Entscheidungsdatum
04.11.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2191600-1/10E
Schriftliche Ausfertigung des am 12.08.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA: Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.08.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Am XXXX .09.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte irakische Staatsangehörige XXXX , geb. am XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am 30.09.2015 wurde er von Organen der Landespolizeidirektion Steiermark niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, seine Heimat wegen des IS und schiitischer Milizen verlassen zu haben. Der IS habe etwa eineinhalb Jahre vor seiner Flucht seine Heimatstadt besetzt, weshalb er und seine Familie nach XXXX geflüchtet seien. Sein Bruder sei XXXX gewesen und etwa 8 Monate vor der Flucht vom IS entführt worden. Schiitische Milizen hätten zweimal versucht, ihn zu entführen, er habe jedoch fliehen können. Da es für ihn keine Sicherheit in seinem Land gebe, habe er dieses verlassen. Weitere Gründe nannte er nicht.
Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, drei Wochen vor seiner Erstbefragung beginnend aus XXXX mit dem Reisebus nach XXXX und von dort mit dem Flugzeug über Istanbul nach Izmir gelangt zu sein. Dann habe er mit einem Schiff eine griechische Insel erreicht, von welcher er nach sechs Tagen nach Athen und weiter nach Saloniki gereist sei. Von dort ausgehend habe er zu Fuß die mazedonische Grenze erreicht und sei dann über die „Balkanroute“ bis zur österreichischen Grenze gelangt. Seinen Reisepass habe er bei der Überfahrt von der Türkei auf die griechische Insel verloren. Die Reise habe insgesamt drei Wochen gedauert und ungefähr EUR 5.000 gekostet. Eine EURODAC-Abfrage verlief ergebnislos.
1.3. Mit Eingabe vom XXXX .06.2017 gab der BF im Wege seiner Rechtsvertretung bekannt, dass er sich bereits in seinem Heimatstaat zu Männern hingezogen gefühlt hätte und seine sexuelle Orientierung der eigentliche Fluchtgrund sei.
1.4. Am XXXX .06.2017 (in der Folge: NS-BFA I) und am 10.08.2017 (in der Folge: NS-BFA II) wurde er, jeweils ab 09:00 Uhr, durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder belangte Behörde) einvernommen.
Anlässlich dieser Einvernahmen änderte er sein Fluchtvorbringen dahingehend ab, indem er angab, sich schon im Herkunftsstaat zu Männern hingezogen gefühlt zu haben. Nach der Vertreibung nach XXXX habe er einen Mann kennengelernt und sich in diesen verliebt. Dieser Mann habe nichts dagegen gehabt, eine Beziehung mit dem BF zu führen. In einem verlassenen Haus sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen, der von einer unbekannten Person per Video aufgezeichnet worden sein soll. Diese Person habe USD 10.000 verlangt, widrigenfalls er das Video den Eltern des Sexualpartners zeigen würde. Die wirtschaftliche Lage des BF und dessen Familie sei gut, weshalb er das Geld auftreiben könne. Da der BF nicht in der Lage gewesen sei, den Betrag zu bezahlen, habe er XXXX und in der Folge den Irak verlassen, da er von seinen Eltern oder jenen seines Sexualpartners getötet worden wäre, wenn sie von seiner sexuellen Neigung erfahren hätten. Homosexuelle würden im Irak getötet; auch sein Vater hätte ihn getötet. Der Erpresser habe daraufhin das Video den Eltern des BF und seines Sexualpartners gezeigt, woraufhin es zum Streit zwischen den Familien gekommen sei. Der Vater des Beschwerdeführers versprach der anderen Familie, ihn zu übergeben. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.
Bei seiner am XXXX .08.2017 stattgehabten Einvernahme bestätigte der BF, dass ausschließlich seine Homosexualität der Beweggrund für seine Flucht gewesen sei und dass es nie zu einer direkten Bedrohung durch den IS oder schiitische Milizen gekommen wäre. In dieser Einvernahme ging der BF auf die genannte Erpressung genauer ein und legte diverse Kursteilnahmebestätigungen und Fotos vor.
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX .09.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Angaben des BF zu seiner Homosexualität unglaubwürdig gewesen seien und er eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte.
1.6. Gegen den zum XXXX .03.2018 datierten Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärte er, dass er den Bescheid - gestützt auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit, unrichtige rechtliche Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften“ - vollumfänglich anfechte und die Beschwerde mit den Anträgen verbinde, 1.) eine mündliche Verhandlung durchzuführen 2.), dass dem Beschwerdeführer Flüchtlingsstatus zuerkannt werde, 3.) ihm in eventu allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren und 4.) in eventu die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erkennen und eine Aufenthaltsberechtigung Plus zu erteilen. In der Beschwerde wurde vorgebracht, das BFA hätte die vorliegenden, unvollständigen, Länderfeststellungen nicht richtig interpretiert und auch die Stellungnahme vom 27.06.2017 nicht beachtet. Die darin angeregte Zeugenbefragung sei nicht durchgeführt worden.
1.7 Am 02.04.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt und beantragt, diese als unbegründet abzuweisen.
1.8. Mit Eingabe vom 30.07.2019 teilte die Rechtsvertretung des BF dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sie die ihr vom BF erteilte Vollmacht zurücklege, da der dieser auf die ihm zugemittelte Ladung zur hg. Verhandlung nicht reagiert hätte und man daher angenommen habe, dass er an einer weiteren Vertretung nicht mehr interessiert sei.
1.9. Am 12.08.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des BF und dessen Rechtsvertretung durchgeführt und das Erkenntnis mündlich verkündet.
1.10. Mit Eingabe vom 20.08.2019 stellte der BF im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 12.08.2019 verkündeten Urteils. Die Vollmacht hiezu wurde dem Schreiben beigelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Identitätsfeststellungen
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität XXXX , geboren am XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch; er verfügt über rudimentäre Kenntnisse der englischen und deutschen Sprache. Er ist ledig und ohne Sorgepflichten [Erstbefragung AS 17; NS-BFA I AS 56; Kopie des Personalausweises AS 109f; Kopie des Studentenausweises AS 114f].
Er hat seinen Hauptwohnsitz seit dem XXXX .2015 im Bundesgebiet (seit dem XXXX .2020 an der Anschrift XXXX ) und ist strafrechtlich unbescholten [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR; Strafregisterauszug].
Er stammt aus der Stadt XXXX in der Provinz XXXX . Aufgrund des Vorrückens der Truppen des Islamischen Staates zog er mit seiner Kernfamilie nach XXXX .
Die Kernfamilie des BF, bestehend aus dessen Vater XXXX , geboren XXXX , seiner Mutter, XXXX , geb. XXXX und seinen Geschwistern XXXX , geboren XXXX , XXXX , geboren XXXX , XXXX , geboren XXXX , XXXX , geboren XXXX (von IS getötet), XXXX , geboren XXXX und der Schwester XXXX , geboren XXXX lebt nach wie vor in dessen Heimatort. Der Vater des BF war Eigentümer eines XXXX , seine Mutter ist Hausfrau. Die Brüder des BF üben im Herkunftsstaat den Beruf eines XXXX , XXXX oder XXXX aus. Bruder XXXX kam in Ausübung des XXXX ums Leben. Die Schwester des BF ist Hausfrau. Alle Familienmitglieder sind Sunniten [NS-BFA I AS 54f; NS-BFA II AS 73ff; Sterbeurkunde des Bruders AS 121].
Der BF ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [AJ Web-Auszug; GVS-Auszug].
1.2. Zur Ausreise, Reiseroute und Einreise der beschwerdeführenden Partei ins Bundesgebiet und der darauffolgenden Asylantragstellung:
Der BF lebte zuletzt in XXXX [NS-BFA I AS 61]. Er ist drei Wochen vor seiner Erstbefragung beginnend aus XXXX mit dem Reisebus nach XXXX und von dort mit dem Flugzeug über Istanbul nach Izmir gelangt. Mit dem Schiff gelangte er auf eine griechische Insel, von welcher er nach sechs Tagen nach Athen und nach Saloniki weitergereist ist. Von dort ausgehend erreichte er zu Fuß die mazedonische Grenze und ist dann über die „Balkanroute“ bis zur österreichischen Grenze und ins Bundesgebiet gelangt, wo er am XXXX .09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seinen Reisepass verlor er bei der Überfahrt von der Türkei auf die griechische Insel. Die Reise dauerte insgesamt drei Wochen und kostete etwa EUR 5.000. Eine EURODAC-Abfrage verlief ergebnislos [Erstbefragung AS 21; EURODAC-Abfrage AS 5f].
