TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W261 2235454-1

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Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W261 2235454-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 13.08.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer war seit 10.11.2015 Inhaber eines bis zum 31.10.2019 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.).

Der Beschwerdeführer stellte am 14.02.2020 einen Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde).

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer mehrfach auf, aktuelle Befunde vorzulegen.

Nach Vorlage der aktuellen Befunde holte die belangte Behörde zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.07.2020 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte die medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung Zöliakie (ED 2014) und einen Grad der Behinderung von 20 von Hundert (in der Folge v.H.) fest.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 15.07.2020 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.08.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass seine maßgeblichen Beschwerden, welche ihn sein ganzes Leben begleiten würden, nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Es komme immer wieder vor, dass er aus Versehen glutenhaltige Lebensmittel erwische. Die kleinste Verfehlung seiner Diät führe bei ihm zu einer enormen Übelkeit, gepaart mit extremen Bauchkrämpfen gefolgt von tagelangem Durchfall. Sein Körper sei dann völlig ausgemergelt, und er sei dann zwei Tage lang nicht in der Lage, irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Was seinen Körper zusätzlich belaste, seien ganzjährigen Allergien wie gegen Hausstaubmilbe, Gräser und Schimmelpilze, an denen er verstärkt durch seine Darmproblematik leide. Er sei seit seinem 12. Lebensjahr mit 50 % eingestuft gewesen. Es habe sich an seiner Krankheit und den dadurch bestehenden Beeinträchtigungen in seinem alltäglichen Leben nichts verändert. Er könne die Herabsetzung von 50 % auf 20% in keinster Weise nachvollziehen, und er ersuche um eine neuerliche Einschätzung.

Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde keine ärztlichen Befunde bei.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 25.09.2020 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.09.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichische Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer war seit 10.11.2015 Inhaber eines bis 31.10.2019 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. wegen seines Leidens der Zöliakie.

Der Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses langte am 14.02.2020 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand: mittelgroßer normgewichtiger Patient.

Ernährungszustand: normal.

Größe: 177,00 cm  Gewicht: 77,00 kg  Blutdruck: 125/75

Klinischer Status – Fachstatus:

Haut und sichtbare Schleimhäute unauffällig, Zunge feucht und rein, HNO- Bereich frei, Sehen mit Brille korrigiert, Hören normal, Thorax symmetrisch, Cor und Pulmo klinisch unauffällig, Abdomen weich, kein DS, keine Defense oder Resistenz, Hepar und Lien nicht tastbar.

Obere Extremitäten:

Faustschluss seitengleich unauffällig, Schürzen- und Nackengriff beidseits ungehindert.

Wirbelsäule:

Gerade, kein Klopfschmerz, Nierenlager beidseits frei.

Untere Extremitäten:

Frei beweglich, neurologischer Status: grob klinisch unauffällig

Gesamtmobilität – Gangbild: Normalschrittig, sicher und frei.

Beim mittlerweile volljährigen Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Zöliakie (Erstdiagnose 2014)

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.07.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

Darin wird auf die Art des Leiden des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ausführt, dass er bei einem kleinen Verstoß gegen seine strenge Diät unter massiven Darmbeschwerden leidet, welche es ihm für zwei Tage verunmöglichen würden, irgendeiner Tätigkeit nachzugehen, so ist dies grundsätzlich glaubhaft und bei seiner Grunderkrankung, der Zöliakie, durchaus nachvollziehbar. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beschwerdeführer angibt, dass er bei strenger Diät beschwerdefrei ist, worauf es letztendlich bei der Einschätzung seines Leidens nach der Einschätzungsverordnung ankommt. Es können nur Leidenszustände berücksichtigt werden, welche trotz des Ausnutzens aller Therapieoptionen, wozu auch eine Diät zählt, länger als sechs Monate andauern.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbringt, dass er auch an Allergien leide, welche nicht berücksichtigt worden seien, so ist ihm entgegen zu halten, dass er hierzu keine medizinischen Befunde vorlegte, welche diese Leiden objektivieren. Zudem gab er bei der medizinischen Untersuchung am 14.07.2020 bei der Frage der medizinischen Sachverständigen nach seinen Beschwerden dazu nichts an. Daher kann diesem Vorbringen mangels Objektivierbarkeit nicht gefolgt werden.

Für den Beschwerdeführer ist es nicht nachvollziehbar, dass er seit seinem 12. Lebensjahr unter Zöliakie leidet, bisher immer einen Behindertenpass ausgestellt erhalten hatte, und ihm beim gleichen Leidenszustand nunmehr, nachdem er seine Volljährigkeit erreicht hat, kein Behindertenpass mehr ausgestellt wird, und das selbe Leiden nunmehr mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. eingestuft wird.

Der Grund hierfür liegt in der Einschätzungsverordnung (EVO). So sieht die EVO in Position 09.03.02 bei Stoffwechselstörungen leichten Grades bis zum vollendeten 18. Lebensjahr eine Einschätzung mit einem Grad der Behinderung von 50 % vor. Dies ist darin begründet, dass bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten Lebensjahr eine strikte Diäteinhaltung und/oder eine strikte Einhaltung ergänzender therapeutischer Maßnahmen besonders wichtig ist, um Spätfolgen und eine rapide Verschlimmerung während der besonders vulnerablen Phase der Entwicklung zu vermeiden.

Bei volljährigen Personen, wie es der Beschwerdeführer ist, die zwar eine strenge Diät einhalten müssen, jedoch diese diätischen Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen ermöglichen, die Krankheit weitgehend stabil, das Alltags- und das Arbeitsleben weitgehend ungehindert möglich und die Freizeitgestaltung nicht oder wenig eingeschränkt ist, liegt nach der EVO eine Stoffwechselstörung leichten Grades vor. Je umfassender die Therapiemaßnahmen, desto höher ist die Einschätzung des Grades der Behinderung nach der EVO.

Nachdem der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer selbst angab, dass er ausschließlich eine strenge Diät halten muss, und bei Einhaltung dieser Diät beschwerdefrei ist, erfolgte die Einschätzung richtig nach Position 09.03.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 %.

Die medizinische Sachverständige geht in ihrem Gutachten vom 14.07.2020 ausführlich auf sämtliche Befunde des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgericht bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 14.07.2020. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

...“

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt erfolgte die Einschätzung des Grades der Behinderung für das Leiden des Beschwerdeführers, einer Zöliakie, wobei er bei Einhaltung einer strengen Diät beschwerdefrei ist, richtig nach Position 09.03.01. der EVO als Stoffwechselstörung leichten Grades mit einem Grad der Behinderung von 20 %.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.07.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag zu Grunde gelegt.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Ein Erörterung dieses Gutachtens in einer mündlichen Beschwerdeverhandlung würde zu keinem anderen Ergebnis führen, zumal unbestritten feststeht, dass der Beschwerdeführer an einer Zöliakie leidet, welche einzig aufgrund des Umstandes, dass er nunmehr volljährig ist, rechtlich anders nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen ist, als dies der Fall gewesen ist, als der Beschwerdeführer noch minderjährig gewesen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2235454.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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