Entscheidungsdatum
25.08.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L510 1319230-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VII zu lauten hat:
„Gemäß § 53 Abstz 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wird gegen sie ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen.“
II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.04.2006 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die bP ist türkischer Staatsangehörigkeit mit kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und muslimischen Glaubens.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.04.2008, Zl. AIS 06 04.083, gem. §§ 3, 8 AsylG abgewiesen und sie wurde gem. § 10 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.
Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AsylGH vom 12.04.2010, GZ: E3 319.230-1/2008-9E, gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG abgewiesen und erwuchs mit 16.04.2010 in Rechtskraft.
2. Am 22.06.2020 stellte die bP einen weiteren, den nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Folgeantrag der bP wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wurde gegen die bP ein auf Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).
Dagegen wurde durch die Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben und der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3. Am 24.08.2020 langte der Verwaltungsverfahrensakt bei der GA L510 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der bP:
Die Identität der bP steht fest. Sie führt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem im Spruch angeführten Datum geboren. Sie ist türkischer Staatsangehöriger, Kurde und muslimischen Glaubens. Die bP leidet an keiner schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit. Eine Immunschwäche liegt ebenfalls nicht vor. Sie nimmt Tabletten wegen Schlafstörungen. Die bP hat in Österreich eine Freundin, zu welcher jedoch kein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht. In Österreich leben 2 Tanten und Cousins. Ein besonderes Naheverhältnis zu diesen Personen liegt nicht vor. Die bP ist in Österreich nicht erwerbstätig. Seit ihrer nunmehrigen Antragstellung lebte die bP von der Grundversorgung. Mit 10.08.2020 verzichtete die bP auf Leistungen aus der Grundversorgung.
Ihr erstes Asylverfahren wurde mit 16.04.2010 rechtskräftig negativ abgewiesen. Die bP verließ Österreich im Jahr 2010 oder 2011.
Sie lebte überwiegend in der Türkei, wurde dort sozialisiert und spricht ihre Landessprache auf muttersprachlichem Niveau. In der Türkei leben ihre Ex-Gattin und ihre zwei Kinder. Sie hat in der Türkei einen Bruder und leben auch sonstige Verwandte in der Türkei. Im Falle der Rückkehr verfügt die bP über eine Existenzgrundlage.
1.2. Zu den Anträgen der bP auf internationalen Schutz:
Erster Antrag auf internationalen Schutz vom 13.04.2006 (Verfahren des maßgeblichen Vergleichsbescheides)
Im Zuge ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz gab die bP befragt zu ihren Fluchtgründen an, dass sie als Kurde zum Militär einrücken müsste und hauptsächlich im Osten eingesetzt würde. Ein Cousin von ihr sei beim Militär getötet worden. Sie sei der Musterung nicht nachgekommen und gelte als Deserteur. Zudem würden Kurden in der Türkei massiv unterdrückt werden. Im März 2006 sei sie 5 Tage lang im Arrest gewesen, weil sie das kurdische Newroz-Fest gefeiert habe. Sie habe dabei nichts zu essen und zu trinken bekommen und sei geschlagen worden.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 18.04.2008 in allen Spruchpunkten abgewiesen. Die bP wurde in die Türkei ausgewiesen. Beweiswürdigend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es den bP nicht gelungen sei, eine begründete Furcht vor Verfolgung tatsächlich glaubhaft zu machen.
Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des AsylGH in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.
Dieser Bescheid erwuchs mit 16.04.2010 in Rechtskraft.
Die ergangene rechtskräftige Entscheidung wurde damit begründet, dass die Nichtableistung des Wehrdienstes und allfälliger daraus resultierender Konsequenzen nicht zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führen kann. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe alleine sei kein Grund für die Asylanerkennung, sofern nicht konkrete Verfolgungshandlungen gegen die Person glaubhaft gemacht werden. Der AsylGH würdigte das Vorbringen der bP hinsichtlich ihre Inhaftierung und Misshandlung als nicht glaubhaft.
Zweiter Antrag der bP auf internationalen Schutz vom 22.06.2020
Im Zuge der Erstbefragung am 22.06.2020 gab sie zu ihrem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass sie seit 2011 Mitglied bei der Partei HDP sei. Ihre ganzen Verwandten seien bei der Partei, einige seien ins Gefängnis gekommen. Wenn sie von der Polizei erwischt werde, werde sie ins Gefängnis kommen. Das Problem sei, dass sie Kurde sei. Der Bürgermeister von XXXX sei gefangen genommen worden. Sie hätten demonstriert, die Polizei habe sie mitgenommen und bedroht.
Am 09.07.2020 wurde die bP beim BFA niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen legte sie zu ihrem Fluchtgrund dar, dass ihre Probleme aus dem Erstverfahren noch aufrecht wären. Die Probleme hätten 2011 und 2012 begonnen. Der Bürgermeister von XXXX sei 2016 festgenommen worden. Sie hätten vor dem Parteihaus protestiert. Sie sei deswegen festgenommen worden und habe sie in ein Gendarmeriefahrzeug einsteigen müssen. Dort sei es zu einer Auseinandersetzung mit den Gendarmen gekommen, einer hätte mit einer Waffe auf sie gezielt und gesagt, dass sie sagen müsse, wie glücklich es sei, ein Türke zu sein. Sie habe dies nicht gesagt. Sie hätten sie dann aussteigen lassen und hätten sie geschlagen. Sie seien zu viert oder zu fünft gewesen. Die Polizisten hätten gesagt, dass sie sie säubern würden, wenn der Zeitpunkt gekommen wäre. Dies sei im Jahr 2016 oder 2017 gewesen. Auf Nachfrage führte die bP aus, dass sie immer schon Mitglied der HDP gewesen sei. Sie habe sich schon im Jahr 2000 für die HDP interessiert. Dann sei sie zwischendurch nach Österreich gekommen. Sie habe keine übergeordnete Position innegehabt und habe nur an Protesten und Demonstrationen teilnehmen können. Sie habe daran auch schon vor ihrer ersten Ausreise nach Österreich teilgenommen. Sie habe schon vor ihrem ersten Asylverfahren in Österreich mit ihrem Vater laufend Vereine besucht. Da sie sich oft in der HDP-Partei aufgehalten habe und an Newroz-Festen teilgenommen habe, habe dies immer zu Problemen geführt. Als sie noch ein Kind gewesen sei, sei sie bereits das erste Mal zu einer Dienststelle mitgenommen worden. Sie hätten ein Feuer gemacht und seien festgenommen worden. Der Auslöser für die jetzige Flucht sei gewesen, als die Polizei eine Waffe gegen sie gerichtet habe. Sie habe mehrmals versucht die Türkei zu verlassen, aber es sei ihr nicht gelungen. Auf Nachfrage, wieso ihr dies nicht gelungen sei, führte die bP aus, dass sie keine Gelegenheit dazu gehabt habe. Es habe dann immer Kontrollen gegeben, weil sie ein Kurde aus XXXX sei.
Am 28.07.2020 wurde die bP ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen führte sie im Wesentlichen aus, dass sie ein Schreiben der HDP vorlegen wolle. Seitens des Dolmetschers wurde dieses kopierte Schreiben übersetzt. Darin wurde von der Partei-Vertretungsstelle-kein Name- bestätigt, dass die bP im Bezirk XXXX bei der HDP im Jahr 2017 innerhalb der Jugendorganisation politisch tätig gewesen sei. Auf Wunsch sei diese Bestätigung am 15.07.2020 ausgehändigt.
Auf Vorhalt, dass die bP in ihrem ersten Asylverfahren auf die Frage, ob sie je einer politischen Partei angehört habe, mit „Nein“ geantwortet habe und auch die Frage, ob sie je politisch tätig gewesen wäre, mit „Nein“ beantwortet habe, legte dies dar, dass sie nicht so gebildet sei und Dinge nicht so gut beschreiben könne.
