TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/28 I422 2236236-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2020
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Entscheidungsdatum

28.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §128 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2236236-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Polen, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2020, Zl. 11850804/200034986, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als das Aufenthaltsverbot auf sieben Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Verfahrensgegenstand ist die rechtzeitig erhobene Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21.09.2020, Zl. 11850804/200034986. Mit diesem erließ die belangte Behörde aufgrund des strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschwerdeführers gegen ihn ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

Seine Beschwerde begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass die belangte Behörde ergänzende Ermittlungen hinsichtlich seiner Zukunftsprognose hätte anstellen müssen. Zudem würde der Beschwerdeführer ein Familienleben in Italien und in Polen führen und sei zur Aufrechterhaltung desselben darauf angewiesen, durch Österreich zu fahren. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, diese Feststellungen zum Familienleben des Beschwerdeführers zu treffen. Außerdem handle es sich um die erste strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich, weshalb das Aufenthaltsverbot jedenfalls unverhältnismäßig hoch bemessen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist polnischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer wurde in Polen geboren, wo er acht Jahre die Grundschule besuchte und anschließend eine dreijährige Ausbildung zum Installateur absolvierte. Er ist ledig und einer minderjährigen Tochter in Italien gegenüber Obsorge berechtigt. Sein Lebensmittelpunkt liegt in Italien. In Polen leben zwei weiterer Töchter des Beschwerdeführers sowie ein Enkelkind. Der Beschwerdeführer pendelt regelmäßig zwischen Polen und Italien. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2019 durchgehend in Österreich auf, wobei er lediglich eine Wohnsitzmeldung in einer Justizanstalt seit 26.03.2020 aufweist. Zuvor war der Beschwerdeführer bereits von 18.07.2010 bis 10.08.2010 und von 30.03.2011 bis 11.05.2011 in verschiedenen Justizanstalten meldebehördlich registriert. Er verfügt in Österreich über keine privaten oder familiären Beziehungen und weist auch sonst keinerlei berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte in sprachlicher, beruflicher, sozialer oder kultureller Hinsicht auf.

Am 26.03.2020 wurde der Beschwerdeführer verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 14.04.2020, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2, 15 StGB teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im November 2019 in mehreren Angriffen Münzgeld in unbekannter Höhe aus einem Opferstock einer römisch-katholischen Kirche weggenommen hat, indem er einen Stab mit doppelseitigem Klebeband versah, um Geld „herausfischen“ zu können, ohne den Opferstock aufzubrechen. Mildernd berücksichtigte das Strafgericht bei der Strafbemessung das reumütige Geständnis, den teilweisen Versuch und den teilweise untergeordneten Beitrag, erschwerend hingegen die Mehrzahl an Angriffen und die Vielzahl einschlägiger Vorstrafen.

Der Beschwerdeführer weist in Polen und Deutschland insgesamt 21 (!) rechtskräftige Vorverurteilungen auf. Unter anderem fußen diese Verurteilungen auf Delikten wie beispielsweise Geldfälschung; mehrfach Diebstahl; Einbruchsdiebstahl; Entführung, erpresserische Entführung und Freiheitsberaubung; Erpressung in besonders schweren Fällen; mehrfach Verletzung der Unterhaltspflicht; Flucht aus amtlichem Gewahrsam; Aus seinen Vorverurteilungen resultieren sowohl Freiheits- als auch (zum Teil mehrjährige) Freiheitsstrafen.

Derzeit verbüßt der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX .

Aufgrund des strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschwerdeführers leitete die belangte Behörde ein Verfahren zur Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ein. Im Zuge dessen forderte sie ihn mit Schreiben vom 10.01.2020 auf, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern und konkrete Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 21.09.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz des Beschwerdeführers. Ergänzend wurde Einsicht genommen in das sich im Verwaltungsakt befindliche Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 14.04.2020, 37 Hv 113/19b. Zudem wurden zur Entscheidung auch die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) dem Strafregister der Republik Österreich sowie dem europäischen Strafregister-Informationssystem (ECRIS) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand und seiner Staatsangehörigkeit gründen aus der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Die Identität des Beschwerdeführers ist durch die Verifizierung seitens der österreichischen Strafbehörden und der Justiz belegt.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Polen geboren wurde, dort acht Jahre die Grundschule besuchte und anschließend eine dreijährige Ausbildung zum Installateur absolvierte, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen seiner Befragung am 03.12.2019. Die Feststellungen zu seinen drei Töchtern, seinem Lebensmittelpunkt in Italien und dass der Beschwerdeführer zwischen Polen und Italien pendelt, gründen auf seinen plausiblen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers war mangels gegenteiligem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz zu treffen. Die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit gründet aus dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung ohne weiteres Arbeit finden könne.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und zu seinen Wohnsitzmeldungen gründen auf der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und den eingeholten Auszug aus dem ZMR. Im Rahmen der Vernehmung durch Organe der Sicherheitsbehörden am 03.12.2019 gab der Beschwerdeführer an, sich seit etwa zwei Wochen im Bundesgebiet aufzuhalten.

Der Beschwerdeführer brachte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vor, Familienmitglieder in Österreich zu haben, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war. Hinweise haben auf sonstige berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte haben sich – schon ob der Kürze des Aufenthaltes – nicht ergeben.

Die Feststellungen zum strafrechtlich relevanten Verhalten, seiner Festnahme, seiner Verurteilung und der Strafbemessungsgründen ergeben sich aus der Einsichtnahme in das österreichische Strafregister sowie aus dem im Akt einliegenden Strafurteil zu XXXX .

Die rechtskräftigen Vorverurteilungen des Beschwerdeführers in Deutschland und in Italien gründen aus der Einsichtnahme in das europäische Strafregister-Informationssystem.

Aus dem Verwaltungsakt gründen die Feststellungen zum fremdenpolizeilichen Verfahren des Beschwerdeführers und der beabsichtigten Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund seines strafrechtlich relevanten Verhaltens. Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 21.09.2020, Zl. 11850804/200034986 liegt im Verwaltungsakt ein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Teilweise Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine strafgerichtliche Verurteilung auf. Er wurde rechtskräftig wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2, 15 StGB teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Mildernd berücksichtigte das Strafgericht bei der Strafbemessung das reumütige Geständnis, den teilweisen Versuch und den teilweise untergeordneten Beitrag, erschwerend hingegen die Mehrzahl an Angriffen und die Vielzahl einschlägiger Vorstrafen. So liegen dem Beschwerdeführer insgesamt 21 Vorverurteilungen in anderen europäischen Staaten zur Last.

Das strafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).

Nachdem im gegenständlichen Fall eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht vorliegt, kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bereits die belangte Behörde hat das ausgesprochene Aufenthaltsverbot nicht (bloß) auf die Tatsache seiner Verurteilung und der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dabei hob sie besonders hervor, dass sich der Beschwerdeführer offensichtlich nur zur Begehung von Straftaten in Österreich aufgehalten hat. In ihrer Prognoseentscheidung ging die belangte Behörde davon aus, dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers mit einer Fortsetzung zu rechnen ist. Hinsichtlich der Höhe des Aufenthaltsverbotes ließ die belangte Behörde in ihrer Entscheidung die zahlreichen Vorverurteilungen des Beschwerdeführers miteinfließen.

