TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/27 L508 2183217-1

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Veröffentlicht am 27.07.2020
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Entscheidungsdatum

27.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

1) L508 2183220-1/26E

2) L508 2183217-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017, Zl. 1100620206-152054096, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017, Zl. 73886402-152054185, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer, gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 und BF2 bezeichnet, sind Staatsangehörige aus Pakistan und der Volksgruppe der Rajputen sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, reisten im September 2014 legal aus Pakistan aus und am 22. September 2014 auf dem Luftweg über die Türkei legal mit einem Visum C in das österreichische Bundesgebiet ein. Nach einigen Stunden Aufenthalt begaben sie sich für längere Zeit nach Italien. Am 28.12.2014 reisten sie erneut nach Österreich ein und stellten am 23.12.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beim minderjährigen BF2 handelt es sich um den leiblichen Sohn der BF1.

2. Zuvor wurde die BF1 am 22.12.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD Salzburg, nach einer bereits am 23.10.2015 erfolgten Befragung (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes der BF1 [im Folgenden: AS] 457 ff) erneut zu einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltsitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK nach § 55 Abs. 2 AsylG vom 03.02.2015 und einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG - im Beisein einer Vertrauensperson - niederschriftlich einvernommen (AS 1 ff). Die BF1 schilderte, dass ihre bisherigen Angaben gegenüber dem BFA und der Polizei der Wahrheit entsprechen würden. Sie habe bei der ersten Einvernahme lediglich nicht über ihre Misshandlungen sprechen können, da ihr - damaliger - Ehemann neben ihr gesessen sei. Sie könne nicht nach Pakistan zurück, da es gefährlich für sie sei. Diesbezüglich würde sie auf ihre Aussagen im Antrag auf die Einstweilige Verfügung gegen ihren - damaligen - Ehegatten verweisen. Gegen Ende der Einvernahme wurde die BF1 durch den Organwalter der belangten Behörde abschließend belehrt, dass ihre Aussagen einem Asylantrag gleichkommen würden und wurde sie darauf verwiesen, diesen im örtlichen Polizeianhaltezentrum förmlich stellen zu müssen.

3. Im Rahmen der Erstbefragung nach dem AsylG durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.12.2015 (AS 6 - 15) gab die BF1 zu ihren Fluchtgründen zu Protokoll, dass sie keinen Fluchtgrund habe. Sie habe ihren - damaligen - Ehegatten im Krankenhaus besuchen wollen und wolle nun hier bleiben bzw. nicht nach Pakistan zurück. Ihr - damaliger - Ehegatte habe ihr gedroht, sie bei einer Rückkehr nach Pakistan töten zu lassen. Ihr - damaliger - Ehegatte befinde sich seit 1990 in Österreich. Der BF2 sei mit ihr gereist und stelle daher auch einen Antrag auf Asyl. Er sei seit Februar 2015 in einer Schule in Salzburg.

4. Mit Urteil eines östereichischen Landesgerichtes vom 21.03.2017 (AS 51 – 53) wurde der - damalige - Ehegatte der BF1/ Vater des BF2 von den Vorwürfen, er habe das Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1 und 2 StGB, die Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB und die Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB begangen, rechtskräftig gem. § 259 Z 3 StPO mangels Schuldbeweis freigesprochen.

5. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.10.2017 (AS 75 - 88) gab die BF1 sodann – zu ihren Ausreisegründen befragt - an, dass es während ihrer Zeit in Pakistan keine Probleme gegeben habe. Erst nach ihrer Ankunft in Österreich habe es Schwierigkeiten mit ihrem - ehemaligen - Ehegatten gegeben. Sie sei nach Österreich gekommen, weil ihr Ehegatte krank gewesen sei. Dieser sei auch bereits in Pakistan ihr gegenüber gewalttätig gewesen. Dort habe er sich aber zusammenreißen müssen. Sie sei nicht nach Pakistan zurückgegangen, weil ihr Sohn - der BF2 - hier die Schule besuche. Die Probleme mit ihrem - ehemaligen - Ehegatten hätten glaublich im August 2015 begonnen. Sie würde ihren Ehegatten öfters – zuletzt vorige Woche – am Bahnhof sehen. Es komme zu keinen Problemen, wenn sie ihn jetzt sehe. Sie wolle wegen der Schulbildung ihres Sohnes in Österreich bleiben.

