TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 W235 2163707-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9
AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z2
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch

W235 2163707-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019, Zl. 1132948904-180846915, zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV. und VI. werden gemäß § 9 AsylG, § 57 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG, § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 4 FPG sowie § 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat:

„Der Ihnen mit Bescheid vom 14.06.2017, Zl. 1132948904-161447712, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG von Amts wegen aberkannt.“

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan unzulässig ist.

III.    Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf sechs Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 21.10.2016 erfolgte seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in der Folge wurde er am 06.04.2017 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Mit Schriftsatz vom 19.04.2017 bezog er in der Folge zur allgemeinen Situation in Afghanistan sowie zu seiner persönlichen Situation im Fall der Rückkehr Stellung.

1.2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2017, Zl. 1132948904-161447712, sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.06.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Pashtunen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehöre. Er stamme aus der afghanischen Provinz Nangarhar, spreche Pashtu und verfüge über keine Schulbildung. Der Beschwerdeführer habe als Bauer gearbeitet. Seine finanzielle Situation sei zunächst gut, in weiterer Folge jedoch sehr schlecht gewesen. Er sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Ihm drohe im Herkunftsstaat keine Verfolgung durch den afghanischne Staat oder durch die Taliban. Die von ihm dargelegten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates würden nicht als glaubhaft erachtet werden. Im Herkunftsstaat würden noch seine Eltern, sein Bruder und sein Onkel mütterlicherseits leben. Bis zu seiner Ausreise hätten sie in Nangarhar gewohnt. Der Beschwerdeführer habe jedoch keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen und wisse nicht, wo sie sich nunmehr aufhielten. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei ihm nicht zumutbar. Auf den Seiten 14 bis 92 dieses Bescheides wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan getroffen.

Beweiswürdigend wurde unter anderem festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe; seine Angaben zu seiner Herkunftsregion, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit könnten jedoch als glaubhaft qualifiziert werden. Hinsichtlich der Feststellungen zu seiner Situation im Fall der Rückkehr nach Afghanistan wurde festgehalten, dass er nicht glaubhaft gemacht habe, im Herkunftsstaat einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer habe keine Schule besucht. Zu seinen Angehörigen in der Provinz Nangarhar habe er keinen Kontakt mehr. Familiäre Anknüpfungspunkte außerhalb seiner Herkunftsprovinz habe er nicht erwähnt. Eine Rückkehr nach Nangarhar sei ihm nach den getroffenen Länderfeststellungen aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar und nicht möglich. Aufgrund des fehlenden familiären Unterstützungsnetzwerkes in anderen Teilen Afghanistans sowie aufgrund seiner Minderjährigkeit stehe ihm keine innerstaatliche Relokationsalternative offen. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan würde er daher in eine ausweglose Situation geraten.

Rechtlich folgerte das Bundesamt zu Spruchpunkt II. dieses Bescheides, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Nangarhar aufgrund der in diesem Zeitpunkt bestehenden Sicherheitslage nicht zumutbar sei. Eine Rückkehr würde für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, stehe ihm eine innerstaatliche Relokationsalternative nicht offen. Aus diesen Gründen sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

1.3. Mit Beschwerde vom 07.07.2017 wurde vom Beschwerdeführer im Wege seiner Vertretung Spruchpunkt I. dieses Bescheides angefochten. Am 17.05.2018 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.08.2018, W187 2163707-1/13E, berichtigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.09.2018, W187 2163707-1/16Z, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018, Zl. 1132948904-161447712, wurde die Aufenthaltsberechtigung des mittlerweile volljährigen Beschwerdeführers bis zum 14.06.2020 verlängert.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Mit Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX .08.2019 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über die Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG, § 28a Abs. 2 Z 3 SMG, § 28a Abs. 2 fünfter Fall SMG, § 28 Abs. 1 und Abs. 2 SMG informiert und leitete daraufhin mit Aktenvermerk vom 30.08.2019 amtswegig ein Verfahren zur Prüfung der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.

2.2. Am 04.10.2019 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Zuge welcher der Beschwerdeführer zu seiner Person angab, dass er sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung befinde und keine Medikamente nehme. Seit Oktober 2016 halte er sich in Österreich auf.

