Entscheidungsdatum
04.06.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L529 2226823-1/15E
L529 2226823-2/16E
L529 2226821-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Manfred EGGINGER über die Beschwerden des 1) XXXX , geb. XXXX und der 2) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Georgien, beide vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.12.2019, Zahlen XXXX sowie vom 16.01.2020, Zl. XXXX (zu 1) hinsichtlich Spruchpunkt I., nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.03.2020, zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrenshergang
I.1.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als “BF“ bzw. gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als „BF1“ bzw. „BF2“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und stellten nach Einreise in das Bundesgebiet am 13.11.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nunmehr belangte Behörde (in weiterer Folge „bB“) einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF1 ist der Ehemann der BF2.
I.1.2. Zur Begründung ihres Antrages brachten die BF zusammengefasst vor, dass auf sie wegen der politischen und journalistischen Tätigkeit des BF1 in Georgien Anschläge verübt worden seien.
I.1.3. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Republik Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Den Beschwerden wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.), gegen die BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 15b Abs. 1 AsylG eine Wohnsitzauflage erteilt (Spruchpunkt IX.).
Das BFA traf die Feststellung, dass die Identität der BF durch die Vorlage der Reisepässe feststehe. Sie seien georgische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Georgier an und seien christlich-orthodoxen Glaubens. Der BF1 und die BF2 seien verheiratet und seien beide seit spätestens 13.11.2019 in Österreich eingereist und seither hier aufhältig. Beide seien in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Es könne nicht festgestellt werden, dass schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden, welche nur in Österreich und nicht in Georgien behandelbar seien.
Die BF hätten im Verfahren angegeben, das Heimatland aus Furcht vor Repressalien von Seiten der Partei „Georgischer Traum“ bzw. der „Nationalen Partei“ verlassen zu haben. Eigentlich würde der BF1 von allen, die er bloßgestellt hätte, verfolgt werden. Bei einer Rückkehr bestünde die Gefahr von mehreren Richtungen, sie könnten bis zum Tode geschlagen oder auch niedergeschossen werden.
Es sei nicht feststellbar gewesen, dass die BF einer asylrelevanten individuellen Verfolgung in Georgien ausgesetzt gewesen seien oder im Falle einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wären.
Eine konkrete, gegen Ihre Person gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder privater Dritter hätten die BF nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht.
Sie würden in Ihrem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie seien arbeitsfähig und die elementare Grundversorgung in Ihrem Herkunftsland sei gewährleistet. Es sei insgesamt festzustellen gewesen, dass bei einer Rückkehr nicht mit dem Entzug Ihrer Lebensgrundlage zu rechnen sei und sie auch nicht in eine aussichtslose Situation geraten würden.
In Österreich würden sie über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfügen. Sie hätten keine weiteren sozialen Kontakte, die sie an Österreich binden. Sie seien in Österreich nicht berufstätig und würden in einer vom österreichischen Staat zur Verfügung gestellten Unterkunft für Asylwerber wohnen. Sie besuchen in Österreich keinen Deutschkurs und sprechen nicht Deutsch. Sie seien weder Mitglied in einem Verein noch einer Organisation im Bundesgebiet. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung der BF in Österreich bestehe. Im Fall der BF bestehe ein öffentliches Interesse für eine zügige Bearbeitung des Asylverfahrens. Sie würden aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die BF ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, im Falle der Bedürftigkeit die Übernahme der Behandlungskosten durch den Staat auf Antrag möglich ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Ebenso besteht ein staatliches Rückkehrprogramm, welches ua. materielle Unterstützung für bedürftige Rückkehrer, darunter auch die Zurverfügungstellung einer Unterkunft nach der Ankunft in Georgien bietet.
