TE Vfgh Beschluss 1995/9/26 G60/95

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Veröffentlicht am 26.09.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/04 Wahlen

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art141 Abs1
NRWO 1992 §4
NRWO 1992 §96, §97, §100 f, §107

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der NRWO 1992 mangels Legitimation; Möglichkeit der Initiierung einer Wahlanfechtung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Mit seinem auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag ficht der Antragsteller einzelne Bestimmungen der "Nationalratswahlordnung 1992 idgF" als verfassungswidrig an, und zwar die §§4, 96 Abs2, 97, 100 Abs1 und 2, 101, 102, 107 Abs2, 3, 7 und 8 sowie die Anlage 1.

1.1.2. Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller sinngemäß aus, daß ihm ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung nicht zur Verfügung stehe; die angefochtenen Bestimmungen beträfen nicht die Wahl als solche, die nur von den in §67 Abs2 VerfGG 1953 genannten Wählergruppen angefochten werden könnte, sondern die "Grundlagen eines Wahlverfahrens", um deren Anfechtung es ihm gehe. Die von ihm bei der letzten Wahl zum Nationalrat gewählte Partei habe nämlich kein Grundmandat erzielt, seine Stimme somit im Ermittlungsverfahren keine Geltung erlangt.

1.2. Die Bundesregierung legte eine Äußerung vor, in der sie beantragte, den Antrag mangels Legitimation zurückzuweisen.

2. Der Antrag ist unzulässig.

2.1.1. Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Der Gerichtshof nimmt seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen müsse.

2.1.2. Die hier bekämpften gesetzlichen Vorschriften (über die Mandatszahl und die Mandatszuteilung) betreffen den Antragsteller als Wähler aber keinesfalls unmittelbar-aktuell; sie berühren ihn erst in ihren Auswirkungen auf das Ergebnis einer durchgeführten (Nationalrats-)Wahl:

Gemäß Art141 Abs1 B-VG iVm §67 Abs1 VerfGG 1953 können Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern (so auch zum Nationalrat) wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens - dazu zählen auch behauptete verfassungsrechtliche Bedenken gegen die das Wahlverfahren tragenden Rechtsgrundlagen - erhoben werden. Zur Anfechtung solcher Wahlen sind Wählergruppen (Parteien) berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter (§67 Abs2 Satz 2 VerfGG 1953).

Wie der Anfechtungswerber selbst vorbringt, wählte er bei der letzten Nationalratswahl eine wahlwerbende Gruppe, die zuvor (rechtzeitig) einen Wahlvorschlag für diese Wahl eingereicht hatte (§67 Abs2 Satz 2 Teil 2 VerfGG 1953). Dieser - von ihm nach seinen Angaben gewählten - Wählergruppe, nicht einem einzelnen Wahlberechtigten, der sein Wahlrecht ausüben will und tatsächlich ausübt, war somit durch Art141 Abs1 lita B-VG und §67 Abs2 VerfGG 1953 das Recht eingeräumt, die Wahl zum Nationalrat (1994) anzufechten und dabei die in der nunmehr vorliegenden Anfechtungsschrift behauptete Verfassungswidrigkeit der bekämpften Bestimmungen der NRWO 1992 geltend zu machen. Dem Antragsteller stand es frei, bei "seiner" Wählergruppe eine solche Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof und damit eine Nachprüfung der zugrundeliegenden einfachgesetzlichen Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu initiieren; zur selbständigen Anfechtung der in Rede stehenden Bestimmungen (über die Mandatszahl und die Mandatszuteilung) fehlt ihm aber die Legitimation, und zwar schon deshalb, weil diese Normen, wie dargetan, in seine Rechte nicht unmittelbar aktuell eingreifen.

2.1.3. Der auf Art140 B-VG gestützte Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.2. Dieser Beschluß wurde gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Wahlen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G60.1995

Dokumentnummer

JFT_10049074_95G00060_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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