Der BF2 schilderte im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.10.2017 (Aktenseite 171 - 175 im Verwaltungsverfahrensakt des BF2) im Beisein der BF1, dass er seine Mutter begleiten habe müssen. Diese sei nach Österreich gekommen, um seinen kranken Vater zu besuchen. Er verneinte in Pakistan irgendwelche Probleme gehabt zu haben. Er persönlich habe mit seinem Vater keine Probleme gehabt.

Die BF1 verzichtete auf die Aushändigung der aktuellen Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat Pakistan (AS 85).

Im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens brachte die BF1 einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gem. § 382b EO und § 382e EO (AS 89 - 99) in Vorlage.

6. Die belangte Behörde ersuchte – insoweit die BF1 lediglich einen Antrag auf Einstweilige Verfügung vorlegte - in der Folge mit Note vom 10.11.2017 (AS 101) das zuständige Bezirksgericht um Mitteilung, ob eine Einstweilige Verfügung bestanden habe und ob diese nach wie vor aufrecht sei bzw. wie lange diese gültig sei. Ferner wurde – wenn möglich – um Übermittlung der Einstweiligen Verfügung ersucht.

Laut bei der belangten Behörde eingelangten Auskunft des zuständigen Bezirksgerichtes seien die enstprechenden Unterlagen durch die BF1 selbst vorzulegen.

7. Mit Note vom 17.11.2017 (AS 107) forderte das BFA die BF1 binnen einwöchiger Frist im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht auf, die aktuelle Einstweilige Verfügung gegen ihren Ehegatten vorzulegen.

Dieser Aufforderung wurde seitens der BF1 nicht entsprochen.

8. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom 11.12.2017 wurde der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan jeweils abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Dem Vorbringen der BF1 hinsichtlich einer allfälligen Bedrohung und Verfolgung durch den Ehegatten der BF1 bzw. Vater des BF2 bei einer Rückkehr nach Pakistan wurde die Glaubwürdigkeit versagt. In der rechtlichen Beurteilung wurde jeweils begründend dargelegt, warum der von den Beschwerdeführern vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wider die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

9. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und diese ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

10. Gegen die angefochtenen Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, die vorliegende - gemeinsam verfasste - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

10.1. Zunächst wurde moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien, zumal Feststellungen zur Anzeige der BF1 in Österreich gegen ihren Ehegatten wegen Vergewaltigung fehlen würden. Des Weiteren seien die getroffenen Länderfeststellungen zur Gefahr der häuslichen Gewalt für Frauen in Pakistan unzureichend. In diesem Zusammenhang wurde unter Anführung des entsprechenden Links auszugsweise auf die Anfragebeantwortung des Refugee Documentation Centre, Legal Aid Board (Ireland) vom 10.04.2017 zu Pakistan „Häusliche Gewalt und Scheidung“ (AS 559 f) verwiesen. Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass es trotz Bemühungen auf gesetzgeberischer Ebene in Pakistan nach wie vor keinen effektiven (staatlichen) Schutz vor häuslicher Gewalt gebe. Daher bestünde im Fall der Rückkehr der BF1 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr aufgrund der weiter verbreiteten häuslichen Gewalt und Gefahr der Ächtung durch die Familien im Falle einer Anzeige oder Scheidung sowie in weiterer Folge als alleinstehende Frau ohne Unterstützung durch die Familie das reale Risiko einer unmenschlichen Behandlung in Pakistan.