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das BFA das Fluchtvorbringen der BF als nicht glaubhaft. Es hätten sich deutliche Unterschiede der Aussagen des BF1 zu den Aussagen seiner Ehefrau ergeben. Beispielsweise sei es den BF nicht gelungen, den Vorfall vom 18.10.2019, als sich Männer ihrem Haus genähert hätten, glaubhaft zu schildern. Die Schilderung sei insoweit ziemlich detaillos gewesen, auch die Ehefrau habe widersprechende Aussagen gemacht.
Auch sei wenige Tage vor der Ausreise die Ausstellung von Reisepässen beantragt worden, hätten die BF noch standesamtlich geheiratet und der BF1 habe erstaunlicherweise das Heiratsdatum nicht nennen können, weshalb davon ausgegangen werde, dass ihr Vorbringen bezüglich einer politischen Verfolgung nicht glaubhaft sei.
Es sei davon auszugehen, dass Personen, die aufgrund einschneidender Ereignisse gezwungen wurden das Heimatland zu verlassen, detailliert und konkret bezüglich der Beweggründe, die zu diesem Schritt geführt haben, berichten. Personen, die eine tatsächliche Begebenheit im Asylverfahren schildern, seien regelmäßig in der Lage und vor allem auch gewillt, möglichst alles, was die Erlebnisse nachvollziehbar erscheinen lasse, vorzubringen – umso mehr, als dass die Möglichkeit der Einvernahme im Asylverfahren das beste und manchmal auch einzige Beweismittel des Asylwerbers sei, die behauptete Gefahrenlage glaubhaft zu machen und somit die Gewährung des internationalen Schutzes zu erreichen. Weder der BF1 noch seine Frau seien in den Einvernahmen in der Lage gewesen, eine konkrete persönliche Bedrohung durch übereinstimmende und glaubhafte Schilderungen glaubhaft zu machen. Sie würden in ihrer Erzählung sämtliche Details vermissen lassen, es mangle den Ausführungen an jeglichen Hinweisen auf die gesamte Situation, ihre damalige Verfassung bzw. die von ihnen in dieser Lage empfundenen Emotionen und stelle dies jedenfalls alles andere als eine lebensnahe Schilderung dar, was unweigerlich zur Feststellung der Unglaubwürdigkeit führen müsse.
Des Weiteren sei nicht davon auszugehen, dass der georgische Staat grundsätzlich nicht gewillt oder fähig wäre, Übergriffen seitens Privatpersonen entgegenzutreten.
Eine individuelle, von staatlichen Stellen initiierte, Verfolgung oder Bedrohung ihrer Person im Herkunftsland Georgien habe durch die Behörde nicht festgestellt werden können.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass kein unter § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen unter § 57 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar. Da die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen und auch Verfolgungsgründe nicht vorgebracht worden seien, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG). Das Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren wurde auf die fehlenden Mittel zu ihrem Unterhalt und den Missbrauch des Asylrechtes gestützt. Die Voraussetzungen für die ausgesprochene Wohnsitzauflage wurden als gegeben erachtet.
I.2. Von den BF wurde der Bescheid im vollen Umfang angefochten. Im Wesentlichen wurde dargelegt, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht gemäß § 18 Abs. 1 AsylG nicht entsprechend nachgekommen sei und die Beweiswürdigung mangelhaft sei. Die belangte Behörde habe die vermeintliche Unglaubwürdigkeit auf vermeintliche Widersprüche gestützt, die sich leicht hätten auflösen lassen.
Der BF trage nach einem Mordversuch auf ihn noch mehrere Kugeln im Körper, diesbezüglich werde ein fachärztliches Gutachten beantragt, zum Beweis der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens.
Richtigerweise hätte den BF der Status von Asylberechtigten bzw. der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.
Über die BF hätte auch kein Einreiseverbot erlassen werden dürfen, weil ihre Grundbedürfnisse durch die Grundversorgung abgedeckt seien, die Dauer von 2 Jahren sei zudem unverhältnismäßig.
I.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2019, Zahl: L 529 2226823-1/2Z und L529 2226821-1/2Z, wurde jeweils den Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchteil A.) und die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchteil B.).
