterung im Rahmen der Verhandlung am 07.10.2020 beauftragt.
11. Am 07.10.2020 fand neuerlich vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF, eines Rechtsvertreters des Vereins SUARA, einer Dolmetscherin für englische Sprache und des Sachverständigen XXXX statt. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Die Aufzeichnung der Verhandlung erfolgte mittels Tonträger.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige BF ist ledig, kinderlos und christlichen Glaubens. Er ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Staatsangehöriger Nigerias. Seine Identität steht nicht fest.
Der Strafregisterauszug zur Person des BF weist zwei Eintragungen auf:
01) LG XXXX vom 08.05.2015 RK 12.05.2015
§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG
Datum der (letzten) Tat 07.03.2015
Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Junge(r) Erwachsene(r)
Vollzugsdatum 12.05.2015
zu LG XXXX RK 12.05.2015
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 12.05.2015
LG XXXX vom 25.03.2019
02) LG XXXX vom 29.10.2019 RK 29.10.2019
§ 27 (1) Z 1 8. Fall u (2a) SMG
Datum der (letzten) Tat 02.10.2014
Freiheitsstrafe 10 Monate, davon Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Junge(r) Erwachsene(r)
zu LG XXXX RK 29.10.2019
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 02.01.2020
LG XXXX vom 03.01.2020
Die Eintragung des Datums der letzten Tat hinsichtlich der zweiten strafgerichtlichen Verurteilung vom XXXX im Strafregisterauszug zur Person des BF erweist sich als fehlerhaft.
Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX für schuldig befunden, am XXXX in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain in einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlage, nämlich im Bereich der S-Bahnstation Belvedere bzw. einem S-Bahnzug Richtung Floridsdorf öffentlich anderen überlassen zu haben, und zwar A./ einem verdeckten Ermittler vier Kugeln mit einem Gesamtgewicht von 0,9 Gramm brutto zu einem Gesamtpreis von EUR 30,--; B./ zwei weiteren nicht mehr ausforschbaren Abnehmern eine nicht mehr feststellbare Menge zu einem nicht feststellbaren Gesamtpreis, wodurch der BF das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1, achter Fall, Abs 2a SMG begangen hat und er zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten, davon 7 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt wurde. Mildernd wurde das Geständnis sowie die Sicherstellung des Suchtgiftes, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe sowie die Faktenmehrheit berücksichtigt.
Seit etwa zweieinhalb Jahren lebt der BF in einer stabilen Beziehung mit XXXX , wobei er nunmehr auch seit 14.01.2020 im gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin lebt. In seiner Heimat hat der BF keine Familienangehörigen.
Er bezieht weder Leistungen aus der Grundversorgung, noch geht er einer legalen Erwerbstätigkeit nach.
Seit Beginn des Jahres 2020 befindet sich der BF in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung am Sozialpsychiatrischen Ambulatorium Penzing. Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie, wenn auch nicht durchgängig mit typischer Symptomatik. Zudem liegt eine ausgeprägte formale Denkstörung vor. Die subsidiäre Betreuung und die Einbettung in ein partnerschaftliches oder familiäres Umfeld ist von großer Wichtigkeit für den BF, insbesondere auch, weil die Lebenspartnerin den BF bei der regelmäßigen Einnahme des Medikamentes OLANZAPIN bei einer gegenwärtigen Dosierung von 30mg täglich unterstützt.
Eine Entfernung aus dem psychosozialen Umfeld würde sich ungünstig auf die Therapietreue des BF auswirken, wobei in gewisser Weise eine soziale Abhängigkeit von der Lebenspartnerin besteht. Der BF benötigt weiterhin ambulante Behandlung.
Gegenwärtig reicht das Leistungskalkül und auch der Behandlungserfolg des BF noch nicht aus, um geregelte Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Im Falle einer Ausreise oder eines „völlig-auf-sich-allein-gestellt-seins“ wäre der BF völlig überfordert und hilflos.