10.2. Darüber hinaus wurden Überlegungen zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass der Ehemann den Aufenthalt der BF1 in Österreich nicht kenne und die BF1 jeden Kontakt mit ihrem Ehemann abgebrochen habe. Die Beschwerdeführer würden klarstellen, dass sie zwar den Ehemann/ Vater am Bahnhof gesehen hätten, der Ehemann/ Vater habe die Beschwerdeführer aber nicht gesehen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass insbesondere die BF1 wegen der Anzeige gegen ihren Ehegatten und wegen der Scheidung befürchten müsse, in Pakistan geächtet zu werden. Ebenso müsse die BF1 befürchten, in Pakistan das Sorgerecht für den BF2 zu verlieren. Die BF1 könne seit der Anzeige gegen ihren Ehegatten und der Scheidung von diesem im Falle einer Rückkehr keine Hilfe von ihrer Familie erwarten. Im Übrigen sei nicht berücksichtigt worden, dass der BF2 bereits gut integriert sei und in Österreich die Schule besuche.

10.3. Der pakistanische Staat sei nicht in der Lage den Beschwerdeführern Schutz vor Verfolgung durch den Ehemann/ Vater zu gewährleisten. Die belangte Behörde hätte also aufgrund der Bedrohung durch den Ehemann/ Vater den Beschwerdeführern den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen.

10.4. Hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte den Beschwerdeführern zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.

10.5. Hätte die belangte Behörde in die Akten des Strafverfahrens Einsicht genommen und hätte sich die belangte Behörde ernsthaft mit dem Schutz von Frauen in Pakistan auseinsandergesetzt, hätte das BFA den Beschwerdeführern zumindest eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilen müssen.

10.6. Was die Rückkehrentscheidung betrifft, so habe die belangte Behörde deren Erlassung nicht nachvollziehbar begründet. Die belangte Behörde habe eine mangelhafte Interessenabwägung vorgenommen und sei daher zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die Verhängung einer Rückkehrentscheidung zulässig wäre. Die Beschwerdeführer seien in Österreich bereits sehr gut integriert.

10.7. Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigen, nicht antragsgemäß zu entscheiden, wurde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rechtsprechung des VfGH betreffend Art. 47 GRC zur Zahl U 466/11 und U 1836/11 vom 14.03.2012 verwiesen. Im gegenständlichen Fall liegt der unionsrechtliche Bezug - der zur Anwendung des Art. 47 GRC führt - in der Rückkehr-RL, der Qualifikations-RL und der Verfahrens-RL. Daher kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK - unter Maßgabe des Art. 47 GRC - im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Diesbezüglich verlangte der EGMR in der jüngsten Entscheidung Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden wird und die Durchführung ausdrücklich beantragt wird (vgl. Denk gegen Österreich Rz 18).

10.8. Abschließend wurde beantragt,

* die angefochtenen Entscheidungen zu beheben und den Beschwerdeführern den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen;

* in eventu die angefochtenen Entscheidungen bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und den Beschwerdeführern den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen;

* in eventu die angefochtenen Entscheidungen bezüglich des Spruchpunktes III. zu beheben und den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu erteilen;
* in eventu die angefochtenen Entscheidungen bezüglich der Spruchpunkte IV. und V. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde;

* in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen und

* in eventu die Frist für eine freiwillige Ausreise bis zum Ende des Schulsbesuches des BF2 zu verlängern.

Der Beschwerde sind eine Niederschrift über die Zeugenvernehmung als Opfer vom 23.11.2015 bezüglich der BF1, eine Anwesenheitsbestätigung hinsichtlich eines Deutschkurses (A1) vom 29.11.2016 bezüglich der BF1 und ein österreichisches Schulzeugnis des BF2 vom 07.07.2017 (AS 572 - 579) angeschlossen.

11. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte den Beschwerdeführern und der belangten Behörde mit Noten vom 12.02.2020 (Ordnungszahl des Beschwerdeverfahrensaktes der BF1 [im Folgenden: OZ] 7) in dieser Angelegenheit zusätzliche länderkundliche Informationen bezüglich der allgemeinen Situation in Pakistan zur Stellungnahme. Das heißt den Parteien des Verfahrens wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, etwaige noch nicht vorgelegte verfahrensrelevante Dokumente oder Bescheinigungsmittel, insbesondere hinsichtlich einer zu berücksichtigenden Integration, vorzulegen. Schließlich erging die Aufforderung bekanntzugeben, ob nach dem Antrag vom 01.12.2015 abermals ein „Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO und § 382e EO“ bei Gericht eingebracht worden sei, ob derzeit eine gerichtlich angeordnete „Einstweilige Verfügung“ betreffend den Ehegatten/ Vater aufrecht bestehe und gegebenenfalls sämtliche diesbezügliche Unterlagen zeitgerecht in Vorlage zu bringen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ließ diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

12. Mit Stellungnahme vom 25.02.2020 (OZ 8) wurde ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführer seit November 2015 trotz der Bedrohungen innerhalb der Familie außerordentlich gut in die lokale Gesellschaft integriert hätten. Der BF2 besuche die Schule, falle durchwegs positiv auf und zeige gute schulische Leistungen. Der BF2 spreche sehr gut Deutsch. Er sei zielstrebig und wolle sich auch in Zukunft weiter positiv in die österreichische Gesellschaft integrieren. Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer liege in Österreich. Ihre sozialen Kontakte sowie ihr Schul- und Berufsleben fänden in Österreich statt.

Ferner wurde dargelegt, dass sich die BF1 nunmehr von ihrem Ehegatten scheiden lassen habe können. Sie würde somit bei einer Rückkehr nach Pakistan als alleinstehende, geschiedene Frau gelten. Derzeit bestehe kein Kontakt zu ihrem ehemaligen Gatten. In Pakistan drohe der BF1 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aufgrund der Ächtung der Familie und dem Ausschluss aus der Gesellschaft als alleinstehende und geschiedene Frau.

In diesem Zusammenhang wurden hinsichtlich der Bedrohung von alleinstehenden Frauen mehrere Länderberichte, etwa vom European Asylum Support Office, vom UK Foreign and Commonwealth Office und vom Refugee Documentation Centre (Ireland), auszugsweise zitiert.

Den Beschwerdeführern würden aufgrund der Scheidung jedenfalls Verfolgungshandlungen sowie Ausschluss aus der Gesellschaft drohen. Sie würden als alleinerziehende geschiedene Frau und minderjähriger Sohn in eine aussichtslose Lage bei einer Rückkehr nach Pakistan geraten. Zusätzlich habe die BF1 erfahren, dass sie die Polizei bei ihrer Familie aufgrund ihres damaligen politischen Engagements gesucht habe. Die BF1 habe der Pakistan Awami Tehreek angehört. Aufgrund einer Straßenblockade, an der sie teilgenommen habe, sei sie weiterer Straftaten bezichtigt worden.

Der Stellungnahme sind Dokumente bezüglich der neuen Ausführungen zum Fluchtvorbringen und zur Integration des BF2 in Österreich angeschlossen.

13. Mit Noten vom 06.03.2020 (OZ 9) forderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführer unter Hinweis auf ihre Mitwirungsplicht im Asylverfahren erneut auf, binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens bekanntzugeben, ob nach dem Antrag vom 01.12.2015 abermals ein „Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO und § 382e EO“ bei Gericht eingebracht worden sei, ob derzeit eine gerichtlich angeordnete „Einstweilige Verfügung“ betreffend den Ehegatten/ Vater aufrecht bestehe und gegebenenfalls sämtliche diesbezügliche Unterlagen zeitgerecht in Vorlage zu bringen.

14. Mit Stellungnahme vom 13.03.2020 (OZ 10) teilten die Beschwerdeführer im Wege der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation mit, dass nach dem Antrag vom 01.12.2015 kein weiterer „Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gem. § 382b EO und § 382e EO“ bei Gericht eingebracht worden sei. Derzeit bestünde keine gerichtlich angeordnete „Einstweilige Verfügung“ betreffend den Ehegatten/ Vater.

15. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 02.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung an und übermittelte den Beschwerdeführern aktualisierte Länderinformationen zu Pakistan.

16. Am 02.06.2020 wurde vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung (OZ 13) abgehalten, an welcher die Beschwerdeführer, die mit einem Vertreter der von ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation erschienen sind, teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben (OZ 12). Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation in Pakistan sowie ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführer als Partei. Des Weiteren händigte das Bundesverwaltungsgericht dem Vertreter der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation die Anfragebeantwortung des „Immigration and Refugee Board of Canada“ vom Februar 2020 und den aktuellen USDOS-Bericht vom 11.03.2020 unter einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme aus. In der mündlichen Verhandlung legte die BF1 zahlreiche weitere Bescheinigungsmittel zum Beleg ihrer Gesundheitssituation und ihrer Deutschkenntnisse sowie zu ihrer einvernehmlichen Scheidung in Österreich (Anlagen A bis C) vor.

17. Die seitens der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 25.02.2020 in Kopie vorgelegten Unterlagen wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes amtswegig einer Übersetzung zugeführt (OZ 14, 15 [Übersetzungen: OZ 19, 21, 22]).

18. Mit Stellungnahme vom 16.06.2020 (OZ 20) teilten die Beschwerdeführer im Wege der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation mit, dass die in der Verhandlung ausgehändigten Länderfeststellungen zur Kenntnis genommen werden. Bezüglich der Einstweiligen Verfügung müsse mitgeteilt werden, dass diese weder im Original noch in einer Kopie beigebracht werden könne. Ebenso wenig könne die BF1 Bestätigungen über absolvierte Deutschprüfungen nachweisen.

Der Stellungnahme ist ein Konvolut an Dokumenten bezüglich Integration der Beschwerdeführer angeschlossen.

19. Mit Note vom 25.06.2020 (OZ 23) ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das zuständige Bezirksgericht um Übermittlung der Unterlagen betreffend Betretungsverbot.

Eine Übermittlung durch das zuständige Bezirksgericht unterblieb bislang.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

1.4. Familienverfahren

§ 34 AsylG 2005 lautet:

„(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1.         einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2.         einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3.         einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1.         dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3.         gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1.         dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3.         gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4.         dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1.         auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2.         auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3.         im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“

Gemäß § 2 Absatz 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren zwischen der BF1 und dem BF2 vor. Was den Ex-Gatten der BF1 bzw. den Vater des BF2 betrifft, so ist bezüglich dieser Person jedenfalls zur Vollständigkeit auf die nachfolgenden Ausführungen hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Familienlebens hinzuweisen.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des belangten Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, der Stellungnahmen vom 25.02.2020, 13.03.2020 und 16.06.2020 sowie der am 02.06.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer und deren Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführer sind pakistanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Rajputen an und sind sunnitischen Glaubens.

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Die Beschwerdeführer tragen den im Spruch angeführten Namen und sind an dem angegebenen Datum geboren.

Die Beschwerdeführer haben ihren Herkunftsstaat legal verlassen. Der von der BF1 in der Stellungnahme vom 25.02.2020 erstmals vorgebrachte Ausreisegrund (Verfolgung durch die pakistanischen Behörden aufgrund ihres politischen Engagements) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Die BF1 wurde daher dort nicht verfolgt oder bedroht. Namentlich wurde sie nie von Behörden in ihrem Herkunftsstaat verfolgt; es gab keine Übergriffe oder Misshandlungen durch Vertreter von Behörden. Die pakistanischen Behörden such(t)en nicht bzw. der pakistanische Staat sucht(e) nicht nach der Erstbeschwerdeführerin.

Des Weiteren wäre die Erstbeschwerdeführerin nicht wegen der in Östereich im Jahr 2017 mit Beschluss eines Bezirksgerichtes vollzogenen Scheidung und der zuvor in Zusammenhang mit ihren Eheproblemen im Jahr 2015 erstatteten Anzeige gegen ihren ehemaligen Ehegatten im Falle ihrer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, unmittelbaren (persönlichen) und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass die BF1 aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. deren Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Der BF2 hat keine eigenen Verfolgungsgründe dargelegt, sondern sich auf die Fluchtgründe von BF1 bezogen.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer Gefahr liefen, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer in ihrem Heimatland festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer verließen Pakistan aus privaten Gründen. Als konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates Pakistan konnte das Aufsuchen des ehemaligen Gatten der BF1 bzw. des Vaters des BF2 wegen dessen im Jahr 2014 schlechten Gesundheitszustandes festgestellt werden.

Die BF1 leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Bei der BF1 wurden in Österreich zuletzt Anpassungsstörungen und ein Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Des Weiteren leidet die BF1 an Bluthochdruck und Schlaflosigkeit. Die BF1 befindet sich wegen der Anpassungsstörung(en) nicht in regelmäßiger Psychotherapie. Sie suchte in diesem Zusammenhang zweimal eine Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin auf. Die Leiden werden medikamentös mit Sertralin 100mg 1-0-0-0 und Quetiapin 25mg 0-0-0-1 bis 2 behandelt. Darüber hinaus wurde bei der BF1 eine Uterus myomatosus (Vergrößerung des Uterus durch mehrere Uterusmyome) festgestellt. Insoweit eine konservative Therapie mit Schmerzmedikation nicht den gewünschten Erfolg brachte, ist nunmehr ein operativer Eingriff in Form einer Hysterektomie indiziert. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat die Erstbeschwerdeführerin nicht in Vorlage gebracht.

Dafür, dass sich die BF1 im Entscheidungszeitpunkt in einem akut selbstgefährdenden Zustand befindet, finden sich keine Hinweise.

Physisch weist die BF1 keine maßgeblichen körperlichen Einschränkungen oder Erkrankungen auf. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF1 an einer per se lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die in Pakistan nicht behandelbar ist bzw. welche eine Rückkehr nach Pakistan iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würde.

Die medizinische Versorgung ist in Pakistan gewährleistet und wurde auch nicht substantiiert behauptet, dass die medizinische Versorgung in Pakistan nicht gewährleistet wäre.

Der BF2 ist gesund.

Die Beschwerdeführer lebten bis zu ihrer Ausreise gemeinsam mit den - mittlerweile verstorbenen - Eltern der BF1 bzw. Großeltern mütterlicherseits des BF2 im Haus der Eltern der BF1 bzw. Großeltern mütterlicherseits des BF2 in einem Dorf im Distrikt Gujrat im Norden der pakistanischen Provinz Punjab. Die BF1 besuchte in Pakistan mehrere Jahre die Schule und führte anschließend den Haushalt. Es ging ihr sehr gut bzw. war ihre finanzielle Situation normal, wobei vor ihrer Ausreise ihr Vater bzw. ihre Eltern im Wesentlichen für ihren Lebensunterhalt aufgekommen ist/ sind. Der BF2 besuchte vor der Ausreise aus Pakistan die Schule. Zwei Brüder der BF1 bzw. Onkel des BF2 und eine Schwester der BF1 bzw. Tante des BF2 leben nach wie vor im Distrikt Gujrat in der Provinz Punjab. Ein Bruder der BF1 arbeitet als Fahrer eines Kleinstransporters für Schulkinder und der andere Bruder der BF1 geht beruflich einer Bürotätigkeit nach.

Die Beschwerdeführer verließen Pakistan im September 2014 legal und reisten in der Folge am 22. September 2014 auf dem Luftweg über die Türkei legal mit einem Visum C in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 23.12.2015 stellten sie jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer verfügen zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich - mit Ausnahme des ehemaligen Gatten der BF1 bzw. Vaters des BF2 und eines Cousins der BF1 - keine Verwandten der Beschwedreführer auf. Zum ehemaligen Gatten bzw. Vater, der über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, besteht kein Kontakt. Was den Cousin betrifft, so besteht zwar Kontakt zu ihm, allerdings liegt kein Abhängigkeitsverhältnis vor.

Zwei Brüder der BF1 bzw. Onkel des BF2 leben im Ausland, wobei sich jedenfalls ein Bruder seit mehreren Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Zu diesem Bruder bzw. Onkel besteht auch Kontakt.

Die Beschwerdeführer leben im Familienverband. Sie wohnen gemeinsam in einer organisierten Unterkunft des Roten Kreuzes.

