Entscheidungsdatum
17.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W207 2235859-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den ÖZIV Burgenland – Verband für Menschen mit Behinderung, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 16.09.2020, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte am 04.06.2020 beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) im Wege seiner Rechtsvertretung einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), der entsprechend dem Antragsformular für den - auf den Beschwerdeführer zutreffenden - Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag wurden ein Befund eines näher genannten Krankenhauses vom 06.05.2019, eine Meldebestätigung und eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht vom 03.06.2020 zugunsten des ÖZIV Burgenland beigelegt.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 16.08.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.08.2020, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„…
Anamnese:
2018 4-fach Bypass am Hertz mit nachfolgendem Kompartmentsyndrom und - Spaltung am linken Unterschenkel mit Peroneusparese entsprechend einer Volkmannschen Kontraktur.
10/2019 Steigbügelplastik nach Narakas und Achillessehnenverlängerung links.
1975 Naht der äußeren Seitenbänder an den Kniegelenken. Operierter Ringfingerbruch rechts.
Derzeitige Beschwerden:
Ich kann nicht weit gehen, dann bekomme ich keine Luft, dann schmerzt auch die rechte Hüfte.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Candesartan, Concor, Spirono, Rosuvastatin, Candeblo, T-ASS, Panoloc, Novalgin, Ezetimib, Allopurinol
Laufende Therapie: dzt. keine
Hilfsmittel: 1 Unterarmstützkrücken rechts
Sozialanamnese:
Pens.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
05/2019 Befundbericht XXX beschreibt 4-fach Bypass 2018 mit nachfolgendem Kompartmentsyndrom und - spaltung am linken Unterschenkel mit Peroneusparese mit Fallfuß entsprechend einer Volkmannschen Kontraktur. Geplant ist für 10/2019 eine Steigbügelplastik nach Narakas links
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
altersentsprechend
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 173,00 cm Gewicht: 93,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig
Hals: unauffällig, Pulse vorhanden, Venen nicht gestaut
Thorax: symmetrisch, elastisch, 20 cm lange blasse Narb über dem Brustbein.
Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch, Herz: rhythmisch, rein.
Abdomen: Bauchdecken weich, kein Druckschmerz, pflaumengroßer Nabelbruch.
Obere Extremitäten:
Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.
Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Untere Extremitäten:
Der Barfußgang ohne Gehhilfe ist deutlich linkshinkend. Zehenballen-, Fersenstand und Einbeinstand links nicht möglich, Anhocken ist gut ½ möglich. Die Beinachse ist im Lot. Mäßig Muskelverschmächtigung am linken Oberschenkel, deutlich am linken Unterschenkel.
Beinlänge ist gleich. Die Sensibilität wird am linken Unterschenkel und Fuß als bamstig angegeben. Füße sind warm. Die Fußsohlenbeschwielung ist links herabgesetzt.
Linker Unterschenkel: Mehrfach blande Narben nach Compartmentspaltung. Das Sprunggelenk ist in Neutralstellung wackelsteif. Blande Narbe entlang der Achillessehne.
An den Kniegelenken blasse Narben außenseitig. Die Gelenke sind ergussfrei und bandfest. Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Beweglichkeit:
Hüften seitengleich frei, Knie S 0-0-120 beidseits, rechtes Sprunggelenk frei, links 0-0
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken sind horizontal. Im Lot. Regelrechte Krümmungsverhältnisse.
Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Beweglichkeit:
Halswirbelsäule: allseits endlagig eingeschränkt
Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 25, Seitwärtsneigen und Rotation endlagig eingeschränkt.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt in Turnschuhen mit 1 Unterarmstützkrücke rechts zur Untersuchung, das Gangbild ist gering linkshinkend, sicher. Das Aus- und Ankleiden wird überwiegend im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
wach, Sprache unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Koronare Herzkrankheit
Oberer Rahmensatz dieser Position, da Zustand nach 4-fach Bypass, ohne klinischer Dekompensationszeichen.
