Entscheidungsdatum
01.10.2020Norm
AVG §59 Abs1Spruch
I416 2235422-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , rumänischer Staatsangehöriger, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ein rumänischer Staatsangehöriger, wurde im Bundesgebiet am 9.1.2020 bei der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung auf frischer Tat betreten und festgenommen und wurde in weiterer Folge über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt.
Mit Schreiben vom 16.1.2020, bezeichnet als „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass es beabsichtigt sei, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, dem Bescheid die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und ihn in seine Heimat abzuschieben und wurde ihm eine Frist von 14 Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Dieses Schreiben wurde vom Beschwerdeführer am 20.1.2020 persönlich übernommen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.3.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 24.06.2020, Zl. XXXX , wurde der Berufung des Beschwerdeführers insofern stattgegeben, dass die Freiheitsstrafe auf 30 Monate reduziert wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer nur ein Verbrechen nach § 33 Abs. 1 Z. 1 StGB erschwerend zur Last falle, und nicht wie vom Erstgericht ausgeführt „zwei“ Verbrechen. Diese rechtsfehlerhafte erschwerende Wertung, war dahingehend zu korrigieren, da alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle in ihrer rechtlichen Beurteilung gemäß § 29 StGB zu einer Substitutionseinheit (sui generis) zusammenzufassen sind. Bei Würdigung des Sachverhalts bestehe zudem kein Anlass dem Beschwerdeführer strenger als den Erstangeklagten zu bestrafen.
Am 25.8.2020 wurde seitens der belangten Behörde ein Bescheid (Zl. XXXX ) mit folgenden Spruchpunkten erlassen:
„I. Gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), idgF, wird gegen Sie ein für die Dauer von 6 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
II. Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), idgF, wird Ihnen kein Durchsetzungsaufschub erteilt.
III. Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wird gemäß § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBL. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.
I. Gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), idgF, wird gegen Sie ein für die Dauer von 6 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
II. Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), idgF, wird Ihnen kein Durchsetzungsaufschub erteilt.
III. Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wird gemäß § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBL. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.“
Bescheid und Verfahrensanordnung wurden dem Beschwerdeführer am 27.8.2020 persönlich ausgefolgt.
Am 3.9.2020 wurde der belangten Behörde ein vom Beschwerdeführer unterfertigtes Antragsformular für eine unterstützte freiwillige Rückkehr übermittelt und als Kontaktperson im Zielland die Ehefrau des Beschwerdeführers angegeben.
Mit Schriftsatz vom 21.09.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens. Begründend wurde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht der Wahrheit entsprechen würde, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich verfügen würde, da die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in Österreich wohnen würde, sodass der Beschwerdeführer über starke familiäre Bindungen in Österreich verfüge, welche von der belangten Behörde zudem festgestellt worden seien und würde ein intensives Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin bestehen, sodass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen würde. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu dass gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot zur Gänze beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot auf ein verhältnismäßiges Ausmaß reduzieren, in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen, sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zuerkennen.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.09.2020 vorgelegt. Der physische Akt ist am 28.09.2020 bei der zuständigen Gerichtabteilung I 416 eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger bzw. Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.
Der Beschwerdeführer ist seit 10.1.2020 aufgrund der über ihn verhängten Untersuchungshaft und anschließenden Strafhaft im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Der Beschwerdeführer ist zu keinem Zeitpunkt im Bundesgebiet einer legalen Beschäftigung nachgegangen.
Nicht festgestellt werden kann, dass es sich bei XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Rumänien, um die Ehefrau des Beschwerdeführers handelt.
Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist seit 17.9.2020 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers war vor diesem Zeitpunkt zuletzt vom 13.9.2018 bis 14.1.2019 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet erfasst.
Der Beschwerdeführer verfügt mit Ausnahme seiner im Bundesgebiet aufrecht gemeldeten Lebensgefährtin über keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.
Nicht festgestellt werden kann, für welche Dauer die belangte Behörde ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen hat. Aufgrund des unbestimmten Inhalts ist der verfahrensgegenständliche Bescheid nicht vollzugstauglich. Eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung der belangten Behörde ist nicht möglich.
Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von 30 Monaten rechtskräftig verurteilt.
Die Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer zu einer Haftstrafe in der Höhe von 36 Monaten verurteilt wurde, ist aktenwidrig.
Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Strafhaft.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Zudem wurden am 12.06.2020 und 17.06.2020 Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister dem Strafregister, dem Firmenbuch und AJ-Web eingeholt.
Die Feststellung zu seiner Identität beruht auf dem vorliegenden rumänischen Personalausweis, ausgestellt am 31.8.2010, Nr. XXXX .
Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus den vorliegenden aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellung, dass es sich bei Frau XXXX , nicht um seine Ehefrau, sondern um seine Lebensgefährtin handelt, gründet sich einerseits auf die Angaben des Beschwerdeführers aus dem Anlassbericht der Landespolizeidirektion Steiermark vom 9.1.2020 (AS 48), den diesbezüglichen Angaben im Rahmen der Beschwerde (AS 159), sowie den Angaben im Zentralen Melderegister, wo bei beiden Personen unter Familienstand „ledig“ aufscheint.
Die Feststellungen zur aktuellen Wohnsitzmeldung der Lebensgefährtin gründen sich auf einem aktuellen Auszug aus dem zentralen Melderegister.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keiner legalen Tätigkeit nachgeht, ergibt sich aus dem diesbezüglich unstrittigen Akteninhalt.
Dass nicht festgestellt werden kann, für welche Dauer die belangte Behörde ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen hat, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass das die belangte Behörde im selben Spruch ein Aufenthaltsverbot von sechs Jahren und ein Aufenthaltsverbot von acht Jahren erlassen hat.
Die mangelnde Bestimmtheit und dahingehend fehlende Vollzugstauglichkeit ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Bestimmtheit auch im zusammenlesen von Spruch und Begründung nicht gegeben ist, da in der Begründung die Dauer des Aufenthaltsverbots nicht erwähnt wird.
Die Aktenwidrigkeit hinsichtlich der Strafhöhe der strafrechtlichen Verurteilung ergibt sich aus dem im Akt inneliegenden Urteil des Oberlandesgerichts XXXX (AS 99 ff.).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Behebung des Bescheides:
§ 59 Abs. 1 AVG 1991 trägt der normativen Bedeutung des Bescheidspruches durch die Anordnung Rechnung, dass dieser möglichst gedrängt und deutlich zu fassen ist. Aus dem Spruch muss daher unter Vermeidung überflüssiger Weitläufigkeiten (Hellbling 339; Hengstschläger² Rz 433) klar und unzweideutig (Herrnritt 107) hervorgehen, worüber und wie entschieden wurde (Thienel³ 209).
Weist ein Bescheid nicht die gemäß § 59 Abs. 1 AVG 1991 erforderliche Bestimmtheit auf, so ist er nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. VwGH 23.1.2002, 2001/07/0139, VwGH 16.06.2004, 2001/08/0034).
Im verfahrensgegenständlichen Fall hat die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer im Spruch ein Aufenthaltsverbot von sechs Jahren und ein Aufenthaltsverbot von acht Jahren erlassen, sodass der Spruch schon allein aufgrund dieser Tatsache in sich widersprüchlich ist. Aufgrund dieser Unbestimmtheit des Spruchs zieht sich das erkennende Gericht außerstande die ihm zukommende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides (der Verletzung von Rechten der Partei) vorzunehmen und ist der Bescheid dahingehend mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, sodass dieser schon allein aus diesem Grunde aufzuheben ist.
Darüber hinaus ist verfahrensgegenständlicher Bescheid aufgrund seines unbestimmten Inhalts in Bezug auf die Dauer des Aufenthaltsverbots nicht vollzugstauglich, da zur Vollstreckbarkeit eines Bescheides auch seine ausreichende Bestimmtheit gehört, vielmehr stellt nämlich die Unbestimmtheit des Titelbescheids einen Fall der Unzulässigkeit der Vollstreckung dar (VwGH 25.03.2004, 2003/07/0062, VwGH 27.04.2004/2003/05/0169).
Da in der rechtlichen Beurteilung des bekämpften Bescheides keinerlei Angaben bzw. Anhaltspunkte über die Dauer des seitens der belangten Behörde erlassenen Aufenthaltsverbotes getroffen wurden bzw. erkennbar sind, konnte diese auch nicht zur Deutung von Sinn und Inhalt des Spruchs herangezogen werden, sodass die Begründung auch nicht zur Klärung der Frage herangezogen werden kann, für welchen Zeitraum die Behörde das Aufenthaltsverbot letztlich zu verhängen beabsichtigte (vgl. VwGH 17.08.2000, 2000/12/0137; VwGH 29.04.2003, 2001/02/0188). Die Bestimmtheit muss zumindest in einem Zusammenlesen von Spruch und Begründung gegeben sein (siehe auch VwGH 3.10.2008, 2005/10/0047).
Der Vollständigkeit halber, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde aktenwidrig von einer Strafhöhe von 36 Monaten ausgegangen ist und ihre Begründung dahingehend auf das Urteil des Landesgerichts XXXX ausgerichtet hat, ohne auf das Urteil des Oberlandesgerichts XXXX einzugehen und entsprechend zu berücksichtigen.
Eine nähere Auseinandersetzung mit der allfälligen Unrechtmäßigkeit des Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des in Beschwerde gezogenen Bescheides) und mit der Frage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (in Spruchpunkt III. des in Beschwerde gezogenen Bescheides) kann daher entfallen.
Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Bestimmtheitsgebot Diebstahl Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Verbrechen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2235422.1.01Im RIS seit
29.01.2021Zuletzt aktualisiert am
29.01.2021