Die BF1 verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihr erlaubten, die in der Verhandlung am 02.06.2020 in deutscher Sprache gestellten (einfachen) Fragen zum Teil auf einfachste Weise zu beantworten. Die BF1 besuchte mehrerer Deutschkurse. Beispielsweise hat sie am Intensiv-Sprachkurs im ABZ – Haus der Möglichkeiten von 14.01.2015 bis 27.02.2015, am Deutschkurs – Schwerpunkt Grammatik und Konversation des Vereins für Interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung im Frühjahrssemester 2016, am Deutschkurs Anfängerinnen 1 (A1) – Kursnummer 2016-1-A1 des Vereins für Interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung, am Deutschkurs Deutsch L & S 3 – Kursnummer 2016-1-LS3 des Vereins für Interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung von 15.02.2016 bis 27.06.2016 und am Deutschkurs Deutsch A1 (GER) – Kursnummer 2016-3-A1a des Vereins für Interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung von 07.11.2016 bis 08.02.2017 teilgenommen. Einen Nachweis über eine erfolgreiche Absolvierung einer Deutschprüfung erbrachte die BF1 jedoch nicht. Die BF1 verfügt trotz ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich und der Absolvierung mehrerer Deutschkurse über äußerst geringe Kenntnisse der deutschen Sprache.

Der BF2 verfügt aufgrund seines mehrjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet und seines Schulsbesuches über alltagstaugliche Deutchkenntnisse. Eine Verständigung mit dem BF2 in deutscher Sprache ist problemlos möglich.

Der BF2 besucht(e) seit Anfang 2015 in Österreich die Schule und brachte eine Schulsbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2015/16, Jahreszeugnisse für die Schuljahre 2016/17 und 2017/18, ein Jahres- und Abschlusszeugnis für das Schuljahr 2018/19 und eine Schulnachricht für das Schuljahr 2019/20 in Vorlage. Zudem hat der BF2 am Talent-Check Salzburg, an KinderUNI-Lehrveranstaltungen im Rahmen der KinderUNI 2016 in Salzburg, als Schnupperlehrling an Schnuppertagen teilgenommen und nach Absolvierung der Module 1, 2 und 3 des „Salzburger Finanzführerscheins“ das Zertifikat Finanzführerschein Salzburg erhalten.

Die BF1 hat am 08.03.2017 am Kurs „Frauenrechte sind Menschenrechte“ des Vereins für Interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung teilgenommen.

Die Beschwerdeführer leisten keine offizielle ehrenamtliche Tätigkeit und sind nicht aktive Mitglieder in Vereinen. Die Beschwerdeführer verfügen aufgrund ihres mehrjährigen Aufenthaltes zweifelsfrei über einen gewissen Freundes- und Bekanntenkreis im Inland. Zwischen den Beschwerdeführern und ihren Bekannten/Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung.

Die Erstbeschwerdeführerin verrichtete gegen einen Anerkennungsbeitrag im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Anfang 2016 gemeinnützige Arbeiten gemäß § 7 Abs. 3 und 6 GVG-B 2005. Konkret übernahm sie Hilfstätigkeiten (Bügeln von Kleidung) in einem Altersheim.

Die Beschwerdeführer befinden sich seit ihrer Antragstellung laufend in der Grundversorgung und leben von staatlicher Unterstützung bzw. Unterstützung der Caritas. Im Übrigen sind weder die Erstbeschwerdeführerin noch der Zweitbeschwerdeführer erwerbstätig.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Sie haben mit Ausnahme ihres nunmehrigen Aufenthaltes in Europa ihr Leben zum überwiegenden Teil in Pakistan verbracht, wo sie sozialisiert wurden und wo sich nach wie vor drei Geschwister der BF1 bzw. zwei Onkel und eine Tante des BF2 aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr wieder bei zumindest einer dieser Personen ihrer Familie wohnen werden können. Davon abgesehen ist die Erstbeschwerdeführerin als arbeitsfähig und -willig anzusehen, was einerseits durch die in der Vergangenheit in Österreich erfolgte Verrichtung gemeinnütziger Arbeit und andererseits durch die Schilderung der BF1 in der mündlichen Verhandlung, in Österreich ihren Lebensunterhalt in Zukunft durch Reinigungsarbeiten bestreiten zu können, belegt wird. Die Beschwerdeführer sprechen Urdu und Punjabi.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdefüher nach Pakistan festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan war insbesondere festzustellen:

Zur Lage in der Islamischen Republik Pakistan werden insbesondere folgende - im Zuge der vorgenommenen Beweisaufnahme (siehe oben, Punkte I.11. und I.15.) und der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte - Länderfeststellungen (etwa LIB Pakistan der Staatendokumentation vom 16.05.2019, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan des Auswärtigen Amtes vom 29.07.2019, USDOS-Bericht vom 11.03.2020 und Anfragebeantwortung des „Immigration and Refugee Board of Canada“ zu häuslicher Gewalt vom Februar 2020) dem Verfahren zugrunde gelegt:
1.         Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.8.2019: Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir (Betrifft Abschnitte 2. Politische Lage)

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu-Delhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine „Hinduisierung“ des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als „nicht akzeptabel“ und „nicht bindend“ bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung:

Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war [siehe KI vom 20.2.2019].

Quellen:

-        ARTE – (7.8.2019): Kaschmir: Eskaliert der Konflikt zwischen Indien und Pakistan erneut? https://www.arte.tv/de/articles/kaschmir-eskaliert-der-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-erneut, Zugriff 8.8.2019

-        BBC - British Broadcasting Corporation (6.8.2019): Article 370: What happened with Kashmir and why it matters, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49234708, Zugriff 7.8.2019

-        BBC - British Broadcasting Corporation (7.8.2019): Article 370: Kashmiris express anger at loss of special status, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49261322, Zugriff 8.8.2019

-        DS – Der Standard (7.8.2019): Kaschmir-Konflikt: Pakistan weist indische Diplomaten aus, https://www.derstandard.at/story/2000107163187/pakistan-weist-indische-diplomaten-aus-toter-bei-protesten-in-srinagar, Zugriff 8.8.2019

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (7.8.2019): Warnungen aus Islamabad, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kaschmir-konflikt-warnungen-aus-islamabad-16321737.html, Zugriff 8.8.2019

-        HP – Huffpost (8.8.2019): India Arrests Over 500 In Kashmir As Pakistan Suspends Railway Service, https://www.huffpost.com/entry/india-arrests-over-500-in-kashmir-as-pakistan-suspends-railway-service_n_5d4c19a7e4b09e729742389e?guccounter=1, Zugriff 9.8.2019

-        IT – India Today (6.8.2019): Article 370: China says opposed to Ladakh as Union Territory, https://www.indiatoday.in/india/story/china-reaction-jammu-kashmir-article-370-1577915-2019-08-06, Zugriff 7.8.2019

-        NZZ – Neue Züricher Zeitung (5.8.2019): Indien hebt den Autonomiestatus Kaschmirs auf und riskiert, die Spannungen in der Region drastisch zu verschärfen, https://www.nzz.ch/international/kaschmir-indien-provoziert-mit-der-aufhebung-des-sonderstatus-ld.1499966, Zugriff 9.8.2019

-        ORF – Österreichischer Rundfunk (5.8.2019): Indien streicht Kaschmirs Sonderstatus, https://orf.at/stories/3132670/, Zugriff 5.8.2019

-        SCMP – South China Morning Post (7.8.2019): China calls India’s move to scrap Kashmir’s special status ‘not acceptable’ and not binding, https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3021712/china-calls-indias-move-scrap-kashmirs-special-status-not, Zugriff 7.8.2019

-        SO – Spiegel Online (4.8.2019): Pakistan bittet Trump um Vermittlung, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-nach-terrorwarnung-verlassen-tausende-das-gebiet-a-1280384.html, Zugriff 6.8.2019

-        TNYT – The New York Times (6.8.2019): In Kashmir Move, Critics Say, Modi Is Trying to Make India a Hindu Nation, https://www.nytimes.com/2019/08/06/world/asia/jammu-kashmir-india.html, Zugriff 7.8.2019

-        ZO – Zeit Online (7.8.2019): Pakistan weist indischen Botschafter aus, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-botschafter-ausweisung-hasan, Zugriff 8.8.2019

KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militar und PTM (Betrifft Abschnitte 17.3 . Ethnische Minderheiten/Paschtunen; 13 . Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition; 3.3 . Sicherheitslage/Khyber Pakhtunkhwa)

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen – darunter fünf Soldaten – verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die ortliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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