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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des V D in W, vertreten durch Mag. Veap Elmazi, LL.M, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2020, W236 2186272-2/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 6. Dezember 2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt gewährte ihm mit Bescheid vom 1. April 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) Asyl und stellte gemäß § 12 AsylG 1997 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 14. März 2016, rechtskräftig mit 1. September 2017, wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung gemäß § 278b Abs. 2 StGB, der Vergehen der falschen Beweisaussage gemäß § 288 Abs. 1 StGB, jeweils in Form der Bestimmungstäterschaft gemäß § 12 zweiter Fall StGB, und des Verbrechens der kriminellen Organisation gemäß § 278a StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
3 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 21. Jänner 2019 wurde dem Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt, gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (dies wurde mit einem späteren Bescheid des BFA widerrufen) und ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Eine dagegen gerichtete Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof blieb erfolglos, Revision wurde nicht erhoben.
4 Am 1. Dezember 2020 stellte der Revisionswerber aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 21. Dezember 2020 hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Revisionswerbers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.
5 Nach Vorlage der Akten an das BVwG stellte dieses mit dem angefochtenen Beschluss fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig gewesen sei. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
6 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts seit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom 21. Jänner 2019 könne ebenso wenig festgestellt werden wie das Vorliegen einer maßgeblichen Bedrohung des Revisionswerbers in der Russischen Föderation. Neue Fluchtgründe habe der Revisionswerber nicht vorgebracht, weshalb der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein werde. Die Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation stelle für ihn auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar. Ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK sei gerechtfertigt.
7 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei seiner Begründungspflicht nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen und habe seiner Entscheidung keine aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt, sondern lediglich auf das Erkenntnis des BVwG vom 21. Jänner 2019 verwiesen. Eine Auseinandersetzung mit aktuellem Berichtsmaterial hätte ergeben, dass die Covid-19 Pandemie in der Russischen Föderation völlig außer Kontrolle geraten sei und dem Revisionswerber aus diesem Grund sowie aufgrund der katastrophalen Menschenrechtslage in Tschetschenien eine Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Zulässigkeit einer Revision setzt - was die Geltendmachung von Verfahrensmängeln betrifft - neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0338, mwN).
12 Sofern die Revision vorbringt, das BVwG habe keine aktuellen Länderfeststellungen getroffen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das BVwG einen Vergleich zwischen den im Erkenntnis des BVwG vom 21. Jänner 2019 einerseits und den im mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 21. Dezember 2020 andererseits (und zwar auf der Basis der Berichtslage des Länderinformationsblattes von Juli 2020) getroffenen Länderfeststellungen vorgenommen hat und zu dem Ergebnis gelangte, dass sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer nicht geändert habe. Der Vorwurf der Revision, das BVwG habe lediglich die Länderfeststellungen des Erkentnisses des BVwG vom 21. Jänner 2019 herangezogen und das „aktuelle Länderinformationsblatt“ vom Juli 2020 nicht berücksichtigt, trifft somit nicht zu. Die von der Revision ins Treffen geführten Berichte zur Sicherheits- und Menschenrechtslage in der Russischen Föderation und insbesondere in der Teilrepublik Tschetschenien schildern insgesamt keine wesentlich andere Situation als die bereits im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus herangezogenen Länderberichte.
13 Dem Vorbringen, wonach sich das BVwG nicht ausreichend mit der Covid-19 Pandemie auseinandergesetzt habe, ist entgegenzuhalten, dass das BVwG auf die diesbezüglichen Gefahren in seiner Entscheidung ohnedies näher eingegangen ist. Es führte aus, die aktuelle Covid-19-Pandemie bilde kein Rückkehrhindernis. Der Revisionswerber sei gesund und gehöre mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe an. Zudem sei der Revisionswerber Anfang Dezember bereits ohne schwerwiegenden Verlauf an Covid-19 erkrankt und mittlerweile wieder genesen. Da aktuelle Studien zu dem Schluss kämen, dass Covid-19-Patienten nach ihrer Genesung eine stabile Langzeitimmunität aufweisen würden, sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Revisionswerber im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation eine Erkrankung mit schwerem oder tödlichem Verlauf erleiden würde.
14 Die Revision legt nicht dar, dass diese Gesamteinschätzung durch das BVwG fehlerhaft gewesen wäre und warum dennoch ein für die Prüfung der Verletzung des Art. 3 EMRK relevantes Gesundheitsrisiko für den Revisionswerber bei einer Rückkehr in die russische Föderation gegeben sein sollte.
15 Soweit die Revision Berichte zitiert, denen zufolge der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow Covid-19-Patienten als Terroristen bezeichnet habe und in Tschetschenien dazu aufgerufen worden sei, die an Covid-19 Erkrankten zu bekämpfen, sodass diese dort um ihr Leben fürchten müssten, ist - ungeachtet der nach den unbestrittenen Feststellungen des BVwG mittlerweile eingetretenen Genesung des Revisionswerbers von seiner Covid-19-Erkrankung - festzuhalten, dass diese Berichte nach den Angaben der Revision vom Jänner 2021 stammen, die bekämpfte Entscheidung jedoch bereits am 28. Dezember 2020 erlassen wurde, sodass in ihrer Nichtberücksichtigung kein Verfahrensmangel liegen kann.
16 Auf weiteres Vorbringen, das sich allein in den Revisionsgründen findet, ist schon zufolge § 34 Abs. 1a und § 28 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung, ob sich eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig darstellt, nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/18/0523, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180018.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021