Die Prozess- bzw. Verhandlungsfähigkeit des BF ist stark eingeschränkt. Hinweise auf eine Selbst- oder Fremdgefährdung haben sich keine ergeben.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der BF brachte kein asylrelevantes Fluchtvorbringen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Er wurde in seinem Herkunftsland Nigeria weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Mit der Ladung zur Verhandlung am 07.10.2020 wurde der Rechtsvertretung des BF das damals aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria vom 20.05.2020 übermittelt. Mit Datum 23.11.2020 erfolgte nunmehr eine Aktualisierung desselben. Zumal die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in der psychischen Erkrankung des BF begründet liegt, ist gegenständlich lediglich der Abschnitt in Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung von Entscheidungsrelevanz, weswegen auch ausschließlich dieser in der nunmehr aktuellen Version mit Stand 23.11.2020 angeführt wird:
Medizinische Versorgung
Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden. Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 3.2020b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 9.2020b; vgl. ÖB 10.2019). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 7.9.2020). Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2019). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 9.2020b). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 100,2 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten (ÖB 10.2019).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 16.1.2020). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern der Maximalversorgung (z.B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard. Nahezu alle, auch komplexe Erkrankungen, können hier kostenpflichtig behandelt werden (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung (ÖB 10.2019).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 16.1.2020).
Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der falschen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, veranlassen die Menschen dazu, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten (HRW 11.11.2019). Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 16.1.2020). Nigeria verfügt derzeit über weniger als 150 Psychiater (AJ 2.10.2019), nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“. Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019). Die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (AJ 2.10.2019; vgl. HRW 11.11.2019).
Nach anderen Angaben gibt es insgesamt für die inzwischen annähernd (VAÖB 23.1.2019) 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Die Behandlungskosten sind jedoch je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich. Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 16.1.2020).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 16.1.2020). Nur weniger als sieben Millionen (Punch 22.12.2017) der 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 9.2020b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 16.1.2020). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein (ÖB 10.2019). Eine medizinische Grundversorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 16.1.2020). Gemäß Angaben einer anderen Quelle werden Tests und Medikamente an staatlichen Gesundheitseinrichtungen dann unentgeltlich abgegeben, wenn diese überhaupt verfügbar sind. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2019).
In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 16.1.2020). Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2019).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 16.1.2020). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2019).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 9.2020b). Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2019).
In Nigeria gibt es wie in anderen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020).
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in das linguistische und landeskundliche Gutachten vom 05.12.2019, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria (Stand 20.05.2020). Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zudem wurde der BF am 18.08.2020 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen, wobei die Verhandlung aufgrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen und aufgrund des Verhaltens des BF in der Verhandlung zu vertagen war. Es wurde XXXX ein Gutachtensauftrag zur Beurteilung des psychischen Zustandes des BF erteilt, welches dieser im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.10.2020 erstattete.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen und seiner Glaubenszugehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 09.09.2014, AS 5 & AS 9) und der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 27.03.2018, AS 68 f). Gegenteiliges ist im unstrittigen Verwaltungsakt nicht ersichtlich. Aufgrund des Umstandes, dass der BF vor der erkennenden Behörde in Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Liberia und Sierra Leone nur unzureichende Angaben machen konnte, wurde ein linguistisches und landeskundliches Gutachten in Auftrag gegeben. Aus diesem linguistischen und landeskundlichen Gutachten des XXXX vom 05.12.2019 geht eindeutig hervor, dass der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Nigeria hauptsozialisiert wurde, zumal sich auch keine tragfähigen oder überhaupt positiven Hinweise auf die vom BF behaupteten Sozialisierungen in Liberia und/oder Sierra Leone ergeben haben. Dabei legt das Gutachten schlüssig dar, dass es sich beim vom BF gesprochenen Englischen eindeutig um eine südnigerianische Varietät der Sprache handelt und der BF auch einen Erfahrungshintergrund erkennen lässt, wie er im Naturraum des subsaharanischen Afrika, auch im Süden Nigerias, gegeben ist. Weder handelt es sich bei den Sprachkenntnissen des BF um liberianisches bzw. sierra-leonisches Englisch, noch konnte der BF spezifische Landeskenntnisse zu Liberia und/oder Sierra Leone demonstrieren (Gutachten vom 05.12.2019, AS 141 ff), was auch anhand der Angaben des BF im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde deutlich wird [Wiedergabe der relevanten Auszüge]:
F: Welche Sprache ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?
A: Meine Muttersprache [ist] Englisch, ansonsten spreche ich Katata, aber diese Sprache spreche ich sehr schlecht.
F: Welche Arbeiten haben Sie jemals verrichtet?
A: Ich habe in einem Nahrungsmittel[geschäft] als Hilfskraft gearbeitet. Nachdem der Ladenbesitzer an Ebola verstorben war, half mir ein anderer Mann, damit ich in das Fischereigeschäft einsteige. Ich habe dann als Hilfskraft gearbeitet und habe die Fische getragen.
F: Welche Fische kennen Sie?
A: Ich kenne die Namen der Fische nicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie die Fische hießen.
F: Wie heißt der Flughafen von Monrovia?
A: Ich weiß es nicht.
F: Wissen Sie, [wie die Flagge] von Liberia ausschaut?
A: Ein Stern…
F: Welche Farben hat die Flagge?
A: Rot – Weiß. Der Stern ist weiß und der Hintergrund des Sternes ist rot.
F: Kennen Sie Suya oder Zobo?
A: Nein.
F: Kennen Sie Fufu?
A: Nein.
F: Vorhalt: Fufu wird sehr gerne in Liberia gegessen?
A: Es gibt verschiedene Geschmäcker.
F: Was für berühmte Persönlichkeiten aus Ihrem Heimatland kennen Sie?
A: Niemanden.
F: Was können Sie über Monrovia erzählen?
A: Ich weiß nichts.
F: Wissen Sie, wann der Bürgerkrieg gestartet hat?
A: Ich weiß es nicht.
F: Welche Countys in Liberia kennen Sie?
A: Ich kenne nur Monrovia. Ich bin nicht gereist.
Zumal gegenwärtig die Prozess- bzw. Verhandlungsfähigkeit des BF entsprechend dem Gutachten des XXXX stark eingeschränkt ist (Protokoll vom 07.10.2020, S 3), konnte der BF dazu vom erkennenden Richter nicht befragt werden. Am Gutachten haben sich jedoch unter Miteinbeziehung der Angaben des BF vor der belangten Behörde seitens des erkennenden Richters keinerlei Zweifel ergeben. Es war daher die Feststellung zur Staatsangehörigkeit Nigerias zu treffen, woran auch die Ausführungen des BF, er sei nicht aus Nigeria, in Anbetracht der mangelnden Landes- und Sprachkenntnisse zu Liberia und/oder Sierra Leone nichts zu ändern vermögen. Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 23.11.2020. Die Feststellungen hinsichtlich seiner letzten Verurteilung samt Milderungs- und Erschwernisgründe ergeben sich aus dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX (AS 131 ff).
Der Umstand, dass hinsichtlich der zweiten Verurteilung sich die Eintragung des Datums der (letzten) Tat im Strafregisterauszug als fehlerhaft erweist, ergibt sich ohne jeglichen Zweifel aus der gekürzten Urteilsausfertigung (AS 131 ff). In dieser ist einerseits das Tatbegehungsdatum mit XXXX explizit angeführt, andererseits ergibt sich selbiges auch eindeutig aus einer Zusammenschau der angerechneten Vorhaft ( XXXX bis XXXX ) und dem Urteilsdatum ( XXXX ).
Hinsichtlich der Beziehung zu XXXX kann auf die Angaben des BF bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde verwiesen werden, in dessen Zuge der BF im Februar 2020 angeführt hat, seit zwei Jahren mit XXXX zusammen zu sein, bei welcher er auch seit 2020 an einem gemeinsamen Wohnsitz gemeldet sei (Protokoll vom XXXX, AS 194). Der Umstand hinsichtlich des Lebens im gemeinsamen Haushalt wird durch die übereinstimmenden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF und seiner Lebensgefährtin bestätigt. Zumal der BF sowohl vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 09.09.2014, AS 9) als auch vor der belangten Behörde übereinstimmend (Protokoll vom 27.03.2018, AS 61; Protokoll vom XXXX, AS 193) ausgeführt hat, dass seine Eltern verstorben seien und er nicht wisse, wo sich seine Schwester aufhalte bzw. er über keine Familie mehr in seiner Heimat verfüge, war die diesbezügliche Feststellung zu treffen.
Dass der BF keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, ergibt sich aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und einem Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF, welcher keine Eintragung aufweist.
Der Umstand, dass sich der BF seit Beginn des Jahres 2020 in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung am Sozialpsychiatrischen Ambulatorium Penzing befindet, ergibt sich aus dem diesbezüglich vorgelegten fachärztlichen Befundbericht vom 15.09.2020. Sämtliche weiteren Feststellungen zur Erkrankung des BF samt medikamentöser Behandlung, der mangelnden Arbeitsfähigkeit, der Bedeutsamkeit der Einbettung in das partnerschaftliche oder familiäre Umfeld samt Unterstützung durch die Lebensgefährtin und Abhängigkeit zu derselben, der stark eingeschränkten Prozess- bzw. Verhandlungsfähigkeit und dem Umstand, dass der BF im Falle einer Ausreise völlig überfordert und hilflos wäre, ergeben sich aus dem Gutachten samt Befund des XXXX im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.10.2020 (Protokoll vom 07.10.2020, S 2 ff). Dem fachärztlichen Befundbericht des Sozialpsychiatrischen Ambulatoriums Penzing vom 21.02.2020 ist zu entnehmen, dass sich keine Hinweise auf eine Selbst- oder Fremdgefährdung ergeben haben.
2.4. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Der BF hat jedoch ausschließlich vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde als Flucht- und Asylgrund geltend gemacht, dass er seine Heimat verlassen habe, weil er dort (seit dem Jahr 2003) keine Familie mehr gehabt habe, Bürgerkrieg gewesen und Ebola ausgebrochen sei (Protokoll vom 09.09.2014, AS 13; Protokoll vom 27.03.2018, AS 64). Eine gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus den oben angeführten Gründen wurde vom BF weder vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, noch vor der belangten Behörde behauptet.
Damit vermochte der BF selbst bei Wahrunterstellung – zumal auch eine Einvernahme des BF durch den erkennenden Richter aufgrund der gutachterlich festgestellten stark eingeschränkten Prozess- bzw. Verhandlungsfähigkeit nicht mehr möglich war – kein im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention asylrelevantes Fluchtvorbringen darzulegen, weder seiner Art nach, noch in einer derart erheblichen Intensität, die es für den BF unzumutbar machen würden, den Schutz des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Der BF beschränkte sich dabei ausschließlich auf eine allgemeine schlechte Situation, erläuterte jedoch nicht, inwieweit gerade er einer konkreten, individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre.
2.5. Zum Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser, handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Den Quellen wurde auch nicht substantiiert entgegengetreten, zumal der BF auch nach Vorhalt des Gutachtens vor der belangten Behörde noch behauptet hat, nicht aus Nigeria zu stammen.
Die [auszugsweise] obgenannten Länderfeststellungen konnten daher der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt 2.4. bereits dargelegt, vermochte der BF im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen, zumal er zu keinem Zeitpunkt konkrete Verfolgungshandlungen – weder in Liberia, noch in Sierra Leone oder Nigeria – gegen seine Person vorgebracht hat.
Die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat kann die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen (VwGH 31.08.2020, Ra 2020/19/0232), zudem hat der BF auch zu keinem Zeitpunkt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe behauptet, welche eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung" rechtfertigen vermöge (VwGH 25.09.2020, Ra 2019/19/0407).
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – „real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).
Die Abschiebung bzw. Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2020, Ra 2020/14/0368). Dabei ist eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat, vorzunehmen (vgl. etwa VwGH vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063, mit weiteren Nachweisen) (vgl. VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu fallen (vgl. VwGH 30.5.2001, 97/21/0560).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten in Nigeria bedroht wäre. Es ist somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG gegeben sind:
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab dabei, dass der BF an einer paranoiden Schizophrenie leidet, wenn auch nicht durchgängig mit typischer Symptomatik. Zudem liegt eine ausgeprägte formale Denkstörung vor. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung besteht dadurch beim BF im Falle einer Rückkehr nach Nigeria eine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden und in eine völlig ausweglose Situation zu geraten.
Einerseits ergibt sich dies bereits anhand der Länderfeststellungen. So existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, wo Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 16.1.2020). Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der falschen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, veranlassen die Menschen dazu, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten (HRW 11.11.2019). Eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit ist aufgrund der personellen Situation nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“, wobei die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (AJ 2.10.2019; vgl. HRW 11.11.2019). Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019). Zudem gewährleistet die staatliche Gesundheitsversorgung auch keine kostenfreie Medikamentenversorgung und bekommen Personen ohne Geld keine medizinische Behandlung. Zwar bietet sich das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an und ist auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 16.1.2020), doch belaufen sich die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen bereits auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro).
Darüber hinaus geht auch aus dem Gutachten des XXXX im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2020 eine reale Gefahr der Bedrohung der Existenz des BF deutlich hervor. Insbesondere ergibt sich daraus, dass für den BF die Einbettung in ein partnerschaftliches oder familiäres Umfeld von großer Wichtigkeit und durch die Lebenspartnerin ein wesentlicher Beitrag zur Einnahme der Medikation (gegenwärtig eine Dosierung von 30mg OLANZAPIN täglich) und Wahrnehmung entsprechender psychiatrischer Kontrolltermine gewährleistet ist. Es besteht zudem auf eine gewisse Weise eine soziale Abhängigkeit von der Lebenspartnerin. Eine Entfernung aus dem psychosozialen Umfeld würde sich auf die Therapietreue des BF erwartungsgemäß ungünstig auswirken. Des Weiteren benötigt der BF weiterhin ambulante Behandlung und reicht auch gegenwärtig das Leistungskalkül und auch der Behandlungserfolg des BF noch nicht aus, um geregelte Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Im Falle einer Ausreise oder eines „völlig-auf-sich-allein-gestellt-seins“ wäre er völlig überfordert und hilflos.
Zumal der BF kein soziales Netz in Nigeria aufweist, wäre der BF folglich weder in der Lage, seine medizinische Versorgung zu organisieren, noch diese zu bezahlen, noch wäre er dazu im Stande, die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens – wie Wohnen, Essen und Kleidung – abzudecken, insbesondere, da er auch nicht in der Lage ist, einer geregelten Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.
Dem BF würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen, exzeptionellen Umstände bei einer Rückkehr nach Nigeria die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative (vgl. § 8 Abs 3 AsylG 2005) aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 3 EMRK darstellen würde.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG liegen nicht vor. Hinsichtlich § 9 Abs 2 Z 1 AsylG sind solche Gründe nicht hervorgekommen, in Zusammenhang mit § 9 Abs 2 Z 3 AsylG gilt es auszuführen, dass der BF nicht von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt wurde, sondern ausschließlich aufgrund von Vergehen (Z 3 leg cit).
Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich im Sinne des § 9 Abs 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs 1 Z 3 und § 57 Abs 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs 1 FrPolG 2005). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (VwGH 20.08.2020, Ra 2019/19/0522).
