TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/25 I405 2232247-1

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 222347-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2020, Zl 1264759102-200422277, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt ins Bundesgebiet ein und begab sich am 23.05.2020 gemeinsam mit einem ebenfalls aus Marokko stammenden Freund zu einer Polizeiinspektion. Dort gaben beide an, ohne Dokumente zu sein, aber nach Italien weiterreisen zu wollen.

2. Daraufhin wurde der BF wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes festgenommen.

3. Am 24.05.2020 wurde der BF zwecks möglicher Verhängung der Schubhaft sowie Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2020 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erlassen.

5. Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 25.05.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und wurde bestimmt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.). Zuletzt wurde gegen den BF ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

6. Am 28.05.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2020, zugestellt am 09.06.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen.

8. Gegen den angefochtenen Bescheid vom 25.05.2020 richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 18.06.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt. Zudem werden nachfolgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist Staatsangehöriger von Marokko und damit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Der BF stellte am 28.05.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 07.06.2020 abgewiesen wurde, der noch nicht Rechtskraft erwachsen ist, zumal die Rechtsmittelfrist noch offen ist.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie seiner unrechtmäßigen Einreise ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Die Feststellung, dass der BF am 28.05.2020 im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellung, dass dieser Antrag abgewiesen wurde und die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist, ergibt sich aus einer Abfrage des IZR.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Bevor über den Antrag auf internationalen Schutz nicht rechtskräftig abgesprochen wurde, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung aber nicht zulässig (vgl. dazu insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162-4): Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden", nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. zum Verhältnis der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu einem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 das Erkenntnis des VwGH vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG kommt hingegen - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0101).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine - wie hier - bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist.

Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Rückkehrentscheidung vom 25.05.2020 zwar rechtmäßig ergangen, jedoch hat der BF danach, nämlich am 28.05.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der noch nicht rechtskräftig ist. Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos zu heben.

Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG zu nennen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Folgeantrag geklärt erscheint. Zudem kann gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Kassation offenes Verfahren Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I405.2232247.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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