TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 I413 2167557-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

I413 2167557-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX StA. NIGERIA, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Vorarlberg (BFA-V) vom 14.07.2017, Zl. XXXX 152055998,

A)

I. beschlossen:

Nach Zurückziehung der Beschwerden gegen Spruchpunkte I. und II. wird das Verfahren bezüglich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV. wird stattgegeben und Spruchpunkte III. und IV. der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 5 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, der Anführer seines Dorfes hätte ihn nicht leiden können und behaupte, er sei homosexuell, was nach seiner Kultur ein Verbrechen und eine Sünde sei. Er sei vom Anführer mit der Todesstrafe bedroht worden, Ältere Dorfbewohner hätten ihn geschlagen und beschimpft. Aus Angst um sein Leben hätte er sein Heimatdorf verlassen.

2. Am 22.06.2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen. Dort gab er zusammengefasst zu seinen Fluchtgründen an, er sei mit seinem homosexuellen Freund erwischt und anschließend geschlagen worden. Er sei nach Benin City zu einem Freund gegangen, wo er wieder sein normales Leben aufgenommen und sich wieder mit seinem schwulen Freund getroffen habe. Auch in Benin City seien sie erwischt und geschlagen worden. Sein Freund habe den Vorfall zur Anzeige gebracht. Er habe dann den Staat verlassen und nach Lagos gehen müssen. Dort habe er einen Mann getroffen, der ihm angeboten habe, in Maiduguri als Fahrer zu arbeiten. Er habe seinen homosexuellen Freund nachkommen lassen, sei aber nach 2 Wochen wieder nach Benin Citiy zurückgekehrt. Dann habe es Probleme mit Boko Haram gegeben, die eine Kirche niedergebrannt hätten. Darauf sei der Beschwerdeführer nach Kano gegangen, wo er Bustickets verkauft habe. Nachdem er wieder nach Lagos zurückgekehrt sei, habe er sich entschieden Nigeria zu verlassen, weil er in Lagos mit anderen Homosexuellen im Park erwischt worden und brutal zusammengeschlagen worden sei. Er sei homosexuell. Als ihn die belangte Behörde darauf aufmerksam machte, dass die Einvernahme durch zwei Männer dann erfolgen müsse, teilte er mit, bisexuell zu sein.

3. Am 19.09.2016 wurde der Beschwerdeführer nochmals durch die belangte Behörde einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, das vor ca 4 Jahren die Probleme begonnen hätten, er im Dezember 2012 den Herkunftsstaat verlassen habe und mit 32 Jahren bemerkt habe, dass er homosexuell sei. Er habe 2 Partner gehabt, die in Benin City lebten. Seine Homosexualität hätte er geheim gehalten. Es hätten im Jahr 2013 ihn und seinen Partner Personen beim Sex erwischt. Er habe keine Probleme mit der Religion gehabt.

4. Mit Bescheid vom 14.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag vom 24.12.2015 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten und eines subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und stellte fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 26.07.2017 zugestellten Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 09.08.2017.

6. Mit Schriftsatz vom 10.08.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit Eingabe vom 10.12.2019 legte die belangte Behörde eine E-Mail der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vor, wonach dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG erteilt werde.

8. Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 12.10.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I409 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugeteilt.

9. Mit Schreiben vom 14.10.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Bezirkshauptmannschaft Bregenz um Auskunft betreffend den am 03.12.2019 mitgeteilten Sachverhalt und um Vorlage des Aktes betreffend den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltskarte.

10. Mit Eingabe vom 20.10.2020 legte die Bezirkshauptmannschaft Kopien des Aktes betreffend das Verfahren zur Erteilung der Aufenthaltskarte vor.

11. Mit Ladung vom 27.10.2020 beraumte das Bundesverwaltungsgericht für 16.11.2020 die mündliche Verhandlung an.

12. Mit Urkundenvorlage vom 05.11.2020 legte die Rechtsvertretung die Heiratsurkunde des Beschwerdeführers betreffend seine Verehelichung mit der österreichischen Staatsangehörigen Isabella LINDER vor.

13. Mit Eingabe vom 10.11.2020 zog die Rechtsvertretung die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. zurück und ersuchte um Abberaumung der mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einzelrichter gemäß § 6 BVwGG erwogen:

Der in Punkt I. dargestellte Sachverhalt wird festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX in Benin City geboren und Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Er heiratete am 05.09.2016 in Bregenz die österreichische Staatsbürgerin Mag. Isabella XXXX , geb am XXXX , mit der er seit 14.09.2016 an einem gemeinsamen Wohnsitz in Bregenz lebt.

Mag XXXX ist bei der XXXX in Vorarlberg unselbständig beschäftigt und ging zwischen Mai 2019 bis Oktober 2019 einer weiteren Beschäftigung in der BRD bei XXXX , in D-88138 Weißenberg, XXXX , nach.

Am 10.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine bis zum 09.12.2024 gültige Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 54 NAG erteilt.

Am 10.11.2020 zog der Beschwerdeführer seine Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich zweifelsfrei aus der im Akt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz einliegenden Kopie des bis zum 02.07.2023 gültigen, nigerianischen Reisepasses. Aufgrund dieser und der ebenfalls in diesem Akt einliegenden, beglaubigten Kopie seiner Geburtsurkunde steht seine Identität unzweifelhaft fest.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

Die Feststellung zu seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz betreffend das Verfahren der Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte.

Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in Vorarlberg bei der Lebenshilfe und außerdem zwischen Mai und Oktober 2019 in der BRD gearbeitet hat, ergibt sich zweifelsfrei aus den im Akt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz einliegenden Kopien von Arbeitsbestätigungen und Lohnzetteln sowie der Kopie einer von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse ausgestellten A1 Bestätigung.

Die Feststellungen zur Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ergeben sich zweifelsfrei aus der Eingabe der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 10.11.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) I. Einstellung des Verfahrens

Gemäß § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe erfolgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Das Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG, Anm 5).

Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erklärte in ihrem Schreiben vom 10.11.2020 an das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich und zweifelsfrei, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. zurückzuziehen. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. rechtskräftig. Einer Sachentscheidung ist damit jede Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des gegenständlichen Verfahrens hinsichtlich dieser Spruchpunkte auszusprechen war.

Zu A) II. Teilweise Stattgebung der Beschwerde

Nach § 2 Abs 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger ua der Ehegatte eines Österreichers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat.

Bei Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hat die belangte Behörde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Dies gilt nach § 52 Abs 2 letzter Satz FPG jedoch nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 FPG kommt gegen begünstigte Drittstaatsangehörige von vornherein nicht in Betracht (vgl VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274; 26.02.2020, Ra 2019/20/0523). Auch ein Einreiseverbot nach dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG darf über begünstigte Drittstaatsangehörige nicht verhängt werden, weil auf sie die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige regelnden Bestimmungen des 4. Abschnitts des genannten Hauptstücks anzuwenden sind (vgl VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349; 26.02.2020, Ra 2019/20/0523). Die generelle Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ergibt sich schon daraus, dass die mit § 52 FPG umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach ihrem Art 2 Abs 3 nicht anzuwenden ist (vgl VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014, mwN; 26.02.2020, Ra 2019/20/0523).

Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Sie war - wenn auch nur für sechs Monate im Jahr 2019, in der BRD erwerbstätig und hat damit von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer ist daher begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 11 FPG ist (vgl zu den Voraussetzungen VwSlg 18.229 A/2011, mwN). Der Verfassungsgerichtshof (VfSlg 18.968/2009) vertrat im Zusammenhang mit § 57 NAG die Auffassung, dass sich ein Drittstaatsangehöriger bei Begründung eines Angehörigenverhältnisses zu einem EWR-Bürger auf die Richtlinie berufen könne, gleichgültig, wie der Drittstaatsangehörige in das Bundesgebiet gelangte und wann das Angehörigenverhältnis begründet wurde.

Wird - wie im vorliegenden Fall durch Heirat mit seiner österreichischen Ehefrau zwischen ihm als Drittstaatsangehörigen und ihr als Österreicherin ein Angehörigenverhältnis begründet, ist für das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers ausschlaggebend, ob seine Ehefrau von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, indem sie eines ihrer Rechte gemäß Art 18 und 39 ff EG im EWR-Raum außerhalb Österreichs ausübt oder ausgeübt hat (vgl EuGH 01.04.2008, Rs C-212/06, Gouvernement de la Communaute francaise, Gouvernement wallon/Gouvernement flamand, Rz 37). Dies ist aufgrund der Tätigkeit der Ehefrau in der BRD (Bayern) gegeben. Damit genießt auch der Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht in Österreich, wobei es keine Rolle spielt, wie der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet gelangt ist oder wann das Angehörigenverhältnis begründet wurde (VfSlg 18.968/2009).

Hierbei genügt es nach dieser Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 18.968/2009) bereits, dass die österreichische Ankerperson in der Vergangenheit einen Sachverhalt erfüllt hat, der als Inanspruchnahme der (nunmehr) unionsrechtlichen Freizügigkeit gemäß Art 18 und 39 ff EG (nunmehr Art 21 und 45 ff AEUV) anzusehen ist. Im konkreten Fall übte die Ehefrau die Freizügigkeit zwischen Mai und Oktober 2019 aus.

Es kommt aber nicht nur auf die Niederlassung in Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit an, sondern sind auch auf die Freizügigkeit in Ausübung der Dienstleistungsfreiheit (vgl dazu auch das Urteil des EuGH vom 02.02.1989, 186/87, Cowan, Rz 17) und - allgemeiner - auch die ohne wirtschaftliche Zweckbindung erfolgende Ausübung der Freizügigkeit nach Art 18 EG (nunmehr Art 21 AEUV; zu einem derartigen Fall in der Rechtsprechung des EuGH vgl EuGH 11.07.2002, C-224/98, Marie-Nathalie D 'Hoop, insbesondere dessen Rz 29 f.) von § 57 NAG erfasst. Das Recht auf Freizügigkeit im Sinn des Art 18 EG (nunmehr Art 21 AEUV) umfasst ua das Recht, in einen anderen Mitgliedstaat einzureisen (vgl auch die Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, die schon in ihrem Titel neben das Aufenthaltsrecht das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, stellt; vgl insbesondere auch Art 5 dieser Richtlinie). Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in der BRD keinen Wohnsitz begründet hatte, steht daher der Annahme, sie habe ihr Recht auf Freizügigkeit im Sinn des § 57 NAG in Anspruch genommen, nicht entgegen (vgl allgemein in Bezug auf Grenzgänger das Urteil EuGH 18.07.2007, C-212/05, Hartmann, Rz 18).

Nicht jede auch noch so geringfügige Ausübung des Freizügigkeitsrechts im Rahmen des § 57 NAG entfaltet aber Relevanz entfaltet (VwSlg 18.229 A/2011). Vielmehr wird es für die Anwendung der genannten Bestimmung erforderlich sein, dass die österreichische Ankerperson mit einer gewissen Nachhaltigkeit von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat (in diesem Sinn, wenn auch vor rein unionsrechtlichem Hintergrund, von einem "Bagatellvorbehalt" sprechend das Urteil des Deutschen Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.01.2011, 1C 23.09, Rz 13; dies andeutend auch VwGH 24.09.2009, 2007/18/0347, in dem ein zweiwöchiger Sprachaufenthalt zu beurteilen war). Was die Festlegung der Nachhaltigkeitsgrenze - auch unter dem hier relevanten Blickwinkel des § 57 NAG - anlangt, so liegt es nahe, auf die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerbegriff abzustellen. Der EuGH verlangt für die Qualifikation als Arbeitnehmer im Sinn von Art 39 EG (nunmehr Art 45 AEUV) jenseits des Erfordernisses einer abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt in einem anderen Mitgliedstaat einschränkend eine "tatsächliche und echte Tätigkeit", die keinen so geringen Umfang hat, dass es sich um eine "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" handelt. Dieser Maßstab lässt sich allgemein dergestalt auf alle Freizügigkeitsrechte übertragen, dass eine "tatsächliche und effektive" Ausübung derselben vorliegen muss.

In der erwähnten Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass die Höhe der Vergütung, die der Arbeitnehmer enthält, ebenso wenig von alleiniger Bedeutung ist wie das Ausmaß der Arbeitszeit und die Dauer des Dienstverhältnisses (vgl dazu die Darstellung von Windisch-Graetz in Mayer (Hrsg), EU-und EG-Vertrag, Art 39 EGV, Rz 9 ff). Fallbezogen kann es dann aber bei einer Gesamtschau keinem Zweifel unterliegen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Hinblick auf ihre kontinuierlich seit 28.10.2018 hin ausgeübte Tätigkeit von 20 Stunden pro Wochen in der BRD die erwähnte Bagatellschranke überschritten hat (vgl dazu VwSlg 18.229 A/2011 zu einer nahezu fünf Monate hin ausgeübte tageweise, nicht angemeldeten Tätigkeit in Tschechien).

Daher war im konkreten Fall die Eigenschaft des Beschwerdeführers als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu bejahen und erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erließ, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria feststellte und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festsetzte, als rechtswidrig, weshalb Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 5 VwGVG zu beheben waren.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, da das gegenständliche, einen Einzelfall betreffende Erkenntnis sich auf die nicht divergente, im Erkenntnis zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützt und der gegenständliche Einzelfall für sich nicht reversibel ist.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begünstigte Drittstaatsangehörige berücksichtigungswürdige Gründe Beschwerdezurückziehung Ehe Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Kassation Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2167557.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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