Unstrittig ist, dass der BF zweimalig aufgrund von Suchtmitteldelinquenz verurteilt wurde und auch die letzte Tat erst knapp ein Jahr zurückliegt. Hinsichtlich des Gesinnungswandels eines Straftäters ist dabei festzuhalten, dass ein solcher grundsätzlich erst – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – daran gemessen werden kann, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. B 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014) (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Zwar befindet sich der BF gegenwärtig noch in seiner dreijährigen Probezeit, jedoch gilt es gegenständlich zu berücksichtigen, dass der BF nunmehr seit Beendigung seiner Haft im Januar 2020 mit seiner Lebensgefährtin XXXX , zu welcher seit knapp zweieinhalb Jahren eine Beziehung besteht, im gemeinsamen Haushalt lebt. Im Zuge der beiden mündlichen Verhandlungstermine, zu welchen XXXX den BF beide Male begleitet und unterstützt hat, konnte der erkennende Richter den Eindruck gewinnen, dass gegenwärtig keine Gefährlichkeit des BF in Hinblick auf die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich gegeben ist. Vielmehr befindet sich der BF nunmehr bei XXXX , welche auch für die Medikation des BF Sorge trägt, in einem sozial gefestigten und geordneten Umfeld. Auch aus dem fachärztlicher Befundbericht des Sozialpsychiatrischen Ambulatoriums Penzing vom 21.02.2020 ergaben sich keiner Hinweise auf eine Selbst- und Fremdgefährdung, womit auch diesbezüglich eine Gefährlichkeit des BF für die Allgemeinheit ausscheidet. Ein Ausschlussgrund entsprechend § 9 Abs 2 Z 2 AsylG liegt somit nicht vor.
Es war daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria zuzuerkennen.
3.3. Zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung
3.3.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im gegenständlichen Fall war dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuzuerkennen.
Folglich war dem BF gemäß § 8 Abs 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
3.4. Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III., IV., V., VI. und VIII. des angefochtenen Bescheides
Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Da dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung nicht vor.
Damit entfällt auch die Basis für die auf der Pflicht zur Ausreise aufbauenden Aussprüche und mangelt es aufgrund des Status des subsidiär Schutzberechtigten somit den Spruchpunkten III., IV. V. VI. und VIII. an einer rechtlichen Grundlage, weswegen diese ersatzlos zu beheben waren.
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides) erfolgte bis zum Abschluss einer mündlichen Verhandlung bereits mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ I417 2229481-1/3Z vom 19.03.2020.
3.5. Zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides)
3.5.1. Rechtslage
Gemäß § 13 Abs 2 AsylG verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs 3),
2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,
3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder
4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.
Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.
Gemäß § 13 Abs 4 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.
3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Schon aus dem Gesetzestext ergibt sich, dass der Ausspruch gemäß § 13 Abs 4 AsylG 2005 über den Verlust des Aufenthaltsrechts von den anderen Aussprüchen im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz rechtlich trennbar ist und mit diesen auch in keinem inneren Zusammenhang steht (vgl. zum spezifischen rechtlichen Zusammenhang von Aussprüchen in Ansehung eines Antrags auf internationalen Schutz aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0404, mwN) (VwGH 10.09.2020, Ro 2019/20/0006).
Unstrittig wurde der BF erstmalig mit 12.05.2015 strafrechtlich rechtskräftig verurteilt. In Folge dessen wurde dem BF mittels Verfahrensanordnung vom 27.03.2018 der Verlust des Aufenthaltsrechts zur Kenntnis gebracht und – entsprechend § 13 Abs 4 AsylG – im verfahrensabschließenden Bescheid der belangten Behörde vom XXXX darüber abgesprochen.
Auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und der zuvor erwähnten Judikatur erfolgte der Ausspruch seitens der belangten Behörde, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat, zu Recht. Im Übrigen wurde Spruchpunkt IX. in der Beschwerde inhaltlich nicht bekämpft.
Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet gestaltete sich daher im Zeitraum vom 12.05.2015 bis zur Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses als nicht rechtmäßig.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsrecht befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Gefährdungsprognose Gesundheitszustand innerstaatliche Fluchtalternative mangelnde Asylrelevanz medizinische Versorgung psychiatrische Erkrankung Sachverständigengutachten Sprachanalyse strafrechtliche Verurteilung subsidiärer Schutz Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Teilstattgebung VerlusttatbeständeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2229481.1.00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021