Entscheidungsdatum
26.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2233263-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Austrolaw Sommerbauer & Dohr Rechtsanwälte, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Sozialministeriumservice, Landesstelle NÖ, vom 15.06.2020, OB: 70684116500070, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei stellte unter Vorlage von unter anderem medizinischen Unterlagen am 07.10.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.
Mit Schreiben vom 20.12.2019 und 30.12.2019 übermittelte die Beschwerdeführerin zwei weitere Befunde, eine Ambulanzkarte und eine Verordnung.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.01.2020, basierend auf einer Begutachtung am selben Tag, ergab Folgendes:
„Anamnese:
2011 Z.n. Nierentransplantation bei terminaler Niereninsuffizienz, 2015 Z.n. Leistenbruch-OP rechts, 06/2018 Z.n. VKU mit multiplen Frakturen, unter anderem Kompressionsfraktur L 2, konservativ behandelt, Z.n. Laminektomie C4-C6 bei posttraumatischer Kontusionsmyelopathie, es besteht ein inkomplettes Querschnittsyndrom mit rechtsbetonter Tetraparese, paroxysmales Vorhofflimmern, Z.n. CHE und Halbschlitten beide Kniegelenke 2017 und 2018
Derzeitige Beschwerden:
beide Beine fühlen sich schwer an, dadurch ist das Gehen erschwert, Gefühllosigkeit in beiden Fußsohlen oft bis zu den Oberschenkeln reichend, Gefühl wie eingefroren, zeitweise Krampf in den Waden und Zehen, rechte Hand ist kraftlos und gefühllos, auch hier oft Krämpfe die bis zum Oberarm reichen, linker Zeigefinger oft gefühllos
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Advagraf 1mg 1x3, Aprednisolon 5mg 1x1, Myfortic 180mg 2x1, Nexium, Dilatrend, Lisinopril, Simvastatin, Oleovit D3, Eliquis, Bonviva, bei Bedarf Mexalen
Sozialanamnese:
verheiratet, von 2 Kindern eines verstorben, Pensionistin
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
13.12.2019 Neurologischer Befund, Dg.: Posttraumatische Kontusionsmyelopathie, Z. n. Laminektomie C4 bis C6 am 19.6.2018 LKH Wiener Neustadt, Inkomplettes Querschnittssyndrom mit rechtsbetonter Tetraparese, Paroxysmales VHF, Chronische Niereninsuffizienz bei Schrumpfniere bds. Z. n. Nierentransplantation, Fractura cranii frontoparietalis sin. disloc., Fractura aperta os nasi, Fractura stemi, Fractura compress LWK2, Befund: …. Romberg Stehversuch sicher, Dysdiadochokinese rechts, Gangbild leicht unsicher, ataktisch, Seiltänzergang nicht durchführbar. Hackenstand rechts kraftgemindert, Zehenstand bds. durchführbar, 15.10.2019 Pflegegeldgutachten (Stufe 1 befristet): Zustand nach Nierentransplantation im März 2011; arterielle Hypertonie (benign); am 19.06.2018: Verkehrsunfall (mit Fremdverschulden) und inkompletter Querschnittlähmung C4-C6 und Z. n. Laminektomie C4 - C6; paroxysmales Vorhofflimmern, Beschwerden und Angaben zur Antragstellung: Die Patientin gibt an, dass die Lähmung wesentlich besser geworden sei; sie könne bereits selbst über ca. 1km gehen; zu Stürzen komme es nicht mehr; technische Hilfsmittel benötige sie keine mehr; es liege auch keine Inkontinenz mehr vor. Befund: ….. Gang: diskret spastisch-paretisch; selbständig möglich; keine Sturzgefahr;
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: gut
Größe: 163,00 cm Gewicht: 62,00 kg Blutdruck: 140/75
Klinischer Status – Fachstatus:
61-jährige Frau kommt gehend ohne Begleitung in meine Ordination.
Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zähne teilsaniert.
Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar, rechte Leiste blande Narbe nach NTX. Durchblutung unauffällig,
neurologisch: OE: diskrete spastische Parese mit Sinktendenz rechts, UE: diskrete spastische Paraparese beidseits.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Extremitäten: Keine Muskelatrophie, die Gelenke der OE altersentsprechend frei beweglich, Faustschluss beidseits komplett, grobe Kraft im Seitenvergleich rechts etwas herabgesetzt, UE: blande Narbe nach Halbschlittenprothese beide Kniegelenke, beide Kniegelenke endlagig beugegehemmt, Streckung frei, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. WS: HWS: dorsal blande Narbe nach OP, in allen Ebenen endlagig bewegungseingeschränkt, BWS/LWS: Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts endlagig eingeschränkt, Lasegue beidseits negativ, Finger-Bodenabstand: 30cm. Das Gangbild diskret ataktisch, relativ normalschrittig, flüssig und sicher, Einbeinstand beidseits mit Anhalten möglich, Zehen- und Fersengang beidseits etwas erschwert durchführbar.
Status Psychicus: bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Zustand nach komplikationsloser Nierentransplantation 2011.
05.04.02
50
2
Posttraumatische Kontusionsmyelopathie bei Zustand nach Verkehrsunfall und Laminektomie C4 bis C6
Oberer Rahmensatz bei diskreter rechtsbetonter Tetraparese
04.03.01
40
3
Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese beide Kniegelenke mit Funktionseinschränkung geringen Grades
Oberer Rahmensatz bei prothetischer Versorgung
02.05.19
30
4
Zeitweise Vorhofflimmern
Unterer Rahmensatz, da kein Hinweis auf maßgebliche Beeinträchtigung der Herzpumpleistung
05.02.01
30
5
Degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule mit Funktionseinschränkungen geringen Grades
Oberer Rahmensatz der Zustand nach Kompressionsbruch von LWK 2 mitberücksichtigt
02.01.01
20
Gesamtgrad der Behinderung: 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 um 1 Stufe erhöht, da im Zusammenwirken klinisch relevant, Leiden 4 und 5 erhöhen bei unzureichender wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht.
(…) Dauerzustand (…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Einsteigen und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich und dauerhaft einschränken. Ausreichende Gangsicherheit kann auch ohne Verwendung einer Gehhilfe festgestellt werden. Die Beschwerden vor allem im Bereich beider Beine führen zwar zu einer geringgradigen Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und ohne Pause zurückgelegt werden. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen möglich ist. Die Gesamtmobilität ist nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination sind gut. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist nicht eingeschränkt, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Anzumerken ist die widersprüchliche Angabe der Gehstrecke: 15.10.2019 Pflegegeldgutachten: ‚Die Patientin gibt an, dass die Lähmung wesentlich besser geworden sei; sie könne bereits selbst über ca. 1km gehen; zu Stürzen komme es nicht mehr; technische Hilfsmittel benötige sie keine mehr.‘ 13.12.2019 Neurologischer Befund: ‚Gehstrecke anamnestisch 100 bis maximal 200m...‘.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein. (…)“
Mit Stellungnahme vom 31.01.2020 ergänzte die Allgemeinmedizinerin ihr Gutachten um Folgendes:
„Im Vergleich zum Vorgutachten von 11/2011 Leiden 1 um 1 Stufe herabgesetzt, da keine Zytomegalieinfektion mehr vorliegend, Leiden 2 im Vorgutachten nun in Leiden 3 inkludiert und um 1 Stufe erhöht, der GesamtGdB gleichbleibend, da die neu aufgenommenen Leiden keinen ausreichenden Schweregrad erreichen, dass der GesamtGdB weiter erhöht wird“
Im vom Sozialministeriumservice gewährten Parteiengehör gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab und führte im Wesentlichen aus, dass die Einschätzung, wonach keine Begleitperson bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel benötigt werde, nicht zutreffe. Die nächste öffentliche Einstiegsstelle befinde sich in ca. 3 km Entfernung vom Einfamilienhaus der Beschwerdeführerin. Ihr Ehemann würde sie mit dem Privat-PKW zu den notwendigen Terminen bringen. Sie sei vom 05.02. bis 04.03.2020 stationär im neurologischen Rehabilitationszentrum Kittsee gewesen. Im Endbefund Ergotherapie sei vermerkt, dass bei der rechten Hand ein erhebliches Kraftdefizit festgestellt worden sei, außerdem die Feinmotorik durch reduzierte Oberflächen- und Tiefensensibilität deutlich reduziert sei. Die Schulter bleibe schmerzhaft bewegungseingeschränkt, auch die Sensibilität hätte nicht wesentlich verbessert werden können. Gleiches gelte für die reduzierte Handkraft beidseits. Sie sei bei der Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens erheblich eingeschränkt und es solle ihr bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus Sicherheitsgründen die Nutzung der Sitzplätze für Schwerbehinderte zugestanden werden. Es werde auch festgehalten, dass eine Fortsetzung der Therapie im ambulanten Bereich jedenfalls notwendig sei. Auch im Endbefund der Physiotherapie sei festgehalten, dass ihr Gangbild spastisch-paretisch aufscheine, dabei ihr Gangbild eher unsicher wirke und bei längeren Strecken mit 2 Nordic Walking Stecken mehrere Pausen erforderlich seien. Auch dabei sei sie unsicher. Die Koordination der Beine sei reduziert. Es bestehe Sturzgefahr. Wegen der Funktionsstörung der rechten Hand und Kraftminderung der Beine sei die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels gefährlich. Die Benützung sei aufgrund der Entfernung von 3 km auch praktisch unmöglich. Das Corona Virus würde die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ebenso stark einschränken, da die Beschwerdeführerin Vorerkrankungen aufweise. Die Beschwerdeführerin legte dem Schreiben einen Entlassungsbefund, neurologisches Rehabilitationszentrum Kittsee vom 04.03.2020 sowie einen zebris Gait Report (Gangbild) vom 27.02.2020 bei.
Aufgrund der Stellungnahme der Beschwerdeführerin holte das Sozialministeriumservice eine Stellungnahme der bereits zuvor beauftragten Sachverständigen vom 23.03.2020 ein, die Folgendes ergab:
„Frau XXXX erklärt sich mit dem Ergebnis vom 14.01.2020 nicht einverstanden, sie beantragt die Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘. Ein Befund vom 04.03.2020 ‚optima med‘ Kittsee, neurologische Rehabilitation, wird nachgereicht: Auszug aus dem neurologischen Status: …... Obere Extremitäten AVV, FNV: rechts zielunsicher, FMOT-re. beeinträchtigt, PZ neg., KG 4 rechts, KG 5- links distal (Hand), prox. KG 5, SR li. mittellebhaft, SR re. leicht gesteigert, Sensibilität - Hypästhesie re. Hand Untere Extremitäten PV, KHV i.O., PZ neg., KG 3+ Großzehe rechts, sonst allseits KG 4+, MER stgl. übermittellebhaft, Sensibilität subj. Hypästhesie OSCH bds., Pallhypästhesie akral. Sensibilität Hypästhesie re. Hand, Hypästhesie OSCH bds., Pallhypästhesie UE akral. Rumpf BHR und BDR seitengleich auslösbar; Wirbelsäule in Bewegung und Ruhe ohne besondere Auffälligkeiten, keine Schmerzen; Steh- und Gehversuche Stand unauffällig, Gangunsicherheit, GB leicht ataktisch, …… Am Ende des Aufenthaltes fühlt sich Frau XXXX körperlich stärker und mehr belastbar, die Ausdauer und die Kraft konnten gesteigert werden. Es konnte auch eine Besserung des Gleichgewichts erreicht werden. Das Gangbild ist laut Ganganalyse sicherer und flüssiger geworden.... Physiotherapiebericht: …. Die kürzere Strecke (bis 600-700m) kann sie ziemlich stabil, ohne Anhalten machen, aber die längere Strecke ist ihr immer noch problematisch: sie hat immer noch Koordinationsstörungen und GGW-Störungen, die Beine sind immer noch schwer beim Gehen, hat immer noch mäßige/geringe Sturzgefahr. Bei längerer Strecke (>600-700m) braucht sie weiterhin 2 NW-Stöcke. Das Gangbild ist etwas besser geworden (laut der Ganganalyse): sie kann besser Abrollen, aber die Beckeninstabilität hat sie immer noch.....
Aus obigem Befund ist zu entnehmen, dass keine maßgebliche Kraftminderung in der rechten Hand (KG 4 rechts, KG 5 links) vorliegt, das Festhalten ist gewährleistet. Kurze Wegstrecken (300-400m) können selbständig, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe bewältigt werden. Die Zuhilfenahme einer einfachen Gehhilfe dient zur Verbesserung der Gehleistung und ist keine maßgebliche Erschwernis öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel.“
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH ausgestellt. Dieser wurde nicht bekämpft.
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 31.03.2020 wurde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten sowie die Stellungnahme vom 23.03.2020 verwiesen.
Im Rahmen der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde monierte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass der VwGH bei der Interpretation des Terminus „kurze Wegstrecke“ von einer Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 – 400 m ausgehe. Der Wohnsitz der Beschwerdeführerin befinde sich jedoch 3 km entfernt von der nächsten öffentlichen Einstiegstelle öffentlicher Verkehrsmittel. Bei der „kurzen Wegstrecke“ sei die Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel maßgeblich.
Aus dem Endbefund der Physio- und Ergotherapie des neurologischen Rehabilitationszentrum Kittsee vom 04.03.2020 ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin längere Wegstrecken (> 600-700 m) aufgrund anhaltender Koordinationsstörungen und GGW-Störungen sowie einer, aufgrund schwerer Beine bestehenden, Sturzgefahr nur mit einer Begleitperson, mehreren Pausen und unter Zuhilfenahme zweier NW-Stöcke zurücklegen könne. Die rechte Hand sei kraftlos, gefühllos, die Beweglichkeit der rechten Schulter herabgesetzt. Daher sei von einer erhöhten Sturzgefahr auszugehen, weshalb die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht gegeben sei. Eine nach der Physiotherapie eingetretene Verbesserung der Funktionsfähigkeit der rechten Hand sei dem gegenständlichen Endbefund nicht zu entnehmen. Vielmehr sei die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels aufgrund der Funktionsstörung der rechten Hand und der daraus resultierenden Sturzgefahr zu gefährlich. Auch habe keine Auseinandersetzung mit der herabgesetzten Beweglichkeit der rechten Schulter stattgefunden. Der Beschwerdeführerin sei es auch nicht möglich, den bestehenden Niveauunterschied beim Aus- und Einsteigen aus eigener Kraft ohne die Hilfe einer Begleitperson zu überwinden. Erneut wurden der - bereits mit Stellungnahme zum Parteiengehör übermittelte - Entlassungsbefund und Gangbildreport übermittelt. Es werde ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation einzuholen sein.
Das Sozialministeriumservice holte daraufhin ein Gutachten einer Fachärztin für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 12.06.2020, basierend auf einer Untersuchung am 04.06.2020, ein. Dieses ergab Folgendes:
„Anamnese:
In einem Vorgutachten 01/2020 wurden ein Zustand nach komplikationsloser Nierentransplantation, einer posttraumatischen Kontusionsmyelopathie bei Zustand nach Verkehrsunfall und Laminektomie C4 bis C6, ein Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese beide Kniegelenke, ein zeitweises Vorhofflimmern und degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule bewertet.
Es wurde der Antrag auf Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellt. Ausschlaggebend war der Verkehrsunfall. Sie war am Anfang querschnittgelähmt. Sie wohnen in einem Einfamilienhaus am Ortsende. Die Autobushaltestelle sei 5km entfernt.
Derzeitige Beschwerden:
Sie könne nicht in den Autobus einsteigen. Sie könne nicht alleine einkaufen nicht in die Apotheke, sie mache alles mit dem Mann gemeinsam. Sie habe Schmerzen, die Gelenkigkeit sei nicht mehr vorhanden, wenn sie zu Fuß geht muss sie nach ein paar Schritten Pausen machen, zu Hause gehe sie mit dem Rollator. Sie mache selbst kein Frühstück. Der rechte Arm sei gefühllos, sie könne rechts nicht schreiben, nicht kochen, der Gatte machen den ganzen Haushalt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
ADVAGRAF 1 mg retardiert, APREDNISLON 5 mg, MYFORTIC 180 mg, NEXIUM 40 mg, DILATREND 25 mg, LISINOPRIL 10 mg, SIMVASTATIN 40 mg, OLEOVIT D3 - Tropfen, ELIQUIS 2,5 mg - Filmtabletten
Sozialanamnese: verheiratet, Pensionistin
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr. XXXX , FA für Neurologie 13.12.2019: Diagnosen: Posttraumatische Kontusionsmyelopathie Z. n. Laminektomie C4 bis C6 am 19.6.2018 LKH Wiener Neustadt Inkomplettes Querschnittssyndrom mit rechtsbetonter Tetraparese Paroxysmales VHF Chronische Niereninsuffizienz bei Schrumpfniere bds. Z. n. Nierentransplantation Fractura cranii frontoparietalis sin. disloc. Fractura aperta os nasi, Fractura stemi, Fractura compress LWK2
Motorik: AHV und BHV durchführbar. Gangbild leicht unsicher, ataktisch, Seiltänzergang nicht durchführbar. Hackenstand rechts kraftgemindert, Zehenstand bds. durchführbar. Psychischer Befand: Wach, in alle Qualitäten orientiert, Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis ungestört, formales Denken unauffällig, Beurteilung: Bei der klinisch/neurologischen Untersuchung zeigte sich noch eine residuelle inkomplette Querschnittsymptomatik betont am rechten Arm und an beiden Beinen.
Optimamed Kittsee 04.03.2020: S.p. Verkersunfall mit Fract. cranii fronopaietalis sin., Fract. apert ossis T90 5 nasi, Excor. parietoocc. capitis sin., Fract. sternie, Fract. corp. vertebrae LWK II, Postraumatische kontusionsbedingte Myelonkompression C IV bis VA/I, Tetraparese re>li, am 19.6.2018 Z.n.Laminektomie C4-C6 am 19.6.18 LKH Wr. Neustadt • Inkomplettes Querschnittsyndrom mit rechts betonter Tetraparese • Vorhofflimmern, paroxysmal • Mäßiges CTS re. • St.p. CHE • St.p. Nierentransplantation 03/2011 (bds. Schrumpfnieren) • Kinking der A. brachialis sin. G82.5 I48.0 G56.0 Z92.4
Steh- und Gehversuche Stand unauffällig, Gangunsicherheit, GB leicht ataktisch
Schmerz Insgesamt dzt. keine akute oder chron. Schmerzbelastung explorierbar Status psychicus Patient ist wach und gut kontaktierbar, Orientierung/Konzentration/Mnestik/Ductus/ /Aufmerksamkeit/Antrieb/Befindlichkeit unauffällig, Kürzere Strecken 600-700m kann sie ziemlich stabil ohne Anhalten machen, längere Strecken sind problematisch mit 2 NW Stöcke, immer noch mäßige bis geringe Sturzgefahr,
Mitgebrachter Befund:
XXXX , Ergotherapeutin, 28.05.2020: wird immer von einer Begleitperson zur Therapie gebracht, wenig Kraft, Ausdauer, keine ausreichende Sensibilität im rechten Arm, Gegenstände fallen aus der Hand, Schmerzen, kann keine langen Strecken zurücklegen.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: unauffällig Ernährungszustand: gut Größe: 163 cm Gewicht: 63 kg
Klinischer Status – Fachstatus:
OBERE EXTREMITÄTEN:
Diskrete Tonussteigerung rechts
Die grobe Kraft ist rechts diskret vermindert KG5- . Beim Armvorhalteversuch kein Absinken. Links unauffällig
Die MER sind rechts mehr als links auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
UNTERE EXTREMITