Entscheidungsdatum
28.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I421 2235443-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch RA Dr. Eva Jana MESSERSCHMIDT, Salztorgasse 2/6, 1010 XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 16.07.2020, Zl. 523320605/200502017, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 18.11.2019 wurde dem Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) seitens des Amtes der XXXX Landesregierung, MA 35, mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) in Österreich über keinen Aufenthaltstitel verfügt, zumal sein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsbewilligung Selbständiger“ abgewiesen wurde und diese Entscheidung am 22.10.2019 in Rechtskraft erwachsen ist.
2. Mit Verständigung vom 27.12.2019 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass gegen den BF wegen §§ 132 Abs 1, 132 Abs 2 StGB Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben wurde. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 13.01.2020 wurde der Strafantrag der Staatsanwaltschaft XXXX vom 27.12.2019 in der Strafsache gegen den BF zurückgewiesen.
3. Am 24.01.2020 wurde der BF vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, in dessen Zuge dieser sowohl einen Antrag gemäß § 55 AsylG als auch § 56 AsylG gestellt wurden.
4. Mit E-Mail vom 13.05.2020 erging an die Rechtsvertretung des BF seitens der belangten Behörde ein Verbesserungsauftrag, wonach der BF die für seine Anträge notwendigen Antragsformulare wahrheitsgemäß und vollständig auszufüllen habe. Dazu wurde ihm eine Frist von 14 Tagen eingeräumt, wobei auch um Bekanntgabe ersucht wurde, welchen der Anträge der BF in eventu stellen möge.
5. Mit Schreiben vom 25.05.2020 ersuchte die Rechtsvertretung des BF um eine Fristerstreckung bis 10. Juni 2020, welche seitens der belangten Behörde auch gewährt wurde. Im Zuge dieser Gewährung wurde der Rechtsvertretung auch mitgeteilt, dass nur die Einbringung eines Antrages zulässig sei, zumal die Anträge ansonsten gemäß § 58 Abs 9 AsylG als unzulässig zurückgewiesen werden würden.
6. Mit Schreiben vom 09.06.2020 ersuchte die Rechtsvertretung des BF um eine weitere Fristerstreckung bis 17. Juni 2020, welche seitens der belangten Behörde gewährt wurde.
7. Mit Einbringungsdatum 17.06.2020 stellte der BF einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs 1 AsylG, Aufenthaltsberechtigung plus aufgrund der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung.
8. Mit Bescheid der belangten Behörde, Zl. 523320605/200502017, vom 16.07.2020 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt III.) Dem BF wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.)
9. Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 16.09.2020, beim BFA eingelangt am 17.09.2020, rechtzeitig Beschwerde, wobei inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert wurden. Die Ansicht, wonach der BF sich nicht seit zumindest fünf Jahren durchgehend in Österreich aufhalte, sei verfehlt. Der BF sei seit seiner Ankunft im Jahr 2011 stets behördlich gemeldet gewesen. Es treffe nicht zu, dass sich der BF in den Jahren 2015 und 2016 mehrere Monate außerhalb Österreichs befunden habe. Zuletzt sei der BF von Januar bis März 2019 aufgrund familiärer Angelegenheit länger als sonst in Ägypten verblieben. Zumal eine Legaldefinition des durchgängigen Aufenthalts im AsylG fehle, sei nach einer verfassungskonformen Interpretation der Norm zu suchen, wobei § 2 Abs 7 NAG, § 45 Abs 4 und Abs 6 NAG, weiters § 15 Abs 1 Z 3 StbG heranzuziehen seien und sich daraus ableiten lasse, dass kurzfristige Auslandsaufenthalte der Annahme eines „durchgängigen Aufenthalts“ nicht entgegenstehen würden. Auch die Feststellungen zum Privatleben des BF würden auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und einer unschlüssigen Beweiswürdigung basieren. Berücksichtigt werden hätte müssen, dass der BF selbsterhaltungsfähig sei und sich mehrere Jahre beruflich selbständig betätigt habe. Auch habe der BF tiefe private Bindungen zu einem großen Freundeskreis aufgebaut und betrachte er nunmehr Österreich als seine Heimat. Die vorgelegten Referenzschreiben habe die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen und gewichte diese die kurze Periode des unsicheren Aufenthaltes hinsichtlich dem deutlich über neun Jahre im Bundesgebiet befindlichen BF übermäßig, zumal der BF fast acht Jahre lang rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Die belangte Behörde habe dem Schutz des Privatlebens des BF keine Bedeutung beigemessen. Die soziale Verwurzelung fließe nicht in die rechtliche Beurteilung ein. Überdies müsse dem etwa 9,5-jährigen Aufenthalt des BF in Anbetracht der überwiegenden Rechtmäßigkeit desselben und der außerordentlichen Integration des BF ein großes Gewicht zukommen. Beantragt werde daher, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt I. zu beheben bzw. dahingehend abzuändern, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG erteilt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruch II. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für die Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt werde und in eventu, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
10. Mit Schriftsatz vom 17.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 25.09.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige, verheiratete BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum), ist Vater zweier Kinder sowie ägyptischer Staatsangehöriger.
Erstmalig wurde ihm eine Aufenthaltsbewilligung als Student gültig ab XXXX .2011 erteilt, wobei ihm diese Aufenthaltsbewilligung auf Antrag mehrmals verlängert wurde. Am 26.06.2017 beantragte der BF neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Studierender“, welcher jedoch mangels Vorliegen des Studienerfolges mit Bescheid vom 13.03.2018 abgewiesen wurde, wogegen der BF durch seine Rechtsvertretung Beschwerde erhob. Im Zuge seiner mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragte der BF schließlich nunmehr eine Aufenthaltsbewilligung „Selbständiger“, weshalb der verfahrenseinleitende Antrag (Aufenthaltsbewilligung „Studierender“) als zurückgezogen anzusehen war, weswegen auch der diesbezügliche Bescheid behoben wurde. Der Antrag hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Selbständiger“ wurde am 31.01.2019 abgewiesen, mit 22.10.2019 ist die diesbezügliche Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Seither verfügt der BF über keinen Aufenthaltstitel, verblieb jedoch dessen ungeachtet im Bundesgebiet. Abgesehen davon gibt es keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen die öffentliche Ordnung.
Der BF hält sich seit 21.01.2011 im Bundesgebiet auf, jedoch nicht durchgehend. So weist sein Melderegisterauszug in den Zeiträumen vom 03.09.2011 bis 05.10.2011, vom 04.02.2012 bis 05.03.2012 und vom 25.07.2013 bis 06.11.2013 Lücken auf. Seit 07.11.2013 ist der BF durchgehend melderechtlich erfasst. Zuletzt hielt sich der BF vom 06.01.2019 bis zum 15.03.2019 in Ägypten auf. Aus dem der belangten Behörde vorgelegten Reisepass des BF ergibt sich darüber hinaus, dass dieser im Zeitraum vom 03.05.2015 bis 04.08.2015, vom 28.01.2016 bis 28.02.2016, vom 26.07.2016 bis 29.09.2016 und vom 12.05.2017 bis 12.06.2017 nicht im Bundesgebiet aufhältig war.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Im Zeitraum 03.02.2011 bis 31.01.2013, 14.11.2013 bis 31.05.2014 und 02.12.2014 bis 30.09.2016 war der BF in Form einer Selbstversicherung nach § 16 Abs 2 ASVG versichert, im Zeitraum vom 22.10.2016 bis 25.08.2018 und vom 27.08.2018 bis 19.09.2018 gemäß § 19a ASVG. Im Zeitraum 01.09.2015 bis 15.08.2016, 14.10.2016 bis 19.09.2016 und am 23.08.2019 (einen Tag) war der BF als geringfügig beschäftigter Arbeiter gemeldet, vom 18.09.2018 bis 28.02.2019, vom 15.03.2019 bis 31.10.2019 und vom 22.11.2019 bis 31.12.2019 als gewerblich selbständig Erwerbstätiger.
In Ägypten hat der BF zuerst die Grund- und Hauptschule besucht, anschließend die Universität in XXXX , wo er auch sein Bachelorstudium Chemie abgeschlossen hat. Für die Dauer von drei Jahren arbeitete der BF in einer Keramikherstellerfabrik, bevor er nach Österreich kam. In Österreich war er als Hilfsarbeiter und Küchengehilfe tätig. Durch die Verpachtung eines Lokals erzielt der BF monatlich ein Einkommen von ca. EUR. 1.000,--. Seine Gewerbeberechtigung mit dem Gewerbewortlaut (freies Gewerbe) „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ endete mit 16.12.2019.
In Ägypten in XXXX ist die gesamte Familie des BF, darunter Eltern und Geschwister, aufhältig. Darüber hinaus lebt auch I XXXX , welche der BF im Jahr 2013 in XXXX geehelicht hat, samt den beiden gemeinsamen Kindern, XXXX und XXXX in XXXX . Der BF pflegt hauptsächlich den Kontakt zu seiner Ehegattin und den Kindern sowie zu seinen Eltern. Mit seinen Geschwistern steht der BF nicht so viel in Kontakt.
In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF und führt er im Bundesgebiet auch kein Familienleben oder eine Lebensgemeinschaft. Es bestehen private Anbindungen in Form eines Freundes- und Bekanntenkreises. Dazu legte der BF insgesamt fünf Empfehlungsschreiben vor. Mit Datum 22.03.2012 hat der BF die Ergänzungsprüfung aus Deutsch abgelegt, darüber hinaus spricht er auch Englisch sowie Arabisch als Muttersprache. An der Universität XXXX hat der BF das Masterstudium Chemie belegt. Seit XXXX .2019 arbeitet der BF ehrenamtlich bei der Caritas in der Ausgabestelle XXXX , wobei er bei der Ausgabe von Lebensmitteln unterstützt. Der BF verfügt über einen Ausweis der Büchereien XXXX . Er ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation in Österreich.
Er ist strafgerichtlich im Bundesgebiet unbescholten.
Der BF unterliegt in Ägypten keiner asylrelevanten Verfolgung.
1.2. Zur Lage in Ägypten:
Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des BF (Stand 24.07.2019) stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
1.3.1 Sicherheitslage
Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).
Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).
Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).
Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018“ gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).
Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).
Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).
1.3.2 Rechtsschutz / Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik. (AA 22.2.2019).
Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019). Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018). Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019). Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).
1.3.3 Sicherheitsbehörden
Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei (USDOS 13.3.2019). Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden weit verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 22.2.2019). In den meisten Fällen hat die Regierung Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, die zu einem Umfeld der Straflosigkeit beitragen, nicht umfassend untersucht. Die Regierung verfügt nicht über wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch. Die offizielle Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019). Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 22.2.2019).
1.3.4 Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung besagt, dass keine Folter, Einschüchterung, Nötigung oder körperlicher oder moralischer Schaden einer Person zugefügt werden darf, die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben. Das Strafgesetzbuch verbietet die Folter, um ein Geständnis von einem festgenommenen oder inhaftierten Verdächtigen zu erlangen, berücksichtigt aber nicht den psychischen oder psychologischen Missbrauch (USDOS 13.3.2019).
Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen werden (AA 22.2.2019; USDOS 13.3.2019). Die Praxis der Folter ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, auch wenn politische Aktivisten besonders gefährdet sind. Folter wird als Mittel zur Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt (AA 22.2.2019). Regierungsbeamte leugneten, dass die Anwendung von Folter systematisch sei. Laut Human Rights Watch (HRW) und lokalen NGOs war Folter am häufigsten auf Polizeistationen und anderen Inhaftierungsorten des Innenministeriums zu finden (USDOS 13.3.2019).
Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Willkürliche Festnahmen und erzwungenes Verschwindenlassen. Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Benachrichtigung von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 22.2.2019).
Gefangene in Gewahrsam der Sicherheitskräfte wurden verprügelt und anderweitig misshandelt. Verhörbedienstete des nationalen Geheimdienstes folterten und misshandelten zahlreiche Personen, die Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, um "Geständnisse" zu erpressen, die später vor Gericht als Beweismittel verwendet wurden. Das Ausmaß der Menschenrechtskrise in Ägypten hat sich erweitert. Die Behörden setzten weiterhin Folter und andere Misshandlungen in Haftanstalten ein (AI 26.2.2019).
Seitdem Präsident Abdel Fattah Al-Sisi im März 2018 eine zweite Amtszeit in einer weitgehend unfreien und unfairen Präsidentschaftswahl gewonnen hat, haben seine Sicherheitskräfte eine Kampagne der Einschüchterung, Gewalt und Verhaftungen gegen politische Gegner, Aktivisten der Zivilgesellschaft und viele andere geführt, die lediglich leichte Kritik an der Regierung geäußert haben (HRW 17.1.2019).
Die Kampagne Stop Enforced Disappearance hat von Juli 2013 bis August 2018 1.530 Fälle dokumentiert. Mindestens 230 davon ereigneten sich zwischen August 2017 und August 2018. Der Aufenthaltsort von mindestens 32 der im Jahr 2018 verschwundenen Personen blieb bis August 2018 unbekannt (HRW 17.1.2019).
1.3.5 Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um (USDOS 13.3.2019).
Korruption ist auf allen Ebenen der Regierung weit verbreitet. Offizielle Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung korrupter Aktivitäten sind nach wie vor schwach und ineffektiv. Nach einer Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2015 können Angeklagte in Fällen finanzieller Veruntreuung die Inhaftierung durch Zahlung von Entschädigung vermeiden; die Strafen sind meist gering. Die Administrative Control Authority (ACA), die für die meisten Antikorruptionsinitiativen zuständige Stelle, verfolgt oft politisch motivierte Korruptionsfälle, operiert allerdings undurchsichtig (FH 4.2.2019). Die Korruptionsbehörde der Regierung (Central Agency for Auditing and Accounting) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 13.3.2019). Laut Corruption Perceptions Index 2018 befindet sich Ägypten auf Platz 105 von 180 Ländern (TI 2018). Ägypten erreichte in diesem Jahr nur 35 von 100 Punkten im Index und lag damit deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 43 (TI 13.2.2019).
1.3.6 Allgemeine Menschenrechtslage
Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend (AA 24.6.2019a). Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. In der Praxis werden diese Rechte immer weiter eingeschränkt, vor allem bürgerlich-politische Rechte. Allerdings hat Ägypten den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 22.2.2018).
Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 12.2018).
Das Ausmaß der ägyptischen Menschenrechtskrise weitete sich aus, da die Behörden Gegner, Kritiker, Satiriker, aktuelle und ehemalige Menschenrechts- und Arbeitsrechtsaktivisten, Journalisten, Präsidentschaftskandidaten und Überlebende sexueller Belästigung verhafteten. Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Gegner zu inhaftieren, und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Mitarbeiter ein. Die Behörden wandten Einzelhaft, Folter und weitere Arten von Misshandlungen an und ließen Hunderte von Menschen ungestraft verschwinden. Untersuchungen von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen wurden unterlassen. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten Hunderte von Menschen zum Tode. Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung verhaftet. Die Behörden hinderten Christen daran, ihren Glauben frei auszuüben, und verabsäumten es, die Verantwortlichen für sektiererische Gewalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Streitkräfte setzten bei einer laufenden Militäroperation im Sinai verbotene Streubomben ein (AI 26.2.2019).
Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 13.3.2019).
Weiters gibt es glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen auch mit Todesfolge in Haftanstalten der Staatssicherheit und Polizeistationen. Die Todesstrafe kommt unter Staatspräsident Al-Sisi wieder verstärkt zur Anwendung und wird seit Dezember 2017 auch vermehrt vollstreckt. Im Namen der Terrorismusbekämpfung und Sicherung der Stabilität geht die staatliche Repression mit erheblichen Verletzungen grundlegender Menschenrechte einher. (AA 24.6.2019a).
1.3.7 Todesstrafe
Das ägyptische Strafrecht sieht die Möglichkeit, die Todesstrafe zu verhängen. Die Verhängung, Aufrechterhaltung und Durchführung der Todesstrafe haben in Ägypten seit 2017 deutlich zugenommen. Im Juni 2014 wurde nach einem seit 2011 bestehenden de-facto Moratorium die Vollstreckung der Todesstrafe wieder aufgenommen. Öffentlichkeitswirksam wurden zahlreiche Führungskader der Muslimbrüder erstinstanzlich zum Tode verurteilt. Die Verfahren entsprachen nicht rechtsstaatlichen Prinzipien, sondern sind das Instrument einer politisierten Justiz, sich an der staatlichen Repression gegen die Muslimbrüder zu beteiligen und diese unter zusätzlichen Druck zu setzen. Auch bei schweren Verbrechen ohne politischen Hintergrund wird die Todesstrafe verhängt (AA 22.2.2019). Ägypten lag 2017 mit der höchsten Zahl an Hinrichtungen an sechster Stelle und lag an dritter Stelle mit der Zahl an Todesurteilen weltweit. Allein im September 2018 verhängte ein Strafgericht in Kairo in einem Massenprozess 75 Todesurteil (HRW 17.1.2019). Seit Dezember 2017 ist die Zahl der Hinrichtungen drastisch gestiegen. Die Zivilgesellschaft geht 2018 von mindestens 612 erstinstanzlichen Todesurteilen und 38 Hinrichtungen aus. In der ägyptischen Gesellschaft besteht breite Zustimmung zur Verhängung der Todesstrafe (AA 22.2.2019). Zwischen Dezember 2017 und März 2018 hat das Cairo Institute for Human Rights Studies (CIHRS) die Hinrichtung von 39 Personen dokumentiert, die meisten davon Zivilisten, die von Militärgerichten verurteilt wurden (HRW 17.1.2019).
1.3.8 Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten bleiben hart und potenziell lebensbedrohlich (USDOS 13.3.2019) und entsprechen nicht internationalen Standards. Haftanstalten sind gegenwärtig überfüllt. Folter und Misshandlungen sowie Todesfälle in Haft sind verbreitet. Zwangsarbeit kann in Verbindung mit Haftstrafen als Teil der Strafe verhängt werden, ausdrücklich auch in Form von schwerer körperlicher Arbeit („hard labour“) (AA 22.2.2019). Es gab Fälle von zu Tode gefolterten Personen und andere Vorwürfe von Morden in Gefängnissen und Haftanstalten. Die Regierung hat in einigen Fällen Täter angeklagt, verfolgt und verurteilt (USDOS 13.3.2019). Folter und andere Misshandlungen blieben in den offiziellen Hafteinrichtungen an der Tagesordnung und werden systematisch in den Haftzentren des nationalen Geheimdienstes praktiziert. Gefangene, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden, werden mit unbegrenzter oder lang andauernder Einzelhaft bestraft. Im Februar 2017 änderte das Innenministerium die Gefängnisbestimmungen dahingehend, dass die Dauer der Einzelhaft auf bis zu sechs Monate verlängert werden kann. Andere Formen von Misshandlungen und mangelnde medizinische Versorgung bleiben in Gefängnissen weiterhin an der Tagesordnung (AI 23.5.2019; AI 26.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In einigen Fällen hielten Gefängnisbehörden Gefangene in kleinen Zellen fest, denen es an angemessener Beleuchtung, Belüftung oder Betten fehlte, oder Überbelegung aufwiesen (AI 26.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Mangel herrscht auch an ausreichender Nahrung. In einem Fall hielten die Behörden ein zwölfjähriges Kind mehr als sechs Monate lang in Einzelhaft (AI 26.2.2019). Zahlreiche Inhaftierte starben, weil die Gefängnisbehörden sich weigerten, sie zur medizinischen Behandlung in ein Krankenhaus zu verlegen (AI 23.5.2019; vgl. AI 26.2.2019). Im September 2017 starb der ehemalige Anführer der Muslimbruderschaft Mohamed Mahdi Akef im Gefängnis an Bauchspeicheldrüsenkrebs (AI 23.5.2018). Mursi litt seit langem an Diabetes und Hepatopathie und wurde nach Angaben seines Sohnes nicht adäquat behandelt. Dies wurde auch von britischen Parlamentsabgeordneten bestätigt, die ihn im Jahre 2018 besuchten. Mursi befand sich seit Jahren in Einzelhaft und war bereits 2018 auf einem Auge erblindet. Die wenigen Berichte über seine Haftbedingungen sprechen von nicht ausreichender und teilweise verdorbener Nahrung sowie dem Fehlen eines Bettes. Tod in Haft, vermutlich aufgrund unmenschlicher Haftbedingungen, ist kein seltenes Ereignis (BAMF 24.6.2019). Das Strafgesetzbuch sieht einen angemessenen Zugang zu den Gefangenen vor. Nach Angaben von NGO-Beobachtern und Verwandten verhinderte die Regierung manchmal den Zugang von Besuchern zu Gefangenen (USDOS 13.3.2019).
1.3.9 Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 13.3.2019). Die Behörden verlangten sporadisch von Bürgern im Alter von 18 bis 40 Jahren, eine Erlaubnis des Innenministeriums, um in bestimmte Länder zu reisen, um so den Beitritt zu terroristischen Gruppen zu erschweren und die Flucht von Kriminellen zu verhindern (USDOS 13.3.2019). Die Regierung verhängte zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 13.3.2019).
1.3.9.1 Meldewesen
Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DBK 3.2014)
1.3.10 Grundversorgung
Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).
Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).
Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).
Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).
Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).
Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).
Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).
Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).
Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).
Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).
1.3.11 Medizinische Versorgung
In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018).
Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018).
Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019).
Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).
1.3.12 Rückkehr
Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts. Dieser wird als Sachverhalt festgestellt.
2.2. Zum Sachverhalt:
Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt, den Angaben des BF vor der belangten Behörde sowie in der Beschwerde und den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Gewerbeinformationssystem, dem Fremdenregister sowie einem Sozialversicherungsdatenauszug. Weiters wurde in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten (Stand 24.07.2019) Einsicht genommen.
Die Feststellungen zur Identität, zum Geburtsdatum sowie zur Staatsangehörigkeit des BF gründen auf dem der belangten Behörde vorgelegten ägyptischen Reisepass mit der Nr. XXXX . Hinsichtlich seinem Familienstand sowie den beiden Kindern gilt es, auf die diesbezüglichen Ausführungen des BF vor der belangten Behörde zu verweisen (Protokoll vom 24.01.2020, AS 29), dazu übereinstimmend auf die Angaben des BF im Zuge seiner Antragstellung gemäß § 56 Abs 1 AsylG (AS 152).
Aus einem Auszug aus dem Fremdenregister zur Person des BF ergibt sich der Verlauf hinsichtlich seiner Aufenthaltsbewilligungen, weiters auch aus dem Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung, MA 35, vom 31.01.2019 (AS 3 ff), darüber hinaus aus dem unstrittigen Akteninhalt selbst.
Hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung bzw. der Lücken gilt es, auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF zu verweisen, die weiteren Abwesenheitszeiträume vom Bundesgebiet ergeben sich aus den Eintragungen in dem der belangten Behörde vorgelegten Reisepass des BF.
Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme hat der BF vor der belangten Behörde ausgeführt, gesund zu sein (Protokoll vom 24.01.2020, AS 28), Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Verwaltungsakt. Darüber hinaus drückte der BF auch seine Arbeitswillig- und Arbeitsfähigkeit aus (Protokoll vom 24.01.2020, AS 28) und bestehen in Anbetracht dessen, dass der BF sowohl in seinem Herkunftsland Ägypten als auch in Österreich Erwerbstätigkeiten nachgehen konnte, keine Zweifel an dessen Arbeitsfähigkeit. Die Versicherungszeiten des BF ergeben sich aus dem amtswegig eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF.
Die Feststellungen hinsichtlich der Schul- bzw. Studienbildung des BF, seiner Arbeitserfahrung sowie weiters hinsichtlich des monatlichen Einkommens beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 24.01.2020, AS 29 f). Hinsichtlich des monatlichen Einkommens in der Höhe von EUR 1.000,-- wurde überdies ein Ausdruck einer SEPA-Gutschrift vom 07.05.2020 vorgelegt (AS 179). Aus einem amtswegig mit 21.10.2020 eingeholten GISA-Auszug wird ersichtlich, dass die Gewerbeberechtigung des BF mit Datum 16.12.2019 geendet hat.
Der Umstand, dass sämtliche Familienmitglieder, darunter auch seine Gattin und seine beiden Kinder, in XXXX in Ägypten aufhältig sind, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF vor der belangten Behörde, ebenso hinsichtlich dem vermehrten Kontakt zu Gattin, Kindern und Eltern (Protokoll vom 24.01.2020, AS 30), darüber hinaus ebenfalls das Jahr der Eheschließung (Protokoll vom 24.01.2020, AS 31).
Auch, dass der BF im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen verfügt und in Österreich kein Familienleben oder eine Lebensgemeinschaft führt, lässt sich den Ausführungen des BF entnehmen (Protokoll vom 24.01.2020, AS 31), ebenso die Feststellung zu den Sprachkenntnissen des BF. Die Ablegung der Ergänzungsprüfung aus Deutsch ist durch das Zeugnis des Vorstudienlehrgangs der XXXX Universitäten belegt (AS 49). Urkundlich belegt ist überdies die Belegung des Masterstudiums Chemie (AS 43) sowie die ehrenamtliche Tätigkeit bei der Caritas (AS 131), weiters liegen Empfehlungsschreiben (AS 181, AS 183, AS 185, AS 317, AS 318) sowie der Ausweis der Büchereien XXXX (AS 319) vor. Vor der belangten Behörde führte der BF aus, er sei nicht Mitglied eines Vereines oder einer sonstigen Organisation (Protokoll vom 24.01.2020, AS 32).
Die Feststellung, dass der BF in Ägypten keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist, ergibt sich einerseits aus den diesbezüglichen Ausführungen des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 24.01.2020, AS 33), andererseits aus dem Umstand, dass der BF regelmäßig unbehelligt seine Familie in Ägypten besuchen konnte. Zudem hat der BF insbesondere kein diesbezügliches Vorbringen erstattet und auch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.3. Zur Lage in Ägypten:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen auch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegen.
Es konnten daher die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt als Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
Aufgrund der ägyptischen Staatsangehörigkeit ist der BF Drittstaatsangehöriger iSd. soeben angeführten Bestimmungen.
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):
3.1.1. Anzuwendende Rechtslage
Der mit „Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ betitelte § 56 lautet:
§ 56 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls
1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,
2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und
3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG) erreicht wird.
(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.
§ 60 AsylG legt darüber hinaus weitere allgemeine Erteilungsvoraussetzungen fest. Nach § 60 Abs 1 AsylG dürfen Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen den betreffenden Drittstaatsangehörigen eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs 2 oder 3 FPG oder eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
Gemäß § 60 Abs 2 AsylG dürfen Aufenthaltstitel gemäß § 56 einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
Gemäß § 60 Abs 3 AsylG dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Es gilt nun, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 AsylG zu prüfen. Dessen Ziffer 1 sieht einen zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängigen Aufenthalt im Bundesgebiet vor.
Hinsichtlich dieses durchgängigen Aufenthaltes gilt es, § 2 Abs 7 NAG zu beachten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs unterbrechen kurzfristige Auslandsaufenthalte, wie z.B. zu Besuchszwecken oder zur Durchreise, weder eine anspruchsbegründende (z.B. für den fünfjährigen Zeitraum zur Erlangung eines Daueraufenthalt -EG) noch eine anspruchsbeendende (z.B. die Erlöschenszeiträume nach § 20 Abs 4) Aufenthalts- oder Niederlassungsdauer (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 41). Kurzfristige Auslandsaufenthalte (etwa eine Woche bzw. ca. drei Wochen) ändern nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Betroffenen; Ferienaufenthalte haben von ihrem Zweck her keine Verschiebung des Mittelpunktes der Lebensinteressen zur Folge (vgl. VwGH 16.12.2014, Ra 2014/22/0071 bis 0073) (vgl. VwGH 27.02.2020, Ra 2019/22/0101).
Der BF war im Zeitraum vom 25.07.2013 bis 06.11.2013, somit einen Zeitraum von etwa 3,5 Monaten, nicht melderechtlich im Bundesgebiet erfasst. Ein derartiger Zeitraum kann nicht mehr als „kurzfristig“ angesehen werden, zumal auch der Verwaltungsgerichtshof kurzfristige Auslandsaufenthalte mit einer Zeitdauer von etwa einer Woche bzw. ca. drei Wochen definiert, welche der BF um ein Vielfaches überschritten hat. Auch ergibt sich entsprechend den Feststellungen, dass der BF genau in diesem Jahr seine Gattin in XXXX geehelicht hat und entstammen aus dieser Ehe auch die beiden gemeinsamen Kinder. Generell bekundet der BF damit ein Verhalten, welches dem Ziel, eine Integration des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet zu erwirken, zuwider läuft.
Anschließend war der BF zwar ab dem 07.11.2013 bis zu seiner Antragstellung im Juni 2020 durchgehend melderechtlich im Bundesgebiet erfasst, jedoch ergibt sich aus den Eintragungen im Reisepass des BF, dass sich dieser vom 03.05.2015 bis 04.08.2015, somit einen Zeitraum von etwa drei Monaten, nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat, wodurch