TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/20 W164 2236431-1

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Entscheidungsdatum

20.11.2020

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch


W164 2236431-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert POROD (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Mag. Kurt RETZER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 16.10.2020, Zl. WF 2020-566-3-001298 AW, AMS Mistelbach, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ihrer in einer Angelegenheit des § 10 AlVG erhobenen Beschwerde, nach Durchführung einer nichtöffentlichen Beratung vom 16.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VWGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 14.10.2020, Zl. VSNr XXXX , AMS Mistelbach, sprach das Arbeitsmarktservice, (im Folgenden AMS) aus, dass die nunmehrigen Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) gemäß §§ 38 iVm10 AlVG idgF den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 17.09.2020 bis 11.11.2020 verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde.

Mit dem hier gegenständlichen Bescheid vom 16.10.2020, Zl. WF 2020-566-3-001298 AW, AMS Mistelbach, hat das AMS die aufschiebende Wirkung der oben genannten Beschwerde gem. § 13 Abs 2 VwGVG idgF iVm §56 Abs 2 und 58 AlVG idgF ausgeschlossen. Zur Begründung führte das AMS aus, das Arbeitslosenversicherungsrecht bezwecke arbeitslos gewordene Versicherte durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und in die Lage zu versetzen, den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. § 10 AlVG sanktioniere durch befristeten Leistungsausschluss diejenigen Personen, die erforderliche Anstrengungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit schuldhaft unterlassen oder vereiteln.

Die Entscheidung über die Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Hiezu werde festgestellt, dass der BF bereits seit 07.09.2011 im Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung stehe, sohin Langzeitarbeitslosigkeit vorliege. Seit seiner zuletzt erworbenen Anwartschaft seien bereits wiederholt Sanktionen gem. § 10 AlVG verhängt worden. Aktuell werde gegen ihn Exekution geführt. Die Einbringlichkeit der Forderung wäre bei vorläufiger Anweisung der Leistung gefährdet.

Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiven Gründen im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen. Insgesamt diene dieses Vorgehen dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Aus diesem Grund überwiege in diesem Fall das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.

Eine Entscheidung in der Hauptsache (Anm.: der Frage der VereitelungiSd § 10 AlVG) werde damit nicht vorweggenommen.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, sie missbrauche sicherlich keine Leistungen vom AMS Mistelbach. Sie müsse zwei Kinder ernähren. Die der BF zugewiesene Beschäftigungsmöglichkeit hätte, auch wenn sie begonnen worden wäre, nur wenige Tage dauern können, da zwischen den beteiligten Personen eine auf die Vergangenheit zurückgehende persönliche Feindschaft bestehe. Die potentielle Dienstgeberin habe unwahre Angaben gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. § 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis Ra 2017/08/0065 vom 07.09.2017, klargestellt hat, trägt § 56 Abs 2 AlVG dem Legalitätsprinzip iSd Art 18 Abs. 1 iVm Art 83 Abs 2 B-VG Rechnung, wonach der Gesetzgeber insbesondere in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss (vgl. das hg Erkenntnis vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0159). § 9 Abs 1 BVwGG betrifft hingegen nur die der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse. Gegenständlich ist (Haupt)Sache die Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung ausschließenden Bescheid vom 24.09.2020, Zl. WF 2020-566-3-001158 AW, AMS Hollabrunn. Im vorliegenden Fall ist daher Senatszuständigkeit gegeben.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A):

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.

Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich, also ohne unnötigen Aufschub und ohne schuldhaftes Zögern zu entscheiden (VwGH 10.10.2014, Ro 2014/02/0020).

Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu entscheiden (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028).

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfällige Interessen anderer Parteien abzuwägen. Es ist als erster Schritt zu prüfen, ob ein Überwiegen der berührten öffentlichen oder der Interessen anderer Parteien gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers vorliegt. Überwiegen die berührten öffentlichen Interessen oder die Interessen anderer Parteien, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Vollzug dringend geboten ist. Gefahr im Verzug bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist (VwGH 24.5.2002, 2002/17/0001) (vgl. Eder/Martschin/Schmid Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Verlag NVW, 2. überarbeitete Auflage 2017; K1, K12, K18, K19, E10, zu § 13 VwGVG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018 in einem dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbaren Fall folgendes ausgeführt:

„[…]

20. In dem die Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG idF des Verwaltungsgerichtsbarkeits-AnpassungsG - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, BGBl I Nr. 71/2013, betreffenden Erkenntnis VfGH 2.12.2014, G 74/2014, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die angefochtene Bestimmung von den in § 13 und § 15 VwGVG getroffenen Regelungen abweiche, die grundsätzlich die aufschiebende Wirkung von Beschwerden vorsehen würden. Vom VwGVG abweichende Regelungen dürften gemäß Art. 136 Abs. 2 B-VG nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" seien. Der Verfassungsgerichtshof verkenne nicht, dass im Arbeitslosenversicherungsrecht zweifellos eine besonders große Zahl von Verfahren und Beschwerden von den zuständigen Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht zu bewältigen sei. Ebenso sei anzuerkennen, dass mit dem in § 56 Abs. 3 AlVG grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen begegnet werden solle. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Bestimmung das Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu gewährleisten, besonders stark gewichtet. Trotz dieser für sich genommen erheblichen Gesichtspunkte entspreche die verfahrensrechtliche Sonderregelung des § 56 Abs. 3 AlVG nicht dem Kriterium der Erforderlichkeit iSd Art. 136 Abs. 2 B-VG, weil sie dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes insoweit widerspreche, als sie dem Interesse des einzelnen Versicherten, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist, nicht hinreichend Rechnung trage. Insbesondere lasse § 56 Abs. 3 AlVG es nicht zu, die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen von Verfahrensparteien abzuwägen.

21. Nach dem im vorliegenden Fall anzuwendenden § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG (vgl. § 64 Abs. 2 AVG) kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid, der die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen hat, keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

22. Die Entscheidung über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028). Die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis aufgezeigten Rechtsschutzdefizite bestehen bei der hier anzuwendenden Regelung nicht. § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

23. Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

24. Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.

25. Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035).

26. Im [Anm.: dem VwGH seinerzeit] vorliegenden Fall hat der Mitbeteiligte kein Vorbringen darüber erstattet, dass ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass seine Beschwerde gegen die Verhängung der Sperrfrist wahrscheinlich Erfolg haben wird. Eine Abwägung seiner Interessen an der Weiterzahlung der Notstandshilfe mit den beschriebenen öffentlichen Interessen an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd § 10 Abs. 1 AlVG und an der Einbringlichkeit von Rückforderungsansprüchen ergibt ein Überwiegen der öffentlichen Interessen. Angesichts der vom AMS festgestellten Umstände des Einzelfalls ist auch von einem so gravierenden Nachteil für die berührten öffentlichen Interessen auszugehen, dass Gefahr im Verzug vorliegt.
[…]“

In seinem Erkenntnis Ra 2020/08/0030 vom 27.04.2020 hat der VwGH in gleicher Weise über eine Beschwerde entschieden, in der seitens der dortigen BF behauptet wurde, dass sie die zugewiesene Beschäftigungsmöglichkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte antreten können.

Für den hier vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Prima facie sind keine Erfolgsaussichten der vorliegenden Beschwerde evident.

Bezüglich der Einbringlichkeit hat die BF keine Angaben gemacht, die für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen würden. Wie sich aus der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, hätte die BF die in ihrer Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen würden, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) ihrer Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen gehabt, damit das Verwaltungsgericht die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen hätte können, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu eoben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einer Gefährdung der Einbringlichkeit auszugehen.

Bezüglich ihrer Interessenslage hat der BF eingewendet, dass sie zwei Kinder zu ernähren habe. Wie sich aus der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG), deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat damit klargestellt, dass er dem disziplinieren Gesetzeszweck des § 10 Abs 1 Z 1 AlVG zentrale Bedeutung einräumt, sodass dieser nur bei besonders berücksichtigungswürdigen Umständen des Einzelfalls, etwa im Fall einer unverhältnismäßigen sozialen Härte, nicht ohne Aufschub zur Anwendung kommen soll. Die BF hätte derartige Umstände allerdings spätestens in der Begründung ihrer Beschwerde konkret darzutun und zu bescheinigen gehabt. Der bloße Hinweis auf Sorgeplichten in der Beschwerde reicht zur Untermauerung einer unverhältnismäßigen sozialen Härte im Sinne dieser höchstgerichtlichen Judikatur nicht aus. Dass das Familieneinkommen der BF im vorliegenden Fall als Folge des verfahrensgegenständlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung unter eine bestimmte existenzbedrohende Grenze geraten würde, hat die BF in ihrer Beschwerde nicht konkret dargetan.

Unter Berücksichtigung der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war daher - ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte - festzustellen, dass im vorliegenden Fall eine Abwägung der Interessen der BF an der Weiterzahlung der Notstandshilfe mit den beschriebenen öffentlichen Interessen an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd § 10 Abs. 1 AlVG und an der Einbringlichkeit von Rückforderungsansprüchen ein Überwiegen der öffentlichen Interessen ergibt sowie dass Gefahr im Verzug vorliegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Interessenabwägung Konkretisierung öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2236431.1.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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