05.05.02
40
2
Funktionsbehinderung am linken Sprunggelenk nach Engpasssyndrom am Unterschenkel
Wahl dieser Position mit 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da in Neutralstellung funktionell steif.
02.05.32
30
3
Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat
Oberer Rahmensatz dieser Position, da geringe Funktionsbehinderung an Wirbelsäule und Knien
02.02.01
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 gemeinsam um 1 Stufe erhöht, wegen relevanter Zusatzbehinderung.
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist mit 1 Unterarmstützkrücke zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
…“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 19.08.2020 wurde der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 16.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Schreiben übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Es wurde innerhalb der dafür gewährten Frist keine Stellungnahme bei der belangten Behörde eingebracht.
Ebenso am 19.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ein unbefristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigungen gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" übermittelt.
Hingegen wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16.09.2020 der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.06.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.
Mit E-Mail vom 05.10.2020 brachte der Beschwerdeführer ohne Vorlage neuer Beweismittel im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.09.2020, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.06.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen worden war, folgenden Inhalts – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – ein:
„Sachverhalt:
Herrn P. ist nach Antragstellung ein Behindertenpass mit 50% GdB zuerkannt worden. Die Zusatzeintragung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist für Herrn P. notwendig um die selbstbestimmte und eigenständige Lebensführung gewährleisten zu können. Herr P. kann aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht lange stehen, was die Beförderung unmöglich macht, da nicht sichergestellt werden kann, dass ein Sitzplatz vorhanden ist. Auch die Tatsache, dass die Wartezeit auf das Verkehrsmittel nur mit Sitzgelegenheit überbrückt werden kann, spricht gegen die Benützung. Aufgrund der Tatsache, dass Herr P. auf die Stützkrücke angewiesen ist, kann auf öffentliche Verkehrsmittel nicht zurückgegriffen werden, sobald Gepäck in irgendeiner Form mit befördert werden muss. Die Anmarschwege sind aufgrund der negativen Beeinflussung durch die Herzerkrankung nicht möglich.
Deshalb wird nachstehender Antrag gestellt:
Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführenden Partei die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass zuzuerkennen.“
Die belangte Behörde legte am 08.10.2020 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Der Beschwerdeführer stellte am 04.06.2020 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanten Funktionseinschränkungen:
1. Koronare Herzkrankheit, Zustand nach 4-fach Bypass, ohne klinische Dekompensationszeichen;
2. Funktionsbehinderung am linken Sprunggelenk nach Engpasssyndrom am Unterschenkel, in Neutralstellung funktionell steif;
3. Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit geringer Funktionsbehinderung an Wirbelsäule und Knien.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen im von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden unfallchirurgischen/allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 16.08.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Vorliegen eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 16.08.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.08.2020. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers wurde vom medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist.
Der von der belangten Behörde herangezogene Facharzt für Unfallchirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin gelangte in seinem Sachverständigengutachten vom 16.08.2020 unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass beim Beschwerdeführer weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestehen. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m, ist dem Beschwerdeführer mithilfe einer Unterarmstützkrücke - bei einem Gehbehelf (z.B. der vom Beschwerdeführer verwendeten Unterarmstützkrücke) handelt es sich um eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit iSd § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können vom Beschwerdeführer überwunden werden, es besteht des Weiteren ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten und sind die Greifformen erhalten.
Diese Schlussfolgerungen des Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin finden auch Bestätigung in den Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.08.2020 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung („Allgemeinzustand: altersentsprechend Ernährungszustand: adipös Größe: 173,00 cm Gewicht: 93,00 kg Klinischer Status - Fachstatus: Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig Hals: unauffällig, Pulse vorhanden, Venen nicht gestaut Thorax: symmetrisch, elastisch, 20 cm lange blasse Narb über dem Brustbein. Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch, Herz: rhythmisch, rein. Abdomen: Bauchdecken weich, kein Druckschmerz, pflaumengroßer Nabelbruch. Obere Extremitäten: Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich. Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Untere Extremitäten: Der Barfußgang ohne Gehhilfe ist deutlich linkshinkend. Zehenballen-, Fersenstand und Einbeinstand links nicht möglich, Anhocken ist gut ½ möglich. Die Beinachse ist im Lot. Mäßig Muskelverschmächtigung am linken Oberschenkel, deutlich am linken Unterschenkel. Beinlänge ist gleich. Die Sensibilität wird am linken Unterschenkel und Fuß als bamstig angegeben. Füße sind warm. Die Fußsohlenbeschwielung ist links herabgesetzt. Linker Unterschenkel: Mehrfach blande Narben nach Compartmentspaltung. Das Sprunggelenk ist in Neutralstellung wackelsteif. Blande Narbe entlang der Achillessehne. An den Kniegelenken blasse Narben außenseitig. Die Gelenke sind ergussfrei und bandfest. Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Beweglichkeit: Hüften seitengleich frei, Knie S 0-0-120 beidseits, rechtes Sprunggelenk frei, links 0-0 Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken sind horizontal. Im Lot. Regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Beweglichkeit: Halswirbelsäule: allseits endlagig eingeschränkt Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 25, Seitwärtsneigen und Rotation endlagig eingeschränkt. Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt in Turnschuhen mit 1 Unterarmstützkrücke rechts zur Untersuchung, das Gangbild ist gering linkshinkend, sicher. Das Aus- und Ankleiden wird überwiegend im Sitzen durchgeführt.“). Daraus ergibt sich, auch bestätigt durch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass beim Beschwerdeführer zwar unbestritten nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen – insbesondere im Bereich der körperlichen Belastbarkeit und des linken Beines - vorliegen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, dass aber die in der Beschwerde vorgebrachten, subjektiv empfundenen Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (er könne nicht lange stehen und sei immer auf eine Sitzgelegenheit angewiesen) nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - objektiviert werden konnten.
Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte der rechtlich vertretene Beschwerdeführer daher im Beschwerdeverfahren kein Vorbringen, das die Beurteilungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; der Beschwerdeführer legte der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Der rechtlich vertretene Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.08.2020. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 …
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…
…
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B.: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.09.2020 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit auch nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde in dem im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 16.08.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm unzweifelhaft vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Beim Beschwerdeführer sind ausgehend davon aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Auch unter Berücksichtigung der beim Beschwerdeführer unbestritten bestehenden Funktionseinschränkungen vermag der Beschwerdeführer aktuell noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, der Beschwerdeführer sei auf die Stützkrücke angewiesen, es könne daher auf öffentliche Verkehrsmittel nicht zurückgegriffen werden, sobald Gepäck in irgendeiner Form mit befördert werden müsse, so ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Stützkrücke, die das Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel mit der anderen freien Hand ermöglicht, um eine zu berücksichtigende zumutbare Kompensationsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen handelt.
Insoweit in der Beschwerde aber vorgebracht wird, die Anmarschwege seien aufgrund der negativen Beeinflussung durch die Herzerkrankung nicht möglich, so ist dieses Vorbringen zum einen in dieser Form und Intensität nicht objektiviert; als führendes Leiden 1 wurde – was vom Beschwerdeführer im Rahmen der Passausstellung unangefochten geblieben ist – eine „Koronare Herzkrankheit“ bei Zustand nach 4-fach Bypass, aber ohne klinische Dekompensationszeichen festgestellt, woraus eine erhebliche Reduktion der kardialen Leistungsfähigkeit nicht abgeleitet werden kann. Zum anderen aber ist in diesem Zusammenhang auch darauf zu verweisen, dass es in rechtlicher Hinsicht bei der Beurteilung der Frage der (Un)Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Der rechtlich vertretene Beschwerdeführer ist den Ausführungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, in der Beschwerde nicht ausreichend substantiiert und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend substantiiert die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2235859.1.00Im RIS seit
29.01.2021Zuletzt aktualisiert am
29.01.2021