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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art53Leitsatz
Rechtswidrigkeit eines Beschlusses der Mehrheit des Ibiza-Untersuchungsausschusses betreffend die Bestreitung des Zusammenhangs des Verlangens der Ladung einer Auskunftsperson mit dem Untersuchungsgegenstand wegen fehlender Begründung; Verletzung der verfassungsgesetzlichen Begründungspflicht durch die begründungslose Verneinung des sachlichen Zusammenhangs des Verlangens der beschlussfassenden Mehrheit der AntragstellerRechtssatz
Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Ibiza-Untersuchungsausschusses betreffend die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung vom 03.12.2020, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges des Verlangens der Antragsteller betreffend die Ladung einer Auskunftsperson mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird.
Der am 14.12.2020 von zumindest vier (die Frage der Antragslegitimation des Fünfteinschreiters kann angesichts der Ausschussgröße von 13 Abgeordneten offen bleiben) das in Rede stehende Verlangen unterstützenden Mitgliedern des Ibiza-Untersuchungsausschusses beim VfGH eingebrachte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z5 B-VG erweist sich als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses eingebracht.
Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des VfGH gemäß §56g Abs6 VfGG, über einen Antrag iSd Art138b Abs1 Z5 B-VG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen) zu entscheiden, sowie im Hinblick auf die befristete Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses und auch angesichts der mangelnden Parteistellung der beschlussfassenden Mehrheit im Untersuchungsausschuss (vgl aber §56c Abs4 VfGG zu Verfahren nach Art138b Abs1 Z1 B-VG) hat diese Mehrheit ihren Beschluss mit hinreichender Deutlichkeit auf eine nachvollziehbare Begründung zu stützen, um dem VfGH im Rahmen der im Untersuchungsausschuss vorgebrachten Argumente eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Untersuchungsausschusses im Verfahren nach Art138b Abs1 Z5 B-VG zu ermöglichen. Diese Begründung muss aus dem Abstimmungsvorgang bzw dem Beschluss im Untersuchungsausschuss ersichtlich sein. Es kann nicht Aufgabe des VfGH sein, aus den Wortmeldungen einzelner Ausschussmitglieder eine Mutmaßung zu treffen, ob und welche der in der Sitzung vorgebrachten Gründe die beschlussfassende Mehrheit zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht haben könnte.
Die beschlussfassende Mehrheit im Untersuchungsausschuss kann mit einem pauschalen Bestreiten des Bestehens eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses betreffend die Ladung einer bestimmten Auskunftsperson mit dem Untersuchungsgegenstand die Ladung dieser Person somit nicht verhindern. Sie trifft eine auf die bestimmte Person näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der Ladung der verlangten Auskunftsperson).
Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss hat ihrer diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Begründungspflicht nicht entsprochen und damit ihren Beschluss mit Rechtswidrigkeit belastet: Es ist aus dem Abstimmungsvorgang bzw dem Beschluss im Untersuchungsausschuss nicht ersichtlich, auf welche Gründe die Mehrheit ihre Beschlussfassung stützt. Fehlt daher eine Begründung der beschlussfassenden Mehrheit, ist ein solcher Beschluss schon deshalb rechtswidrig.
Schlagworte
VfGH / Untersuchungsausschuss, Nationalrat, LadungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:UA4.2020Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021