Betreffend seine Angehörigen im Herkunftsstaat führte er an, in Nangarhar würden noch seine Eltern und ein Bruder wohnen; er wisse jedoch nicht, wovon sie leben würden. Sein Bruder sei ca. zehn oder elf Jahre alt. Vor seiner Inhaftierung habe er ungefähr einmal im Monat Kontakt zu seiner Familie gehabt. Den letzten Kontakt habe er vor siebeneinhalb Monaten gehabt. Nach den Aussagen seiner Eltern gehe es seiner Familie gut. Von Problemen hätten sie nichts erzählt. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.04.2017 angegeben habe, seit seiner Einreise in Österreich keinen Kontakt zu seiner Familie zu haben. Er habe weiter ausgeführt, seine Familie habe keine Nummer von ihm und er habe auch die Nummer seiner Angehörigen nicht. Hinsichtlich dieses Vorhalts gab der Beschwerdeführer an, er habe bei seiner Einreise kein Handy gehabt. Später habe er Geld bekommen und habe sich ein Handy gekauft. Der Beschwerdeführer habe Deutschkurse besucht und mit Hilfe von Leuten in Österreich den Kontakt [zu seiner Familie] gesucht. Weiter zu seinen Angehörigen befragt, führte er aus, neben seiner Kernfamilie lebe auch sein Onkel mütterlicherseits in Nangarhar. Zwischen ihnen bestehe jedoch kein Kontakt. Ob seine Mutter noch Kontakt zum Onkel habe, wisse er nicht.

Hinsichtlich seines Lebens in Österreich gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er bestreite seinen Lebensunterhalt aus den Mitteln der Mindestsicherung. Einer Erwerbstätigkeit sei er in Österreich nie nachgegangen, da er keine Arbeit gefunden habe. Er habe zwei Deutschkurse absolviert und als Minderjähriger in der „ XXXX “ gearbeitet. Dieser Tätigkeit sei er – wenn man alles zusammenzähle – vier Monate nachgegangen. Seine Aufgabe sei es gewesen, kleine Kartons zusammenzuklappen und Ordnung zu machen. Es seien Kleinigkeiten gewesen. Er wisse nicht mehr genau, wann er diese Tätigkeit zuletzt ausgeübt habe; es sei aber im Jahr 2018 gewesen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich viele afghanische Freunde und Bekannte und treffe auch Österreicher. Die Frage, ob er Deutsch spreche, bejahte der Beschwerdeführer. Die auf Deutsch formulierten Fragen betreffend seinen Alltag und seine Hobbys in Österreich konnte er auch nach mehrmaliger Wiederholung nicht verstehen. Auch die Frage, drei Sätze über sich auf Deutsch zu erzählen, hat der Beschwerdeführer nach mehrmaliger Wiederholung nicht verstanden (vgl. AS 601).

In der Folge wurden die Gründe für die seinerzeitige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erörtert. Auf Nachfrage, ob sich seither etwas an seinen Rückkehrbefürchtungen geändert habe, erklärte der Beschwerdeführer, er wisse es nicht. In Afghanistan gebe es viele Probleme und er höre in den Nachrichten, dass die Lage sehr schlimm sei.

Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass gegen ihn wegen des Verdachts der Begehung des Einbruchsdiebstahls sowie der Begehung von Suchtmitteldelikten Anzeige erstattet worden sei. Am XXXX .08.2019 sei gegen ihn Anklage erhoben worden. Der Beschwerdeführer habe laut Abschlussbericht vom XXXX .08.2019 wöchentlich 2 kg bzw. insgesamt 100 kg Marihuana mit dem Zug von Wien nach Vorarlberg befördert und gewinnbringend verkauft. Aus diesem Grund befinde er sich nunmehr in der Justizanstalt. Der Beschwerdeführer räumte ein, dass dies stimme. Er habe die falschen Freunde gehabt. In Afghanistan habe er das nicht gemacht. Es sei ein Fehler gewesen. Er habe einmal innerhalb von drei Monaten 4 kg Marihuana verkauft. Die Polizei habe 3 kg „erwischt“. Zu seinen Beweggründen führte er an, er habe zunächst angefangen zu rauchen. Da es Geld gebe, wenn man es verkaufe, habe der Beschwerdeführer mit dem Verkauf ebenfalls angefangen.

Auf Vorhalt, er habe sein gesamtes Leben in Afghanistan verbracht und verfüge im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte, gab der Beschwerdeführer an, er habe in Afghanistan nichts und wolle so leben wie in Österreich. Hier könne er ohne Angst und Krieg leben, weshalb er Österreich nicht verlassen wolle.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt, in die Feststellungen des Bundesamtes zur Lage in Afghanistan Einsicht zu nehmen; er verzichtete jedoch. Zur Absicht, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, führte er an, wenn er aus dem Gefängnis komme, wolle er „brav“ sein. Zur beabsichtigten Erlassung eines Einreiseverbots erklärte er, er wolle hierbleiben.