Auf Vorhalt, dass auf ihrem Personalausweis der Geburtsort nicht angeführt sei, gab die bP zu Protokoll, dass die Polizei wisse, dass sie aus XXXX komme.
Weiter gab die bP an, dass sie nach wie vor Probleme wegen der HDP habe.
Dieser Antrag wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem § 52 Ab. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wurde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Gegen diesen Bescheid wurde durch die Vertretung der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Türkei:
Das BFA legte seiner Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat bzw. zur Situation der bP im Falle einer Rückkehr zugrunde, denen die bP nicht substantiiert entgegengetreten ist. Erst in der Beschwerde wurden zusätzliche Quellen zitiert. Es wurde jedoch nicht dargelegt, inwiefern die bP davon persönlich betroffen wäre. Die Quellen des BFA liegen auch dem BVwG vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des BVwG, das sich aus der ständigen Beobachtung der aktuellen Quellenlage zur Lage im Herkunftsstaat ergibt. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des BFA weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.
Von der bP wurde keine Änderung der allgemeinen Lage behauptet.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA zum vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren.
Die Feststellungen zur Identität der bP ergeben sich aus der Tatsache, dass diese im Verfahren ein unbedenkliches nationales Identitätsdokument vorlegte, wie vom BFA ausgeführt wurde. Festzuhalten ist, dass die Annahme des BFA, dass die bP nach ihrer ersten Asylantragstellung Österreich gar nicht verlassen hat, nicht haltbar war, da das BFA diesbezüglich keine Beweise hat. Zu den Beschwerdeangaben, dass bei einer telefonischen Rücksprache mit der Caritas Rückkehrhilfe bestätigt werden konnte, dass die bP am 18.06.2010 von einem Mitarbeiter zum Flughafen begleitet wurde und diese Euro 370 Rückkehrhilfe erhalten hat, ist festzustellen, dass dies nicht in Abrede gestellt wird, jedoch von der Caritas selbst nicht bestätigt werden konnte, dass die bP am 18.06.2010 tatsächlich abgereist ist. Zudem erfolgte die melderechtliche Abmeldung der bP in Österreich erst am 08.08.2011. Selbst gab die bP zu Protokoll, dass sie 2010 oder 2011 ausgereist sei. Dies war ihr nicht mehr genau erinnerlich. Aufgrund dieser vorhandenen Daten war festzustellen, dass die bP 2010 oder 2011 Österreich verlassen hat.
Hinsichtlich der sonstigen Feststellungen zur bP wurde ihren Angaben im Verfahren gefolgt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zu Spruchpunkt I.
Zur Abweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG
3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Bei der Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig ausgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden oder im Berufungsverfahren von der Partei ausgewechselt werden (s. z.B. VwSlg. 5642 A, VwGH 28.11.1968, 571/68, 23.5.1995, 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. aber VwSlg. 12799 A).
Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).
Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, AsylGH vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Erk. d. VwGH v.26.2.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).
Da sich der Antrag auf internationalen Schutz nicht nur auf den Status eines Asylberechtigten, sondern „hilfsweise“ bei Nichtzuerkennung dieses Status auch auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind bei Folgeanträgen nach dem AsylG 2005 auch Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene „Sachen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft – der also für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen keine Asyl- oder Refoulementrelevanz zukäme, sodass eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages von vornherein ausgeschlossen erscheint –, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391; 19.2.2009, 2008/01/0344).
Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. die Erkenntnisse vom 10.06.1998, 96/20/0266, und vom 15. Oktober 1999, 96/21/0097).
3.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Wie aus dem gegenständlichen Verfahrensgang hervorgeht, stellt den maßgeblichen Vergleichsbescheid das Erkenntnis des AsylGH vom 12.04.2010 dar, womit die Beschwerde gegen die Abweisung des ersten Antrages auf internationalen Schutz in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen und die bP in die Türkei ausgewiesen wurde. Das Erkenntnis wurde rechtswirksam zugestellt und erwuchs mit 16.04.2010 in Rechtskraft.
Der AsylGH bestätigte darin im Wesentlichen, dass das als ausreisekausal dargelegte Vorbringen nicht glaubhaft war und sich auch aus der allgemeinen Lage in der Türkei kein Grund für die Zuerkennung von internationalem Schutz ergibt.
Das gegenständliche Verfahren betreffend ist bei der Prüfung gem. § 68 AVG maßgeblich, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen muss, dem Asyl- oder Refoulementrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages – allenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens – mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. VwGH 4.11.2004 sowie u.a. die Erkenntnisse vom 25.10.2005, 2005/20/0372, vom 22.12.2005, 2005/20/0556 sowie 2005/20/0300; 19.2.2009, 2008/01/0344).
Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes liegt nicht vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung davon ausging, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und mit dem neuerlichen Antrag unter Vorlage entsprechender Beweismittel darzutun versucht wird, dass die Angaben sehr wohl wahr seien (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).
Im gegenständlichen Verfahren legte das BFA nachvollziehbar dar, dass die bP einerseits ihr bereits im Vorverfahren getätigtes Vorbringen aufrecht hielt, aufgrund dessen das Verfahren rechtkräftig negativ entschiedenen wurde. Ihr neues Vorbringen war von Widersprüchen geprägt und ist es der bP dadurch nicht gelungen, mangels glaubhaften Kerns ein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen, welches eine entscheidungsrelevante und zu berücksichtigende Sachverhaltsänderung darstellen würde.
Das BFA führte aus, dass die bP bei der Erstbefragung angab, dass sie nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland im Jahre 2010 bzw. 2011 Mitglied bei der HDP-Partei geworden wäre, alle ihre Verwandten bei dieser Partei wären und einige von ihnen ins Gefängnis gekommen wären. Wenn die Polizei sie erwischen würde, dann würde sie auch ins Gefängnis kommen. Das Problem wäre, weil Sie Kurde wäre. Sie hätte alle Fluchtgründe genannt. Im Zuge ihrer Einvernahme steigerte sie dann ihr Vorbringen und führte als Hauptgrund einen Vorfall an, als sie im Jahre 2016 in ein Gendarmeriefahrzeug hätte einsteigen müssen, die Gendarmerie hätte dann mit einer Waffe auf sie gezielt und sie gezwungen zu sagen, wie glücklich es ist, ein Türke zu sein. Man hätte sie dann in weiterer Folge geschlagen. Zudem würde auf ihrem türkischen Personalausweis, den sie dann auch übermittele, ihr Geburtsort ´ XXXX ´ festgehalten sein und deshalb gebe es auch die ständigen Polizeikontrollen.
Das BFA folgerte, dass es schon einmal kaum glaubhaft sei, dass die bP einen derart wesentlichen Teil ihrer Fluchtgeschichte nicht schon bei der Erstbefragung erzählt hätte. Gerade von einem juristischen Laien müsse vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eine solche Person über das Asylrecht in allen Einzelheiten nicht im Vorhinein informiert sei, davon ausgegangen werden, dass ein solcher Mensch im Bestreben, seine Position im Asylverfahren nicht zu gefährden, auf eine Frage seitens der Asylbehörde nach dem Bestehen einer Gefährdung spontan und freiwillig eine tatsächlich bestehende Gefährdung ausführlich schildere, anstatt diese besseren Wissens zu verschweigen, weil es auch einem juristischen Laien aus seiner Wissenssphäre notorisch erkennbar sei, dass wahrheitswidrige Angaben die Glaubwürdigkeit im Asylverfahren und somit seine Position im Asylverfahren beeinträchtigen würden.
Nach ständiger Judikatur des VwGH ist den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren grundsätzlich größere Glaubwürdigkeit beizumessen als dem späteren Vorbringen. Es entspricht nämlich den Erfahrungswerten der entscheidenden Behörden, dass Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben treffen die der Wahrheit am nächsten kommen (vgl. VwGH 08.04.1987, 85/01/0299; 02.03.1988,86/01/0214, u.a.) Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Vorbringen insbesondere auch dann nicht als glaubwürdig anzusehen, wenn dieses im Laufe des Instanzenzuges gesteigert wird (VwGH v. 7.12.1988, 88/01/0276,0284, VwGH v. 2.2.1994, 93/01/1035 auch VwGH vom 10.10.1996, ZI 96/20/0361; vgl. auch VwGH vom 17.6.1993, ZI 92/01/0776, vom 30.6.1994, ZI 93/01/1138, oder vom 19.5.1994, ZI 94/19/0049). Aufgrund der gleichen Interessenslage müsse dies auch bei Vorbringenssteigerung innerhalb derselben Instanz oder zwischen Vorbringen vor verschiedenen Behörden gelten. Der VwGH geht auch davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 7.6.2000, 2000/01/0250).
Konkret darauf aufmerksam gemacht, gab die bP nur unglaubwürdig an, dass der Dolmetscher bei der Erstbefragung gesagt hätte, dass es sich hier nur um den Reiseweg handeln würde und es ihr nicht erlaubt worden wäre, nähere Angaben zu machen.
Das BFA legte weiter dar, dass es zwar der Wahrheit entsprechen mag, dass man im Jahre 2016 den Bürgermeister wegen Terrorismusverdacht festgenommen hat, die bP konnte jedoch keinen nachvollziehbaren Zusammenhang mit ihrer Ausreisegeschichte herstellen. Zunächst sei festzustellen, dass die HDP-Partei keine verbotene Partei ist und ihre vorgetragene Geschichte über eine allfällige Bedrohungslage wegen ihrer Mitgliedschaft sehr oberflächlich gehalten gewesen sei. Ihre Angaben zu der geltend gemachten Bedrohungssituation würden sich in einer knappen Rahmengeschichte erschöpfen, denn außer einige Polizeikontrollen nach dem behaupteten Vorfall im Jahre 2016 hätte es keine weiteren Vorfälle gegeben. Widersprüchlich seien auch ihre Angaben betreffend ihre Mitgliedschaft bei der HDP-Partei. Unabhängig davon, dass es kaum glaubhaft sei, dass sie als „einfaches“ Mitglied der Kurdenpartei einer Verfolgung ausgesetzt wäre und sich dieses auch nicht aus den Länderfeststellungen ergebe, so machte sie betreffend ihre Mitgliedschaft äußerst unterschiedliche Angaben. Gab sie noch bei der Erstbefragung an, dass sie seit 2011 Mitglied wäre, so würde aus dem von ihr vorgelegten Beweismittel hervorgehen, dass sie erst seit 2017 im Bezirk XXXX bei der HDP innerhalb der Jugendorganisation politisch tätig gewesen wäre und behauptete sie schließlich im Zuge ihrer Einvernahme, dass sie schon vor ihrer ersten Ausreise im Jahre 2006 Mitglied der HDP-Partei gewesen wäre und sich seit dem Jahre 2000 für die HDP-Partei interessieren würde. Einen Mitgliedausweis betreffend ihre Zugehörigkeit zur HDP habe sie keinen vorlegen können. Auf den Vorhalt, dass sie noch in ihrem Vorverfahren im Zuge ihrer Einvernahme am 19.04.2006 auf die Frage, ob sie je einer politischen Partei angehört hätte mit „nein“ geantwortet habe und im Zuge ihre Einvernahme am 30.10.2007 auf die Frage, ob sie je politisch tätig gewesen wäre, ebenfalls mit „nein“, geantwortet habe, gab sie nur lapidar an, dass sie nicht so gebildet wäre und die Dinge nicht so gut beschreiben könnte.
In diesem Zusammenhang wurde erwähnt, dass lediglich auf ihrem alten Ausweis der Geburtsort „ XXXX “ geschrieben steht, somit hätte sie sich seit dem Jahre 2018, als man ihr ihren neuen Ausweis ausgestellt hat, bei dem ihr Geburtsort nicht hervorgeht, mit diesem ausweisen können und hätte somit keine Probleme gehabt. Auch dränge sich die Frage auf, warum sie ihr Heimatland nicht sofort nach diesem Vorfall im Jahre 2016 verlassen habe und konnte sie auch hier nicht überzeugen. Konkret gefragt, dass ihr Bruder und ihr Vater offensichtlich keine Probleme wegen ihrer Mitgliedschaft zur HDP-Partei hätten, war es ihr auch nicht möglich plausibel zu antworten.
Die von ihr in Kopieform vorgelegte Bestätigung der HDP-Partei könne mangels amtlichen Charakter kein Beweiswert zugesprochen werden, da es sich dabei nicht selten um gefälschte oder von Vertrauenspersonen mit unrichtigem Inhalt ausgefüllte Schriftstücke handle und es werde wiederholt darauf hingewiesen, dass im Verfahren grundsätzlich die Aussage des Antragstellers von zentrale Bedeutung sei und vorgelegten Schriftstücken geringere Beweiskraft beizumessen werde, weil von der Unglaubwürdigkeit ihrer Angaben ausgegangen werde.
Überdies wurde dargelegt, dass der bP - unabhängig von der Glaubwürdigkeit ihres neuen Vorbringens – die Tatsache, dass sie schon immer politisch tätig gewesen und auch Mitglied der HDP Partei gewesen wäre, schon vor ihrer ersten Ausreise und somit vor Rechtskraft ihres Vorverfahrens bekannt gewesen sei und sie nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Verpflichtung gehabt habe, diesen Umstand in ihrem ersten Asylverfahren vorzubringen.
Seitens des BVwG wird dem BFA in seinen Ausführungen dem Grunde nach nicht entgegen getreten. Wie richtig dargelegt, baut das Vorbringen der bP einerseits genau auf jenen Sachverhalt auf, welcher bereits im ersten Verfahren als nicht glaubwürdig rechtskräftig festgestellt wurde. Dieser Sachverhalt hätte auch bereits etwaige damalige Probleme mit der HDP mitumfasst, da es im Bereich der bP gelegen wäre, diese Probleme im Erstverfahren vorzubringen. In Bezug auf den neuen Sachverhalt legte das BFA nachvollziehbar dar, weshalb dieses Vorbringen nicht geeignet ist, der Fluchtgeschichte einen glaubhaften Kern zu verleihen, wobei auch für das BVwG die Widersprüche im Kernvorbringen der bP und die Steigerungen im Vorbringen im Zuge des Verfahrens besonders hervorzuheben sind. Zudem war die bP bereits in ihrem Erstverfahren nicht glaubwürdig.
Zusammengefasst wird noch einmal verdeutlicht, dass die bP bei der Erstbefragung den Vorfall, wonach mit einer Waffe auf sie gezielt worden sei, mit keinem Wort erwähnte. Dabei erklärte sie im Zuge des Verfahrens, dass dies der ausschlaggebende Grund für sie gewesen sei, weshalb sie die Türkei verlassen habe. Wenn dann im Verfahren und in der Beschwerde dargelegt wird, dass der bP im Zuge der Erstbefragung nicht die Gelegenheit gegeben worden wäre, ihre Fluchtgründe zu schildern, so wird dies als reine Schutzbehauptung gewertet. Dies deshalb, weil die bP in ihrer Erstbefragung sehr ausführliche Angaben tätigte und somit nicht nachvollziehbar ist, weshalb genau der wichtigste Ausreisegrund von ihr nicht erwähnt wurde und ihr sogar die Möglichkeit gegeben wurde, nach der Rückübersetzung noch zusätzlich Angaben zu tätigen, welche sie auch vorbrachte und welche auch protokolliert wurden. Sie hätte somit ausreichend Zeit gehabt, auch ihren Hauptfluchtgrund zu nennen.
Außerdem erwähnte die bP in ihrem ersten Asylverfahren angebliche Probleme mit der HDP überhaupt nicht, obwohl sie im nunmehrigen Verfahren darlegte, dass es diese Probleme schon immer gegeben habe, was auch gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in den Verfahren spricht. Überdies äußerte sie sich in der Erstbefragung noch dahingehend, dass sie seit 2011 bei der Partei sei und diese Probleme habe, danach legte sie dar, dass dies bereits seit 2000 gewesen sei. Überdies spricht die mangelnde Kenntnis der bP über die HDP zu ihren Ungunsten, da diese Partei erst im Jahr 2012 gegründet wurde.
Insgesamt zusammengefasst ist die Beweiswürdigung des BFA in den Kernpunkten schlüssig und nicht zu beanstanden. Es wird dem BFA auch zugestimmt, dass sich lediglich aus der Vorlage einer Kopie hinsichtlich einer etwaigen Tätigkeit im Jugendbereich für die HDP kein anderer Sachverhalt ergeben kann.
Mit ihren Ausführungen in der Beschwerde ist es der bP nicht gelungen, der Beweiswürdigung des BFA substantiiert entgegenzutreten, weshalb auch das BVwG davon ausgeht, dass das nunmehrige Vorbringen der bP bereits Inhalt eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war bzw. das neue Vorbringen keinen glaubhaften Kern entfaltet. Die in der Beschwerde geäußerte Kritik, wonach das BFA das umfangreiche Vorbringen der bP außer Acht gelassen habe, kann anhand des Inhalts der vorliegenden Akten nicht nachvollzogen werden. So wurde vom BFA das Vorbringen aus dem ersten Asylverfahren jenem aus dem aktuellen gegenübergestellt und schlüssig nachvollziehbar dargelegt, weshalb nicht vom Vorliegen eines neuen, glaubhaften und asylrelevanten Sachverhaltes auszugehen sei.
Sofern die bP eine Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit behauptet, so handelt es sich dabei, wie bereits vom BFA ausgeführt, um im ersten Verfahrensgang vorgebrachte Antragsgründe. Über diese wurde bereits rechtskräftig abgesprochen und ist seither eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten, sodass weiterhin davon auszugehen ist, dass Kurden allgemein in der Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen.
Eine darüber hinausgehende, gegen die bP selbst gerichtete substantiierte Verfolgungsgefahr aufgrund ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit hat die bP, wie auch bereits im ersten Verfahren, nicht glaubhaft dargelegt.
Auch in Bezug auf die in der Beschwerde eingebrachten Länderberichte ist festzustellen, dass mit diesen eben nicht dargetan wird, inwieweit sich damit eine asylrelevante Bedrohung bzw. eine Verletzung des Refoulementverbotes ganz konkret die bP betreffend ergeben sollte. Diese Berichte werden nur ganz allgemein in den Raum gestellt, ohne einen konkreten Bezug zur bP herzustellen, weshalb sich daraus insbesondere vor dem Hintergrund der individuell getroffenen Feststellungen die bP betreffend keine andere Beurteilung ergeben kann. Es wird zwar nicht in Abrede gestellt, dass es derartige Vorfälle geben kann bzw. gegeben hat (z. B. Abgeordnete der HDP befinden sich in Untersuchungshaft, Absetzung von Gemeindeverwaltungen wegen Nähe zur PKK, vereinzelt Gülenbewegung), jedoch ist es der bP eben nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass sie von solchen Vorfällen betroffen war.
