TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 I403 2202831-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2202831-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Gambia, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und werden diese behoben.

III. Es wird festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung gegen XXXX gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Gambias, stellte am 02.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie ihrem bereits vor Jahren nach Österreich geflüchteten Ehemann nachgereist sei, weil ihre Familie sie zu einer weiteren Ehe habe zwingen wollen, nachdem man von ihrem Mann nichts mehr gehört habe.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) vom 06.07.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung wurde für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde für nicht glaubhaft erachtet.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 01.08.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Diesem wurde die Beschwerde am 06.08.2018 vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache am 25.09.2019 der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

Am 04.11.2020 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher die Beschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte (bzw. Ehemann nach traditionellem gambischen Recht) befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Gambias. Sie ist Angehörige der Volksgruppe der Mandinka und bekennt sich zum islamischen Glauben. Ihre Identität steht nicht fest. Sie hat keine Schule besucht, allerdings gemeinsam mit ihrer Familie auf dem landwirtschaftlichen Grund der Familie, auf dem unter anderem Reis angebaut wird, gearbeitet. In Gambia leben ihre Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern. Zu ihrer Mutter steht die Beschwerdeführerin in Kontakt.

Sie stammt aus dem Dorf XXXX in Gambia. 2011 heiratete sie nach traditionellem Ritus und in Abwesenheit des Bräutigams L XXXX K XXXX, der Gambia bereits 2003 verlassen hatte und sich seit 2004 als Asylwerber in Österreich befand. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde 2009 abgewiesen, doch wurde aufgrund seiner damaligen Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin und der gemeinsamen, 2008 geborenen Tochter A. eine Rückkehrentscheidung für unzulässig erklärt. L.K. verfügt über eine Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“. Er arbeitet seit einigen Jahren als Koch und verdient rund 1500 Euro brutto (1200-1300 Euro netto).

Die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und L.K. wurde von den jeweiligen Eltern geplant und wurde die Beschwerdeführerin, der eine Zusammenführung nach dem NAG aufgrund der in Österreich nicht anerkannten Form der Eheschließung nicht offenstand, von diesen dabei unterstützt, Gambia 2016 zu verlassen und zu L.K. nach Österreich zu ziehen. Im Oktober 2016 kam sie nach Österreich, im März 2017 zog sie zu L.K. und dessen Tochter.

Am 17.05.2020 wurde die gemeinsame Tochter der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes nach traditionellem Recht geboren. Für diese wurde am 28.10.2020 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über den die belangte Behörde noch nicht entschieden hat.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und gehört daher auch zu keiner Risikogruppe im Falle einer Covid-19-Erkrankung.

Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Gambia Opfer einer Zwangsverheiratung würde. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Das Bundesverwaltungsgericht geht zudem davon aus, dass die Beschwerdeführerin nicht vor ihrem Vater aus Gambia floh, sondern dass sie mit dessen Einverständnis ihrem Ehemann (nach traditionellem Recht) nach Österreich nachfolgte. Diese Ehe ist in Österreich nicht anerkannt, weswegen eine Familienzusammenführung nach dem NAG wenig erfolgsversprechend war bzw. ist. Die Asylantragstellung diente lediglich der Legalisierung ihres Aufenthaltes.

Die Beschwerdeführerin spricht bereits gut Deutsch. Sie hat am 21.05.2019 die A2-Integrationsprüfung bestanden. Sie lebt mit L.K., dessen Tochter A. und ihrer gemeinsamen Tochter in einem Haushalt. Gegenüber A., die keinen Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter hat und für die L.K. das alleinige Sorgerecht hat, nimmt die Beschwerdeführerin seit mehr als drei Jahren die Mutterrolle ein. Die Beschwerdeführerin und L.K. planen eine standesamtliche Eheschließung, die bislang an den notwendigen Dokumenten scheiterte.

1.2. Zur Situation in Gambia:

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 24.06.2020 ist zur Grundversorgung Folgendes zu entnehmen:

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier auch nach dem Regierungswechsel nicht, die Preise für Grundnahrungsmittel sind gestiegen (KAS 24.1.2020).

Zwar betrug das Wirtschaftswachstum 2019 offiziell 6%, doch bleibt die Lebenswirklichkeit der Bevölkerungsmehrheit äußerst schwierig. Die Inflation stieg auf knapp 7% und allein 80% des Haushalts 2020 dürften in die Schuldentilgung fließen. Für dringend notwendige Investitionen in das marode Bildungs- und Gesundheitssystem bleibt wenig Spielraum. Auch die Energieversorgung bleibt problematisch und der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).

Die Arbeitslosigkeit ist nach europäischer Berechnung hoch, doch gibt es keine verlässlichen Zahlen. Der Großteil der Bevölkerung ist entweder im Agrarsektor tätig (wo sie nicht von offiziellen Statistiken erfasst wird) oder im informellen Wirtschaftssektor. Der formelle Wirtschaftssektor ist nur schwach ausgeprägt und beschränkt sich meist auf den öffentlichen Sektor und im Land tätige ausländische Unternehmen (ÖB 12.2019).

Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017; vgl. ÖB 12.2019). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91% der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. USD) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018). Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4% des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018).

Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht lebenswichtige Handels- und andere Aktivitäten, die mit der lokalen Wirtschaft verbunden sind, aber dazu neigen, große Menschenmengen anzuziehen, bis auf weiteres untersagt, was den Lebensunterhalt zahlreicher Personen gefährdet (APA 2.4.2020). Die Regierung stellte 14,7 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Haushalte mit Grundnahrungsmitteln (u.A. Reis, Öl, Zucker) zu versorgen (Gentilini et al 12.6.2020: 185).

Quellen:

-        APA - Agence de Presse Africaine (2.4.2020): Gambia: Livelihoods affected by anti-COVID-19 restrictions, https://apanews.net/en/news/anger-follows-gambia-covid-19-lockdown, Zugriff 27.4.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 22.6.2020

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 23.6.2020

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess – zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 24.06.2020 ist zur medizinischen Versorgung Folgendes zu entnehmen:

Trotz einiger Fortschritte bei der medizinischen Versorgung ist in Gambia keine flächendeckende medizinische Grundversorgung verfügbar (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 4.6.2020; vgl. ÖB 12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 5.6.2020; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 5.6.2020). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017; vgl. HP+/USAID 11.2019).

Prinzipiell haben sämtliche Bevölkerungsgruppen Zugang zu allen staatlichen Spitälern, Kliniken oder Krankenstationen. Jeder Patient hat eine Konsultationsgebühr von mindestens USD 0,5 bzw. USD 5 für größere Eingriffe zu entrichten. Schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren sind von der Gebühr befreit. Patienten mit Krankheiten mit Relevanz für die öffentliche Gesundheit, wie z.B. Tuberkulose oder HIV/Aids sind ebenfalls von allen Gebühren befreit, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Behandlung und Medikamente sind, soweit vorhanden, generell kostenlos (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019). Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Die Versorgung in staatlichen Krankenhäusern ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 5.8.2019).

Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Heiler über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte leistbarer sind (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017, HP+/USAID 11.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (5.6.2020): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.6.2020

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (4.6.2020): Reise & Aufenthalt - Gambia - Gesundheit & Impfungen, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 23.6.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        HP+/USAID - Health Policy Plus / United States Agency for International Development (11.2019): Assesment of the Health System in the Gambia - Overview, Medical Products, Health Financing, and Governance Components, http://www.healthpolicyplus.com/ns/pubs/17372-17674_GambiaHealthSystemAssessment.pdf, Zugriff 22.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 24.06.2020 ist zu Sozialleistungen Folgendes zu entnehmen:

Das soziale Sicherheitsnetz Gambias ist schwach. Alterspensionen stehen nur einem kleinen Prozentsatz der Bevölkerung zur Verfügung (Personen mit mehr als zehn Jahren Beschäftigung in einer staatlichen Einrichtung oder einer teilnehmenden privaten Einrichtung) und werden vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer finanziert. Andere Sozialleistungen wie Entschädigung für Arbeitsunfälle, Arbeitslosenversicherung oder Mutterschutz stehen entweder gar nicht oder nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zur Verfügung. Soweit vorhanden, handelt es sich überwiegend um vom Arbeitgeber finanzierte Barzahlungen (BS 29.4.2020; vgl. USSSA 9.2019).

Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40% der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020

-        USSSA - United States Social Security Administrazion (9.2019): Social Security Programs Throughout the World: Africa, 2019 - Gambia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/africa/gambia.pdf, Zugriff 27.5.2020

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 24.06.2020 ist zur Frage der Rückkehr Folgendes zu entnehmen:

Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht (AA 5.8.2019). Abgeschobene Personen werden von der Einwanderungsbehörde in Empfang genommen, kurz vernommen bzw. deren Daten aufgenommen (ÖB 12.2019). Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützung. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).

Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie unterliegen alle Einreisenden - entweder per Flugzeug oder auf dem Landweg - unabhängig von ihrer Nationalität, die in oder durch ein "Hotspot"-Land reisen, einer 14-tägigen verpflichtenden Quarantäne in staatlich verwalteten Einrichtungen, wo sie auf Kosten der Regierung Unterkunft, Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung erhalten (USEMB 11.6.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USEMB - U.S. Embassy in The Gambia (11.6.2020): COVID-19 Information, https://gm.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 15.6.2020

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 24.06.2020 ist zur Lage von Frauen Folgendes zu entnehmen:

Die Verfassung sieht die Gleichstellung aller Personen vor dem Gesetz vor (USDOS 11.3.2020). Gemäß Art. 28 der gambischen Verfassung sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Dieser Grundsatz erfährt jedoch durch Gesetzgebung, religiöse Traditionen und allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse Einschränkungen. Frauen sind im politischen und wirtschaftlichen Leben unterrepräsentiert, auch weil sie häufig ein geringeres Bildungsniveau aufweisen als Männer (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Nur 10,3% der Parlamentsabgeordneten sind Frauen (ÖB 12.2019; vgl. EASO 12.2017). Der neue Verfassungsentwurf sieht die Entsendung von zwei Frauen pro Region ins Parlament vor (ÖB 12.2019).

Vergewaltigung und häusliche Gewalt sind illegal, aber weit verbreitet (FH 4.3.2020; vgl. AA 5.8.2019, ÖB 12.2019), trotz des „National Plan of action on gender-based violence 2013 - 2017“, mit dem die Regierung versucht, Gewalt gegen Frauen zu senken. Auch Vergewaltigung in der Ehe kommt vor und ist nicht kriminalisiert (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Es gibt keine effektiven Beschwerdemechanismen für Gewalt gegen Frauen, was sich in einer niedrigen Verfolgungsrate und unzureichender Unterstützung von Opfern auswirkt (AA 5.8.2019).

Art. 33 der Verfassung lässt Diskriminierung in so zentralen Bereichen wie Adoption, Heirat, Scheidung und Erbe zu und nimmt zudem Stammes- und Gewohnheitsrecht vom Schutz vor Diskriminierung aus. In Gambia gilt dadurch für bestimmte Volksgruppen bspw. das Scharia-Recht, welches gerade hinsichtlich des Erbrechtes und der Anzahl der erlaubten Ehepartner Frauen benachteiligt (AA 5.8.2019). Es gibt keine Gesetze, die Polygamie oder Leviratsehe verbieten (in denen eine Witwe mit dem jüngeren Bruder ihres Ehepartners verheiratet ist) (FH 4.3.2020).

Das gambische Recht bietet formellen Schutz der Eigentumsrechte, obwohl die Scharia Bestimmungen über Familienrecht und Erbschaft die Diskriminierung von Frauen erleichtern können. Frauen haben weniger Zugang zu Hochschulbildung, Justiz und Beschäftigung als Männer (FH 4.3.2020). Die Beschäftigung im formalen Sektor steht für Frauen mit denselben Gehältern wie für Männer offen. Es gibt keine gesetzliche Diskriminierung in der Beschäftigung, Zugang zu Krediten, Besitz und Führung eines Unternehmens sowie bei Wohnen oder Bildung (USDOS 11.3.2020).

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist seit 2015 verboten, bleibt aber weiterhin ein Problem (AI 22.2.2018; vgl. AA 5.8.2019; EASO 12.2017; FH 4.3.2020; USDOS 11.3.2020, ÖB 12.2019). Es gibt eine Lücke im Gesetzestext, die genutzt werden kann, um das Gesetz zu umgehen: Der Gesetzestext verbietet nicht ausdrücklich das Schneiden, welches beispielsweise im Senegal durchgeführt wird (EASO 12.2017). Jede Person, die trotz des Verbots FGM durchführt, beantragt, anregt, fördert oder Werkzeuge für das Verfahren bereitstellt, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und/oder einer Geldstrafe von 50.000 Dalasi (rund 1.000 Euro) bestraft. Jede Person, die von FGM weiß und das verbotene Verfahren nicht meldet, muss 10.000 Dalasi zahlen. Eine lebenslange Freiheitsstrafe gilt für jeden, der eine FGM vornimmt, die zum Tod des betreffenden Mädchens führt (EASO 12.2017; vgl. ÖB 12.2019). Der Staat arbeitet mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Anwälten, Frauengruppen und der Polizei zusammen, um mehr Bewusstsein und Wissen zu vermitteln. In der gebildeten Gesellschaftsschicht ist weibliche Genitalverstümmelung nach Regierungsangaben kaum verbreitet (AA 5.8.2019). Die Häufigkeit von FGM-Praktiken ist unter den verschiedenen Ethnien unterschiedlich (97,8% der Serahule; 96,7% der Mandinka/Jahanka; 12.5% unter Wolof bzw. 18,1% unter Manjago) (ÖB 12.2019).

FGM bleibt weit verbreitet, da ein Beharren auf dieser „Tradition“ eine wirkliche Verbesserung verhindert (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017). Statistiken zeigen, dass FGM im Kindesalter erfolgt, wobei 55% der Frauen angaben, dass sie vor dem Alter von fünf Jahren beschnitten wurden, und 28%, zwischen fünf und neun Jahren. Weitere 7% gaben an, dass sie im Alter von zehn bis 14 Jahren beschnitten wurden. FGM tritt in ländlichen Regionen (79% der Frauen im Alter von 15-49 Jahren) häufiger auf als in urbanen Gebieten (72%) (EASO 12.2017).

Die Verfassung und das Gesetz schreiben eine obligatorische, gebührenfreie Ausbildung durch die Sekundarstufe vor. Im Rahmen des gebührenfreien Bildungsplans müssen Familien jedoch oft für Bücher, Uniformen, Mittagessen, Schulgeld und Prüfungsgebühren zahlen. Schätzungsweise 75% der Kinder im Grundschulalter sind an Grundschulen eingeschrieben (USDOS 11.3.2020). Mit dem „Children‘s Act“ wurde 2005 eine umfangreiche Gesetzgebung erlassen, die Kinderrechte und deren Durchsetzung regelt (AA 5.8.2019). Der dem Gesundheitsministerium angegliederte „Social Welfare Service“, der in allen Fragen von Kinderrechten bzw. Kindeswohlverletzungen eingeschaltet werden kann, ist gut organisiert und geht seiner Aufgabe gewissenhaft nach (AA 5.8.2019).

Die Ehe von Kindern unter 18 Jahren ist illegal (USDOS 11.3.2020 vgl. AA 5.8.2019). Zwangsheirat von Kindern unter 18 Jahren wird mit bis zu 20 Jahren Freiheitsentzug geahndet (ÖB 12.2019). Etwa 34% der Mädchen unter 18 Jahren und 10% unter dem Alter von 15 Jahren sind verheiratet (USDOS 11.3.2020 vgl. AA 5.8.2019). Bisher hat es keine Strafverfolgungen wegen Kinderehe gegeben. Stattdessen ist das Department of Social Welfare aktiv geworden und hat Lösungen zum Wohle des Kindes gesucht (ÖB 12.2019).

Die Verheiratung von Minderjährigen wird vor allem im dörflichen Umfeld unter Berufung auf islamische Gesetze praktiziert (AA 5.8.2019). Eine Informationskampagne durch die Regierung soll vor allem im ländlichen Raum die Bevölkerung für das Gesetz sensibilisieren (USDOS 11.3.2020). Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren wegen sexueller Ausbeutung von Kindern und fünf Jahre wegen Beteiligung an Kinderpornografie vor. Das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr liegt bei 18 Jahren (USDOS 11.3.2020).

Kinderarbeit bleibt, vor allem zur Unterstützung im familiären Bereich, weit verbreitet (AA 5.8.2019). Obwohl Kinderarbeit und Zwangsarbeit illegal sind, sind einige Frauen und Kinder dem Sexhandel und der häuslichen Sklaverei ausgesetzt. Die Regierung hat in jüngster Zeit verstärkte Anstrengungen unternommen, um gegen den Menschenhandel vorzugehen, unter anderem durch die Schulung von Sicherheitsbeamten und Grenzschutzbeamten zur Identifizierung von Opfern und durch die Bereitstellung besserer Dienstleistungen für die Betroffenen; jedoch waren die Erfolge bescheiden (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 12.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020

Die UN-Vollversammlung hält zur Lage von Frauen in Gambia fest:

Die UN-Vollversammlung hat in einem Bericht vom August 2019 festgestellt, dass Gambia signifikante Schritte unternommen hat, um Frauen zu stärken; dennoch sind diese gerade ökonomisch noch immer gegenüber Männern benachteiligt. Mit dem „National Development Plan 2018-2021“ versucht die Regierung dem entgegenzutreten. Es gibt auch Programme zur Reduktion geschlechtsspezifischer Gewalt. Zugleich geht man entschlossen und effektiv gegen Traditionen wie die weibliche Genitalverstümmelung und frühe Zwangsheiraten vor.

Quelle:

„National report submitted in accordance with paragraph 5 of the annex to Human Rights Council Resolution 16/21“ zu Gambia vom 22.08.2019, S 20

Das US Department of State hält zur Lage von Frauen in Gambia fest:

Auch wenn die Verfassung und das Gesetz Diskriminierung generell verbieten, werden Frauen in ihrer rechtlichen Position bei Adoption, Heirat, Scheidung und im Erbrecht benachteiligt. Eheschließungen unter dem Alter von 18 Jahren sind verboten, dennoch werden etwa 34% der Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Die Regierung hat Kampagnen zur Bewusstseinsbildung gegen Kinderehen gestartet.

Quelle:

US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2019 - The Gambia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026395.html (Zugriff am 9. November 2020)

Die Österreichische Botschaft hält zur Lage von Frauen in Gambia fest:

Obwohl die Verfassung die Gleichstellung von Mann und Frau vorsieht, sind Frauen weiterhin Opfer von Diskriminierungen und häuslicher Gewalt. Gambia belegt im UNDP Gender Inequality Index Rang 150 von 188 Ländern. Zum einen erfolgt eine Diskriminierung vor den islamischen Gerichten, zum anderen sind Frauen Opfer der Tradition, wie z.B. Genitalverstümmelung (FGM), Vergewaltigung in der Ehe oder Zwangsheirat. Ende 2015 konnten allerdings mit dem Verbot der FGM und der Zwangsheirat wichtige Anliegen vorangebracht werden. So hat Präsident JAMMEH FGM am 24. November 2015 per Dekret verboten und unter Strafe gestellt. Ein demensprechender Passus wurde in das Women's Amendment Bill 2015 eingearbeitet, welches am 29. Dezember 2015 vom Parlament angenommen wurde. Ein Zuwiderhandeln wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug und/oder EUR 1.200,- Buße geahndet. Sollte die beschnittene Person ihren Verletzungen erlegen, kann die Strafe auch lebenslänglich sein. FGM ist dennoch weiterhin stark verbreitet, wobei die Verteilung von FGM-Praktiken unter den verschiedenen Ethnien unterschiedlich ausfällt (97,8% der Serahule; 96,7% der Mandinka/Jahanka; nur 12.5% unter Wolof bzw. 18,1% unter Manjago) Laut dem Immigration and Refugee Board of Canada landeten bisher zumindest zwei FGM-Fälle vor Gericht (einmal starb ein Baby; einmal wurde FGM von Großvater während der Abwesenheit der Eltern autorisiert), wobei bisher noch keine Urteile vorliegen. Der Strafrahmen für FGM beträgt eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und/oder eine Geldstrafe i.H.v. D50.000 bzw. lebenslängliche Freiheitsstrafe, wenn die Beschneidung zum Tod führt. Bisher habe es keine Strafverfolgungen wegen Kinderehe gegeben. Stattdessen sei das Department of Social Welfare aktiv geworden und habe Lösungen zum Wohle des Kindes gesucht.

Am 6. Juli 2016 stellte Präsident JAMMEH mit sofortiger Wirkung die Zwangsheirat unter Strafe. Das Parlament nahm das diesbezügliche Children's Amendment Bill (Novelle des Children’s Act 2005) am 21. Juli 2016 an, welches Zwangsheirat von Kindern unter 18 Jahren mit bis zu zwanzig Jahren Freiheitsentzug ahndet.

Das Gesetz sieht in Fällen von Vergewaltigung zwar lebenslange Haftstrafen und im Falle von versuchter Vergewaltigung (US State Department 2018) bis zu 7 Jahre Freiheitsentzug vor, allerdings werden solche Fälle aufgrund des sozialen Stigmas nur selten angezeigt. Eheliche Vergewaltigung ist nicht illegal und weit verbreitet (US State Department 2018). Auf gesetzlicher Ebene wurden die Frauenrechte u.a. durch die Verabschiedung des Women Act 2010 und der National Gender Policy 2010-2020 verstärkt, wodurch auch Internationale Instrumente zur Anti-Diskriminierung von Frauen wie z.B. CEDAW gestärkt wurden. Mitte Dezember 2013 nahm das Parlament den Sexual Offences Act 2013 und den Domestic Violence Act 2013 an und passte damit die nationale Gesetzgebung an seine internationalen Verpflichtungen an. Dennoch werden die gesetzlichen Vorschriften nur ineffektiv umgesetzt. Gewalt gegen Frauen ist weiterhin weit verbreitet. Für häusliche Gewalt ist eine Geldstrafe i.H.v 1.055 USD, Freiheitsentzug bis zu 2 Jahren oder beides vorgesehen (US State Department 2018).

Aufgrund des weiterhin aufrechten Abtreibungsverbots treiben Frauen oft heimlich ab und setzen sich einem erhöhten Risiko aus, welches die Müttersterblichkeit erhöht. Diese beträgt aktuell 706 pro 100.000 Lebendgeburten.

Frauen sind im politischen Leben weiterhin unterrepräsentiert. Nur 10,3% der Parlamentsabgeordneten sind Frauen. Der neue Verfassungsentwurf sieht die Entsendung von 2 Frauen pro Region ins Parlament vor.

Quelle:

Österreichische Botschaften: Asylländerbericht Gambia, 1. Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx (Zugriff am 9. November 2020)

1.3. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen. Diese medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).

In Österreich gibt es mit Stand 08.11.2020 Uhr insgesamt 152.508 positiv getestete Fälle, aktuell 73.249 aktive Fälle und 1.335 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de; Zugriff 08.11.2020).

Gambia hat mit Stand 29.10.2020 aktuell insgesamt 3.684 bestätigte Fälle und 121 Todesfälle zu verzeichnen (https://www.worldometers.info/coronavirus/country/gambia/; Zugriff 08.11.2020).

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht fest.

Die Feststellungen zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Schulbildung und ihrer familiären Situation in Gambia ergeben sich aus ihren Aussagen in der Erstbefragung am 03.10.2016, in der Einvernahme durch das BFA am 29.05.2018 und in der mündlichen Verhandlung am 04.11.2020. Ihre aktuelle familiäre Situation ergibt sich aus ihren Aussagen und den Aussagen von L.K. als Zeuge in der mündlichen Verhandlung am 04.11.2020.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 29.10.2020.

Dass die Beschwerdeführerin gut Deutsch spricht, ergibt sich aus dem vorgelegten A2-Zertifikat, insbesondere aber auch aus dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu L.K. ergeben sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Erkenntnis, mit dem sein Asylantrag abgewiesen wurde (Asylgerichtshof, 29.06.2009, XXXX), seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, dem vorgelegten Aufenthaltstitel und den vorgelegten Lohnzetteln.

Die Feststellungen zur gemeinsamen Tochter ergeben sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde, der Vaterschaftsanerkenntnis und einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin hatte vorgebracht, dass sie aus Gambia geflohen sei, weil ihr Vater sie, nachdem der Kontakt zu ihrem Ehemann nach traditionellen Recht L.K., den sie in Abwesenheit geheiratet hatte, abgebrochen war, zur Ehe mit einem älteren Mann habe zwingen wollen.

Das Fluchtvorbringen wurde vom BFA im angefochtenen Bescheid für nicht glaubhaft befunden. Dieser Einschätzung tritt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund folgender Erwägungen bei:

Zunächst ist festzuhalten, dass es bereits hinsichtlich der Eheschließung mit L.K. im Jahr 2011 gewisse Unstimmigkeiten gibt. L.K. war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 8 Jahren in Europa. Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Verhandlung ebenso wie L.K. an, dass sie ihn als 15jährige (und damit etwa 2002) kennengelernt habe. Allerdings führte sie weiter aus, dass er 2006 ausgereist sei, während er selbst davon sprach, Gambia bereits 2003 verlassen zu haben (wenn er auch erst 2004 nach Österreich gekommen ist). Dies ist durchaus ein markanter Widerspruch, hätten sie sich nach Angabe der Beschwerdeführerin doch bereits etwa vier Jahre gekannt, ehe er ausreiste, während es nach Angaben von L.K. nur ein Jahr gewesen wäre. Wenn L.K. bereits 2003 Gambia verlassen hatte, dann ist es auch schwer vorstellbar, dass beide bis zur Eheschließung 2011 ihre Beziehung telefonisch aufrechterhielten. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass L.K. während seines Asylverfahrens in einer Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 16.06.2099 erklärte, zu niemandem in Gambia Kontakt zu haben. Zudem meinte die Beschwerdeführerin, dass sie und ihr späterer Ehemann 2011 die Entscheidung zur Heirat getroffen hätten, während dieser erklärte, die Eltern hätten hier eine große Rolle gespielt.

Wenig nachvollziehbar ist es, dass die Beschwerdeführerin in ihren Befragungen immer versuchte, den Eindruck zu vermitteln, dass bei der Eheschließung nicht geplant gewesen sei, dass sie L.K. nach Österreich nachfolgt. Erst nach wiederholtem Nachfragen der erkennenden Richterin gab sie zu, dass es durchaus vorstellbar gewesen sei, dass L.K. sie nach Europa holt. L.K. betonte dagegen, dass es nicht vorgesehen gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin nach Österreich komme. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes muss es bereits im Rahmen der Eheschließung geplant gewesen sein, dass die Beschwerdeführerin ihrem Ehemann nach traditionellem Recht nach Europa nachfolgt; dieser befand sich bereits seit Jahren in Österreich und hätte eine Eheschließung sonst keinerlei Sinn. Es scheint, dass beide versuchten, diesen Umstand zu verschleiern, um damit nicht den (dennoch von der erkennenden Richterin gewonnenen) Eindruck zu erwecken, dass die Reise der Beschwerdeführerin nach Europa keine Flucht, sondern die Verwirklichung des Plans war, ihrem Ehemann nachzufolgen.

Es steht aufgrund der von beiden in der Verhandlung getätigten Aussagen jedenfalls fest, dass sowohl die Eltern der Beschwerdeführerin wie auch die Eltern von L.K. (nachdem die erkennende Richterin darauf hinwies, dass L.K. in seinem abgeschlossenen Asylverfahren erklärt hatte, dass seine Eltern von der Regierung getötet worden seien, meinte die Beschwerdeführerin, dass damit sein Onkel und seine „zweite“ Mutter gemeint seien; L.K. selbst sprach davon, dass der Kontakt zu seiner Mutter wiederhergestellt worden sei) mit der in Abwesenheit des Bräutigams geschlossenen Ehe einverstanden gewesen sind.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist unklar (aber auch nicht entscheidungswesentlich), ob die Beschwerdeführerin L.K. vor der Eheschließung persönlich kannte. Die Eheschließung scheint jedenfalls von den Eltern der beiden geplant worden zu sein und der Umzug der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann nach Österreich vorgesehen gewesen zu sein. Dies passt auch damit zusammen, dass 2010, d.h. kurz vor der Eheschließung, die Beziehung von L.K. zur österreichischen Mutter seiner Tochter in die Brüche ging. Diese Beziehung passt im Übrigen auch nicht damit zusammen, dass L.K. behauptet hatte, stets in die Beschwerdeführerin verliebt gewesen zu sein.

Wie der L.K. erklärte, hatte er Probleme, die benötigten „Papiere“ zu bekommen, um die Beschwerdeführerin nachzuholen. Nachdem die zwischen L.K. und der Beschwerdeführerin in Abwesenheit geschlossene Ehe in Österreich nicht anerkannt wird, war eine Familienzusammenführung nach dem NAG ausgeschlossen. Offenbar wurde schließlich ein Asylverfahren als möglicher Ausweg gesehen, um den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu legalisieren.

Ihre angebliche Flucht begründete die Beschwerdeführerin allerdings anders: 2014 sei der Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und L.K. abgebrochen und habe ihr Vater aufgrund dessen beschlossen, die Beschwerdeführerin mit einem anderen Mann zu verheiraten. Allerdings wurde keine schlüssige Erklärung für den Kontaktabbruch gegeben; in der Verhandlung meinte die Beschwerdeführerin, dass sie heute nicht erklären könne, wie das passiert sei. Auf einmal habe es keinen Kontakt mehr gegeben und habe auch die Familie von L.K., die sie gefragt habe, den Kontakt nicht wiederherstellen können. Im weiteren Verlauf der Verhandlung meinte sie dann, dass seine Verwandten schuld daran gewesen seien, dass der Kontakt abgebrochen worden sei. Warum, konnte sie aber nicht angeben. L.K. dagegen meinte, es sei wegen den Familienschwierigkeiten gewesen und weil er wegen seiner Tochter A. frustriert gewesen sei. Dies ist allerdings wenig schlüssig, kam diese doch bereits 2008 auf die Welt und heiratete er erst 2011 die Beschwerdeführerin.

Die behauptete drohende Zwangsverheiratung ist aber auch deswegen unglaubwürdig, weil die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zugeben musste, dass es ihrem Vater gar nicht möglich gewesen wäre, die erste Ehe zu annullieren und die Beschwerdeführerin gegen ihren Willen nochmals zu verheiraten. Auch wenn laut Länderinformationsblatt in Gambia kein Gesetz Polygamie verbietet, so war es aus Sicht der Beschwerdeführerin dennoch nicht möglich, sie erneut zu verheiraten. Die Beschwerdeführerin blieb auch sehr vage, wenn es darum ging, wann sie erfahren habe, dass sie nochmals heiraten solle bzw. wen sie heiraten solle.

Unplausibel erscheint auch, dass die Beschwerdeführerin alleine innerhalb von wenigen Tagen die Ausreise aus Gambia und die Schleppung nach Österreich organisiert haben will (So meinte sie in der mündlichen Verhandlung: „Von meinem Dorf bin ich in große Städte gegangen und dort habe ich Kontakt zu Leuten aufgenommen, die Leute nach Europa schleppen. Wir sind dann weiter in den Senegal.“ Auf die Frage, wie sie mit den Leuten in Kontakt gekommen sei, meinte sie: „Es wird in Gambia rumgesprochen und da versucht man einfach Kontakt zu diesen Leuten aufzunehmen.“ Auf die Frage, wie viele Tage sie nach Verlassen ihres Dorfes das Land verlassen habe, gab sie an: „Genau kann ich das nicht sagen, aber innerhalb von zwei Tagen.“). Das dafür benötigte Geld (50.000 Dalasi) habe sie ihrer Mutter gestohlen, welche das Geld von ihrem in den USA lebenden Bruder bekommen habe, der sich damit in Gambia ein Haus bauen lassen wollte. In diesem Zusammenhang ist es überraschend, dass die Beschwerdeführerin dennoch in Kontakt mit ihrer Mutter steht, obwohl sie diese bestohlen haben will.

Das Bundesverwaltungsgericht geht dagegen davon aus, dass die Beschwerdeführerin von ihren Eltern nicht dazu gedrängt wurde, einen anderen Mann zu heiraten (was nach den gambischen Traditionen ohne Annullierung der ersten Ehe und gegen den Willen der Beschwerdeführerin ihren Angaben nach gar nicht möglich gewesen wäre) und dass die Beschwerdeführerin auch die Ausreise nicht selbständig mit gestohlenem Geld organisierte, sondern dass die Familie sie bei einer geplanten Ausreise nach Europa zu ihrem Ehemann (nach traditionellem Recht) unterstützte. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass Zwangsehen in Gambia durchaus existieren und auch erst 2015 explizit verboten wurden (das Verbot wird im oben zitierten Bericht der Österreichischen Botschaft angesprochen). Das ändert aber nichts daran, dass aufgrund der genannten Unstimmigkeiten im Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes nach traditionellen Recht nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführerin mit einem anderen Mann als L.K. verheiratet werden sollte. Dass es sich bei der Ehe mit L.K., die aus Sicht der erkennenden Richterin wohl von den Eltern vorbereitet und beschlossen wurde, um eine Zwangsehe handelt und diese gegen den Willen der Beschwerdeführerin erfolgte, wurde von ihr nie behauptet.

Unplausibel ist zudem auch, dass die Beschwerdeführerin ihren Angaben nach nur wusste, dass L.K. in Österreich war und seinen genaueren Aufenthaltsort nicht kannte und ihn dennoch innerhalb kürzester Zeit gefunden haben will: Sie gab nämlich an, ihn ein halbes Jahr getroffen zu haben, ehe sie zu ihm zog; nachdem sie im Oktober 2016 nach Österreich kam und seit Ende März 2017 bei ihm gemeldet ist, muss das Wiedersehen unmittelbar nach der Einreise erfolgt sein, was sich schwer damit vereinbaren lässt, dass die Beschwerdeführerin angeblich ohne Kenntnis des genauen Aufenthaltsortes von L.K. und ohne Kontakt zu ihm nach Österreich gekommen sein will.

Zusammengefasst geht das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der dargelegten Widersprüche und Unstimmigkeiten davon aus, dass die Beschwerdeführerin in Gambia nicht gegen ihren Willen verheiratet werden sollte und dass ihr auch für den Fall einer Rückkehr nach Gambia keine Zwangsverheiratung droht. Es ist diesbezüglich auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführrein eine volljährige und nach traditionellem Recht verheiratete Frau ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht zudem davon aus, dass die Beschwerdeführerin nicht vor ihrem Vater aus Gambia floh, sondern dass sie mit dessen Einverständnis ihrem Ehemann (nach traditionellem Recht) nach Österreich nachfolgte.

Die Beschwerdeführerin erklärte in der mündlichen Verhandlung zudem, dass sie nicht nach Gambia zurückkehren könne, weil ihre im Mai 2020 geborene Tochter dort in der Gefahr sei, ebenso wie sie selbst Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung zu werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese in Gambia seit 2015 verboten ist; es wird aber nicht verkannt, dass die Tradition trotzdem noch praktiziert wird und insbesondere bei der Volksgruppe der Mandingo, welcher die Beschwerdeführerin angehört, weit verbreitet ist. Wenn die Beschwerdeführerin und von Österreich aus L.K. als Eltern gegen die Tradition auftreten und das Gesetz zudem auf ihrer Seite haben, ist dennoch davon auszugehen, dass sie die Durchführung einer weiblichen Genitalverstümmelung bei ihrer Tochter verhindern werden können. Im Übrigen ist eine mögliche Gefährdung ihrer Tochter nicht im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens zu prüfen.

2.4. Zu den Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin:

Wie bereits ausgeführt wurde, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nicht von ihrem Vater gegen ihren Willen verheiratet würde. Eine diesbezügliche Gefahr ergibt sich daher für sie nicht. Vielmehr geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ihre Ehe mit L.K. durch ihre Eltern arrangiert wurde und diese ebenfalls ihre Ausreise nach Österreich organisiert haben. Von einem Bruch mit ihrer Familie kann nicht ausgegangen werden, ist doch auch die Behauptung, dass sie ihrer Mutter Geld gestohlen habe, um die Reise eigenständig zu organisieren, nicht glaubwürdig.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher in weiterer Folge davon aus, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr wieder von ihrer Familie aufgenommen werden würde. Sie hätte daher eine Unterkunft zur Verfügung; auch wenn die Familie nicht vermögend ist, so besitzt sie doch ein landwirtschaftliches Grundstück und ist daher davon auszugehen, dass eine grundlegende Versorgung gegeben ist. Zudem könnte ihr Ehemann nach traditionellem Recht sie von Österreich aus unterstützen, wie er es auch in der Vergangenheit, so die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, getan hat.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass – wie sich aus den oben zitierten Berichten zu Gambia ergibt – Frauen in Gambia Opfer von Diskriminierung sind.

Auch wenn die Beschwerdeführerin mit ihrer im Mai 2020 geborenen Tochter nach Gambia zurückkehren würde, käme sie in keine existentielle Notlage. Es handelt sich dabei um das Kind aus der von den Eltern arrangierten Ehe und ist daher davon auszugehen, dass sie ebenfalls in den Familienverband aufgenommen wird.

Die Beschwerdeführerin gehört auch keiner der Covid-19-Risikogruppen an; zudem ist die aktuelle Situation in Österreich weitaus kritischer als in Gambia.

2.5. Zu den Länderfeststellungen:

Bei dem auszugsweise zitierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia, das auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurde, handelt es sich um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Darüber hinaus wurden weitere aktuelle Quellen zur Situation von Frauen in Gambia herangezogen, unter anderem eine aktualisierte Version des in der Beschwerde zitierten Berichts über die Lage der Menschenrechte des US Department of State.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Im Hinblick auf die behauptete Gefahr einer Verfolgung der Beschwerdeführerin durch eine ihr drohende Zwangsverheiratung wurde dargelegt, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. Sonstige Fluchtgründe wurden für ihre Person nicht vorgebracht. Soweit behauptet wurde, es bestehe die Gefahr, dass ihre Tochter bei ihrer Rückkehr Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung werde, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht Gegenstand des Verfahrens sein kann.

Der Beschwerdeführerin ist es damit im gesamten Verfahren nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Gambia keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

In der Beschwerde wurde argumentiert, dass der Beschwerdeführerin aufgrund der volatilen Sicherheitslage in Gambia subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Allerdings wurde dabei Bezug genommen auf die im angefochtenen Bescheid zitierten Berichte aus dem Jahr 2016. Inzwischen wurde der Langzeitpräsident Jammeh von Adama Barrow abgelöst und befindet sich das Land auf einem Weg Richtung Stabilisierung und Festigung der Demokratie. Die aktuelle Sicherheitslage in Gambia kann die Vergabe von subsidiärem Schutz nicht rechtfertigen. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH, 07.09.2020, Ra 2020/20/0314-6).

In der Beschwerde wurde weiters erklärt, dass der Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei, weil die Lage für Frauen prekär sei und Gambia zu den ärmsten Ländern der Welt gehöre. Auch wenn es der neuen Regierung noch nicht gelungen sein mag, die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich zu verbessern und die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass die wirtschaftliche Lage ihrer Familie schwierig gewesen sei, reicht dies doch nicht aus, um von einer existentiellen Notlage der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Gambia auszugehen. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exze

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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