I.4.1. Mit Bescheid des BFA, EAST Ost, vom 16.01.2020, Zl. 1252181702/191312155, wurde dem erstangeführten Beschwerdeführer (nachfolgend auch „BF1“) die bisher gewährte Grundversorgung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 dahingehend eingeschränkt, dass ihm das Taschengeld für den Zeitraum von 01.01.2020 bis 30.06.2020 nicht gewährt wurde. Begründet wurde die Entscheidung vom BFA damit, dass ein Verstoß gegen die Hausordnung vorliege, weil der BF am 22.12.2019 an einer Auseinandersetzung zwischen mehreren georgischen Asylwerbern im Speisesaal der BS XXXX beteiligt war.
I.4.2. In der dagegen erhobenen fristgerechten Beschwerde gegen den genannten Bescheid beantragte der BF u.a. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Verfahrenshilfe hinsichtlich der zu entrichtenden Eingabegebühr. Der Beschwerde wurde ein Vermögensbekenntnis vom 22.01.2020 angeschlossen.
I.4.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2020, Zl.: L 529 2226823-2, wurde die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II. (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) als unbegründet abgewiesen (Spruchteil A.), dem Antragsteller gemäß § 8a VwGVG Verfahrenshilfe im beantragten Umfang, sohin der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr, bewilligt (Spruchteil B.) und die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchteil C.).
I.5. Für den 11.03.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Mit der Ladung wurden den BF länderkundliche Informationen zu Georgien übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme dazu eingeräumt.
In der mündlichen Verhandlung am 11.03.2020 hatten die BF ausführlich Gelegenheit ihre Darstellung vorzutragen und wurden weitere Beweismittel vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen (Sachverhalt)
II.1.1. Die Beschwerdeführer
Bei den BF handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier, welche aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.
Der BF1 ist 50 Jahre alt und war in Georgien bis kurz vor der Ausreise erwerbstätig. Er ist auch seit Jahren journalistisch tätig. Der BF ist grundsätzlich gesund. Er trägt im Körper Projektile, deren Herkunft unklar ist. Gesichert lokalisiert im Körper ist beim BF1 ein metalldichter Gegenstand im Bereich des Thorax in der Größe von ca. 4 mm, mit Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um ein kugelförmiges Projektil, vergleichbar einer Schrotkugel. Nach dem dazu ursächlichen Vorfall war der BF in Georgien in Spitalsbehandlung, die operative Entfernung des Fremdköpers wurde von ihm aber verweigert.
Beim BF1 wurde in Österreich eine Koronarangiographie durchgeführt, eine stenosierende KHK bei Koronarsklerose wurde dabei ausgeschlossen. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Der BF1 ist Raucher.
Die BF2 ist 39 Jahre alt, war bis Ende Juni 2018 vollerwerbstätig und seither sporadisch im Nebenerwerb tätig. Die BF wurde in Österreich operativ an der Gebärmutter behandelt und litt schon bei der Einreise an einer Allergie; aktuell nimmt sie auch Psychopharmaka ein. Sie leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten.
Beide BF verfügen allenfalls über rudimentäre Deutschkenntnisse.
Die BF reisten am Landweg am 11.11.2019 in die Türkei, flogen von XXXX nach XXXX und anschließend weiter nach XXXX , wo sie am 12.11.2019 ankamen. Von XXXX fuhren sie mit einem Bus nach XXXX , anschließend stellten sie am 13.11.2019 in Traiskirchen den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Beide BF waren zum Zeitpunkt der Einreise im Besitz geringer Bargeldbeträge. Die BF2 ist in Georgien im Besitz eines Grundstückes.
Der Sohn des BF1 aus erster Ehe (23 Jahre) und drei Schwestern des BF1 sowie die Mutter und die Tochter der BF2 aus erster Ehe (12 Jahre) leben in Georgien. Die BF haben demnach bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage. Familienangehörige bzw. Verwandte der BF leben nach wie vor in Georgien und sind in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie leben in der Herkunftsregion der BF.
Die BF verfügen im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte. Sie stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und können die BF daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.
Zur individuellen Versorgungssituation der BF wird weiters festgestellt, dass diese in Georgien über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Einerseits stammen die BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den BF auch vor dem Verlassen Georgiens möglich, dort ihr Leben zu meistern.
Auch steht es den BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige – Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Die BF verfügen zudem über Immobilienvermögen (Grundstück der BF2).
Darüber hinaus ist es den BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden oder das georgische Unterstützungsprogramm für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien
II.1.2.1. In Bezug auf die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien schließt sich das ho. Gericht den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde an, welche nachangeführt in den wesentlichsten Teilen auszugsweise wiedergegeben werden:
„…
Politische Lage
In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt.(FH 4.2.2019).
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).
Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).
Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).
Quellen:
? CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019
? DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019
? FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019
? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019
? Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019
? Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019
Sicherheitslage
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).
Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).
Quellen:
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019
? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).
Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).
Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019
Sicherheitsbehörden
Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).
Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).
Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).
Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).
Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector‘s Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).
Am 10.5.2019 nahm der „State Inspector‘s Service“ als Nachfolgeorganisation des „Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten“ seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019
? PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019
? SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Medienlandschaft ist dynamisch und pluralistisch, aber auch polarisiert. Rechtliche Auseinandersetzungen um den Besitz von Fernsehsendern schüren weiterhin die politische Kontroverse über eine mögliche politische Einmischung in den Medienpluralismus und die Justiz (EC 30.1.2019, vgl. RWB 2019).
Die Verfassung und die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor. Die Bürger können dieses Recht im Allgemeinen frei ausüben, obwohl es Behauptungen gibt, die Regierung schütze sie zuweilen nicht ausreichend. Im Laufe des Jahres 2018 äußerten Journalisten, NGOs und die internationale Gemeinschaft Bedenken hinsichtlich des Umfelds für den Medienpluralismus. Einige Medien und NGOs äußerten weiterhin ihre Besorgnis über den Medienpluralismus und den politischen Einfluss in den Medien, insbesondere gegenüber den regierungskritischen. Besorgnis bestand weiterhin in Bezug auf die Einmischung der Regierung bei bzw. Kritik an einigen Medien, welche die Standpunkte der politischen Opposition vertraten. Straftaten gegen Medienschaffende, Bürgerreporter und Medienunternehmen waren selten. 2018 gab es jedoch mindestens drei Berichte über solche Gewalttaten (USDOS 13.3.2019).
Die Bürger genießen im Allgemeinen Meinungsfreiheit, auch in der Online-Kommunikation. Allerdings haben Watchdog-Gruppen in den letzten Jahren Bedenken geäußert, dass verschiedene sicherheitsrelevante Gesetze die staatlichen Behörden befähigen, Überwachung und Datenerfassung ohne eine angemessene unabhängige Aufsicht vorzunehmen (FH 4.2.2019, vgl. USDOS 1.3.2019). Mit einem Gesetz aus dem Jahr 2017 wurde unter dem Dach des Staatssicherheitsdienstes eine neue elektronische Überwachungsbehörde geschaffen, die befugt wäre, Dienstleister wegen mangelnder Zusammenarbeit zu bestrafen. Datenschutzbeauftragte stellen infrage, dass das Gesetz mit früheren Urteilen des Verfassungsgerichts über staatliche Überwachungspraktiken übereinstimmt (USDOS 13.3.2019).
Die Reformen der letzten Jahre haben die Transparenz des Medienbesitzes und den Pluralismus des Satellitenfernsehens verbessert, aber die Eigentümer bestimmen immer noch häufig die redaktionellen Inhalte. Gewalt gegen Journalisten kommt seltener vor, obwohl häufig von Drohungen berichtet wird. Laut „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Georgien im „World Press Freedom Index 2019“ auf Platz 60 von 180 Ländern und verbesserte sich um einen Rang im Vergleich zu 2018 (RWB 2019).
Quellen:
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 26.8.2019
? RWB – Reporter Without Border (2019): Georgia - Pluralist but not yet independent, Media independence, the final frontier; https://rsf.org/en/georgia, Zugriff 26.8.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 26.8.2019
Grundversorgung
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL (ca. 24 EUR) monatlich; Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL (ca. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Existenzminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 11.12.2017).
Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Knapp 22 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigrant machen mit rund 11,8% einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 11.2018).
Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2016 sind 67,5% der Bevölkerung über 15 Jahren erwerbstätig (in Städten 59,9% und in ländlichen Gegenden 75,2%). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25- Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren. Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2018).
Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,7% (2017: 13,9%) (GeoStat 2019a). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2019 bei den Männern bei 1.294 Lari [rund 400 €] und bei den Frauen bei 876 [rund 270 €] (GeoStat 2019b).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? ADA – Austrian Development Agency (11.2018): Georgien – Länderinformation, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Nov2018.pdf, Zugriff 30.8.2019
? GeoStat – National Statistics Office of Georgia (2019a): Employment and Unemployment, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/38/employment-and-unemployment, Zugriff 30.8.2019
? GeoStat – National Statistics Office of Georgia (2019b): Wages, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/39/wages, Zugriff 30.8.2019
? IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019
Medizinische Versorgung
Im Jahr 2010 war das Gesundheitswesen bis auf wenige Ausnahmen privatisiert. Der Staat überließ es dem freien Markt, das Gesundheitswesen zu regulieren. Die Privatisierung hatte als Kehrseite, dass einem wesentlichen Teil der Bevölkerung der Zugang zum Gesundheitswesen aus finanziellen Gründen verwehrt blieb oder ein Krankheitsfall zu existenzbedrohenden finanziellen Engpässen führte. Ab 2007 steuerte der georgische Staat gegen, indem er kostenlose Krankenversicherungen und kostenlose medizinische Dienstleistungen für bestimmte vulnerable Gruppen einführte. 2013 schließlich wurde das Universal Health Care (UHC) Program eingeführt. Es ist ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen. Diese staatliche Krankenkasse soll den finanziellen Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Georgier sicherstellen, die noch nicht durch private Versicherungen oder über den Arbeitgeber versichert sind. Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Über die UHC sind grundsätzlich alle georgischen Staatsbürger automatisch krankenversichert. Eingeschlossen sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen. Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018).
Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen Letter of Guarantee über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018).
Das staatliche Gesundheitssystem umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen. Universal Health Care:
? Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus
? Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt
? Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten
? Dialyse ist ebenfalls gewährleistet
? Für Drogenabhängige ist ein staatlich gefördertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine einmalige Registrierungsgebühr von 70 GEL muss entrichtet werden.
? Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit
Kontaktinformationen erhält man beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health). Informationen über Anbieter finden sich hier: http://cloud.moh.gov.ge/Default.aspx?languagePair=en-US (IOM 2018)
Hat man Anrecht auf die gesamten Leistungen der UHC, werden Kosten in den drei Bereichen Notfallbehandlung, stationäre Behandlung und ambulante Behandlungen ganz oder zum Teil übernommen. Eine Kostenübernahme von 100% bedeutet in den meisten Fällen, dass der Staat der medizinischen Institution einen fixen Betrag zurückerstattet. Für die Berechnung dieses Betrags analysiert der Staat, wie viel die Dienstleistung in der Vergangenheit kostete und nimmt davon einen tiefen Durchschnittswert. Kommt die Behandlung teurer, muss der Patient die Differenz selber bezahlen (SEM 21.3.2018). Ambulante und stationäre Notfallbehandlungen werden zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018; vgl. IOM 2018). Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt werden zu 70-100% übernommen, einige Notfallbehandlungen zu 100% (IOM 2018). Von den stationären Behandlungen werden spezifische Operationen und die stationäre Nachbetreuung zu 100% übernommen. Andere Leistungen werden zu 70% übernommen (SEM 21.3.2018). Notwendige Operationen werden zu 70% übernommen (IOM 2018). Divergierende Angaben gibt es beim Thema Chemotherapie und Geburten. So werden laut SEM onkologische Behandlungen und Geburten zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018), laut IOM hingegen werden bei Chemotherapie 80% bis zu Gesamtkosten von 12.000 GEL, und bei Geburten Kosten nur bis zu 500 GEL, bzw. bei Kaiserschnitten nur bis zu 800 GEL übernommen (IOM 2018).
Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Pensionisten zahlt der Staat zusätzlich monatlich 100 GEL für drei Monate, erstattet bei den Bürgerämtern (IOM 2018).
Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 27.8.2018).
Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert. Allerdings ist eine Registrierung notwendig, um alle Leistungen des Programms beanspruchen zu können. In diesem Zusammenhang sollten Rückkehrer die 15-05 Hotline des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales anrufen oder sich direkt an die nächstgelegene Poliklinik oder Krankenhaus wenden. Dokumente: nur gültiger Ausweis (IOM 2018).
Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die allgemeine Krankenversicherung nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden. Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Wartezeiten möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ka/FindDrug.jsp?Clear=True TEL: +995 032 2 252233. Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine Verschreibung nötig. In diesem Fall, sollte zunächst ein zuständiger Arzt aufgesucht werden, um von diesem das Rezept zu erhalten (IOM 2018).
Für Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Dazu muss das erforderliche Formular ausgefüllt werden. Als Beilagen müssen neben den gesicherten Personalien des Antragstellers (Kopie des Reisepasses oder Personalausweises) auch die im laufenden Jahr angefallenen Rechnungen und vorhandenen Kalkulationen, bzw. im Falle der Beantragung von Kostenersatz für Medikamente die Originalrechnung, vorgelegt werden. Zusätzlich ist noch der soziale Status des Antragstellers (Pensionisten, sozial bedürftige Personen, Binnenvertriebene, Personen mit eingeschränktem Status) und die entsprechenden Zeugnisse vorzulegen. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten, wobei hier keine generelle Festlegung über die Höhe der Rückerstattung besteht und diese Entscheidungen individuell, von Fall zu Fall, getroffen werden (VB 31.5.2018).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019
? SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration) (21.3.2018): Focus Georgien: Reform im Gesundheitswesen: Staatliche Gesundheitsprogramme und Krankenversicherung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/geo/GEO-reform-gesundheitswesen-d.pdf, Zugriff 2.9.2019
? VB - Verbindungsbeamter des BM.I für Georgien und Aserbaidschan (31.5.2018): Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales per E-Mail
Rückkehr
Rückkehrer und Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen – wie IOM oder ICMPD – bieten ebenfalls Unterstützung an. Ein Mobilitätszentrum, eingerichtet beim Ministerium für Flüchtlinge und seit 2014 von IOM geführt, bietet Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft. 2014 hat das Flüchtlingsministerium erstmals eigene Mittel zur Betreuung und Reintegration von Rückkehrern (durch sieben zivilgesellschaftliche Organisationen) zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist nach Rückkehr nach Georgien unerheblich. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen (AA 27.8.2018).
Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden 650.000 Lari (ca. 216.460 Euro) aus dem Staatshaushalt 2018 bereitgestellt, die an förderungswürdige NGOs verteilt werden. Um den Wiedereingliederungsprozess der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, sollen die NGOs für das gesamte Staatsgebiet folgende Dienstleistungen für die Begünstigten erbringen: Bereitstellung von medizinischer Behandlung und Medikamenten, Finanzierung einkommensgenerierender Projekte, Unterstützung der beruflichen Weiterbildung/Umschulung und Qualifizierung der Begünstigten und die Bereitstellung von temporären Unterkünften (SCMI 9.3.2018).
Am staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien sind (MRA o.D.).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? MRA - Ministry of Internally Displaced Persons from the Occupied Territories, Accommodation and Refugees of Georgia (o.D.): “Supporting reintegration of the returned Georgian Migrants” Program, http://mra.gov.ge/eng/static/8769, Zugriff 2.9.2019
SCMI – State Commission on Migration Issues (9.3.2018): Implementation of the 2018 State Program on Reintegration Assistance to Returned Georgian Migrants has started, http://migration.commission.ge/index.php?article_id=304&clang=1, Zugriff 2.9.2019
…“
II.1.2.2. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat
Es konnte nicht festgestellt werden, dass den BF in Georgien eine begründete Frucht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.
Es konnte zudem, unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände, nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Es wird festgestellt, dass den BF im Rückkehrfall nicht eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage droht. Den BF ist eine Rückkehr nach Georgien zum Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
Im Falle einer Rückkehr nach Georgien verfügen die BF über eine Existenzgrundlage, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich. Sie könnten einer Beschäftigung nachgehen, darüber hinaus könnten die BF das – auf niedrigem Niveau existente – Sozialsystem Georgiens in Anspruch nehmen oder sich an eine in Georgien karitativ tätige NGO wenden. Ebenso wird auf das georgische Hilfsprogramm für Rückkehrer und auf den Umstand verwiesen, dass in der Herkunftsregion der BF Familienmitglieder leben, von denen sie aufgrund des in Georgien anzunehmenden familiären Zusammenhalts zumindest eine gewisse Unterstützung erhoffen können.
II.1.4. Feststellungen zum Verhalten in der Betreuungsstelle
Die Angaben des BF1 aus Beschuldigtenvernehmung des BF1 in der PI Bodensdorf am 23.12.2019 werden als gegeben erachtet:
Demnach war ein anderer Asylwerber zu ihnen [den BF] gekommen, hatte sich zu ihnen gesetzt und gesagt, dass er die Zunge, mit der Lügen verbreitet würden, herausreißen werde. Der BF1 habe vorerst nicht gewusst, ob dieser das gegenüber seiner Frau (BF2) oder ihm selbst gesagt habe. Er [der BF1] sprang auf, ging zu diesem Asylwerber, packte ihn mit der linken Hand an der Jacke und drohte diesem mit der geballten Faust vor dem Gesicht. Ein anderer Asylwerber zog ihn von diesem Asylwerber weg. Nach Beruhigung der Situation entschuldigte er sich bei diesem Asylwerber. Die Drohung hatte gelautet, wenn dieser nicht beweisen könne, dass seine Frau Schuld sei, er ihm die Zunge herausreißen werde.
Die BF waren vom 06.02.2020, 22.30 Uhr bis – 07.02.202, vormittags aus der Betreuungsstelle abwesend.
Am 08.03.2020 übertrat der BF1 die Hausordnung der Betreuungsstelle, indem er in seinem Zimmer rauchte.
II.2. Beweiswürdigung
II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt (§ 37 AVG) ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Das BFA führte Beweis würdigend aus, dass sich aus den Ausführungen des BF und den vorgelegten Befunden ergebe, dass der BF gesund sei. Er habe bei der Ärztin in der Betreuungsstelle Traiskirchen angegeben, dass sich ein Schrappnellstück (in der Regel ein Granatsplitter) im Bereich seines Herzens, wegen einer Schussverletzung vor drei Jahren, befinden würde. Weitere fünf Kugeln, die sich in seinem Körper befinden würden, wie in der Einvernahme angegeben, davon eine sogar im Bereich der Schläfe, habe er bei der Ärztin offensichtlich nicht angegeben. Der BF sei zu einer Herz-Lungen Durchleuchtung überwiesen worden. Aus dem Befund des Institutes „Röntgen am Ring“ vom 18.11.2019 sei ersichtlich, dass sich bei ihm im oberen Lungenbereich links ein 4 mm metalldichter Fremdkörper befinde, Zwerchfell, Lunge, Herz und Aorta seien unauffällig. Eine weitere medizinische Abklärung sei nicht vorgebracht worden. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im Verfahren insgesamt keine Hinweise ergeben, dass der BF1 an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide, die in Georgien nicht behandelbar sei.
Im Hinblick auf die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaats führte das BFA aus, dass der BF1 in seiner Erstbefragung am 13.11.2019 angegeben habe, dass er sein Heimatland verlassen hätte, da in seiner Heimat zweimal ein Anschlag mit einer Waffe auf ihn verübt worden sei. Es sei auf ihn geschossen worden und er sei getroffen worden. Vor ca. 15 Tagen (gemeint daher Ende Oktober 2019) sei abermals versucht worden, in sein Haus einzudringen. Er sei mit seiner Frau über das Fenster seines Hauses geflüchtet. Es sei aus politischen Motiven auf ihn geschossen worden. Bei einer Rückkehr hätte er Angst, dass er bei einem neuerlichen Anschlag sterben würden.
Während seiner Einvernahme am 22.11.2019 habe er angegeben, dass er von 2012 bis 2018 Mitglied der Partei “Georgischer Traum“ gewesen sei, dann sei er ausgetreten. Er hätte sowohl in seiner ehemaligen Partei als auch in der Gegenpartei „Nationale Partei“ Gegner gehabt. Er hätte auch nach seinem Austritt weiter gegen seine Ex-Partei gekämpft und zwar gegen korrupte Personen und Mörder, es wären sogar von der „Nationalen Partei“ Leute zu „seinem“ Georgischen Traum übergetreten. Er sei immer gegen diese Leute gewesen, weil Leute der Nationalen Partei ihn und seine ehemalige Partei immer verfolgt hätten und töten hätten wollen. Der BF habe das immer öffentlich gemacht, das heiße an die Medien weitergegeben, dass Leute aus der Gegenpartei (Nationalen Partei) in seine ehemalige Partei (Georgischer Traum) eingetreten seien, und so hätte er Gegner aus beiden Parteien gehabt. Er hätte aber nicht nur von diesen beiden Parteien Gegner gehabt, sondern auch aus anderen Parteien, weil er dahintergekommen sei, dass sehr viele Mitglieder von verschiedenen Parteien zu Parteien überlaufen würden, die der Regierung angehören würden. Das seien korrupte Personen, die sich nur selbst bereichern würden und für seine Partei und die Heimat nichts machen würden. Das Geld würde in deren Taschen fließen und für Alte, Arme und Kranke würde sich niemand kümmern. Seine Probleme hätten schon 2008 begonnen, als er an einer Demonstration teilgenommen hätte. Er habe eine Liste von Mördern (Leute seien bei der Demonstration getötet worden) an den Volksanwalt weitergegeben und auch den Zeitungen berichtet.
Er habe währen der Einvernahme ein Konvolut an Zeitungen vorgelegt, darunter drei Artikel aus 2015 mit Fotos von ihm und auch einen Bericht aus dem Jahr 2018. In diesem Artikel habe er von den Präsidentenwahlen berichtet, dass er dahintergekommen sei, dass die Nationale Partei Stimmzettel gefälscht habe und Pässe verstorbener Personen verwendet habe. Seine Frau habe diese Information aus dem Freundeskreis erfahren und ihm das erzählt. Als Konsequenz seien dann beide Parteien gegen ihn gewesen, man habe ihn umbringen wollen, man habe auf ihn geschossen. Er habe berichtet, dass er bereits im Jänner 2015 von sechs Kugeln getroffen worden sei, die alle noch in seinem Körper stecken würden. Gefragt nach weiteren