TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/20 95/19/0201

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Veröffentlicht am 20.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. April 1995, Zl. 106.358/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, dessen letzter Sichtvermerk am 24. August 1992 abgelaufen war, stellte am 27. Juli 1993 einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beim Magistrat der Stadt Wien. Am 12. Dezember 1993 wurde dieser Antrag vom Landeshauptmann von Wien gemäß § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer am 3. Februar 1994, diesmal im Wege der österreichischen Botschaft in Bratislava, neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 8. Februar 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Der Beschwerdeführer gab in diesem Antrag als Reisedokument einen von der zuständigen Vertretung in Wien ausgestellten Reisepaß von Bosnien-Herzegowina an und bezeichnete seinen Antrag als "Erstantrag". Gemäß § 9 Abs. 3 AufG wurde der Antrag vom Landeshauptmann von Wien am 25. August 1994 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 27. April 1995, zugestellt am 5. Mai 1995, gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom 3. Februar 1994 ausschließlich eine Wiener Adresse angegeben. Er sei seit 1991 aufrecht in Wien gemeldet. Aus der Bestätigung seines Arbeitgebers vom 27. Juni 1994 gehe eindeutig hervor, daß er seit 1. Juli 1993 bei dieser Firma arbeite. Auch in seiner Berufung gebe der Beschwerdeführer als Absender eine Wiener Adresse an und führe zudem aus, daß seine zwei Brüder in Wien wohnhaft seien. Die Berufung sei postalisch in Wien aufgegeben worden.

Da es sich beim vorliegenden Antrag um einen Erstantrag handle, gehe die Behörde auf Grund der vorliegenden Aktenlage davon aus, daß der Beschwerdeführer sich illegal gemäß § 15 FrG im Bundesgebiet aufhalte. Als bosnischer Staatsbürger hätte er in jedem Fall für einen legalen Aufenthalt in Österreich einer Aufenthaltsberechtigung bedurft.

Der Beschwerdeführer sei daher nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sichtvermerksfrei eingereist und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Es liege somit der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Unbeschadet seines Vorbringens sei in der Beurteilung des Antrages allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll.

Damit liege ein Sichtvermerksversagungsgrund vor. Auf die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - sei angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich im gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung des Aufenthaltes in Österreich gemäß den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes und des Fremdengesetzes verletzt. Er sei weder sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist noch habe er einen Sichtvermerk zeitlich anschließend an einen Touristensichtvermerk beantragt. Er befinde sich seit 12. März 1991 in Österreich, sei in Wien polizeilich gemeldet, besitze einen Befreiungsschein bis 18. Oktober 1999, eine Sozialversicherungskarte und habe seit seiner Einreise stets in Österreich legal gearbeitet. Er habe sowohl im Jahr 1991 als auch 1992 eine Aufenthaltsbewilligung gehabt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, daß kein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne der von ihr zitierten Gesetzesstellen vorliege und hätte die Aufenthaltsbewilligung erteilen müssen. Die belangte Behörde habe auch keine Feststellung über die materiellen Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers getroffen, wie es auch an einer Feststellung mangle, daß der rechtsunkundige Beschwerdeführer über die Möglichkeit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages in den vorigen Stand belehrt worden wäre. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt bedürfe zumindest in dieser Hinsicht einer Ergänzung, weil es entscheidungsrelevant sei, ob der damals unvertretene Beschwerdeführer über die Möglichkeit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages in den vorigen Stand belehrt worden sei, andererseits für eine vom Gesetz gedeckte Ermessensentscheidung die Feststellung der materiellen Voraussetzung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung maßgeblich sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung hätten sich beim Beschwerdeführer nicht verändert.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage VOR der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, maßgebend.

Die §§ 5 Abs. 1 und 13 Abs. 1 AufG lauten (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ...

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer diese Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 AufG oder § 14) erteilt werden soll;"

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, als bosnischer Staatsangehöriger auf Grund der Kriegsereignisse in Bosnien-Herzegowina nach Österreich geflüchtet zu sein. Er gibt vielmehr an, sowohl für 1991 als auch für 1992 über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt zu haben. Eine Aufenthaltsbewilligung für 1993 wird vom Beschwerdeführer hingegen nicht behauptet. Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, verfügte der Beschwerdeführer zuletzt über einen bis 24. August 1992 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerk. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 hielt sich der Beschwerdeführer demnach nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG konnte er daher auch nicht mit Ablauf der Geltungsdauer seiner Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragen.

Der vom Beschwerdeführer am 4. Februar 1994 im Wege der österreichischen Botschaft Bratislava eingebrachte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war demnach zutreffend als "Erstantrag" bezeichnet worden. Da nur dieser Antrag Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens ist, braucht auf die Frage, inwieweit der Beschwerdeführer anläßlich der Abweisung seines schon früher, nämlich am 27. Juli 1993, als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrages beim Magistrat der Stadt Wien über die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG belehrt worden ist, nicht eingegangen zu werden.

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf den von ihr erstmals herangezogenen Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG. Da die in § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht des Antragstellers, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nicht so weit reicht, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG darzutun, durfte die belangte Behörde § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zlen. 95/19/1311, 1312). Die Pflicht zur Einräumung von Parteiengehör bestand allerdings nicht hinsichtlich solcher Angaben, die der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst gemacht hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219). Wie die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung darlegt, hatte sie auf Grund der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben über seinen Aufenthalt in Österreich hinreichende Gründe für die Annahme, daß er sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung weiterhin in Österreich aufgehalten hatte. Der Beschwerdeführer bestreitet zwar, sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist zu sein, gibt aber keine Erklärung dafür, wie er nach seiner Antragstellung in Bratislava in das Bundesgebiet eingereist ist. Falls der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde annimmt, sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist ist, so wäre davon auszugehen, daß die als Sichtvermerk zu erteilende Aufenthaltsbewilligung nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden sollte. Der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG wäre demnach verwirklicht. Ist der Beschwerdeführer aber, wie er selbst behauptet, nicht sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist, so ist - in Ermangelung eines Beschwerdevorbringens über die Erlangung einer sonstigen Berechtigung zum Aufenthalt - anzunehmen, daß der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist. Die belangte Behörde hätte diesfalls zwar zu Unrecht den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen, doch kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, daß die Behörde ihre Entscheidung betreffend die Versagung eines Sichtvermerkes nicht auf die richtigerweise anzuwendende Ziffer 4 statt Ziffer 6 des § 10 Abs. 1 FrG stützt, den Fremden nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Mai 1995, Zl. 95/21/0464, und vom 30. Mai 1997, Zl. 95/19/0805). Auch bei Heranziehung des im Falle einer unrechtmäßigen Einreise einschlägigen Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hätte die belangte Behörde zu keinem anderen Bescheid kommen können.

Wenn der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde auf seine persönlichen Verhältnisse nicht Rücksicht genommen hat, so ist dem entgegen zu halten, daß weder im Falle des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, wenn ein Fremder ohne den erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist ist und ihm in der Folge kein Sichtvermerk erteilt wurde, noch im Falle des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden vorgesehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg.Nr. 13.497, sowie die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0232, vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/19/2045, und vom 30. Mai 1997, Zl. 95/19/0805).

Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190201.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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