TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 I403 2236683-1

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2236683-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“ in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2020, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 09.01.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit „Verständigung von der Beweisaufnahme“ informiert, dass ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots eingeleitet worden sei. Auch die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihm kein Durchführungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Mit Schriftsatz vom 15.10.2020 wurde Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu das ausgesprochene Aufenthaltsverbot aufheben bzw. verkürzen, in eventu einen Durchsetzungsaufschub gewähren, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen und eine mündliche Verhandlung anberaumen. Inhaltlich wurde kritisiert, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht einvernommen habe. In Österreich sei der Beschwerdeführer erst einmal verurteilt worden. Er bereue seine Taten. Er wolle seine Kinder nach Österreich holen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 09.11.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Rumäniens; seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hielt sich von 2007 bis 12.02.2012 in Italien auf. Er wurde wegen einer Gruppenvergewaltigung, dreimal wegen Diebstahls, wegen der Verwendung von Falschgeld, wegen Hehlerei und wegen des Besitzes von Einbruchswerkzeugen/Diebesgut festgenommen bzw. angezeigt. 2012 wurde er abgeschoben.

2015 wurde er vom Amtsgericht XXXX , Zl. XXXX wegen schwerem Bandendiebstahl in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Er hatte eine Blende an Bankomaten angebracht, um das von Kunden behobene Geld zu entwenden. Insgesamt finden sich in Deutschland 18 Einträge wegen Verstößen gegen das Strafgesetzbuch, die zwischen 18.06.2015 und 31.05.2016 begangen wurden.

Seit November 2016 verfügt der Beschwerdeführer in Österreich über einen Wohnsitz. Seit April 2019 ist der Beschwerdeführer als selbständig Erwerbstätiger in Österreich gemeldet, zuvor ging er im Bundesgebiet keiner angemeldeten Beschäftigung nach. Er führt gemeinsam mit seinem Bruder ein Bordell, die „ XXXX “. Seine Ehefrau führt gemeinsam mit seinem Bruder die „ XXXX OG“.

In Österreich wurde der Beschwerdeführer bislang einmal verurteilt: Er hatte am 09.05.2017 eine Vollmacht für die Bestellung neuer Autokennzeichen gefälscht. Er wurde deswegen mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 02.10.2019, Zl. XXXX wegen des Vergehens der Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen in Höhe von 8 Euro verurteilt.

Die Polizei hatte allerdings in weiteren Fällen Ermittlungen angestellt und die Staatsanwaltschaft informiert, doch wurden die jeweiligen Verfahren eingestellt; aus den Abschlussberichten ergibt sich das folgende Bild:

Am 07.03.2019 wurde die Polizei gerufen. Ein ebenfalls rumänischer Staatsbürger, der in Österreich Arbeit suchte, gab an, mit dem Beschwerdeführer bekannt zu sein. Dieser habe ihm angeboten, ihm und seiner Freundin behilflich zu sein, habe aber negativ reagiert, als er das Angebot abgelehnt und gemeint habe, sich selbst um alles kümmern zu wollen. In den Morgenstunden des 07.03.2019 habe er Lärm gehört und gesehen, wie der Beschwerdeführer gemeinsam mit vier anderen seinen PKW beschädigte und schrie, dass man den rumänischen Staatsbürger töten wolle. Dies wurde vom Beschwerdeführer, der mit den vier anderen neben dem PKW angetroffen wurde, bestritten; er sei dorthin gekommen, um zu feiern und habe mit dem PKW, der Beschädigungsspuren aufwies, nichts zu tun.

Am 02.04.2019 wurde die Polizei zu dem vom Beschwerdeführer betriebenen Bordell gerufen. Nach Aussage des Bruders des Beschwerdeführers M-G. A. habe man im Lokal den Geburtstag seiner Freundin I-L C. gefeiert. Der Beschwerdeführer habe entgegen einer Vereinbarung mit seinem Bruder eine Prostituierte auf sein Zimmer mitgenommen, worauf er dann auch von I-L.C. angesprochen worden sei, da diese die Cousine der in Rumänien aufhältigen schwangeren Ehefrau des Beschwerdeführers sei. Der Beschwerdeführer habe gedroht, seinen Bruder und dessen Freundin zu „schneiden“, habe einen Aschenbecher und eine Flasche zerschlagen. Nachdem sein Bruder und dessen Freundin sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hätten, habe er die Rigips-Wand eingetreten. Der Beschwerdeführer gab zu, dass es eine Auseinandersetzung gegeben hatte und er die Rigips-Wand eingetreten hatte. Dass er seinen Bruder und dessen Freundin mit dem Umbringen gedroht habe, bestritt er.

Aus einem Anlassbericht der Polizei ergibt sich darüber hinaus, dass bereits seit 2018 gegen den Beschwerdeführer Ermittlungen aufgrund des Verdachtes der Zuhälterei erfolgten. Zwei rumänische Staatsbürgerinnen übten ab Dezember 2018 in einem Hotel illegal die Prostitution aus. Die Bezahlung der dafür herangezogenen Hotelzimmer erfolgte über die Kreditkarte des Beschwerdeführers; die Hotelangestellten nahmen ihn (und seinen Bruder sowie zwei andere Männer) dabei als „Aufpasser bzw. Beschützer“ wahr. In mehreren Fällen wurde der Beschwerdeführer des Nachts angehalten, als sich rumänische Staatsbürgerinnen, die der Polizei teilweise als Prostituierte bekannt waren, in seinem Auto befanden. Bei einer Sichtung des Mobiltelefons des Beschwerdeführers durch die Polizei am 30.07.2019 stellte sich heraus, dass von diesem Telefon aus unter verschiedenen Namen und mit den Fotos verschiedener Prostituierte ungeschützter Geschlechtsverkehr und illegale Prostitution (außerhalb des Bordells) angeboten wurde. Der Beschwerdeführer gab zu, eine Frau, welche aufgrund einer übertragbaren Krankheit kein Gesundheitsbuch erhalten hatte, in ein Hotel gebracht zu haben; er bestritt aber, etwas dafür erhalten zu haben oder auf eine andere Art in illegale Prostitution verwickelt zu sein. Sein Mobiltelefon habe er allen Mädchen und Frauen in seinem Bordell zur freien Verfügung gestellt.

Mit Bescheid der LPD XXXX vom 03.04.2019, Zl. XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot erlassen.

Die rumänische Ehefrau des Beschwerdeführers war vom 03.11.2016 bis 29.07.2017 mit einem Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Von 23.02.2018 bis 21.06.2018 und von 16.10.2018 bis 04.01.2019 war sie mit Hauptwohnsitz gemeldet. Danach hielt sie sich in Rumänien auf, wo sie das zweite Kind des Beschwerdeführers zur Welt brachte. Beide Kinder leben in Rumänien. Seit 08.01.2020 ist sie wieder im Bundesgebiet, konkret im Bordell ihres Ehemannes, gemeldet.

Am 03.02.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen eines Europäischen Haftbefehls festgenommen und am 18.03.2020 nach Deutschland ausgeliefert. Er befindet sich aktuell in der Justizanstalt XXXX , voraussichtliches Haftende ist am 29.07.2021.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister eingeholt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten rumänischen Identitätsnachweises fest.

Dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Bruder Gesellschafter eines Bordells ist, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Firmenbuch.

Die Ermittlungen rund um den Verdacht auf Zuhälterei und grenzüberschreitenden Prostitutionshandel ergeben sich aus einem Anlassbericht der LPD XXXX vom 09.09.2019. Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Vorwürfen ergeben sich aus der Beschuldigtenvernehmung am 05.02.2020.

Die Ereignisse des 07.03.2019 ergeben sich aus dem Abschlussbericht der LPD XXXX an die Staatsanwaltschaft XXXX vom 01.05.2019 ( XXXX )

Die Ereignisse am 02.04.2019 ergeben sich aus dem Abschlussbericht der LPD XXXX an die Staatsanwaltschaft XXXX vom 02.04.2019 ( XXXX ).

Die Feststellungen zu den Anzeigen in Italien ergeben sich aus einem Schreiben des Bundeskriminalamts, zu jenen in Deutschland aus einem Antwortschreiben auf einem Rechtshilfeersuchen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3. Zur Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:

§ 67 FPG lautet:

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder jener, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger Rumäniens ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus den folgenden Gründen abzuweisen:

Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt und da die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 bzw. mehr als 10 Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG daher zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Dem angefochtenen Aufenthaltsverbot liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer seit 2007 im Gebiet der Mitgliedstaaten immer wieder straffällig wurde. Er wurde in Italien wegen einer Gruppenvergewaltigung, dreimal wegen Diebstahls, wegen der Verwendung von Falschgeld, Hehlerei und Besitz von Einbruchswerkzeugen/Diebesgut angezeigt. 2012 wurde er abgeschoben. In Deutschland wird er mit 18 Eigentumsdelikten in den Jahren 2015 und 2016 in Verbindung gebracht und wurde er zu einer 18monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er aktuell verbüßt.

2016 begab er sich nach Österreich, wobei er in den ersten Jahren seines Aufenthaltes keiner Arbeit nachging. Erst seit April 2019 ist der Beschwerdeführer als selbständig Erwerbstätiger in Österreich gemeldet. Er führt gemeinsam mit seinem Bruder ein Bordell.

In Österreich wurde der Beschwerdeführer bislang einmal verurteilt: Er hatte am 09.05.2017 eine Vollmacht für die Bestellung neuer Autokennzeichen gefälscht. Er wurde deswegen mit Urteil des Bezirksgerichts vom 02.10.2019, Zl. XXXX wegen des Vergehens der Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen in Höhe von 8 Euro verurteilt.

Es gab allerdings weitere Ermittlungen, wie den oben getroffenen Feststellungen im Detail zu entnehmen ist. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass diese Ermittlungen bislang zu keiner weiteren Verurteilung geführt haben. Allerdings steht etwa fest, dass der Beschwerdeführer, wie er selbst zugab, in einem Akt der Aggression gegenüber seinem Bruder und dessen Freundin eine Wand eintrat und dass er einer Frau, der aufgrund einer übertragbaren Krankheit die Ausübung der Prostitution behördlich nicht gestattet war, dabei behilflich war, der illegalen Prostitution nachzugehen. Dass er auf seinem Mobiltelefon wissentlich Dienste illegaler Prostituierter anbot, ist anzunehmen, ist doch die Behauptung, dass er dieses Telefon in seinem Bordell liegen habe und es allen zur Verfügung stehe, wenig glaubhaft und auch nicht damit vereinbar, dass er dieses Telefon bei seiner polizeilichen Einvernahme bei sich hatte.

In der Beschwerde wurde moniert, dass die Behörde sich auch auf die Anzeigen gestützt habe, die letztlich nur zu einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft geführt hätten. Allerdings fügen sich die Anzeigen gemeinsam mit den in Italien und Deutschland gegen ihn erhobenen Vorwürfen zum Bild eines Mannes mit hohem Aggressionspotential zusammen, bei dem die Verwicklung in illegale Prostitution mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt. Gewisse Vorwürfe (Eintreten einer Wand, Unterstützung einer illegal tätigen Prostituierten) gestand der Beschwerdeführer in seinen polizeilichen Einvernahmen zudem auch ein und stützt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in ihrer Begründung erster Linie auf die zugestandene Unterstützung einer illegal tätigen Prostituierten.

Insgesamt ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie beim Beschwerdeführer eine beträchtliche kriminelle Energie verortet und entsprechend von einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

Wenn dem in der Beschwerde entgegengehalten wird, dass der Beschwerdeführer seine Fehler bereue und seine Lehren daraus ziehen wolle, so kann von einem Gesinnungswandel bei dem inhaftierten Beschwerdeführer, der seit 13 Jahren immer wieder straffällig wurde, nicht ausgegangen werden. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist primär daran zu prüfen, ob und wielange er sich in Freiheit wohlverhalten hat.

Es muss daher davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

In der Beschwerde wurde eine unzureichende Prüfung unter dem Aspekt des § 9 BFA-VG geltend gemacht. Der Beschwerdeführer betreibt mit seinem Bruder ein Bordell, sein Bruder und seine Ehefrau leben im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer spreche, so dass Beschwerdevorbringen, gut Deutsch und wolle seine Kinder nach Österreich nachholen. Auch wenn man all diese Aspekte berücksichtigt, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Von einem Familienleben mit seinem erwachsenen Bruder ist nicht auszugehen, wenn auch durchaus eine Nahebeziehung gegeben sein mag. Diese kann durch telefonische Kontakte oder durch Besuche des Bruders in Rumänien (oder in dem Mitgliedstaat, in dem der Beschwerdeführer vorhat sich niederzulassen) weiter aufrechterhalten werden. Mit seiner Ehefrau führt der Beschwerdeführer ein Familienleben, doch ist diesbezüglich auch festzuhalten, dass sich diese erst wieder seit Jänner 2020 im Bundesgebiet aufhält. Anscheinend war es dem Ehepaar davor auch möglich, die Ehe über die Entfernung aufrechtzuerhalten bzw. tut es dies auch aktuell, weil der Beschwerdeführer aufgrund seines Verhaltens eine Haftstrafe in Deutschland zu verbüßen hat. Eine Trennung wäre daher aufgrund der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet hinzunehmen. Zudem leben die beiden Kinder des Ehepaares in Rumänien und kann das gemeinsame Familienleben im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau fortgesetzt werden kann. Seine Ehefrau ist im Übrigen (laut AJ-Web) auch nicht bei der Sozialversicherung gemeldet.

Das Gericht verkennt auch nicht, dass der Beschwerdeführer ein wirtschaftliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, nachdem er gemeinsam mit seinem Bruder ein Bordell führt. Abgesehen davon, dass sich aufgrund der Nähe des Beschwerdeführers zur illegalen Prostitution und seine Unterstützung einer ohne Gesundheitsbuch arbeitenden Prostituierten die Frage nach seiner persönlichen Eignung für dieses Geschäft stellt, wird das Unternehmen aktuell in der Praxis auch von seinem Bruder alleine geführt, weil sich der Beschwerdeführer in Haft befindet.

Sonstige Aspekte eines Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich ein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben, das aber in Rumänien fortgesetzt werden kann bzw. wäre in diesem Fall eine Trennung zumutbar, da eine Fortsetzung der Beziehung durch Besuche der Ehefrau in Rumänien möglich ist. Eine umfassende Verankerung im Bundesgebiet liegt nicht vor. Das familiäre und private Interesse des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.

Im Hinblick auf die wiederholte Tatbegehung über einen langen Zeitraum und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ist ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot bei einer möglichen Höchstdauer von zehn Jahren angemessen. Aufgrund der beträchtlichen kriminellen Energie, die der Beschwerdeführer insbesondere auch in anderen Mitgliedstaaten zeigte, ist nicht davon auszugehen, dass er in einem kürzeren Zeitraum zu einem anderen Verhaltensmuster kommen wird. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er sich seit seiner Einreise nach Österreich Ende 2016 geändert hat, kam es doch immer wieder zu Anzeigen und polizeilichen Ermittlungen, die zumindest zu einer Verurteilung und einem Waffenverbot geführt haben.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Anhand seines Gesamtfehlverhaltens zeigte er unzweifelhaft, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung erforderlich und dringend geboten ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der maßgebende Sachverhalt wurde vom BFA abschließend ermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde Parteiengehör durch das BFA gewährt. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu den vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten bzw. den Anzeigen in Italien, Deutschland und Österreich blieben unbestritten. Soweit die Beschwerde moniert, dass sich die belangte Behörde auch auf Anzeigen, die zu keinen Verurteilungen führten, stützte, ist dem entgegenzuhalten, dass es dabei im Wesentlichen um die Unterstützung einer illegal tätigen Prostituierten ging, die vom Beschwerdeführer laut Protokoll zur Beschuldigtenvernehmung auch zugegeben wurde.

Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002).

Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2236683.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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