TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 G304 2228236-1

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Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G304 2228236-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und die fachkundige Laienrichterin Maria HIERZER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark vom 13.01.2020, SVNR: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der GdB 40 v. H. beträgt, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 31.07.2019 brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Chirurgie, vom 20.11.2019 wird aufgrund einer am 18.11.2019 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Apalsie der Niere 1977

Oberer Richtsatzwert.

08.01.01

30

2

Bewegungs- und belastungsabhängige Beschwerden im Bereiche des Schultergelenkes links mit eingeschränkter Beweglichkeit bei Z. n. Schlüsselbeinbruch und Pseudoarthrose

08.01.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:

„Der Gesamtgrad der Behinderung resultiert aus der führenden Gesundheitsstörung 1 und wird durch die weitere Gesundheitsstörung 2 aufgrund der fehlenden negativ wechselseitigen Beeinflussung nicht weiter angehoben“

2.2. Im Rahmen des Parteiengehörs erstattete der BF keine Stellungnahme.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.01.2020 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage.

Begründend wurde ausgeführt, dass das aufgrund des Antrages des BF durchgeführte Beweisverfahren ergeben habe, dass der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem einen Bestandteil der Begründung bildenden Gutachten vom 13.01.2020 zu entnehmen. Die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe, würden die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.) nicht vorliegen. Der Antrag des BF sei daher abzuweisen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde (benannt als „Einspruch“). Der BF ersuchte um Erhöhung seines Gesamtbehinderungsgrades und brachte zusammengefasst erneut vor, dass er das Gutachten Dris. XXXX nicht anerkenne, da dieser kein Orthopäde sei und verwies auf die höhere Einstufung in anderen Verfahren.

5. Am 03.02.2020 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 20.05.2020, Zahl: G304 2228236-1/2Z, wurde
Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, um Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 20.05.2020, Zahl: G304 2228236-1/2Z, wurde
der BF aufgefordert, sich am 09.07.2020 um 16:00 Uhr bei Dr. XXXX zur Begutachtung einzufinden.

7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 15.07.2020 wurde nach Begutachtung des BF am 09.07.2020 im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Funktionseinschränkung der linken Schulter

Vorgegebener Rahmensatzwert entsprechend der deutlichen Funktionseinschränkung der linken Schulter in allen Ebenen, bei Zustand nach konservativ behandeltem Schlüsselbeintrümmerbruch im April 2014 im Rahmen eines Motorradunfalles.

Gegenüber dem Vorgutachten Dr. XXXX vom 18.11.2019 ergibt sich klinisch eine deutliche Funktionseinschränkung. Die Bewegung über der Horizontalen, wie im Gutachten Dr. XXXX , ist mit der linken Schulter nicht möglich. Die aktive Abduktion, Elevation sowie Bewegung in den restlichen Ebenen ist hochgradig eingeschränkt. Es zeigt sich auch eine Kraftschwächung des gesamten linken Armes, welche mitberücksichtig wird.

Gegenüber dem Gutachten Dr. XXXX vom 09.02.2018 ergibt sich keine Änderung der Einstufung.

Da jedoch bisher nur konservative Maßnahmen durchgeführt wurden, sollte eine etwaige Vorstellung beim orthopädischen Facharzt oder unfallchirurgischem Facharzt durchgeführt werden. Eventuell ist eine Revision notwendig, sodass eine Nachuntersuchung in 24 Monaten zur Funktionsüberprüfung durchgeführt werden sollte.

02.06.05

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

8. Mit Verfügung des BVwG vom 11.08.2020 Zahl: G304 2228236-1/4Z, dem BF zugestellt am 17.08.2020, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung dazu zu nehmen.

9. Bis dato langte beim BVwG keine Stellungnahme dazu ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Der BF ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die Feststellung zur österreichischen Staatsbürgerschaft des BF und zu seinem Wohnsitz im Inland ergab sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Gesamtgrad der Behinderung des BF gründet sich auf das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie sowie das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Chirurgie.

2.3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In dem Gutachten wird auf die Art und orthopädischen Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Zum vom BVwG eingeholten Facharztgutachten, dass die orthopädischen Leiden mit 40 v.H. einzuschätzen sind, wurde im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendung erhoben.

Zum von der belangten Behörde eingeholten chirurgischen Facharztgutachten, dass die organischen Leiden mit 30 v.H. einzuschätzen sind, wurde hinsichtlich der Feststellung und Einschätzung der Aplasie der Niere links im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendung erhoben. Seine Einwände bezogen sich ausschließlich auf die orthopädischen Leiden.

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung in ihrer Gesamtschau der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Die Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes sind durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A. (Abweisung hinsichtlich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses):

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Der gegenständlichen Entscheidung wird zum Einen das seitens des BVwG für schlüssig und nachvollziehbar gehaltene Sachverständigengutachten zu Grunde gelegt. Nachdem nur in Hinblick auf die orthopädischen Leiden Ausführungen in der Beschwerde enthalten waren, wird zum Anderen das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten, das abgesehen von der Beurteilung der orthopädische Leiden, zu welchen vom BVwG ein Fachgutachten aus dem Bereich der Orthopädie eingeholt wurde und welchem diesbezüglich nach Ansicht des Gerichtes in diesem Bereich mehr Gewicht zukommt, für schlüssig und nachvollziehbar gehalten wird, hinsichtlich der festgestellten Aplasie der Niere links und der medizinischen Beurteilung hinsichtlich einer möglichen Wechselwirkung zu Grunde gelegt.

Somit ergibt sich nach rechtlicher Beurteilung durch den erkennenden Senat folgende Zusammensetzung des Gesamtgrades der Behinderung samt dessen Untergliederung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Funktionseinschränkung der linken Schulter

Vorgegebener Rahmensatzwert entsprechend der deutlichen Funktionseinschränkung der linken Schulter in allen Ebenen, bei Zustand nach konservativ behandeltem Schlüsselbeintrümmerbruch im April 2014 im Rahmen eines Motorradunfalles.

Gegenüber dem Vorgutachten Dr. XXXX vom 18.11.2019 ergibt sich klinisch eine deutliche Funktionseinschränkung. Die Bewegung über der Horizontalen, wie im Gutachten Dr. XXXX , ist mit der linken Schulter nicht möglich. Die aktive Abduktion, Elevation sowie Bewegung in den restlichen Ebenen ist hochgradig eingeschränkt. Es zeigt sich auch eine Kraftschwächung des gesamten linken Armes, welche mitberücksichtig wird.

Gegenüber dem Gutachten Dr. XXXX vom 09.02.2018 ergibt sich keine Änderung der Einstufung.

Da jedoch bisher nur konservative Maßnahmen durchgeführt wurden, sollte eine etwaige Vorstellung beim orthopädischen Facharzt oder unfallchirurgischem Facharzt durchgeführt werden. Eventuell ist eine Revision notwendig, sodass eine Nachuntersuchung in 24 Monaten zur Funktionsüberprüfung durchgeführt werden sollte.

02.06.05

40

2

Apalsie der Niere 1977

Oberer Richtsatzwert.

08.01.01

30

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

Der erkennende Senat schließt sich der Beurteilung des Facharztes für Chirurgie an, dass keine negative Wechselwirkung zwischen dem organischen Leiden des BF und der orthopädischen Leiden in der Schulter.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der Gesamtgrad der Behinderung des BF unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, vom BF unbestritten gebliebenen orthopädischen Sachverständigengutachtens, welches für schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird und dem hinsichtlich der nunmehrigen GS2 unbestritten gebliebenen chirurgischen Sachverständigengutachtens, welches abseits der Einstufung der orthopädischen Leiden für schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2228236.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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