1.3. Zur individuellen Situation im Heimatstaat:
Im Herkunftsstaat besuchte er von XXXX bis XXXX die Grundschule, von XXXX bis XXXX eine Mittelschule und im Anschluss daran für einige Monate die Universität, an der er XXXX studierte. Das Studium brach er ab. Sämtliche Bildungseinrichtungen befinden sich im Heimatort des BF [NS-BFA I, AS 56].
Neben dem Studium erzielte er Einkünfte aus dem Erledigen von XXXX und XXXX für Studenten. Zudem war er von XXXX bis XXXX als XXXX tätig [NS-BFA I AS 57].
1.4. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der BF war in seinem Heimatland keiner politischen Bewegung angehörig und hatte weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Er wurde zu keiner Zeit von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen der Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten oder aus politischen Gründen, etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates verfolgt.
Sein Fluchtvorbringen, ob seiner sexuellen Ausrichtung und einer daraufhin erfolgten versuchten Erpressung seinen Heimatstaat verlassen zu haben, ist nicht glaubwürdig [NS-BFA I AS 60f; NS-BFA II AS 74f].
Sein Fluchtvorbringen, im Herkunftsstaat durch den IS oder schiitische Milizen verfolgt worden zu sein, hielt der BF jedoch nicht weiter aufrecht, sondern stützte er dieses auf eine angebliche Verfolgung bzw. Bedrohung auf Grund seiner sexuellen Orientierung, die er jedoch ebenfalls nicht glaubhaft machen konnte. Daran vermögen auch die eingelangten „Empfehlungsschreiben“ nichts zu ändern, räumte doch einer der Empfehlungsbriefschreiber ein [AS 103], dass es zu einem Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer trotz seines Wunsches nicht kam. Auch den weiteren, im Akt einliegenden Empfehlungsschreiben lassen sich Hinweise in Hinblick auf eine geschlechtliche Handlung nicht entnehmen [AS 201]. Das bloße - gelegentliche - Aufsuchen von Lokalen, in denen Homosexuelle verkehren, vermag für sich eine Homosexualität des BF noch nicht glauben zu machen.
Abgesehen davon konnte er nicht glaubhaft machen, dass er bereits im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch eine (schiitische) Miliz oder auf Grund seiner sexuellen Orientierung ausgesetzt gewesen wäre.
1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:
Der BF hat nachweislich von November bis Dezember 2016 einen Deutschkurs besucht und sich im Rahmen des Projektes XXXX engagiert [Teilnahmebestätigungen AS 85f]. Für den BF langten zudem zwei Empfehlungsschreiben ein [Empfehlungsschreiben AS 203f]. Hinweise auf den Bestand eines schützenswerten Privat- und Familienlebens des BF im Bundesgebiet bestehen nicht.
1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte, parallel zu diesen Geschehnissen, durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Anlassbezogen kam jedoch nicht hervor, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre. Der BF hat die ursprünglich behauptete Bedrohung bzw. Verfolgung durch eine schiitische Miliz bzw. den IS nicht weiter aufrechterhalten und eine solche sogar explizit in Abrede gestellt. Er hatte weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten, noch mit den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates ein Problem. Auch war er weder einer Verfolgung oder Bedrohung durch Dritte, aus welchem Grund immer, ausgesetzt.
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 28.07.2020
- - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff am 28.07.2020
- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 28.07.2020
- - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff am 28.07.2020
- - FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/, Zugriff am 28.07.2020
- - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 28.07.2020
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 28.07.2020
- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 28.07.2020
- - Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff am 28.07.2020
1.6.1. Berufsgruppen:
Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).
Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).
Der BF war nach seinen eigenen Angaben zuletzt als XXXX im Herkunftsstaat tätig. Kraftfahrer, namentlich XXXX , sind im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht unter die Gruppe eines gefährdeten Berufes subsumierbar. Der BF ist wegen des von ihm ausgeübten Berufs bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gefährdet.
Quellen:
- - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 28.07.2020
- - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff am 28.07.2020
1.6.2. Medizinische Versorgung
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).
Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
Der BF bezeichnete sich selbst als gesund. Er benötigt keine medizinische Versorgung und liegt bei ihm grundsätzlich Arbeitsfähigkeit vor.
Die dem Akt beiliegenden Gutachten Dris. XXXX [AS 139ff] und Magris. XXXX [AS 183ff] zeichnen ein psychologisch-medizinisches Bild welches - in Zusammenschau mit der soeben erwähnten medizinischen Versorgung - verdeutlicht, dass der BF trotz der erlebten Situationen (Anm. Kentern des Bootes beim Übersetzten von der Türkei auf eine griechische Insel und dem Tod durch Ertrinken anderer Flüchtlinge) an keinem Krankheitsbild leidet, das einer lebensbedrohlichen Erkrankung entspräche, und somit in den Herkunftstaat rückgeführt werden kann.
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 28.07.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff am 30.06.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff am 28.07.2020
- UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff am 28.07.2020
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff am 28.07.2020
1.6.3. Sexuelle Minderheiten:
Das Strafgesetzbuch des Irak verbietet gleichgeschlechtliche Intimität nicht (HRW 14.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020; FH 4.3.2020). Es gibt keine Gesetze, die gleichgeschlechtliches Verhalten (same-sex conduct) kriminalisieren. Nach Artikel 394 des irakischen Strafgesetzbuches ist jedoch das Eingehen einer außerehelichen sexuellen Beziehung strafbar (HRW 14.1.2020). Die Behörden stützen sich auf Anklagen wegen Sittlichkeitsvergehen oder Prostitution, um gleichgeschlechtliche - aber auch außereheliche heterosexuelle - Aktivitäten strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 11.3.2020). Herangezogen wird Artikel 401 bezüglich unsittlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit (bis zu sechs Monate Haft). Es handelt sich dabei um eine vage Bestimmung, die zur Verfolgung sexueller und gleichgeschlechtlicher Minderheiten herangezogen werden kann, auch wenn kein derartiger Fall dokumentiert ist (HRW 14.1.2020).
Auch wenn sensible Themen zunehmend öffentlich diskutiert werden, ist und bleibt Homosexualität weitgehend tabuisiert und wird von großen Teilen der Bevölkerung, als mit der Religion und Kultur unvereinbar, abgelehnt. Homosexuelle leben ihre Sexualität meist gar nicht oder nur heimlich aus. Es besteht ein hohes Risiko sozialer Ächtung (AA 12.1.2019) und Gewalt (FH 4.3.2020), bis hin zu Ehrenmorden durch Familienangehörige (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Staatliche Rückzugsorte für Angehörige sexueller Minderheiten gibt es nicht, die Anzahl privater Schutzinitiativen ist sehr beschränkt (AA 12.1.2019).
Quellen:
- - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 28.07.2020
- - CEDAW - UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women; IraQueer (Author), MADRE (Author), OutRight Action International (Author), OWFI - The Organization of Women's Freedom in Iraq (Author) (9.2019): Violence and Discrimination Based on Sexual Orientation and Gender Identity in Iraq, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared Documents/IRQ/INT_CEDAW_CSS_IRQ_37343_E.docx, Zugriff 28.07.2020
- - FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 28.07.2020
- - HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2022678.html, Zugriff 28.07.2020
- - USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 28.07.2020
- - USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004254.html, Zugriff 28.07.2020
1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der schiitischen Araber, aus politischen Gründen oder wegen seiner sexuellen Orientierung Probleme gehabt hätte oder deshalb verfolgt worden wäre.
Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten.
Dass der BF wegen seiner sexuellen Neigung einer individuellen Verfolgung durch Dritte (den Vater oder schiitische Milizen) ausgesetzt gewesen wäre, konnte er nicht glaubhaft machen. Dass er einer Verfolgung durch den Staat oder durch staatliche Organe ausgesetzt gewesen wäre, wurde nicht einmal behauptet.
Anlassbezogen gelangt das Bundesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass der BF einer individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat nicht ausgesetzt war. Auch ist nicht davon auszugehen, dass er im Fall seiner Rückkehr einer solchen ausgesetzt sein könnte, was die Gewährung internationalen Schutzes rechtfertigen könnte.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden, sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten persönlichen Dokumente und Urkunden.
Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.
Die Feststellungen zu seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit und dem Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister und dem Betreuungsinformationssystem-GVS.
2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:
Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.
Während die Fluchtroute und der Ablauf der Flucht vom BF glaubhaft geschildert wurden und auch seine Arbeitstätigkeit als Taxifahrer plausibel dargelegt werden konnte, verwickelte er sich bezüglich der Fluchtursache in Widersprüche.
Während er vor den Organen der LPD Steiermark noch angegeben hatte, wegen des IS und schiitischer Milizen den Irak verlassen zu haben und in diesem Vorbringen eine allfällige Homosexualität noch gar keine Rolle spielte, behauptete er erstmals anlässlich einer am XXXX .06.2017 verfassten Stellungnahme und seiner am XXXX .06.2017 stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme, dass er homosexuell sei. Im Rahmen dieser Einvernahme gab er an, dass sein Vater erfahren habe, dass er homosexuell sei. Darüber sei dieser sehr wütend geworden und habe dieser dem BF gedroht, ihn zu töten, wenn er ihn erwische.
Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung iSd § 19 AsylG nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe dient, ist dennoch hervorzuheben, dass der BF bei seiner Erstbefragung im Vergleich zu der Einvernahme vor dem BFA nicht nur leicht abweichende, sondern völlig konträre Angaben machte, womit er beim erkennenden Verwaltungsgericht insgesamt einen unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck hinterließ.
Das Schriftsatzvorbringen vom XXXX .06.2017, worin es heißt, dass der BF homosexuell sei und dies bereits im Irak im Geheimen ausgelebt habe, setzt sich in Widerspruch zum Vorbringen des BF in seiner ersten Befragung vor dem BFA, in welcher er im Gegensatz dazu angegeben hatte, dass seine Neigung seinen Eltern bekannt gewesen sei. Der Vater sei aus diesem Grund sogar in Mekka gewesen (AS 55). Im Schriftsatzvorbringen findet sich derartiges jedoch nicht. Insgesamt lässt sich bei den Einvernahmen des BF ein gesteigertes Fluchtvorbringen erkennen, das für sich nicht geeignet ist, die Behauptungen seiner angeblichen Homosexualität zu stützen. Diesen Gesamteindruck vermögen selbst die vorgelegten Empfehlungsschreiben, die lediglich gelegentliche Besuche des BF in Lokalen, die von Homosexuellen frequentiert werden, belegen, insgesamt jedoch kein Zeugnis über eine tatsächlich gelebte Homosexualität des BF abgeben, nicht zu zerstreuen. Im Vergleich mit den von der belangten Behörde aufgenommenen Lichtbildern ergeben sich gegründete Zweifel daran, dass es sich bei einem der Männer, die auf vom BF vorgelegten Lichtbildern Zärtlichkeiten austauschen, tatsächlich um den Beschwerdeführer handelt. Keiner der auf diesen Lichtbildern abgebildeten Männer lässt sich - selbst bei einer gehörigen Portion Phantasie - mit dem von der belangten Behörde lichtbildlich dokumentierten Abbild des BF in Einklang bringen [Fotografien auf AS 83 sowie AS 123 bis 127 und AS 207 bis 209].
Insgesamt zeichnet sich das Vorbringen des Beschwerdeführers durch eine fortgesetzte Steigerung des Vorbringens aus. Eine weitere Steigerung erfuhr das Vorbringen des BF in der zweiten Befragung vor dem BFA in welcher er angab, dass auch sein Bruder, welcher vom IS getötet wurde, homosexuell gewesen sein soll. Angeblich soll dieser ihm sein Geheimnis anvertraut haben. Wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Familie des BF homosexuellen Personen ob ihrer konservativen Wertevorstellungen negativ bis ablehnend gegenübersteht und sich auch der BF weder seinen Eltern noch seinen Geschwistern anvertrauen konnte, ist es doch überraschend, dass sein Bruder, ein XXXX , diesen Weg gegangen sein und seine Sicherheit auf diese Art gefährdet haben soll. Auch dieser hätte davon ausgehen müssen, dass der BF eine ähnlich abweisende Einstellung hatte. Die Glaubhaftigkeit zieht auch in Zweifel, dass der BF diese Angaben erst bei seiner zweiten Befragung preisgab und nicht schon bei der ersten Möglichkeit, in welcher er von seinem Rechtsvertreter explizit zu seinem Bruder befragt wurde (AS 67).
Zu Österreich gab der BF an, dass er hier in Diskotheken für Homosexuelle Gleichgesinnte habe kennenlernen wollen. Anlässlich einer ergänzenden Befragung vor der belangten Behörde am XXXX .08.2017, konnte er jedoch keine konkreten Diskotheken bezeichnen, sondern erst durch Unterstützung seines Vertreters genauere Angaben machen. Auch blieb er hinsichtlich seines Vorbringens in Bezug auf von ihm behauptete Kontakte mit angeblich Homosexuellen sehr vage und unbestimmt.
Selbst unter Berücksichtigung der Sprachbarrieren zwischen ihm und allfällige Sexualpartnern bzw. zum Zeitpunkt der Einvernahmen vor dem BFA und der Tatsache, dass sich diese auch darauf auswirken kann, dass der BF gewisse Diskotheken oder Personen nicht genau beschreiben kann, scheint es nicht lebensnah, dass er keine näheren Informationen über seine angeblichen Partner (speziell in Österreich) nennen konnte. Selbst unter der Prämisse, dass unter dem Terminus „Beziehung“ im Herkunftsstaat des BF und in Österreich andere Vorstellungen subsumiert werden können und dies, so wie in der Beschwerde angegeben, für homosexuelle und heterosexuelle Personen noch einer weiteren Differenzierung bedürfe, ist es unwahrscheinlich, dass er speziell zu XXXX , mit welchem er sich über einen langen Zeitraum getroffen haben will und von welchem ein Unterstützungsschreiben für den BF einlangte, keinerlei weiterführende Angaben machen konnte. Allerdings ergibt sich schon aus dem Unterstützungsschreiben XXXX , dass der BF entgegen des Wunsches XXXX keinen Geschlechtsverkehr mit diesem hatte. Insgesamt bestehen daher gegründete Zweifel an einer allfälligen Homosexualität des Beschwerdeführers.
Das Vorbringen des BF, wonach sein Kontakt zu seiner Familie nahezu abgebrochen sei, vermochte er ebensowenig glaubhaft machen, wie die Tatsache, dass seine Familie über seine angebliche Neigung nicht Bescheid gewusst hätte. So gab der BF an, bereits im Herkunftsstaat mehrmals in einschlägigen Cafés gewesen zu sein, um dort Männer kennenzulernen. Mit einem seiner Partner will er zudem Kleidung einkaufen gewesen sein und mit einem anderen gemeinsam Partys besucht haben. Er gab an, dass man in seiner Heimat bereits durch das Aussehen und die Kleidung eine gewisse sexuelle Neigung sehen könne. Wenn man nun davon ausgeht, dass in diesem Zusammenhang der BF diese einschlägigen Caféhäuser besuchte und auch mit einem seiner Partner Kleidung kaufte, so scheint es unlogisch, dass seine sexuelle Orientierung, zumindest der eigenen Familie, verborgen blieb. All diese Umstände sprechen vielmehr für ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt, um die Chance einer positiven Antragserledigung zu erhöhen, zumal der bei der Erstbefragung als Fluchtgrund ins Treffen geführte Islamische Staat zum Zeitpunkt seiner ersten Einvernahme vor dem BFA im Juni 2017 bereits zusehends an Macht verloren hatte.
Aus den angeführten Gründen ist es dem BF insgesamt nicht gelungen, einen asylrechtlich relevanten Verfolgungsgrund darzutun.
Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen, Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen des BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
2.5. Zur Integration in Österreich
Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, Integrationskurse, Teilnahme an Veranstaltungen) ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Integration wird auch durch die im Akt befindlichen glaubhaften Unterstützungsschreiben bestätigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .03.2018 erhobene Beschwerde ist rechtzeitig.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes, ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom BF weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet und glaubhaft gemacht.
Dass der BF wegen seiner Neigung zur Homosexualität einer individuellen Verfolgung durch Dritte (den Vater oder schiitische Milizen) ausgesetzt gewesen wäre, konnte dieser nicht glaubhaft machen. Dass er einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung durch den Staat oder durch staatliche Organe ausgesetzt gewesen wäre, wurde nicht einmal behauptet. Anlassbezogen gelangt das Bundesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass der BF einer individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat nicht ausgesetzt war. Auch ist nicht davon auszugehen, dass er im Fall seiner Rückkehr einer solchen ausgesetzt sein könnte, was die Gewährung internationalen Schutzes rechtfertigen könnte.
Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung in XXXX oder seiner Heimatregion XXXX drohen würde, zumal seine gesamte Kernfamilie nach seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde in seiner Heimatstadt wohnhaft ist. Es gelang dem BF im Laufe des Verfahrens nicht, eine gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen und vor allem eine diesbezügliche Schutzunwilligkeit bzw. Schutzunfähigkeit des irakischen Staates glaubhaft zu machen.
Aus den angeführten Gründen erübrigt sich die Prüfung einer Fluchtalternative, zumal der BF eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung nicht glaubhaft gemacht hat.
3.2.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438 und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten B