Entscheidungsdatum
22.10.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
I412 2142541-3/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA alias SIERRA LEONE, vertreten durch RA Mag. Martin SAUSENG gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BFA-St) vom 29.05.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist ein nigerianischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1997 illegal nach Österreich einreiste und unter der Identität XXXX , StA Sierra Leone, einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dieser wurde durch den UBAS am 08.06.1998 negativ entschieden. Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes in Österreich mehrfach, zuletzt vom LGS Graz am 18.08.2016, strafgerichtlich verurteilt.
Das BFA übermittelte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.05.2019 eine schriftliche Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gewährte diesem eine zweiwöchige Frist für eine Stellungnahme, die er mit seiner Eingabe vom 27.05.2020 auch nützte.
Mit im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 29.05.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 1 FPG 2005 wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte V. und VI.).
Mit Schriftsatz vom 24.06.2020 wurde Beschwerde erhoben und der belangten Behörde insbesondere vorgeworfen, diese habe sich zur Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschließlich einer schablonenhaften Begründung bedient, welche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht einmal ansatzweise gerecht werde.
Nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Teilerkenntnis vom 02.07.2020, GZ I412 2142541-3Z, wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.07.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Beschwerdeführer ohne seinen Rechtsvertreter erschien. In einer ergänzenden Stellungnahme zur Verhandlung vom 05.08.2020 wurde nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers eingegangen und ärztliche Unterlagen beigebracht. Es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschwerdeführer ein äußerst massiv geschwächtes Immunsystem aufweise und somit auch unter Berücksichtigung der Situation im Herkunftsstaat betreffend das Corona-Virus einer (absoluten) Risikogruppe angehöre. Vorgebracht wurde, eine Infektion hätte mit Sicherheit einen tödlichen Ausgang zur Folge.
Aufgrund der beigebrachten Unterlagen, dem Vorbringen und vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Judikatur wurde mit dem Beschwerdeführer erörtert, ob damit nicht die Stellung eines Asyl(folge-)antrages beabsichtigt sei. Mit Schriftsatz vom 15.09.2020 wurde ausdrücklich festgehalten, dass ein Antrag auf internationalen Schutz nicht gestellt werden wird. Aufgrund der langen Aufenthaltsdauer in Österreich, dem fehlenden familiären Netzwerk im Herkunftsstaat aber vor allem aufgrund der HIV-Erkrankung liege eine Situation vor, die einer Rückkehr und einer Abschiebung entgegenstehe weil sich der Beschwerdeführer keine Existenzgrundlage schaffen könne und eine solche auch nicht vorliege im Sinne der Artikel 2 und 3 EMRK.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und damit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Seine Identität steht fest.
Den Antrag auf internationalen Schutz und auch einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete, der im Instanzenweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2019 zu GZ I412 2142541-2/2E abgewiesen wurde, stellte er unter einer Aliasidentität. Seine wahre Identität klärte er erst im Jahr 2015 auf.
Gegen den Beschwerdeführer besteht seit 06.07.1999 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Er kam seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nach.
In Österreich wurde er sechs Mal wegen zahlreicher Delinquenzen strafgerichtlich verurteilt, insgesamt zu sieben Jahren und acht Monaten unbedingter Freiheitsstrafe:
Am 01.07.1999 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig vom Landesgericht Innsbruck, XXXX , zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr wegen vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten gemäß § 178 StGB verurteilt.
Aufgrund dessen wurde gegen den Beschwerdeführer von der BPD Innsbruck am 06.07.1999, Zl. XXXX , ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß dem damaligen § 36 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 erlassen.
Am 13.08.1999 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen. ein Heimreisezertifikat konnte aufgrund der Angabe einer falschen Identität nicht erlangt werden. Er kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und beging weitere Straftaten:
Er wurde vom Landesgericht Innsbruck wie folgt rechtskräftig verurteilt:
-am 07.05.2003 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren wegen neuerlicher vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertagbare Krankheiten, gefährlicher Drohung, Körperverletzung, versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwerem gewerbsmäßigem Betruges. Zudem wurde die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe widerrufen.
-am 30.09.2005 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten wegen gefährlicher Drohung.
-am 01.04.2006 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten wegen gefährlicher Drohung und schwerer Sachbeschädigung.
Vom Landesgericht Linz wurde er außerdem am 07.12.2006 (Zusatzstrafe zur Verurteilung des LG Innsbruck am 01.04.2006) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten wegen gefährlicher Drohung, versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt, absichtlicher schwerer Körperverletzung, schwerer Sachbeschädigung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Aus der Anstaltsunterbringung wurde er am 18.11.2013 bedingt entlassen.
Der Beschwerdeführer wurde neuerlich festgenommen und am 23.08.2016 vom Landesgericht für Strafsachen Graz rechtskräftig zu einer weiteren Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und sechs Monaten wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und dauernder Sachentziehung verurteilt.
Seit seiner letzten Entlassung aus der Justizanstalt hat der Beschwerdeführer keinen festen Wohnsitz mehr in Österreich und verfügt seit 03.10.2017 über eine Obdachlosenadresse in Graz. Er hat ein Zimmer in Graz gemietet und lebt dort, gab diesen Wohnsitz bislang aber nicht an.
Beim Beschwerdeführer besteht eine HIV-Infektion und ist eine Dauermedikation empfohlen.
Beim Beschwerdeführer liegen keine akut existenzbedrohenden Umstände vor und ist auch nicht von einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers bei einer Abschiebung nach Nigeria auszugehen.
Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht krankenversichert. Er wird von der Aids-Hilfe Steiermark betreut, wobei er auf Medikamentenspenden oder –reste angewiesen ist. Eine durchgängige HIV-Therapie in Österreich ist nicht gesichert.
Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers schließt seine Arbeitsfähigkeit nicht aus. Er ist in Österreich als Verkäufer einer Straßenzeitung tätig, kann damit seine Lebenserhaltungskosten aber nicht decken. Er ist de facto mittellos.
Er hat in Nigeria eine Schule besucht und den Beruf eines Elektrikers erlernt. Er sammelte auch Arbeitserfahrungen in der Landwirtschaft. Er spricht Englisch und Deutsch. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären und familienartigen Beziehungen und besteht kein schützenswertes Privat- und Familienleben.
Angesichts des Vorbringens der HIV-Erkrankung wird auf die Situation von HIV-Infizierten in Nigeria aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Nigeria mit Stand 20.05.2020 Bezug genommen:
Grundversorgung
Letzte Änderung: 20.5.2020
Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).
Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).
Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).
Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).
Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
- AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790, Zugriff 16.4.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.4.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020
- IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annual_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 20.5.2020
Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden. Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 3.2020b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 3.2020b; vgl. ÖB 10.2019). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 2.4.2020).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 16.1.2020). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern der Maximalversorgung (z.B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard. Nahezu alle, auch komplexe Erkrankungen, können hier kostenpflichtig behandelt werden (AA 16.1.2020; vgl. AA 2.4.2020; ÖB 10.2019). In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung (ÖB 10.2019).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 16.1.2020).
Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2019). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 3.2020b). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 100,2 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten (ÖB 10.2019).
Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 16.1.2020). Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der falschen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, veranlassen die Menschen dazu, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten (HRW 11.11.2019).
Insgesamt gibt es für die inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Die Behandlungskosten sind jedoch je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich. Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 16.1.2020).
Nigeria verfügt derzeit über weniger als 150 Psychiater (AJ 2.10.2019), nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“. Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019). Die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (AJ 2.10.2019; vgl. HRW 11.11.2019).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 16.1.2020). Nur weniger als sieben Millionen der 180 Millionen Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 3.2020b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 16.1.2020). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, sofern vorhanden (ÖB 10.2019). Eine basale Versorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019). Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2019).
Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen. In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 16.1.2020). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2019).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte – meist aus asiatischer Produktion – vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 16.1.2020). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2019).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 3.2020b). Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists“ und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (2.4.2020): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, Zugriff 16.4.2020
- AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
- AJ - Al Jazeera (2.10.2019): Nigeria has a mental health problem, https://www.aljazeera.com/ajimpact/nigeria-mental-health-problem-191002210913630.html, Zugriff 16.4.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020
- HRW - Human Rights Watch (11.11.2019). Nigeria: People With Mental Health Conditions Chained, Abused, https://www.hrw.org/news/2019/11/11/nigeria-people-mental-health-conditions-chained-abused, Zugriff 16.4.2020
- Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians, https://punchng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/, Zugriff 16.4.2020
- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (23.1.2019): medizinische Stellungnahme
- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (27.3.2019): medizinische Stellungnahme
HIV/AIDS
Letzte Änderung: 20.5.2020
HIV/AIDS hat sich in den letzten Jahren sehr schnell ausgebreitet. Gründe dafür sind u.a. Promiskuität, seltene Verwendung von Kondomen, Armut, eine niedrige Alphabetisierungsrate und schlechte Bildung, der insgesamt schlechte Gesundheitszustand, der niedrige gesellschaftliche Status von Frauen sowie die Stigmatisierung von Erkrankten (GIZ 3.2020b). In Nigeria lebten im Jahr 2018 circa 1,9 Millionen Menschen, die mit HIV infiziert sind. Von den Menschen zwischen 15 und 49 Jahren haben 1,5 Prozent HIV. Im Jahr 2018 haben sich 130.000 Menschen neu mit HIV infiziert, es gab 53.000 Todesfälle aufgrund von mit AIDS verbundenen Krankheiten. 67 Prozent der HIV-Infizierten kannten ihren Status, 53 Prozent der Menschen mit HIV waren in Behandlung und 42 Prozent der mit HIV infizierten Personen nehmen Antiretrovirale Medikamente ein. Bei den Kindern (bis 14 Jahre), die mit HIV leben, waren nur 35 Prozent in Behandlung. Frauen sind in Nigeria überproportional von HIV betroffen, circa eine Million der Erkrankten sind Frauen (circa 55,6 Prozent). Frauen sind jedoch mehr in Behandlung (68 Prozent der erwachsenen Frauen im Vergleich zu 37 Prozent der erwachsenen Männer). Von den HIV-infizierten schwangeren Frauen unterziehen sich etwa 44 Prozent einer Therapie, um die Übertragung auf ihr Kind zu verhindern (UNAIDS o.D.). Es wird geschätzt, dass im Jahr 2018 in Nigeria 230.000 Kinder und Jugendliche (bis 19 Jahre) mit HIV leben (UNICEF 12.2019).
Medikamente gegen HIV/Aids können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖB 10.2019).
Quellen:
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
- UNAIDS (o.D.): Nigeria, Overview, https://www.unaids.org/en/regionscountries/countries/nigeria, Zugriff 16.4.2020
- UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (12.2019): Children, HIV and AIDS, Regional Snapshot: West and Central Africa, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Children%2C%20HIV%20and%20AIDS%20-%20Regional%20snapshot%20-%20West%20and%20Central%20Africa%20%28December%202019%29%20.pdf, Zugriff 16.4.2020
Es gibt keine Hinweise dafür, dass eine erfolgreich therapierte HIV-Infektion das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf bzw. das Risiko überhaupt an COVID-19 zu erkranken, erhöht.
In die Risikogruppe einzustufen sind lediglich HIV-positive Personen mit einer aktuellen CD4-Zellzahl unter 200/?l, sowie Personen mit einer unbehandelten HIV-Infektion.
Besondere Vorsicht in Bezug auf eine SARS-CoV-2 Infektion ist bei HIV-positiven Personen mit einer CD4-Zellzahl unter 50/?l, sowie bei Vorliegen opportunistischer Erkrankungen geboten.
Zum tatsächlichen Einfluss dieser Faktoren auf einen COVID-19 Verlauf, liegen derzeit keine Daten vor.
Wenn mit einer HIV-Therapie begonnen wird, steigt die Zahl der Helferzellen wieder an. Das Immunsystem erholt sich und ist nicht mehr so anfällig für Erkrankungen.
Quellen:
https://www.aekwien.at/documents/263869/411179/200513_OEAG_Schreiben_HIV_COVID-19_Risiko.pdf/4be2a2f1-092d-3e67-109a-f0cf4958d849
https://www.aidshilfe.de/laborwerte#Viruslast
Rückkehr
Letzte Änderung: 14.4.2020
Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
Außerdem wird festgestellt: Der frühere Präsident von Nigeria, Goodluck Jonathan, hat ein neues Antidiskriminierungsgesetz unterzeichnet, das die Rechte und die Würde von Menschen mit HIV schützt. Das HIV / AIDS-Antidiskriminierungsgesetz von 2014 macht es illegal, Menschen aufgrund ihres HIV-Status zu diskriminieren. Es verbietet auch Arbeitgebern, Einzelpersonen oder Organisationen, von einer Person die Durchführung eines HIV-Tests als Voraussetzung für die Beschäftigung oder den Zugang zu Dienstleistungen zu verlangen.
Quelle:
-https://www.unaids.org/en/resources/presscentre/featurestories/2015/february/20150211_nigeria_law, Zugriff 01.10.2020
Zur Covid-19 – Pandemie:
In Nigeria wurden bislang bei einer Bevölkerungszahl von ca. 206 Mio. 60.103 Fälle registriert, wobei 51.7111 wieder genesen sind und 1.115 Todesopfer zu beklagen sind.
Im Vergleich dazu liegen die Zahlen in Österreich bei registrierten 55.319 Fällen, 43.448 Genesenen und 852 Toten bei einer Einwohnerzahl von knapp 8,9 Mio.
Quellen:
-https://news.google.com/covid19/map?hl=de&mid=%2Fm%2F05cgv&gl=AT&ceid=AT%3Ade (Zugriff 11.10.2020)
-https://news.google.com/covid19/map?hl=de&mid=%2Fm%2F0h7x&gl=AT&ceid=AT%3Ade (Zugriff 11.10.2020)
-https://de.statista.com/statistik/daten/studie/19292/umfrage/gesamtbevoelkerung-in-oesterreich/ (Zugriff 11.10.2020)
-https://de.statista.com/statistik/daten/studie/159735/umfrage/gesamtbevoelkerung-von-nigeria/ (Zugriff 11.10.2020)
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den umfangreichen Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Der Verwaltungsakt umfasst neben den Teilen des BFA auch sämtliche Aktenteile des vormaligen Bundesasylamtes, der Bundespolizeidirektionen und der fremden- sowie kriminalpolizeilichen Abteilungen.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem Strafregister der Republik Österreich, des Betreuungsinformationssystems, des Zentralen Fremdenregisters und des Zentralen Melderegisters eingeholt.
Der festgestellte und unbestrittene Sachverhalt ergibt sich aus dem umfangreichen Verwaltungsakt der belangten Behörde. Ersichtlich sind daraus das unbefristete Aufenthaltsverbot der BPD Innsbruck vom 06.07.1999, das Auftreten des Beschwerdeführers unter einer Aliasidentität, das abgeschlossene Asylverfahren, die abweisende Entscheidung betreffend Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete und die strafgerichtlichen Urteilsausfertigungen. Feststellungen zu den rechtskräftigen Verurteilungen und der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher konnten auch durch Einsicht in das Strafregister der Republik getroffen werden.
Die abschließend geklärte Identität samt Staatsangehörigkeit wurde bereits im Verfahren zu I412 2142541-2 rechtskräftig geklärt und ergibt sich aus dem Zentralen Fremdenregister das vorgelegte nigerianische Reisedokument.
Feststellungen zum bisherigen und aktuell obdachlosen Aufenthalt im Bundesgebiet konnten aufgrund der Wohnsitzmeldungen im ZMR nachvollzogen werden. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, ein Zimmer gemietet zu haben und die Wohnsitzmeldung bislang verabsäumt zu haben. Auch nach Hinweis auf seine Meldeverpflichtung ist aus dem Zentralen Fremdenregister bislang kein aufrechter Hauptwohnsitz ersichtlich.
Die HIV-Infektion und die empfohlene Dauermedikation ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen datiert mit 21.11.2019, 13.09.2017, 07.11.2005 bzw. 15.01.2015. Die Betreuung und die Einnahme von Medikamentenresten ergibt sich aus dem Schreiben der Aids-Hilfe Steiermark vom 04.08.2020. Darin wurde auch festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht krankenversichert ist und ergab ein Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem, dass er keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht.
Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer keine akut existenzbedrohenden Umstände vorliegen und auch nicht von einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers bei einer Abschiebung nach Nigeria auszugehen ist, ergibt sich aus Folgendem: Zurzeit geht es dem Beschwerdeführer nach eigenem Empfinden gut, wie er in der mündlichen Verhandlung angab. Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass beim Beschwerdeführer ein Stadium der HIV – Erkrankung in der CDC-Klassifizierung B3 aufweise, ist anzumerken, dass laut den vorgelegten Unterlagen im September 2017 beim Beschwerdeführer die aktuelle Diagnose „HIV-Infektion im Stadium A2 nach CDC“ gestellt wurde. Im November 2019 wurde beim Beschwerdeführer ein Wert von 52 CD4 Zellen festgestellt. Diese Zahl der Helferzellen ist abhängig von der Therapie, die, wie festgestellt wurde, in Nigeria grundsätzlich verfügbar ist. Dass beim Beschwerdeführer bereits ein AIDS-Ausbruch vorliegt, wurde jedoch nicht vorgebracht.
Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung finanziert er sich seinen Lebensunterhalt in Österreich durch den Verkauf einer Straßenzeitung. Aufgrund seiner Angaben, wonach er manchmal EUR 500,-- verdiene, manchmal auch nichts, sein gemietetes Zimmer monatlich EUR 350,-- koste und er die letzten Mieten nicht begleichen konnte, ergibt sich die Mittellosigkeit. Dass er arbeitsfähig und –willig ist, zeigt er mit seiner Bereitschaft, eine Straßenzeitung zu verkaufen und brachte er seine Arbeitswilligkeit auch in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck. Seine HIV-Infektion steht einer Arbeitsaufnahme aus gesundheitlicher Sicht somit nicht im Wege.
Die Feststellungen zu seinen Sprachkenntnissen resultieren aus den bisherigen Verfahren, welche durch Beiziehung eines Dolmetschers in englischer Sprache abgehalten wurde. Zuletzt konnte sich der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde in deutscher Sprache ausreichend gut verständigen und konnte auch die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zum überwiegenden Teil auf Deutsch abgehalten werden.
Sprachzeugnisse oder sonstige Unterlagen, die seine Integration belegen könnten, brachte er allerdings nicht in Vorlage. Außer zu Justizwachepersonal und Mithäftlingen hat der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Kontakte oder Beziehungen in Österreich vorzuweisen. Er hat in Österreich weder Familienangehörige, noch sonstige enge Bindungen aufzuweisen. Daran ändert auch das Vorbringen nichts, in Kontakt mit einem Priester zu stehen und die katholische Kirche zu besuchen. Auch seine „Community“, die er als sein Familie bezeichnete, ohne aber einen einzigen Namen oder nähere Informationen zu den Personen zu nennen, begründen kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Angesichts der langjährigen Aufenthalte in Justizanstalten bzw. im Maßnahmenvollzug kann nicht von einem schützenswerten Privatleben gesprochen werden, zumal sich seine privaten Interessen bisher nur in schwerwiegenden Delinquenzen unterschiedlichster Art und einer Obdachlosenmeldung äußern. Auch der Bedarf an Medikamenten zur Behandlung seiner HIV-Erkrankung begründet kein schützenswertes Privatleben, weil derartige Medikamente in seinem Herkunftsstaat vorhanden und zugänglich sind. Es liegt jedenfalls keine solche Gesundheitsbeeinträchtigung vor, die im Herkunftsstaat nicht behandelt werden könnte.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und zur Behandlung von HIV gründet sich auf einen Auszug aus dem aktuellen Länderinformationsblatt für Nigeria. Das LIB setzt sich aus unterschiedlichen staatlichen und nichtstaatlichen Nachrichtenquellen zusammen und bildet so die Situation möglichst umfassend und neutral ab. Für die erkennende Richterin ergibt sich daraus ein nachvollziehbares Bild im Herkunftsstaat und wurde diese Passage des LIB samt Quellenangabe der Entscheidung zu Grunde gelegt. Das Länderinformationsblatt sowie eine Kurzinformation der Staatendokumentation zur aktuellen Covid-19 Lage in Afrika wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. Die Feststellung zum HIV / AIDS-Antidiskriminierungsgesetz von 2014 sind unter der angegebenen Quelle abrufbar und allgemein zugänglich.
Der Beschwerdeführer trat den Ausführungen weder in der Beschwerde, den schriftlichen Stellungnahmen oder in der mündlichen Verhandlung substantiiert entgegen und stehen die von ihm zitierten Berichte über medizinische und Grundversorgung in Nigeria den Feststellungen aus dem LIB nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels „besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 58 Abs 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG 2005). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind nicht hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG 2005.
Ein Antrag auf Erteilung einer Karte für Geduldete wurde zuletzt rechtskräftig mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2019 abgewiesen und hat sich auch zwischenzeitlich keine Duldung ergeben. Dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt der Z 2 oder Z 3 leg. cit. verwirklich, wurde weder vorgebracht, noch haben sich Hinweise darauf ergeben.
Anzumerken ist auch, dass eine strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Verbrechens die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ausschließt, selbst wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet wäre. Da der Beschwerdeführer durch das LG Innsbruck am 07.05.2003 rechtskräftig wegen gewerbsmäßigem Betrug verurteilt wurde und dies bei einer Strafdrohung bis zu fünf Jahre ein Verbrechen im Sinne des § 73 StGB darstellt, scheidet die Erteilung des genannten Aufenthaltstitels aus.
Wenn im Beschwerdeschriftsatz angeben wird, dass es auf die Verurteilung alleine nicht ankommen, sondern der Gesamteindruck zu berücksichtigen sei, so sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass sich die ins Treffen geführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf § 53 FPG bezieht und bei der Verhängung von Einreiseverboten zu berücksichtigen ist, nicht aber bei Erteilung von Aufenthaltstiteln.
Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 war bereits mangels Vorliegen eines Tatbestandes der Z 1 bis 3 nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG 2005, abzuweisen war.
3.2. Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestützt.
Gemäß § 52 Abs 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sich dieser nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 31 Abs 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.2.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
Zwar hält sich der Beschwerdeführer bereits seit 1997 im Bundesgebiet auf, jedoch ist dessen Aufenthalt seit der rechtskräftigen Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz durch den UBAS im Juni 1998 rechtswidrig. Ein anderes Aufenthaltsrecht kam dem Beschwerdeführer nie zu und ist er zudem dem verhängten Aufenthaltsverbot aus dem Jahr 1999 nicht nachgekommen.
Auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogenen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0325-5).
Gegen den Beschwerdeführer besteht seit dem Jahr 1999 eine Ausreiseverpflichtung und kam er dieser bis dato nie nach. Zuletzt nahm auch das Verfahren nach Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete mit ha. Erkenntnis vom 25.04.2019 einen negativen Ausgang und verblieb er trotz Wissen um den unrechtmäßigen und auch nicht geduldeten Aufenthalt in Österreich. Auch das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Der Beschwerdeführer trat 18 Jahre lang unter einer Aliasidentität auf und verunmöglichte durch Täuschen über seine Identität auch die Erlangung eines Heimreisezertifikates. Nur so und durch beharrliches Verbleiben in Österreich konnte es zu einer derart langen Aufenthaltsdauer kommen.
Nicht nur, dass sein Inlandsaufenthalt bis auf wenige Monate unrechtmäßig war und ist, ist seine Zeit in Österreich auch durch langjährige Freiheitsstrafen gekennzeichnet. Insgesamt wurde der Beschwerdeführer zu sieben Jahren und acht Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt und verbrachte er die Zeiträume von 02.11.2002 bis 10.08.2005 und von 08.02.2006 bis 18.11.2013 jeweils durchgehend in unterschiedlichen Justizanstalten. Die letzte Freiheitsstrafe wurde am 27.09.2017 vollzogen und weist er seither keinen festen Wohnsitz mehr im Bundesgebiet auf. Die von ihm angegebene Wohnung meldete er bislang nicht als Hauptwohnsitz an und kam er somit auch seiner Meldeverpflichtung nicht nach.
Obwohl die letzte Verurteilung bereits vier Jahre zurückliegt und er zuletzt seit knapp mehr als drei Jahren in Freiheit lebt, ist sein Strafregister seit dem Jahr 1999 beachtlich und stellt er aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit bzw. für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Der Beschwerdeführer wurde insgesamt sechsmal wegen Verbrechen und Vergehen verurteilt, wobei alle bedingten Entlassungen widerrufen wurden. Einige der Verurteilungen liegen unbestritten viele Jahre zurück, doch ist für keine die Tilgung eingetreten und sind ihm somit seine Taten seit dem Jahr 1999 anzulasten. Auch eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher hat ihn nicht davon abgehalten, im Jahr 2016 neuerlich straffällig zu werden, wobei über ihn wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und dauernder Sachentziehung eine weitere unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und sechs Monaten verhängt wurde. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme unter gleichzeitiger Setzung einer Probezeit von fünf Jahren für den Beschwerdeführer positiv würdigend heranziehen müssen, geht somit ins Leere. Mit der neuerlichen strafgerichtlichen Verurteilung innert der Probezeit hat der Beschwerdeführer gerade gegenteilig bewiesen, dass selbst nach jahrelanger Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kein Gesinnungswandel eingetreten ist und er weiterhin zu strafrechtlichen Delinquenzen neigt.
Besonders schwer wiegt auch, dass der Beschwerdeführer dreimal wegen gefährlicher Drohung verurteilt wurde und zweimal den Tatbestand der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten erfüllt hat.
Ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK wurde weder behauptet noch haben sich Hinweise darauf ergeben.
Der Beschwerdeführer hat auch seine Zeit in Freiheit sonst nicht genutzt, um sich integrativ zu verfestigen oder sich ein schützenswertes Privatleben aufzubauen. In Anbetracht des langjährigen Aufenthaltes sind seine Deutschkenntnisse zu relativi