Zusammengefasst ist es der bP daher nicht gelungen, hinreichend substantiiert darzulegen, dass es seit dem Abschluss des ersten Verfahrensganges zwischenzeitlich zu einer relevanten Änderung der Lage im Hinblick auf eine individuelle Gefährdung gekommen wäre.
Im Ergebnis wird daher mit dem gegenständlichen Antrag die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne maßgebliche nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs 1 AVG verhindert werden soll (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).
Eine lebensgefährliche Krankheit wurden ebenfalls nicht dargelegt. Die bP nimmt nur Tabletten wegen Schlafstörungen.
Im Ergebnis hat das BFA daher den neuerlichen Antrag der bP auf internationalen Schutz zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides war daher abzuweisen.
Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung
3.3. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
§ 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar. Dass in § 52 Abs 2 Z 2 FrPolG 2005 nicht auch - wie in § 61 Abs 1 Z 1 FrPolG 2005 - Entscheidungen nach § 68 Abs 1 AVG ausdrücklich genannt sind, steht dieser Sichtweise nicht entgegen (VwGH 19.11.2015, RA 2015/20/0082).
3.3.1. Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
3.3.2. Gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
3.3.3. Ein Sachverhalt, wonach der bP gem § 57 Abs. 1 Z 1-3 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen wäre, liegt hier nicht vor, weshalb eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vom Bundesamt zu recht nicht zu erteilen war.
Es erfolgte daher zu Recht die Feststellung zu Spruchpunkt III. des Bescheides.
3.4. Die bP ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Ein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 liegt hier nicht vor. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs 2 FPG grds. die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.
3.4.1. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:
Privatleben
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).
Familienleben
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgans (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).
Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
3.4.2. In Österreich leben eine Freundin, mit welcher sie jedoch kein Paar ist, 2 Tanten und Cousins. Ein besonderes Naheverhältnis zu einer dieser erwachsenen Personen im Sinne eines Familienlebens wurde durch die bP nicht dargelegt, auch wenn sie von diesen Personen unterstützt wird. Es ist somit bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht von einem schützenswerten Familienleben auszugehen.
In Bezug auf ein schützenswertes Privatleben der bP in Österreich ist auszuführen, dass sie gewisse Anknüpfungspunkte zu Verwandten hat. Diese sind jedoch alleine schon aufgrund der sehr kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich seit etwa Mitte Juni 2020 nur sehr gering ausgeprägt. Dass die bP z. B. den größten Teil ihres Lebens in Österreich verbracht hätte oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen vorliegen würden, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen, kamen nicht hervor. Die bP lebte bis vor kurzer Zeit zudem in Österreich von der Grundversorgung. Erst kürzlich hat sie sich von der Grundversorgung abgemeldet. Die bP scheint mit keiner legalen Tätigkeit in Österreich auf und legte auch nicht dar, wie sie hier ihren Lebensunterhalt finanziert. Eine besondere Teilnahme am sozialen Leben kam ebenfalls nicht hervor, weshalb im Falle von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auch nicht von einem schützenswerten Privatleben auszugehen ist.
Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung.
Zulässigkeit der Abschiebung
3.5. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Nach § 50 Abs 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung der bP in den Herkunftsstaat Türkei ist gem. § 46 FPG gegeben, da nach den die Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Derartiges kann auch nicht aus der momentanen Pandemie abgeleitet werden, da die bP aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes nicht zur Risikogruppe gehört.
Dieses Ergebnis entbindet die Vollzugsbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, bei der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme Art. 3 EMRK (insbesondere im Hinblick auf die COVID-19-Situation im Herkunftsstaat der bP) zu beachten (VfGH v. 26.06.2020, Zl. E 1558/2020-12).
Es erfolgte daher zu Recht die Feststellung zu Spruchpunkt IV. des Bescheides.
Frist für die freiwillige Ausreise
3.6. Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG, weshalb zu Recht die Feststellung zu Spruchpunkt V. des Bescheides erfolgte.
Einreiseverbot
3.7. § 53 FPG lautet:
„Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(1a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes