Entscheidungsdatum
25.11.2020Norm
AlVG §10Spruch
W269 2229348-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf NORTH und Peter STATTMANN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian BURGHARDT als gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 10.10.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.01.2020, GZ: XXXX , betreffend den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG beschlossen:
A) Das Beschwerdeverfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 10.10.2019 sprach das Arbeitsmarktservice XXXX gemäß § 38 iVm § 10 AlVG aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 28.07.2019 bis 07.09.2019 verloren habe. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten das Zustandekommen einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der Firma Mimoza Restaurant vereitelt hätten.
2. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde führte der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin infolge einer schweren psychischen Erkrankung nur bedingt arbeitsfähig sei und aus diesem Grund Termine oft nicht einhalten könnte.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 08.01.2020 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid mit näherer Begründung abgewiesen.
4. Die Beschwerdeführerin brachte über ihren Erwachsenenvertreter fristgerecht einen Vorlageantrag ein.
5. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.03.2020 vorgelegt.
6. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde in der Beschwerdesache eine mündliche Verhandlung für den 16.12.2020 anberaumt.
7. Mittels Faxeingabe vom 23.11.2020 teilte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter, mit, dass sie die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 10.10.2019 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.01.2020 zurückziehe.
8. Die geplante Verhandlung wurde am 24.11.2020 vom Bundesverwaltungsgericht abberaumt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin zog über ihren Erwachsenenvertreter ihre Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid mittels Faxeingabe vom 23.11.2020 zurück.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
Die Feststellung, dass die Beschwerde am 23.11.2020 zurückgezogen wurde, ergibt sich aus dem Inhalt der Faxeingabe vom 23.11.2020.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
3.2. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Einstellung des Verfahrens:
3.3. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).
Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. z.B. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).
Eine solche Erklärung lag im gegenständlichen Fall vor, da die die Zurückziehung der Beschwerde mittels Faxeingabe eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde.
In welchen Fällen „das Verfahren einzustellen“ ist (§ 28 Abs. 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 08.01.2020, die dem bekämpften Ausgangsbescheid vom 10.10.2019 endgültig derogiert (vgl. dazu zuletzt VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185), ist aufgrund der erklärten Zurückziehung der Beschwerde rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des betreffenden Beschwerdeverfahrens auszusprechen war.
3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.
Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde und ihrer Zurückziehung am 23.11.2020 hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. zur Einstellung bei Zurückziehung etwa VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320; 29.04.2015, Fr 2014/20/0047). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W269.2229348.1.00Im RIS seit
29.01.2021Zuletzt aktualisiert am
29.01.2021