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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §54b Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17. September 2020, LVwG 32.24-1071/2020-2, betreffend einen Antrag auf Gewährung einer Herabsetzung der Teilzahlungsraten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 16. April 2020 wies die belangte Behörde in einer glücksspielrechtlichen Verwaltungsstrafangelegenheit das Ansuchen des Revisionswerbers vom 6. April 2020 auf Herabsetzung der gewährten monatlichen Teilzahlungsraten von € 2.000,-- auf € 600,-- hinsichtlich des noch aushaftenden Strafbetrages in der Höhe von € 98.356,90,-- gemäß den §§ 54a, 54b VStG ab.
2 2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG), in welcher er unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
3 2.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG sowie § 54b Abs. 3 VStG ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 2.3. Begründend führte das LVwG u.a. aus, die Entscheidung habe gemäß § 44 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden können.
5 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, die Entscheidung unter Zuspruch von Aufwandersatz wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6 3.2. Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 4.1. Die Revision ist schon in Bezug auf die aufgeworfene Rechtsfrage der Verletzung der Verhandlungspflicht zulässig und begründet.
8 4.2. Bei Anträgen auf Gewährung eines Aufschubes oder einer Teilzahlung gemäß § 54b Abs. 3 VStG handelt es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Verwaltungsstrafsache (vgl. jüngst VwGH 15.9.2020, Ra 2020/17/0071, mwN).
9 4.3. Aus diesem Grund ist für die Beurteilung, ob eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, § 44 VwGVG maßgeblich.
10 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG in Verwaltungsstrafsachen grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich jedoch Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Sofern die Parteien ausdrücklich auf die Durchführung einer Verhandlung verzichten, kann das Verwaltungsgericht davon absehen (§ 44 Abs. 5 VwGVG).
11 Gemäß dem vom LVwG nach seiner Begründung angewendeten § 44 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
12 Da das LVwG im Revisionsfall die Beschwerde mit Erkenntnis abgewiesen hat, lagen schon deshalb die Voraussetzungen für ein Absehen nach § 44 Abs. 4 VwGVG nicht vor (vgl. erneut VwGH 15.9.2020, Ra 2020/17/0071, mwN).
13 Das ausnahmsweise Unterbleiben einer Verhandlung konnte auch auf keinen anderen der schon genannten gesetzlichen Tatbestände gestützt werden. Mangels Zurückweisung der Beschwerde sowie mangels Aufhebung des angefochtenen Bescheides war § 44 Abs. 2 VwGVG nicht anwendbar. Aufgrund des Parteiantrages lagen auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 VwGVG nicht vor; ein Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde vom LVwG nicht festgestellt.
14 4.4. Das VwG hätte daher die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung durchführen müssen.
15 5. Indem es dies unterlassen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass die Entscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
16 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170121.L00Im RIS seit
16.03.2021Zuletzt aktualisiert am
16.03.2021