Zunächst schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich an und kommt es aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers und des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose ebenso zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag. Der Beschwerdeeinwand, wonach sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung nicht ausreichend mit dem gesamten persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auseinandergesetzt habe, geht schon aus dem Grund ins Leere, da sich das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet geradezu auf die Begehung von strafbaren Handlungen beschränkt und er ausschließlich zu diesem Zweck nach Österreich eingereist ist. Wie bereits die belangte Behörde völlig zutreffend ausführte, weist das Verhalten des Beschwerdeführers eindeutig auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0060). Durch den derzeitigen Haftaufenthalt ist die Zeit jedenfalls noch zu wenig weit fortgeschritten, um dem Beschwerdeführer einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen kann nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen. Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben seinen Lebensmittelpunkt in Italien und war bis zu seiner Festnahme am 26.03.2020 nicht in Österreich gemeldet. Er weist erst aufgrund seiner Inhaftierung einen Wohnsitz in einer österreichischen Justizanstalt auf, wobei er bereits 2010 und 2011 jeweils für wenige Wochen in österreichischen Justizanstalten meldebehördlich registriert war. Über familiäre oder private Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer nicht. Dem Beschwerdeeinwand, wonach der Beschwerdeführer auch hinkünftig zur Aufrechterhaltung seines Familienlebens in Polen und Italien Österreich als Transitland nutzen muss und ein Aufenthaltsverbot dies faktisch verunmöglichen würde, ist entgegen zu halten, dass es dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich sein wird, über die Slowakei, Ungarn und Slowenien mit nur einem unwesentlichen Umweg seine familiären Bindungen in Polen und in Italien aufrecht zu erhalten. Allfällige Konsequenzen des Aufenthaltsverbotes – wie eine unter Umständen verlängerte Fahrtzeit zwischen zwei regelmäßigen Aufenthaltsorten – sind im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Eigentumsdelikten in Kauf zu nehmen. Insoweit im Beschwerdeschriftsatz beantragt wird, die Ehefrau des Beschwerdeführers zum Beweis eines aufrechten Familienlebens in Österreich einzuvernehmen, handelt es sich dabei offensichtlich um einen Flüchtigkeitsfehler, zumal im selben Schriftsatz der Lebensmittelpunkt in Italien und familiäre Bindungen ausschließlich in Italien und Polen angeführt werden. Auch im gesamten Strafverfahren gab der Beschwerdeführer an, ledig zu sein, weshalb von einem Irrtum der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers bei der Beschwerdeerstellung auszugehen ist.

Angesichts des zuvor aufgezeigten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig und zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) auch dringend geboten ist.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen – de facto nicht vorhandenen – privaten Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).

Was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers jedoch als zu lang. Keineswegs wird verkannt, dass der Beschwerdeführer bereits massiv wegen ähnlichen kriminellen Verhaltens (Eigentumsdelikte) von der deutschen und polnischen Justiz mehrfach verurteilt wurde. Das zeigt offensichtlich, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nicht gelernt hat, ihm die österreichische (polnische und deutsche) Rechtsordnung offenbar gleichgültig ist und ihn offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten (nunmehr) im österreichischen Bundesgebiet abgehalten hat. Ohne die Schwere und den Unrechtsgehalt seines Verhaltens verharmlosen zu wollen, darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass durch das von der belangten Behörde verhängte Aufenthaltsverbot in der Dauer zehn Jahren das Höchstmaß ausgeschöpft wird. Somit würde für jene Fälle, in denen eine Person eine noch größere Anzahl von Delikten begeht, es sich um zu schützende Rechtsgüter noch höheren Ranges handelt oder in Fällen organisierter Kriminalität nicht genug Spielraum lassen, diese mit einer längeren Aufenthaltsverbotsdauer adäquat zu sanktionieren. Berücksichtigt man zudem im Vergleich dazu, dass die verhängte Freiheitsstrafe lediglich ein Drittel der Höchststrafe umfasst und der Beschwerdeführer im Bundesgebiet erstmalig verurteilt wurde, deutet dies darauf hin, dass die Höhe des Aufenthaltsverbotes mit dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftat nicht im Einklang steht. Aufgrund dieser Überlegungen war das Aufenthaltsverbot daher auf die Dauer von sieben Jahre zu reduzieren. Eine darunterliegende Dauer eines Aufenthaltsverbotes ist jedoch wegen des Gewichts des deliktischen Handelns des Beschwerdeführers nicht denkbar.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß dahingehend stattzugeben, dass das von der belangten Behörde erlassene zehnjährige Aufenthaltsverbot auf die Dauer von sieben Jahre herabgesetzt wird.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und hat er anhand seines Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Das erkennende Gericht geht von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten, glaubhaften Behauptungen des Beschwerdeführers zu seinem Privat- und Familienleben aus. Allerdings kann selbst bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091; 19.12.2019, Ra 2019/21/0276; 06.12.2019, Ra 2019/18/0437; ua.) auseinander.

Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2236236.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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