TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 G305 2178728-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2178728-1/37E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den zum XXXX .11.2017 datierten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2019, zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am XXXX .06.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte Beschwerdeführer (BF) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag wurde er von Organen der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass sein Wohngebiet durch den IS besetzt und zerstört worden sei. Es habe keine Sicherheit mehr gegeben und die wirtschaftliche Lage sei katastrophal gewesen. Seine Eltern hätten ihm deshalb geraten, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr fürchte er, mit dem IS kämpfen zu müssen oder durch diesen zu sterben. Konkrete staatliche Sanktionen befürchte er keine. Einmal will er von IS-Kämpfern angeschossen worden sein und will er noch immer ein Projektil in seinem Rücken stecken haben. Sein Bruder soll vor seinen Augen von IS-Kämpfern erschossen worden sein.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, von XXXX ausgehend mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach XXXX und dann weiter in die Türkei gelangt zu sein. Dort habe er Arbeit gesucht und sei nach fünf Monaten mit dem Bus nach Izmir gefahren. Dort habe er Kontakt mit einem Schlepper gehabt. Diesem habe er USD 1.000 für die Überfahrt auf die Insel Mytilini bezahlt, von wo aus er nach fünf Tagen Aufenthalt nach Athen geschickt und erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Dort habe er eine Ausweisung binnen eines Monats bekommen und sei dann mit dem Zug nach Saloniki gefahren und habe im Anschluss daran über die „Balkanroute“ Österreich erreicht. Die Grenze zwischen Ungarn und Österreich habe er illegal zu Fuß überschritten und sei dann von der Polizei aufgegriffen worden. Die Reise habe von XXXX .2015 bis zum XXXX .2015 gedauert, etwa USD 1.000 gekostet und sei teilweise von einem Schlepper organisiert gewesen.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.

3. Am XXXX .12.2015 wurde der BF ab 14:20 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Im Zuge dieser Einvernahme wurde er zu seiner Reiseroute befragt und gab an, dass die Reise insgesamt etwa USD 5.000 gekostet habe und durch seinen Vater und geliehenes Geld finanziert worden sei. Aus eigenem heraus korrigierte er zudem sein Geburtsdatum auf den XXXX und behauptete, dass dieses in der Erstbefragung falsch aufgenommen worden sei.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass der IS am Tag des Einmarsches ( XXXX 2014) seinen Bruder getötet habe. Die Flucht in andere Gebiete habe zur Verfolgung durch Milizen der Regierung geführt, vor allem da er Sunnit sei. Er sei verhaftet worden, da er verdächtigt worden sein soll, Terrorist zu sein, habe jedoch bis zu seiner Verhandlung seine Unschuld beweisen können. Sein Vater habe ihm daher geraten, das Land zu verlassen, was er zusammen mit seinem Bruder auch getan habe. Der Vater habe vorgehabt, Frühpension zu beantragen und diese auch in der Türkei beziehen wollen. Der Einmarsch des IS und die Erschießung des Bruders sowie die Situation mit den Milizen hätten zur Flucht geführt.

Der BF gab überdies an, persönlich keine weiteren Erfahrungen mit Bedrohungen, Bombendetonationen oder Entführungen gemacht zu haben. Ausschlaggebender Grund für die Ausreise sei zudem die finanzielle Situation gewesen.

Im Zuge der Aufnahme der Niederschrift legte er mehrere Personaldokumente, eine Sterbeurkunde des Bruders, eine Bestätigung über die Entführung seines Vaters und mehrere Fotos vor.

4. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Antrages auf Erteilung von internationalem Schutz vom XXXX .06.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Ihre Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen kurz zusammengefasst damit, dass der BF keine asylrelevanten Bedrohungen glaubhaft machen konnte. Er habe zu keinem Zeitpunkt Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates gehabt und sei im Falle einer Rückkehr keinerlei Bedrohung ausgesetzt

5. Gegen den zum XXXX .11.2017 datierten Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärte er, den Bescheid - gestützt auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit“ und „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ - vollumfänglich anfechten zu wollen und verband die Beschwerde mit den Anträgen 1.) den Bescheid zur Gänze zu beheben und dem BF internationalen Schutz zuzuerkennen, 2.) in eventu festzustellen, dass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG zuerkannt werde, 3.) den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bescheid in Bezug auf die Rückkehrentscheidung aufgehoben werde, 4.) in eventu der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben werde und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen werden möge und 5.) eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG anberaumt werde. Er brachte in der Beschwerde vor, dass das BFA die vorliegenden Beweise nicht hinreichend gewürdigt und der BF zudem keinerlei nähere familiäre Anknüpfungspunkte im Irak habe.

6. Am 05.12.2017 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.

7. Anlässlich einer am 21.02.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF im Beisein seines Rechtsvertreters (im Folgenden: RV), eines Dolmetschers für die arabische Sprache und eines Sachverständigen für Allgemeinmedizin einvernommen. Bei dieser Verhandlung wurden mehrere Kursbestätigungen, Fotografien, Bestätigungen über versuchte Arbeitsaufnahmen und Empfehlungsschreiben vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er ist ledig und ohne Sorgepflichten. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch, er verfügt über Deutschkenntnisse auf einem Niveau B1 [Reisepass AS 57ff; VH-Niederschrift S. 10].

Er hat seinen Hauptwohnsitz seit dem XXXX .2015 im Bundesgebiet (seit dem XXXX .2020 an der Anschrift XXXX ) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR].

Er ist gesund und frei von chronischen Leiden. Im XXXX 2015 wurde er konventionell appendektomiert; ein Projektil im Bauchbereich wurde im LKH XXXX operativ entfernt [VH-Niederschrift S. 4ff; Arztbrief AS 45 und in OZ 24]

1.2. Zur Ausreise, Reise und Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Bis zu seiner Ausreise aus dem Irak lebte der BF in der Provinz XXXX in der Ortschaft XXXX , nachdem der vorherige Wohnort der Familie (und zugleich Geburtsort des BF), XXXX vom IS eingenommen worden war [Niederschrift-BFA AS 78].

Er ist am XXXX .01.2015 von XXXX ausgehend mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach XXXX und dann weiter in die Türkei gelangt. Dort hielt er sich fünf Monate auf und fuhr dann mit dem Bus nach Izmir und nahm dort Kontakt mit einem Schlepper auf. Diesem zahlte er USD 1.000 für die Überfahrt auf die Insel Mytilini, von wo er nach fünf Tagen Aufenthalt nach Athen geschickt und erkennungsdienstlich behandelt wurde. Nach einer Ausweisung binnen eines Monats fuhr er mit dem Zug nach Saloniki und erreichte im Anschluss daran über die „Balkanroute“ Österreich. Die Grenze zwischen Ungarn und Österreich überschritt er illegal zu Fuß und wurde dann von der Polizei aufgegriffen. Seine Reisedokumente ließ er in der Türkei bei Freunden zurück, diese wurden ihm nach seiner Ankunft in Österreich nachgesendet und vom BF vor dem BFA vorgelegt. Eine EURODAC-Abfrage durch die Sicherheitsorgane verlief negativ [Erstbefragung AS 13; Ergebnisbericht zum EURODAC-Abgleich AS 21f; Niederschrift-BFA AS 79 und am AS 57].

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte er sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre das Gymnasium, welches er jedoch nicht abschloss. Über eine weiterführende Berufsausbildung verfügt er nicht. Zuletzt arbeitete er als XXXX und in einem XXXX mit seinem Cousin in XXXX und dann in XXXX . Hierbei erzielte er ein monatliches Einkommen von bis zu 600 USD und konnte mit diesen Einnahmen gut das Auslangen finden [Niederschrift-BFA AS 78; VH-Niederschrift S. 11].

Die Eltern des BF, XXXX , geboren XXXX und XXXX , geboren XXXX befinden sich mit den fünf lebenden Geschwistern des BF in der Türkei. Ein Bruder des BF wurde im Jahr 2014 von Unbekannten erschossen. Mehrere Onkel des BF, darunter ein politisch einflussreicher Onkel mütterlicherseits, leben, zum Teil gut situiert, mit ihren Familien im Irak. Diesen Verwandten geht es gut und arbeiten diese als XXXX , XXXX und XXXX . Der politisch aktive Onkel XXXX war XXXX des früheren Ministerpräsidenten Nuri AL MALIKI und ist Leiter von XXXX , besitzt eine Wohnung in der XXXX . Einige der Onkel sind verheiratet und haben Sorgepflichten für ihre Kinder und Familien [VH-Niederschrift S. 16f].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Er hatte weder mit der Polizei noch mit den Verwaltungsbehörden noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Er wurde nie von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten oder aus politischen Gründen, etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates verfolgt oder bedroht [Niederschrift-BFA AS 78; VH-Niederschrift S. 11].

Der BF ist nicht, wie behauptet, wegen einer Bedrohung durch den IS oder die „Al-Badr Miliz“ aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Er war im Herkunftsstaat zu keiner Zeit einer asylrelevanten Bedrohungs- oder Verfolgungssituation ausgesetzt.

Festgestellt wird, dass er aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort und den wirtschaftlichen Gegebenheiten seinen Herkunftsstaat verlassen hat.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:

Der BF hat nachweislich Zertifikate für Deutschkurse der Stufen A1, A2 und B1 erhalten und besuchte zahlreiche Integrationsveranstaltungen. Mit der Caritas Flüchtlingshilfe schloss er mehrfach Hausmeistervereinbarbungen ab [Sprachzertifikate in OZ 2, OZ 12 in OZ 31; Hausmeistervereinbarung auf AS 97 und in OZ 17]. Den Pflichtschulabschluss holte er an einer öffentlichen Schule in XXXX nach [Teilnahmebestätigung in OZ 17]. Für ihn liegen Empfehlungsschreiben und weitere Integrationsbestätigungen vor. Er verfügt über Gewerbeberechtigungen für XXXX (seit XXXX ) und XXXX (seit XXXX ), beide ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft XXXX ; er bezieht seit XXXX .2020 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr [Bestätigungen in OZ 30 und OZ 36; GVS-Auszug]

Er hat keine im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen oder weitere Verwandte [VH-Niederschrift S. 20].

Der BF ist strafrechtlich unbescholten [Strafregisterauszug; GVS-Auszug].

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste des früheren Herrschaftsgebiets dieser Organisation im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Der Islamische Staat (IS) ist im Zentralirak nach wie vor am aktivsten, so sind Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala nach wie vor die Hauptaktionsgebiete der Aufständischen.

In den sogenannten „umstrittenen Gebieten“, die sowohl von der Zentralregierung als auch von der kurdischen Regionalregierung (KRG) beansprucht werden, und wo es zu erheblichen Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen durchzuführen. Die Sicherheitsaufgaben in den „umstrittenen Gebieten“ werden zwischen der Bundespolizei und den Volksmobilisierungskräften (al-Hashd ash-Sha‘bi/PMF) geteilt. Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat.

Bei den zwischen Bagdad und Erbil „umstrittenen Gebieten“ handelt es sich um einen breiten territorialen Gürtel der zwischen dem „arabischen“ und „kurdischen“ Irak liegt und sich von der iranischen Grenze im mittleren Osten bis zur syrischen Grenze im Nordwesten erstreckt. Die „umstrittenen Gebiete“ umfassen Gebiete in den Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala. Dies sind die Distrikte Sinjar (Shingal), Tal Afar, Tilkaef, Sheikhan, Hamdaniya und Makhmour, sowie die Subdistrikte Qahtaniya and Bashiqa in Ninewa, der Distrikt Tuz Khurmatu in Salah ad-Din, das gesamte Gouvernement Kirkuk und die Distrikte Khanaqin und Kifri, sowie der Subdistrikt Mandali in Diyala. Die Bevölkerung der „umstrittenen Gebiete“ ist sehr heterogen und umfasst auch eine Vielzahl unterschiedlicher ethnischer und religiöser Minderheiten, wie Turkmenen, Jesiden, Schabak, Chaldäer, Assyrer und andere. Kurdische Peshmerga eroberten Teile dieser umstrittenen Gebiete vom IS zurück und verteidigten sie, bzw. stießen in das durch den Zerfall der irakischen Armee entstandene Vakuum vor. Als Reaktion auf das kurdische Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017, das auch die „umstrittenen Gebiete“ umfasste, haben die irakischen Streitkräfte diese wieder der kurdischen Kontrolle entzogen.

1.6.1. Die vom BF erwähnte Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des „Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak“ gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der „Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak“ wurde später zum „Obersten Islamischen Rat im Irak“ (OIRI),]. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie die Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Die Badr-Organisation besteht offiziell aus elf Brigaden, kontrolliert aber auch einige weitere Einheiten. Zu Badr und seinen Mitgliedsorganisationen gehören Berichten zufolge die 1., 3., 4., 5., 9., 10., 16., 21., 22., 23., 24., 27., 30., 52., 55. und 110. PMF-Brigade. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem. Bei den Wahlen 2018 bildete die Badr-Organisation gemeinsam mit Asa‘ib Ahl al-Haqq und Kata‘ib Hizbullah die Fatah-Koalition, die 48 Sitze gewann, 22 davon gewann die Badr-Organisation. Viele Badr-Mitglieder waren Teil der offiziellen Staatssicherheitsapparate, insbesondere des Innenministeriums und der Bundespolizei. Die Badr-Organisation strebt die Erweiterung der schiitischen Macht in den Sicherheitskräften an, durch Wahlen und durch Eindämmung sunnitischer Bewegungen. Badr-Mitglieder und andere schiitische Milizen misshandelten und misshandeln weiterhin sunnitisch-arabische Zivilisten, insbesondere Sunniten im ehemaligen IS-Gebiet.

Der Beschwerdeführer war weder durch die im Herkunftsstaat tätigen Milizen noch durch die Polizei des Herkunftsstaates oder Kämpfer des Islamischen Staates einer asylrelevanten Bedrohung oder gar Verfolgung ausgesetzt.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft, von Frauen oder Kindern durch diese Miliz besteht nicht. Dass der BF einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt wäre, kam anlassbezogen nicht hervor.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 20.10.2020

-        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff am 20.10.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 20.10.2020

-        Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries, Zugriff 20.10.2020

-        FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/, Zugriff am 20.10.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.1.2020): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff am 20.10.2020

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 20.10.2020

-        Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019, Zugriff 20.10.2020

-        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 20.10.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 20.10.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 20.10.2020

-        Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff am 20.10.2020

1.6.2. Islamischer Staat (IS)

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).

Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Quellen:

-        Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/, Zugriff 30.10.2018

-        CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

-        ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS's Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html, Zugriff 30.10.2018

-        Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://jamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/, Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding-in.html, Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

-        Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018

-        WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback-in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf_story.html?noredirect=on&utm_term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF war laut eigenen Angaben zuletzt als XXXX und XXXX tätig. Keine dieser Tätigkeiten gehört einer besonders gefährdeten Berufsgruppe an, sodass er auch wegen der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit keine Verfolgung zu befürchten hat.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 20.10.2020

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff am 20.10.2020

1.6.3. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Der BF bezeichnete sich selbst als gesund, sodass er keine medizinische Versorgung benötigt und bei ihm grundsätzlich Arbeitsfähigkeit vorliegt. Ein Projektil, welches in seinem Bauchbereich des BF steckte, konnte im LKH XXXX operativ entfernt werden und resultiert hieraus keinerlei körperliche Beeinträchtigung. Auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung ist nicht gegeben.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 20.10.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff am 20.10.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff am 20.10.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff am 20.10.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff am 20.10.2020

1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahingehend entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates - insbesondere wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen - Probleme gehabt hätte.

Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie jemals politisch aktiv gewesen wären oder die Genannten einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates als Mitglieder angehört hätten.

Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung bzw. mit den Angehörigen einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte er keine Probleme.

Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird er keiner - aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort - realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt sein.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden, sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten persönlichen Dokumente und Urkunden.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte er angegeben, dass sein Wohngebiet durch den IS besetzt und zerstört worden sei. Es habe keine Sicherheit mehr gegeben und die wirtschaftliche Lage sei katastrophal gewesen. Deshalb sei ihm von seinen Eltern geraten worden, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr in den Irak fürchte er, mit dem IS kämpfen zu müssen oder durch diesen zu sterben. Konkrete staatliche Sanktionen befürchte er keine. Er sei einmal von IS-Kämpfern angeschossen worden und habe noch immer ein Projektil in seinem Rücken stecken, sein Bruder sei vor seinen Augen von IS-Kämpfern erschossen worden.

Bezüglich seines Fluchtgrundes gab der BF vor der belangten Behörde an, der IS habe direkt am Tag des Einmarsches in seinen Heimatort (am XXXX 2014) seinen Bruder getötet. Die Flucht in andere Gebiete habe zur Verfolgung durch Milizen der Regierung geführt, vor allem da der BF Sunnit sei. Er sei verhaftet worden, da er verdächtigt worden sein soll, Terrorist zu sein, habe jedoch bis zu seiner Verhandlung seine Unschuld beweisen können. Sein Vater habe ihm daher geraten, das Land zu verlassen, was er zusammen mit seinem Bruder auch getan habe. Der Vater habe vorgehabt, Frühpension zu beantragen und diese auch in der Türkei beziehen wollen. Der Einmarsch des IS und die Erschießung des Bruders sowie die Situation mit den Milizen hätten zur Flucht geführt.

Auf den Bruder sei in der Nähe der Haustüre geschossen worden, dann auf den BF, weshalb seine Mutter und die anderen Geschwister von XXXX nach XXXX , in ein ihnen zur Verfügung gestelltes Haus, geflohen seien. Er selbst sei in ein Krankenhaus in XXXX gebracht und dann in ein anderes in XXXX (Anm.: XXXX ) überstellt worden. Seit dem Umzug sei die Familie nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Im neuen Wohnort XXXX seien jedoch Probleme mit Milizen aufgetaucht, da Straßen gesperrt und Menschen verhaftet worden seien.

BF gab an, persönlich keine weiteren Erfahrungen mit Bedrohungen, Verletzungen, Bombendetonationen oder Entführungen gemacht zu haben. Ausschlaggebender Grund für die Ausreise sei zudem die finanzielle Situation gewesen.

Insgesamt vermittelte der Beschwerdeführer dem erkennenden Verwaltungsgericht einen unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck, wie im Folgenden noch darzulegen sein wird. Ihm gelang es nicht, die von ihm behaupteten Fluchtgründe dem Verwaltungsgericht glaubhaft zu machen.

So vermochte er insbesondere schon die Bedrohung durch den islamischen Staat nicht konkret vorzubringen. Er erwähnte, dass er von Kämpfern des IS persönlich kontaktiert worden sein will, nachdem er einen Nachbarschaftsstreit zwischen seiner Mutter und Nachbarskindern habe schlichten wollen, da diese seinen Bruder angeblich geschlagen hätten. Sofort nach dem Einmarsch des IS hätten dessen Kämpfer den BF kontaktiert und ihn dazu aufgefordert, sich mit ihnen zu treffen, um diese Sache zu klären. Da er sich geweigert habe, seien Mitglieder des IS zu seiner Familie nach Hause gekommen und hätten seinen Bruder er- und ihn angeschossen. Unklar ist in diesem Zusammenhang der chronologische Ablauf der Geschehnisse. Es scheint nicht lebensnah, dass eine heranrückende Miliz einer Nachbarschaftsstreitigkeit eine solch hohe Priorität einräumt, dass sofort am ersten oder zweiten Tag der Anwesenheit im Territorium diesbezüglich Kontakt aufgenommen wird und ein Tötungskommando den BF binnen 48 Stunden aufsucht. Es erscheint auch nicht glaubhaft, dass der sunnitische IS einen Angehörigen der sunnitischen-islamischen Glaubensgemeinschaft verfolgt, zumal sich auch aus den Länderberichten zum Irak keine derartigen Hinweise ergeben. Zudem gab der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass seine Telefonnummer, unter welcher kontaktiert worden sein will, nicht öffentlich zugängig war. Es erhebt sich damit die Frage, von woher der (unbekannte) Anrufer die Telefonnummer des BF hätte haben sollen. Es scheint weiters nicht glaubhaft, dass bei der Ausführung einer solchen Aktion das direkte, im Haus befindliche Ziel in Person des BF, nicht ausgeschaltet wird, während sein Bruder Opfer der Tat geworden sei. Hier ist zudem auffällig, dass die dem Akt beigelegte Sterbeurkunde keine genauen Hintergründe zum Todeshergang nennt. Unklar ist zudem, warum der BF und dessen Familie - selbst bei Wahrunterstellung der Verfolgung durch den IS und der durch dessen Kämpfer ausgehenden Todesgefahr - ungehindert in einen anderen Ort habe übersiedeln konnte. Diese Situation ist zudem der einzige Anhaltspunkt, nach welchem eine direkte Bedrohung gegen ihn bestanden haben soll. Zudem konnte durch den im Zuge der mündlichen Verhandlung beigezogenen medizinischen Sachverständigen festgestellt werden, dass es sich bei der Wunde des BF um eine Schusswunde handeln könnte, eine explizite Datierung oder eine genauere Identifizierung einer Waffe - und damit eine Zuordnung zu den Angaben des BF - war aus medizinischer Sicht jedoch nicht möglich. Vor dem Hintergrund der unglaubwürdigen Angaben des BF lässt sich damit auch ein unmittelbarer Zusammenhang zu der vom BF angegebenen Miliz nicht herstellen.

Die Angaben des BF zur Entführung seines Vaters durch die „Al-Badr Miliz“ kann im gegenständlichen Verfahren nicht als relevant für den BF selbst eingestuft werden, da diese Tat - bei Wahrunterstellung - nicht unmittelbar gegen ihn selbst gerichtet war und demnach keine direkte, ihn treffende Bedrohung, darstellt. Aus den Ausführungen des BF lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass sein Vater tatsächlich Opfer einer Entführung wurde oder aus einem anderen Grund festgenommen wurde, zumal sich aus seinen Angaben ergibt, dass sein Vater in einem Gefängnis festgehalten wurde und auf Betreiben eines einflussreichen Onkels die Freiheit wiedererlangte. Die von ihm vor der belangten Behörde zusätzlich genannten Straßensperren treffen sämtliche Personen, welche öffentliche Verkehrswege benützen und können daher nicht ausschließlich als gegen ihn gerichtete Aktionen qualifiziert werden. Gegen die vorgebrachten Fluchtgründe spricht zudem, dass der BF während des gesamten Verfahrens die wirtschaftliche Situation im Irak als (mit-)ursächlich für seine Ausreise erwähnte.

In Anbetracht seiner äußerst vagen Angaben und seiner Aussage, dass er abgesehen von der von ihm vorgebrachten Situation selbst weder Bedrohungen oder Verletzungen noch Bombendetonationen oder Entführungen miterlebt hat (AS 86), erweist sich seine Fluchtgeschichte insgesamt als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt; selbst die zur Vorlage gebrachten Urkunden vermögen diesen, aus den angeführten Gründen entstandenen Gesamteindruck nicht zu beseitigen.

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten und seiner Arbeitstätigkeit im Rahmen von Hausmeisterverträgen mit der Caritas ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Integration der beschwerdeführenden Partei wird auch durch die im Akt befindlichen glaubhaften Unterstützungsschreiben bestätigt. Dass der BF über Deutschkenntnisse verfügt, konnte zusätzlich im Rahmen der hg. mündlichen Verhandlung festgestellt werden, in welcher er einige Fragen auf Deutsch beantworten konnte. Der Hauptwohnsitz im Bundesgebiet und die bisherige Unbescholtenheit ergeben sich aus den jeweiligen Auszügen aus dem Melderegister und dem Strafregister. Dass der BF seit Jänner 2020 keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht ergibt sich aus einem diesbezüglichen Auszug und der Tatsache, dass er bei der BH XXXX zwei Gewerbe angemeldet hat und mittels gestellter Rechnungen nachweisen konnte, dass er über Einnahmen, die ihm die Selbsterhaltungsfähigkeit ermöglichen, verfügt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .11.2017 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und brachte die belangte Behörde die Beschwerde und die Akten des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

Die vom BF behauptete Bedrohung bzw. Verfolgung durch Kämpfer des Islamischen Staates konnte er nicht glaubhaft machen. Zudem ist zu beachten, dass der IS, auch unter B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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