TE Vwgh Beschluss 2020/12/22 Ra 2020/21/0273

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §60 Abs2 Z1
AVG §37
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des E E, zuletzt in St. Pölten, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Mai 2020, I409 2202927-2/4E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 sowie Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste in der zweiten Jahreshälfte 2012 nach Österreich ein. Er verfügte bis 28. Juni 2016 über Aufenthaltsberechtigungen als Studierender. Ein Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid der Niederlassungsbehörde vom 5. September 2016, bestätigt mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. November 2016, rechtskräftig abgewiesen.

2        Ein hierauf am 15. März 2017 gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 9. Juli 2018 zur Gänze abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten festgestellt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem am 6. November 2019 mündlich verkündeten und mit 26. November 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis als unbegründet ab.

3        Am 16. Dezember 2019 stellte der Revisionswerber sodann persönlich beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines „Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ nach § 56 AsylG 2005, der mit Bescheid des BFA vom 20. Jänner 2020 abgewiesen wurde. Unter einem erließ das BFA neuerlich eine Rückkehrentscheidung, verband damit „gemäß § 53 Abs. 1 FPG“ ein mit achtzehn Monaten befristetes Einreiseverbot und traf wiederum eine Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten. Schließlich sprach das BFA noch aus, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

4        Nachdem sich der Revisionswerber zunächst noch am 27. Februar 2020 einer Abschiebung widersetzt hatte, entsprach er am 12. März 2020 der Ausreiseverpflichtung, indem er unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe freiwillig in seinen Herkunftsstaat ausreiste.

5        In der Folge erhob der Revisionswerber durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter gegen den Bescheid vom 20. Jänner 2020 eine Beschwerde, die das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 23. Mai 2020 mit der Maßgabe abwies, dass das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt werde. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

7        Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 einem Drittstaatsangehörigen nur dann erteilt werden, wenn er einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Fremden, initiativ und untermauert durch entsprechende Bescheinigungsmittel einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachzuweisen (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032, mwN).

8        Diesbezüglich legte der Revisionswerber im Verfahren vor dem BFA ein als „Bestätigung“ bezeichnetes undatiertes, von H.A. unterfertigtes, in Maschinschrift verfasstes Schreiben vor, das wie folgt lautet:

„Hiermit bestätige ich, [H.A., Geburtsdatum], der Hauptmieter der Wohnung [näher angeführte Adresse in St. Pölten], dass der [Revisionswerber] Während seines Aufenthalts in der Wohnung [Adresse] keine Miete zahlt. Ich zahle den ganzen Mietbetrag.“

9        Dazu hielt das BFA im Bescheid vom 20. Jänner 2020 zur Begründung der auch aus diesem Grund vorgenommenen Abweisung des Antrags vom 16. Dezember 2019 fest, aus diesem Schreiben ergebe sich weder die Ortsüblichkeit der Unterkunft noch ein Rechtsanspruch auf eine dauerhafte Unterkunftnahme. Darüber hinaus müsse „massiv bezweifelt“ werden, dass die Untervermietung des genannten Objekts zulässig sei.

10       In der Beschwerde wurde zunächst gerügt, das BFA hätte wegen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht den Wohnungsinhaber H.A. zur Ortsüblichkeit der Wohnung und zur Zulässigkeit der Untervermietung befragen können und müssen. Nach dem Mietrechtsgesetz sei nämlich nur eine gänzliche Untervermietung verboten; dies sei hier nicht der Fall. An anderer Stelle wurde zu diesem Thema dann nur noch behauptet, „wie dargelegt“ habe der Revisionswerber „durch die Vorlage der Wohnrechtsbestätigung nachgewiesen, einen Rechtsanspruch auf eine ordentliche Unterkunft zu haben“. Abschließend wurde die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und die Einvernahme des Unterkunftgebers beantragt, ohne dass dazu ergänzend ein genaueres Beweisthema angeführt wurde.

11       Das BVwG ging im angefochtenen Erkenntnis - entgegen dem Beschwerdestandpunkt - davon aus, der Revisionswerber habe einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nicht nachgewiesen. Es vertrat dazu in der Beweiswürdigung - wie das BFA - die Auffassung, aus dem undatierten Schreiben des A.H. gehe weder die Ortsüblichkeit der Unterkunft hervor, noch könne daraus ein „wie immer gearteter Rechtsanspruch“ auf eine dauerhafte Unterkunftnahme abgeleitet werden. Entgegen der Ansicht in der Beschwerde werde dadurch auch nicht nachgewiesen, dass der Revisionswerber in dieser Wohnung „zur Untermiete wohnen“ könne. Demzufolge habe der Revisionswerber - so folgerte das BVwG in der rechtlichen Beurteilung - die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht erfüllt, sodass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht in Betracht komme.

12       Zum angenommenen Fehlen dieser Erteilungsvoraussetzung wird in der unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 28 Abs. 3 VwGG erstatteten Begründung der Zulässigkeit der Revision ein Abweichen des BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, weil es die beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt und den Beweisantrag auf Einvernahme des „Vermieters“ des Revisionswerbers ignoriert habe.

13       Dabei wird übersehen, dass in der Beschwerde bloß der (spekulativen) Annahme des BFA, eine Untervermietung der in Rede stehenden Wohnung sei unzulässig, mit dem Argument entgegen getreten wurde, eine nach dem Mietrechtsgesetz unzulässige gänzliche Untervermietung liege nicht vor. Nur dazu und zur Frage der Ortsüblichkeit der Wohnung hat sich der Revisionswerber in der Beschwerde auf die Vernehmung des A.H. berufen. Es wurde aber weder die behauptete Ortsüblichkeit substantiiert noch irgendein Vorbringen zur Ausgestaltung eines (allfälligen) Untermietverhältnisses erstattet, aus dem ein maßgeblicher Rechtsanspruch des Revisionswerbers für die Dauer des zu erteilenden Aufenthaltstitels hätte abgeleitet werden können. (Auch der Revision ist ein solches Vorbringen nicht zu entnehmen.) Vielmehr wurde in der Beschwerde nur die Auffassung vertreten, ein „Rechtsanspruch auf eine ordentliche Unterkunft“ sei (schon) durch die „Wohnrechtsbestätigung“ nachgewiesen worden. Vor diesem verfahrensrechtlichen Hintergrund war es somit vertretbar, dass das BVwG sich zu diesem Thema auf die Beurteilung des Inhalts des Bestätigungsschreibens beschränkte und dazu keine mündliche Verhandlung samt Vernehmung des A.H. durchführte.

14       Dem BFA und dem BVwG ist aber darin zu folgen, dass dem in Rn. 8 wiedergegebenen Schreiben zur Frage eines Rechtsanspruchs des Revisionswerbers auf die dort genannte Unterkunft kein Beweiswert zukommt. Bei genauer Betrachtung wird eigentlich nur bestätigt, dass die Mietkosten zur Gänze von A.H. getragen werden. Bei Unterstellung einer (irrtümlichen) Auslassung im Text vor dem mit Großbuchstaben beginnenden Wort „Während“ in Verbindung mit der Behauptung, die Wohnung sei dem Revisionswerber nicht zur Gänze überlassen worden, könnte höchstens auf die Gestattung der unentgeltlichen Mitbenützung der Wohnung durch A.H. geschlossen werden. Ein für die Erfüllung der Voraussetzung nach § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 erforderlicher Rechtsanspruch auf eine Unterkunft ergibt sich daraus nicht.

15       Schon deshalb wurde die Beschwerde in Bezug auf die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 - ohne dass es auf die in der Revision im Vordergrund stehenden Frage der Ortsüblichkeit der Wohnung ankommt - vom BVwG zu Recht abgewiesen. Auch auf die Frage, ob der Umstand, dass sich der Revisionswerber im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG bereits wieder in seinem Herkunftsstaat befand, der Erteilung dieses Aufenthaltstitels, der dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 AsylG 2005 zufolge nur „im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen“ erteilt werden kann, unter den fallbezogenen Gegebenheiten von vornherein entgegen stand, war daher nicht weiter einzugehen.

16       In der Revision werden somit betreffend die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das gilt auch für die gegen den Revisionswerber (wiederholt) erlassene Rückkehrentscheidung, zu der in der Revision kein Vorbringen erstattet wird, und für das Einreiseverbot, das schon vom geltend gemachten Revisionspunkt gar nicht erfasst wird.

17       Die Revision war daher zur Gänze gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2020

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210273.L00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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