2.3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .10.2019, GZ. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 2 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG in Anwendung des § 28 StGB und § 19 Abs. 1 iVm § 5 Z 4 JGG nach § 28a Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Das sichergestellte Mobiltelefon wurde konfisziert und das sichergestellte Suchtgift eingezogen. Vom Verfall wurde abgesehen. Als mildernd wurden die Unbescholtenheit, das Geständnis sowie das Alter von unter 21 Jahren gewertet. Als Erschwerungsgründe wurden das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen sowie die Gewinnsucht angeführt.

Festgestellt wurde zusammengefasst, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum Jänner 2019 bis 15.04.2019 als Mittäter Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca. 7 kg Marihuana, aus- und eingeführt habe. Im Zeitraum Jänner 2019 bis Anfang April 2019 habe er als Mittäter Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca. 4 kg Marihuana, durch Verkäufe und Übergaben anderen überlassen. Ferner habe er am 15.04.2019 Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca. 3 kg Marihuana, mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die ihm mit Bescheid vom 06.09.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach [Afghanistan] gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, nicht mehr vorlägen. Die Lage in Afghanistan habe sich dahingehend geändert, dass dort seit Zuerkennung des Schutzstatus etliche Reintegrationsprogramme für alleinstehende Personen ohne familiäre Anknüpfungspunkte bestünden und mit Erfolg betrieben würden. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr dem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 EMRK oder Art. 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen zu sein. Dem Beschwerdeführer sei es möglich, nach Afghanistan zu reisen und sich dort seine Existenz zu sichern. Er sei in Österreich einer Arbeit nachgegangen und verfüge über Arbeitserfahrung. Er sei gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer spreche ferner fließend Pashtu. Zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit 20.10.2016 in Österreich aufhalte und ihm bisher als subsidiär Schutzberechtigter ein Aufenthaltsrecht zugekommen sei. Er spreche wenig bis gar kein Deutsch. In Österreich habe er keine Familienangehörigen. Aktuell gehe er weder zur Schule noch arbeite er. Über eine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet verfüge er nicht. Am XXXX .10.2019 sei er vom Landesgericht XXXX gemäß §§ 28 Abs. 1 SMG, 28a Abs. 1 und Abs. 2 SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Auf den Seiten 14 bis 112 des angefochtenen Bescheides wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan getroffen.

Im Zuge der Beweiswürdigung wurde unter anderem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund seiner Minderjährigkeit und aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage in Afghanistan zuerkannt worden sei. Es sei anzumerken, dass er nunmehr bei der „ XXXX “ gearbeitet habe. Seine Aufgaben seien gewesen, Kartons zusammenzuklappen sowie Ordnung zu machen. Es sei ihm sohin in einem fremden Land mit einer anderen Kultur und Sprache möglich gewesen, sich selbstständig eine Arbeit zu suchen und dieser auch selbstständig nachzugehen. Die Behörde gehe davon aus, dass es ihm als nunmehr Volljährigem, der am gesellschaftlichen Leben in Afghanistan teilnehmen könne, möglich sei, im Herkunftsstaat einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Fall der Rückkehr könne er nun auch auf seine Berufserfahrung zurückgreifen. Der Beschwerdeführer gehöre ferner der Volksgruppe der Pashtunen an, sodass er auch vom Pashtunwali-Kodex profitiere. Eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar komme aufgrund der prekären Sicherheitslage nicht in Frage, allerdings stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Relokationsalternative in Mazar-e Sharif offen. Diese Stadt könne über den Luftweg sicher erreicht werden. Den aktuellen Länderfeststellungen sei zu entnehmen, dass sich die Lage sowohl in Afghanistan im Allgemeinen als auch in Mazar-e Sharif im Speziellen dahingehend geändert habe, als nunmehr etliche Reintegrationsprogramme für alleinstehende Personen ohne familiären Anhang mit Erfolg betrieben würden, sodass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nicht in seinen in Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werde. Es sei ihm daher möglich zurückzukehren und sich eine Existenz aufzubauen. Vor dem Hintergrund der Strukturen von Clans und Großfamilien in Afghanistan erscheine es überdies nahezu unmöglich, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine familiären Anbindungen nutzen könne. Es stehe ihm frei, allfällige Unterstützung, beispielsweise durch NGOs oder auf der Grundlage des Pashtunwali-Kodex von Angehörigen derselben Volksgruppe, in Anspurch zu nehmen. Abgesehen davon habe er Kontakt zu seiner Familie, welche ihn zumindest anfänglich unterstützen könne. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum sei im Herkunftsstaat überdies gewährleistet. Zusätzlich stünden dem Beschwerdeführer andere Mittel zur Verfügung. Das Rückkehrprogramm „Restart II“ sei bis zum 31.12.2019 bemessen und beinhalte Reintegrations- und Rückkehrunterstützung für freiwillige Rückkehrer. Hinsichtlich seines Aufenthalts in Österreich wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei. Ferner spreche er nur wenig Deutsch und könne daher nicht am gesellschaftlichen Leben aktiv teilnehmen. Familiäre Anknüpfungspunkte habe er gemäß seinen eigenen Angaben nicht. Zudem habe er lediglich einen kleinen Teil seines Lebens in Österreich verbracht, sodass er nicht in Österreich verwurzelt sei. Hinzu trete seine Gleichgültigkeit gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, die sich darin zeige, dass er wegen eines besonders schweren Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe über einen längeren Zeitraum schwere Straftaten begangen. Somit gehe die Behörde davon aus, dass er auch künftig weitere Straftaten begehen werde. Zudem würden Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz üblicherweise mit einer hohen Begleitkriminalität sowie mit großer Wiederholungsgefahr einhergehen. Durch die Handlungen des Beschwerdeführers könne sohin eine Gesundheitsgefährdung im großen Ausmaß entstehen. Da seit der Tatbegehung nicht viel Zeit verstrichen sei, könne kein Wegfall oder eine Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr angenommen werden. Aufgrund der seiner Verurteilung zugrundeliegenden Handlungen sei seine Rückkehr in den Herkunftsstaat geboten und ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gerechtfertigt. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seit der Entlassung aus der Justizanstalt XXXX am XXXX .12.2019 über keine aufrechte Meldeadresse verfüge. Folglich habe er auch eine Verwaltungsübertretung nach dem Meldegesetz begangen.

Rechtlich folgerte das Bundesamt zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten – wie in der Beweiswürdigung dargelegt – nicht mehr vorlägen und ein Endigungsgrund eingetreten sei. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, im Herkunftsstaat aus den in der Genfer Flüchtlinkgskonvention genannten Gründen einer aktuellen Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt zu sein. Aufgrund der Feststellungen sei nicht davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in seinen nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werde. Aus den Länderfeststellungen in Verbindung mit den in der Beweiswürdigung dargelegten Erwägungen gehe hervor, dass dem Beschwerdeführer eine Neuansiedlung in Mazar-e Sharif auch ohne soziale Anknüpfungspunkte möglich und zumutbar sei. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger, gesunder, junger Mann mit finanziellem Rückhalt durch NGOs im Herkunftsstaat. Zudem habe er in Österreich Berufserfahrung gesammelt. Folglich könne er als Tagelöhner ein Einkommen erzielen und sich damit ein Leben am Rand des Existenzminimums finanzieren. Zur Überwindung von Anfangsschwierigkeiten stehe ihm zudem Rückkehrhilfe zur Verfügung. Ebenso könne er anfangs Unterstützung von seiner in Afghanistan lebenden Familie erhalten. Individuelle Umstände, aufgrund welcher er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine extreme Notlage geraten werde, lägen im Fall des Beschwerdeführers nicht vor, sodass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen und seine befristete Aufenthaltsberechtigung zu entziehen gewesen sei. Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen. In Bezug auf Spruchpunkt IV. wurde rechtlich ausgeführt, dass eine Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich begründe. Hinsichtlich seines Privatleben wurde festgehalten, der Beschwerdeführer sei in Österreich weder sozial noch beruflich verankert und habe bisher fast keine Schritte zur Integration gesetzt. Zugunsten des Beschwerdeführers sei sein Aufenthalt seit dem Jahr 2016 zu berücksichtigen. Gegen seinen Verbleib im Bundesgebiet würden die in Österreich über einen langen Zeitraum hinweg begangenen Straftaten und die daraus resultierende rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten sprechen. Er habe zudem trotz des mehrjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet keine besondere Bindung zu Österreich darlegen können und sei nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organsiation. Demgegenüber habe er im Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte. Er spreche Pashtu, habe lange im Herkunftsstaat gelebt und pflege auch in Österreich Kontakt zu Afghanen, sodass davon auszugehen sei, dass er sich in die afghanische Gesellschaft wieder eingliedern könne. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Da keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 50 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG ersichtlich seien, sei auszusprechen, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Bezug auf Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer keine Umstände dargetan habe, die bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen seien, sodass die Frist zur freiwiligen Ausreise gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen gewesen sei. Zu Spruchpunkt VII. wurde ausgeführt, dass das Bundesamt gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot erlassen könne. Der Beschwerdeführer erfülle den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG, da er während seiner Aufenthaltsdauer in Österreich massiv straffällig geworden sei. Am XXXX .10.2019 sei er gemäß §§ 28 (1) 1. Fall, 28 (1) 2. Fall SMG, § 28a (1) 5. Fall SMG, §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (1) 3. Fall, 28a (2) Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung komme es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auf das diesen zugrundeliegenden Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Der Beschwerdeführer habe über einen längeren Zeitraum hinweg bis zu seiner Einlieferung in die Justizanstalt XXXX Straftaten begangen. Es sei davon auszugehen, dass er seine strafbaren Handlungen fortgesetzt hätte, wäre er nicht festgenommen worden. Zudem habe er gegen das Meldegesetz verstoßen, da er seit seiner Entlassung aus der Jusitzanstalt über keine Meldeadresse in Österreich verfüge. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Es müsse ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Einreiseverbots das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet überwiege. Aus einer Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte ergebe sich, dass die Erlassung eines zehnjährigen Einreiseverbots gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Mit Verfahrensanordnung vom 31.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung am 05.02.2020 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhalts zusammengefasst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan eine gravierende Verletzung seiner nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK sowie der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gewährleisteten Rechte drohe. Wie dem dem Bescheid zugrundegelegten Länderinformationsblatt zu entnehmen sei, sei die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, insbesondere in seiner Heimatprovinz Nangarhar, volatil. Eine dauerhafte und nachhaltige Änderung der Lage in Afghanistan sei aus den herangezogenen Berichten nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG lägen sohin nicht vor. Die belangte Behörde habe selbst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage nicht zumutbar sei. Entgegen der Argumentation der Behörde sei dem Beschwerdeführer die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtaltenrative in einer afghanischen Großstadt, wie Mazar-e Sharif, ebenso wenig zumutbar. Der Beschwerdeführer sei bereits als Minderjähriger nach Österreich gekommen, habe in der Provinz Balkh keine Bekannten und sei mit den lokalen Gegebenheiten nicht vertraut. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse in Afghanistan sei nur sehr eingeschränkt möglich, weshalb die Versorgung und Reintegration von Rückkehrenden ohne ausreichende Hilfe und Unterstützung faktisch unmöglich sei. In Anbetracht der aktuellen Entwicklung der innerstaatlichen Sicherheitslage könne sohin nicht von einer maßgeblichen Verbesserung der allgemeinen Lage seit Zuerkennung des Schutzstatus ausgegangen werden. Aufgrund der persönlichen sowie der allgemeinen Situation in Afghanistan würde der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten.

Ferner greife eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig in sein Recht auf Privat- und Familienleben ein. Der Beschwerdeführer befinde sich seit vier Jahren durchgehend in Österreich, spreche ausreichend Deutsch und habe auch entsprechende Kurse besucht. Seit Juni 2017 werde ihm subsidiärer Schutz gewährt. Der Beschwerdeführer habe einen Mietvertrag abgeschlossen und plane, sich ein neues Leben in Österreich aufzubauen. Er bewerbe sich aktiv bei diversen Unternehmen. Zudem habe er in Österreich eine Freundin, die seit kurzem schwanger sei. Da es sich um eine sehr frühe Schwangerschaft handle, sei die Vorlage der medizinischen Unterlagen, die diese Schwangerschaft belegen würden, derzeit nicht möglich. Sobald der Beschwerdeführer die Schwangerschaftsbestätigung erhalte, werde er diese unverzüglich nachreichen. Darüber hinaus habe er in Österreich viele Freunde. Am XXXX .01.2020 sei er aus der Haft entlassen worden. Der Beschwerdeführer wolle sich für alle Taten, die zu seiner Veurteilung geführt hätten, entschuldigen und sei davon überzeugt, aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Er werde in baldiger Zukunft eine Familie gründen und sei daher jedenfalls von einem positiven Lebenswandel auszugehen. Die Behörde habe verabsäumt zu berücksichtigen, dass es sich um die erste Veurteilung des Beschwerdeführers handle. Insgesamt sei sohin in Anbetracht aller Umstände von einer positiven Zukunftsprogrnose auszugehen. Eine Rückkehrentscheidung begründe daher einen unrechtmäßigen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers.

Darüber hinaus sei die Verhängung des Einreiseverbots zu Unrecht erfolgt. So stehe zwar unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden sei, aber sehe der Strafrahmen der maßgeblichen Strafbestimmungen einen maximalen Rahmen von bis zu zehn Jahren vor. Bei der Festlegung der Dauer des Einreiseverbots sei von der belangten Behörde gänzlich unberücksichtigt geblieben, dass der mögliche Strafrahmen bei Weitem nicht ausgeschöpft worden sei. Die vom Bundesamt festgesetzte Dauer des Einreiseverbotes stehe sohin im Vergleich zu der verhängten Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Relation. Ebenfalls lasse die Ausschöpfung der vorgesehenen Höchstfrist in jenen Fällen, in welchen etwa der durch die strafbare Handlung eingetretene Schaden oder der Wert der betroffenen Schutzgüter höher sei, keinen Spielraum zu. In Bezug auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren wurde ergänzend ausgeführt, die Behörde habe sich lediglich oberflächlich mit den Länderberichten auseinandergesetzt. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde eine anderslautende Entscheidung getroffen.

Der Beschwerde wurden folgende verfahrensrelevante Dokumente (in Kopie) beigelegt:

?        Auskunft aus dem Zentralen Melderegister betreffend den Beschwerdeführer und

?        Mietvertrag vom XXXX .02.2020, über ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, in welchem der Beschwerdeführer als „Mieter“ genannt und ein monatlicher Mietzins in Höhe von € 400,00 vereinbart wurde

Eine Bestätigung einer Schwangerschaft der (angeblichen) Freundin des Beschwerdeführers und/oder betreffend die Geburt (s)eines Kindes wurde trotz ausdrücklicher Zusage in der Beschwerde bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt nicht vorgelegt.

5. Mit Schreiben vom 26.05.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Kopie des Antrags des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, welcher beim Bundesamt am 20.05.2020 eingebracht wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige, im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Pashtunen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an und stammt aus der afghanischen Provinz Nangarhar, wo er bis zu seiner endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Jahr 2016 mit seiner Familie gelebt hat. Seine Erstsprache ist Pashtu. Er verfügt über keine Schulbildung und hat in Afghanistan als Hirte sowie als Bauer gearbeitet.

1.1.2. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 20.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither ist er durchgehend in Österreich aufhältig.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2017, Zl. 1132948904-161447712, wurde dem im damaligen Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.06.2018 erteilt. Begründend wurde festgehalten, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar sei. Aufgrund des fehlenden familiären Unterstützungsnetzwerkes außerhalb seiner Herkunftsprovinz sowie aufgrund seiner Minderjährigkeit stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen. Mit Bescheid vom 06.09.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des in diesem Zeitpunkt volljährigen Beschwerdeführers bis zum 14.06.2020 verlängert.

Am 30.08.2019 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtswegig ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet. Am 20.05.2020 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte.

1.1.3. Die Eltern, ein Bruder sowie der Onkel des Beschwerdeführers leben in der afghanischen Provinz Nangarhar. Zu seiner Kernfamilie (= Eltern und Bruder) pflegt der Beschwerdeführer Kontakt, während hingegen zu seinem Onkel kein Kontakt besteht. Außerhalb seiner Herkunftsprovinz hat der Beschwerdeführer nach wie vor keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und arbeitsfähig. Ihn treffen keine Obsorgeverpflichtungen. Auch gehört er keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit COVID-19 an.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen oder nahe Verwandte. Er lebt weder in einer Familiengemeinschaft noch in einer eheähnlichen (Lebens)gemeinschaft. Nicht festgestellt wird, dass die Freundin des Beschwerdeführers schwanger ist. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet hat sich der Beschwerdeführer einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, er verfügt jedoch über keine besondere Nahebeziehung zu einer in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Person. Der Beschwerdeführer engagiert sich nicht ehrenamtlich und nimmt auch nicht auf andere Weise aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teil. Er hat zwei Deutschkurse besucht, verfügt jedoch über keine nennenswerten Deutschkenntnisse. An Ausbildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen hat er nicht teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist im Zeitraum von Oktober 2017 bis Feber 2018 insgesamt an 13 Tagen geringfügig bei der Caritas der Diözese XXXX beschäftigt gewesen. Konkret hat er im Rahmen des Projektes „ XXXX “ einfache Tätigkeiten, wie das Zusammenklappen von Kartons und Aufräumarbeiten, verrichtet. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt aus den Mitteln der Mindestsicherung und ist während seines gesamten Aufenthalts in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig gewesen.

1.1.4. Im Zeitraum von Jänner 2019 bis 15.04.2019 hat der Beschwerdeführer als Mittäter Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge überschreitenden Menge, nämlich insgesamt 7 kg Marihuana, aus- und eingeführt, indem er im Zuge regelmäßiger grenzüberschreitender Transporte das Suchtgift im Reisezug von Wien über Deutschland nach Vorarlberg verbrachte. Ferner hat er im Zeitraum Jänner 2019 bis Anfang April 2019 als Mittäter in Vorarlberg Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca. 4 kg Marihuana, durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer anderen überlassen. Am 15.04.2019 hat er in XXXX Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca. 3 kg Marihuana, mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt wird.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .10.2019, GZ XXXX , ist er aufgrund des oben angeführten Sachverhalt bzw. der dadurch verwirklichten Delikte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 2 Z 3 SMG sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Ferner wurde sein sichergestelltes Mobiltelefon konfisziert und das sichergestellte Suchtgift eingezogen. Vom Verfall wurde abgesehen. Als mildernd wurden die die Unbescholtenheit, das Geständnis sowie das Alter unter 21 Jahren und als Erschwerungsgründe wurden das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen sowie Gewinnsucht gewertet.

Am XXXX .01.2020 wurde der Beschwerdeführer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren sowie unter Anordnung der Bewährungshilfe bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen.

1.1.5. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in Nangarhar, der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, sowie in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018, Zl. 1132948904-161447712, wesentlich und nachhaltig verändert haben.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Sicherheitslage:

[…]

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).

Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück (UNGASC 17.3.2020).

Die Sicherheitslage im Jahr 2019:

Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Der Resolute Support (RS) Mision (seit 2015 die Unterstützungsmission der NATO in Afghanistan) zufolge, waren für das Jahr 2019 29.083 feindlich-initiierte Angriffe landesweit zu verzeichnen. Im Gegensatz waren es im Jahr 2018 27.417 (SIGAR 30.1.2020). Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA (Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan) registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht (UNGASC 17.3.2020).

Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, denn im Oktober 2019 wurde die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Betrachtet man jedoch das Jahr 2019 in dessen Gesamtheit, so waren scheinbar feindliche Angriffe, seit Anfang des Jahres, im Zuge der laufenden Friedensgespräche zurückgegangen. Nichtsdestotrotz führte ein turbulentes letztes Halbjahr zu verstärkten Angriffen feindlicher Elemente von insgesamt 6% und effektiver Angriffe von 4% im Jahr 2019 im Vergleich zu den bereits hohen Werten des Jahres 2018 (SIGAR 30.1.2020).

Zivile Opfer:

Für das Jahr 2019 registrierte die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) als Folge des bewaffneten Konflikts 10.392 zivile Opfer (3.403 Tote und 6.989 Verletzte), was einen Rückgang um 5% gegenüber dem Vorjahr, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Nachdem die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer zurückgegangen war, konnte ein Rückgang aller zivilen Opfer registriert werden, wenngleich die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte zugenommen hatte. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war. In der ersten Jahreshälfte 2019 kam es zu intensiven Luftangriffen durch die internationalen Streitkräfte und Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte – insbesondere der Spezialkräfte des afghanischen Geheimdienstes NDS (National Directorate of Security Special Forces) (UNAMA 2.2020).

Aufgrund der Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte, gab es zur Jahresmitte mehr zivile Opfer durch regierungsfreundliche Truppen als durch regierungsfeindliche Truppen. Das dritte Quartal des Jahres 2019 registrierte die höchste Anzahl an zivilen Opfern seit 2009, was hauptsächlich auf verstärkte Anzahl von Angriffen durch Selbstmordattentäter und IEDs (improvisierte Sprengsätze) der regierungsfeindlichen Seite – insbesondere der Taliban – sowie auf Gewalt in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen zurückzuführen ist. Das vierte Quartal 2019 verzeichnete, im Vergleich zum Jahr 2018, eine geringere Anzahl an zivilen Opfern; wenngleich sich deren Anzahl durch Luftangriffe, Suchoperationen und IEDs seit dem Jahr 2015 auf einem Rekordniveau befand (UNAMA 2.2020).

[…]

Die RS-Mission sammelt ebenfalls Informationen zu zivilen Opfern in Afghanistan, die sich gegenüber der Datensammlung der UNAMA unterscheiden, da die RS-Mission Zugang zu einem breiteren Spektrum an forensischen Daten und Quellen hat. Der RS-Mission zufolge, ist im Jahr 2019 die Anzahl ziviler Opfer in den meisten Provinzen (19 von 34) im Vergleich zum Jahr 2018 gestiegen; auch haben sich die Schwerpunkte verschoben. So verzeichneten die Provinzen Kabul und Nangarhar weiterhin die höchste Anzahl ziviler Opfer. Im letzten Quartal schrieb die RS-Mission 91% ziviler Opfer regierungsfeindlichen Kräften zu (29% wurden den Taliban zugeschrieben, 11% ISKP, 4% dem Haqqani-Netzwerk und 47% unbekannten Aufständischen). 4% wurden regierungsnahen/-freundlichen Kräften zugeschrieben (3% der ANDSF und 1% den Koalitionskräften), während 5% anderen oder unbekannten Kräften zugeschrieben wurden. Diese Prozentsätze entsprechen in etwa den RS-Opferzahlen für Anfang 2019. Als Hauptursache für zivile Opfer waren weiterhin improvisierte Sprengsätze (43%), gefolgt von direkten (25%) und indirekten Beschüssen (5%) verantwortlich – dies war auch schon zu Beginn des Jahres 2019 der Fall (SIGAR 30.1.2020).

High-Profile Angriffe (HPAs):

Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 12.2019; vgl. USDOD 6.2019). Das Haqqani-Netzwerk führte von September bis zum Ende des Berichtszeitraums keine HPA in der Hauptstadtregion durch. Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (USDOD 12.2019). Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17) (USDOD 12.2019), landesweit betrug die Zahl 88 (USDOD 12.2019).

Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich im Berichtszeitraum (8.11.2019-6.2.2020) fort: 8 Selbstmordanschläge wurden verzeichnet; im Berichtszeitraum davor (9.8.-7.11.2019) wurden 31 und im Vergleichszeitraum des Vorjahres 12 Selbstmordanschläge verzeichnet. Der Großteil der Anschläge richtetet sich gegen die ANDSF (afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte) und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in Provinz Nangarhar zu einem sogenannten „green-on-blue-attack“: der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens 6 Personen getötet und mehr als 10 verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC 17.3.2020).

Die Taliban setzten außerdem improvisierte Sprengkörper in Selbstmordfahrzeugen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh ein (UNGASC 17.3.2020).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten:

Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020).

Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dharamshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (NYT 26.3.2020; vgl. TN 26.3.2020; BBC 25.3.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 27.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Die Taliban distanzierten sich von dem Angriff (NYT 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.3.2020).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 12.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 12.2019):

Taliban:

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018). Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk:

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP):

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Der ISKP geriet in dessen Hochburg in Ostafghanistan nachhaltig unter Druck (UNGASC 17.3.2020). Jahrelange konzertierten sich Militäroffensiven der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte auf diese Hochburgen. Auch die Taliban intensivierten in jüngster Zeit ihre Angriffe gegen den ISKP in diesen Regionen (NYT 2.12.2020; vgl. SIGAR 30.1.2020). So sollen 5.000 Talibankämpfer aus der Provinz Kandahar gekommen sein, um den ISKP in Nangarhar zu bekämpfen (DW 26.2.2020; vgl. MT 27.2.2020). Schlussendlich ist im November 2019 die wichtigste Hochburg des islamischen Staates in Ostafghanistan zusammengebrochen (NYT 2.12.2020; vgl. SIGAR 30.1.2020). Über 1.400 Kämpfer und Anhänger des ISKP, darunter auch Frauen und Kinder, kapitulierten. Zwar wurde der ISKP im November 2019 weitgehend aus der Provinz Nangarhar vertrieben, jedoch soll er weiterhin in den westlichen Gebieten der Provinz Kunar präsent sein (UNGASC 17.3.2020). Die landesweite Mannstärke des ISKP wurde seit Anfang 2019 von 3.000 Kämpfern auf 300 Kämpfer reduziert (NYT 2.12.2020).

49 Angriffe werden dem ISKP im Zeitraum 8.11.2019-6.2.2020 zugeschrieben, im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden 194 Vorfälle registriert. Im Berichtszeitraum davor wurden 68 Angriffe registriert (UNGASC 17.3.2020).

Die Macht des ISKP in Afghanistan ist kleiner, als jene der Taliban; auch hat er viel Territorium verloren. Der ISKP war bzw. ist nicht Teil der Friedensverhandlungen mit den USA und ist weiterhin in der Lage, tödliche Angriffe durchzuführen (BBC 25.3.2020). Aufgrund des Territoriumsverlustes ist die Rekrutierung und Planung des ISKP stark eingeschränkt (NYT 2.12.2020).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen:

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).

Quellen:

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (9.6.2019): Civilians at Greater Risk from Pro-government Forces: While peace seems more elusive?;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (6.12.2018): One Land, Two Rules (1): Service delivery in insurgentaffected areas, an introduction;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (18.8.2018): Hitting Gardez: A vicious attack on Paktia’s Shias;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (1.8.2017): Thematic Dossier XV: Daesh in Afghanistan;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (29.7.2017): The NonPashtun Taleban of the North (3): The Takhar case study;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (17.3.2017): NonPashtun Taleban of the North (2): Case studies of Uzbek Taleban in Faryab and Sare Pul;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (3.1.2017): The NonPashtun Taleban of the North (1): A case study from Badakhshan;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (27.7.2016): The Islamic State in ‘Khorasan’: How it began and where it stands now in Nangarhar;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (11.3.2016): Helmand (2): The chain of chiefdoms unravels;

?        AAN – Afghanistan Analysts Network (24.11.2015): Toward Fragmentation? Mapping the postOmar Taleban;

?        AA

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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