TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/20 95/19/0314

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch den Vater R, beide in W, dieser vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1995, Zl. 301.164/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 12. April 1978 geborene Beschwerdeführer, dessen am 9. März 1994 von der österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellter Touristensichtvermerk am 3. April 1994 abgelaufen war, stellte am 12. April 1994, vertreten durch seinen Vater, im Wege der österreichischen Botschaft in Bratislava beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 30. Jänner 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen, weil der Unterhalt des Antragstellers nicht gesichert sei. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 8. Mai 1995, zugestellt am 18. Mai 1995, gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden unbestrittenen Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Der Beschwerdeführer habe am 23. März 1994 seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich begründet, wofür er gemäß § 1 Abs. 1 AufG eine Bewilligung gebraucht hätte. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG zwingend ausgeschlossen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll. Damit sei im vorliegenden Zusammenhang ein Sichtvermerksversagungsgrund gegeben. Auf die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - sei angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Familienzusammenführung gemäß § 3 Abs. 1 AufG sowie im Recht, seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich für die Dauer von mehr als sechs Monaten zu begründen, verletzt. Da eine persönliche Antragstellung durch den minderjährigen Beschwerdeführer weder möglich noch rechtswirksam gewesen wäre, habe die Antragstellung schon von Rechts wegen durch den gesetzlichen Vertreter erfolgen müssen. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie zum Zeitpunkt der Entscheidung minderjährig gewesen sei, sei ein durchsetzbarer Rechtsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 AufG auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung gegeben. Sowohl im Verfahren vor der Behörde erster Instanz als auch vor der belangten Behörde sei dem Beschwerdeführer der Akteninhalt niemals vorgehalten worden bzw. habe der Beschwerdeführer keine Möglichkeit gehabt, seine rechtlichen Interessen zu wahren. Die Annahme der erkennenden Behörde, daß der Beschwerdeführer seit 24. März 1994 seinen "ordentlichen Wohnsitz" in Österreich habe, sei aktenwidrig. Eine polizeiliche Meldung an sich begründe niemals einen ordentlichen Wohnsitz, da auch auf dem Formular des Meldezettels eine Unterscheidung zwischen ordentlichem und nicht ordentlichem Wohnsitz getroffen wurde. Da der Beschwerdeführer nach Ablauf des Touristensichtvermerkes sich nicht mehr in Österreich aufgehalten habe, könne nicht davon gesprochen werden, daß ein ordentlicher Wohnsitz im Sinne des AufG tatsächlich begründet wurde. Die formalistische Ablehnung des Antrages widerspreche daher der Intention des Gesetzgebers, der mit der Einführung des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bzw. § 6 Abs. 2 AufG nur jene Zielsetzung verfolgt habe, Ausländer, die nach Österreich einreisen, an der Antragstellung und somit der Verlängerung des Aufenthaltes in Österreich zu hindern, um einer Übersättigung des Arbeitsmarktes, aber auch einer Überbelastung der im Inland agierenden Behörde vorzubeugen. Ausdrücklich rügt der Beschwerdeführer auch die mangelnde Einräumung des Parteiengehöres durch die belangte Behörde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung VOR der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 AufG lauteten:

"3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

von österreichischen Staatsbürgern oder

2.

von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren

ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Die belangte Behörde durfte den Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nur heranziehen, wenn sich der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Bundesgebiet aufgehalten hatte. Daß der Beschwerdeführer mit einem Touristensichtvermerk in Österreich eingereist war, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Es stimmt auch mit der Aktenlage überein. Das zentrale Beschwerdevorbringen richtet sich aber gegen die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nach Ablauf seines Touristensichtvermerkes am 3. April 1994 Österreich - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung - nicht wieder verlassen hatte.

Aus einer Niederschrift des Amtes der Wiener Landesregierung vom 24. Jänner 1995 ergibt sich, daß der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers selbst angegeben hatte, daß der Beschwerdeführer in W lebe (vgl. OZ 39 des Verwaltungsaktes). Der vom Vater des Beschwerdeführers für den Beschwerdeführer eingebrachten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid war eine Verpflichtungserklärung des Vaters des Beschwerdeführers vom 16. Februar 1995 beigeschlossen, derzufolge der Beschwerdeführer an einer Adresse in W wohnhaft sei (OZ 45 des Verwaltungsaktes). Die belangte Behörde hatte daher ausreichende Indizien für ihre Annahme, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Österreich nicht wieder verlassen hatte. Da die erwähnten Angaben vom Beschwerdeführer (bzw. seinem gesetzlichen Vertreter) selbst gemacht wurden, mußte die Behörde dazu auch nicht Parteiengehör gewähren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).

In der Beschwerde fehlt ein konkretes Vorbringen, wann der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nach Ablauf seines Touristensichtvermerkes verlassen hätte. Es wird nur ausgeführt, daß der Beschwerdeführer nach Ablauf des Touristensichtvermerkes sich nicht mehr in Österreich aufgehalten habe. Da diese Angaben in der Beschwerde mit den bereits im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers (bzw. seines gesetzlichen Vertreters) jedoch nicht übereinstimmen, hätte der Beschwerdeführer dieses geänderte Sachvorbringen schon im Verwaltungsverfahren zu erstatten gehabt. Sein diesbezügliches Beschwerdevorbringen verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot.

Die belangte Behörde gelangte daher auch zu Recht zu ihrer Schlußfolgerung, daß der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vorlag.

Soweit sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Familienzusammenführung gemäß § 3 Abs. 1 AufG verletzt erachtet, ist ihm entgegenzuhalten, daß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an minderjährige Kinder von Fremden davon abhängig macht, daß kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 AufG vorliegt. Da im gegenständlichen Fall nach dem bisher Gesagten der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht wurde, besteht der behauptete Rechtsanspruch nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190314.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten