TE Vwgh Erkenntnis 2020/12/17 Ra 2019/15/0028

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2020
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §19 Abs1
EStG 1988 §124b Z53
EStG 1988 §25 Abs1
EStG 1988 §25 Abs1 Z2 litb
EStG 1988 §25 Abs2
EStG 1988 §32 Abs1 Z2

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2019/15/0128 B 10.09.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. Jänner 2019, Zl. RV/1100545/2017, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: U S in S, vertreten durch die Advokaten Keckeis Fiel Scheidbach OG in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Mitbeteiligte, deren Schwester im Dezember 2015 verstorben war, erhielt im Juni 2016 von einer Schweizer Pensionskasse ein Todesfallkapital in Höhe von 504.674,95 € überwiesen. Die Zahlung gründete auf dem Umstand, dass die Schwester der Mitbeteiligten in der Schweiz gearbeitet hatte und von ihrem Lohn Pflichtbeiträge an die Schweizer Pensionskasse geleistet worden waren, was der Mitbeteiligten gemäß Art. 14 des Vorsorgereglements der Schweizer Pensionskasse einen entsprechenden Rechtsanspruch verschaffte.

2        Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 behandelte das Finanzamt diesen Betrag zur Gänze als steuerpflichtig. Die Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde, in der sie die Ansicht vertrat, dass das Todesfallkapital als Teil der Erbschaft nicht der Einkommensteuer unterliege, jedenfalls aber ein Drittel der Zahlung gemäß § 124b Z 3 EStG 1988 steuerfrei zu belassen sei.

3        In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung ging das Finanzamt weiterhin von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus. Es sah aber auch die Voraussetzungen des § 124b Z 53 EStG 1988 als nicht erfüllt an, weil die Mitbeteiligte niemals einen primären Anspruch auf Rentenzahlung gehabt habe und daher kein Pensionsanspruch in Form einer Rente abgefunden worden sei.

4        Die Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG).

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde teilweise statt. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Ablaufs der über die Beschwerde durchgeführten mündlichen Verhandlung traf das BFG Feststellungen zu dem Schweizer Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) sowie dem Vorsorgereglements der gegenständlichen Pensionskasse. Art. 14 des Vorsorgereglements regle den Fall, dass die versicherte Person vor Erreichen des Pensionsalters versterben sollte, und räume bestimmten in der Regel mit dem Versicherten verwandten Personen in einer vom Reglement festgelegten Reihenfolge Anspruch auf das Todeskapital ein. Nach der angeführten Bestimmung entspreche das Todesfallkapital der Austrittsleistung des Versicherten im Zeitpunkt des Todes abzüglich des Sparkontos, welches gemäß Art. 15 des Vorsorgereglements separat ausbezahlt werde und abzüglich des Barwertes allfälliger Hinterlassenenleistungen. Dieser Anspruch auf die Leistung des Todesfallkapitals sei selbständiger Natur und nicht ein Anspruch aus dem Erbrecht.

7        Gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 seien Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei es nach Abs. 2 der angeführten Bestimmung unmaßgeblich sei, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handle, ob ein Rechtsanspruch auf sie bestehe und ob sie dem zunächst Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen würden. Bei der auszahlenden Stiftung handle es sich um eine Vorsorgeeinrichtung iSd Art. 48 BVG und damit um eine ausländische Pensionskasse. Die Auszahlung des Todesfallkapitals stelle eine grundsätzlich nachrangige Leistung im Versicherungsfall des Todes der versicherten Person dar. Die Leistung trete gleichsam an die Stelle anderer vorrangiger Leistungen, sodass nicht einsichtig wäre, weshalb sie nicht auch grundsätzlich (hinsichtlich der Steuerpflicht) das Schicksal der vorrangigen Leistungen teilen sollte. Auf der faktischen Ebene sei zudem evident, dass zwischen der ehemaligen beruflichen Tätigkeit der Schwester der Mitbeteiligten und dem der Mitbeteiligten zugeflossenen Todesfallkapital ein besonders enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe (Hinweis auf VwGH 9.3.1985, 84/14/0139), habe doch die berufliche Vorsorge u.a. den Zweck, bei Tod des Versicherten den Hinterbliebenen die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung zu erlauben (Art. 1 BVG), weshalb nach Art. 20a BVG auch für Geschwister ein Anspruch auf das volle Todesfallkapital vorgesehen sei.

8        Aufgrund des engen Konnexes zum Arbeitsverhältnis der verstorbenen Schwester sei von einer steuerrechtlichen Nachfolge in Bezug der Einkünfte auf Grund welchen zivilrechtlichen Titels auch immer auszugehen (Hinweis auf VwGH 17.10.2001, 2001/13/0009). Das Todesfallkapital sei daher in Österreich gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 steuerpflichtig.

9        Zweck der Bestimmung des § 124b Z 53 Satz 3 EStG 1988 sei es, eine tarifmäßige Besteuerung von Pensionsabfindungen zu vermeiden, wenn keine andere Möglichkeit bestehe, als die Abfindung zu beanspruchen. Für den Fall, dass ein aktiv Versicherter versterbe, werde gemäß Art. 14 des Vorsorgereglements der gegenständlichen Einrichtung den Anspruchsberechtigten ein Todesfallkapital ausbezahlt. Durch den Tod des aktiv Versicherten wandle sich die Pensionsanwartschaft des aktiv Versicherten in einen unmittelbaren Leistungsanspruch der gemäß Art. 14 des Versicherungsreglements Anspruchsberechtigten um. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes werde keine Anwartschaft, sondern ein Pensionsanspruch der aktiv Versicherten als Kapitalzahlung abgefunden. Die Mitbeteiligte habe kein Wahlrecht zwischen Bezug des Todesfallkapitals als Rente oder als Kapitalabfindung gehabt. Selbst für den Fall, dass davon auszugehen wäre, dass lediglich eine Pensionsanwartschaft abgefunden worden wäre, sei nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. November 2005, 2004/15/0014, dennoch - ausnahmsweise - die Begünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 anwendbar, weshalb ein Drittel des ausbezahlten Todesfallkapitals steuerfrei zu belassen sei.

10       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die Revision ist zulässig, da - wie in der Revision aufgezeigt - keine Judikatur zur Frage vorliegt, ob die Auszahlung des Todesfallkapitals durch die Schweizer Pensionskasse an die Angehörigen eine Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 EStG 1988 darstellt.

13       Mit BGBl. I Nr. 54/2002 wurde in § 124b Z 53 EStG 1988 ein (dritter) Satz angefügt und darin normiert, dass Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen ab dem Jahr 2001 zu einem Drittel steuerfrei sind.

14       Zweck dieser Bestimmung ist es, eine tarifmäßige Besteuerung von Pensionsabfindungen zu vermeiden, wenn keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme dieser Abfindung besteht (vgl. VwGH 5.3.2020, Ro 2019/15/0003).

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt über Fälle entschieden, in denen Arbeitnehmer auf Grund der Beendigung ihres Dienstverhältnisses zu einem Schweizer Arbeitgeber vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters aus der Schweizer Pensionskasse ausgeschieden sind. Die im Zusammenhang mit dem endgültigen Verlassen der Schweiz zuerkannte Austrittsleistung wurde (unter der weiteren Voraussetzung, dass kein Wahlrecht zwischen Rente und Kapital bestand) als begünstigungsfähige Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 dritter Satz EStG 1988 beurteilt (vgl. zusammenfassend VwGH 19.4.2018, Ra 2016/15/0025, und die dort angeführte Vorjudikatur; sowie VwGH 5.3.2020, Ro 2019/15/0003).

16       Mit Erkenntnis vom 22.11.2018, Ra 2018/15/0086, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es gerade (auch) die Abfindung von Pensionsanwartschaften ist, die der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 begünstigen wollte. Ein Auslegungsergebnis, das die Abfindung von Pensionsanwartschaften von der Sonderregelung des § 124b Z 53 Satz 3 EStG 1988 ausnähme, würde bewirken, dass dieser Bestimmung im Allgemeinen kein Anwendungsbereich bliebe, was jedenfalls im Zweifel nicht anzunehmen ist. Ist ein Anspruch auf Rentenzahlung (zumindest wirtschaftlich; vgl. hiezu VwGH 3.11.2005, 2004/15/0014) bereits entstanden, so wird eine Abfindung regelmäßig nicht auf einer gesetzlichen oder statutenmäßigen Regelung beruhen, also gerade nicht der Fall vorliegen, dass der Abgabepflichtige keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung hat.

17       Im Revisionsfall wurde das Versorgungsverhältnis nicht durch Dienstaustritt, sondern durch den Tod der versicherten Person beendet. Stirbt ein aktiv Versicherter, wird den Anspruchsberechtigten - nach den Feststellungen des BFG - ein Todesfallkapital ausbezahlt, das der Austrittsleistung des Versicherten im Zeitpunkt des Todes (abzüglich bestimmter in Abzug zu bringender Leistungen) entspricht (Art. 14 des Vorsorgereglements). Die Einmalzahlung wurde aus diesem Grund vom BFG steuerlich gleich der Austrittsleistung behandelt.

18       Das revisionswerbende Finanzamt bringt dagegen vor, dass die Mitbeteiligte weder rechtlich (aufgrund des Pensionskassenreglements) noch tatsächlich gegenüber der Pensionskasse einen Pensionsanspruch gehabt hätte. Das Todesfallkapital sei vielmehr als eigenständiger Anspruch an die Mitbeteiligte ausbezahlt worden, ohne dass damit ein (eigener) Pensionsanspruch abgegolten worden wäre.

19       Die Abfindung ausländischer Pensionskassenleistungen führt nach § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 in der ab 1997 geltenden Fassung des BGBl. Nr. 201/1996 zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. zu einer schweizerischen Pensionsabfindung VwGH 19.12.2007, 2006/15/0258, mit weiteren Nachweisen).

20       Bei den Einkünften iSd § 25 Abs. 1 EStG 1988 ist es unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht, oder ob sie dem originär Bezugsberechtigen oder seinem Rechtsnachfolger zufließen (§ 25 Abs. 2 EStG 1988).

21       Zahlungen, auf die der Rechtsvorgänger zu Lebzeiten keinen Anspruch hatte und deren Anfall er nicht beeinflussen konnte, gehören nach herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls zu den Einkünften des Rechtsnachfolgers; damit werden beispielsweise auch gesetzliche Abfertigungen an unterhaltsberechtigte Erben oder Sterbegelder grundsätzlich von der Steuerpflicht erfasst (vgl. Doralt, EStG12, § 32 Tz 103; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 25 Tz 28; zum insoweit vergleichbaren EStG 1972 VwGH 19.1.1982, 81/14/0046).

22       Nichts anderes gilt - wie das BFG zutreffend erkannt hat - für das revisionsgegenständliche Todesfallkapital.

23       Wenn § 25 Abs. 2 EStG 1988 und § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 die Einnahmen des verstorbenen Rechtsvorgängers dem Rechtsnachfolger zurechnen, ohne die Identität der Einkunftsart zu berühren, spricht dies dafür, diesen Einkünfte auch jene einkünftebezogenen Begünstigungen zukommen zu lassen, die beim Rechtsvorgänger anwendbar gewesen wären. Denn durch die Rechtsnachfolge ändert sich der sachliche Gehalt der betreffenden Einkünfte nicht, weshalb auch die rechtspolitischen Ziele der Steuerermäßigung davon unberührt bleiben, ob die Einkünfte, auf die sich die Ermäßigung bezieht, vom ursprünglichen Steuerpflichtigen oder seinem Rechtsnachfolger bezogen werden (vgl. Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht, 417ff).

24       Nach den Sachverhaltsfeststellungen des BFG entspricht das Todesfallkapital nach Art. 14 des Vorsorgereglements grundsätzlich (nach Abzug allfälliger vorrangig zu befriedigender Ansprüche) der Austrittsleistung, auf die der Versicherte im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses Anspruch gehabt hätte. Durch die Rechtsnachfolge ändert sich der sachliche Gehalt der betreffenden Einkünfte nicht, weshalb auch der Zweck der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988, der darin liegt, eine tarifmäßige Besteuerung von Pensionsabfindungen zu vermeiden, wenn keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme dieser Abfindung besteht, von der Rechtsnachfolge unberührt bleibt. Auch im Falle der Auszahlung des Abfindungsbetrages an einen nach dem Tod des Dienstnehmers Anspruchsberechtigten, kommt es zu einer kumulierten Erfassung von Einkünften in einem Jahr (Barwert der Altersrente).

25       Dass es im Revisionsfall auf Grund von Hinterlassenenleistungen (die gemäß Art. 14 des Vorsorgereglements von der Austrittsleistung in Abzug zu bringen sind) zu einer derartigen Schmälerung der Austrittsleistung gekommen wäre, dass von keinem zusammengeballten Anfall von Einkünften mehr gesprochen werden könnte, behauptet das revisionswerbende Finanzamt nicht. Es verneint das Vorliegen einer „Zusammenballung von Einkünften“ lediglich mit dem Argument, dass die Mitbeteiligte selbst keinen Anspruch auf Rentenleistung gehabt hätte. Diese Sichtweise lässt allerdings das Vorliegen einer Rechtsnachfolge im Bezug der Einkünfte außer Acht.

26       Die Revision erweist sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

27       Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150028.L00

Im RIS seit

16.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten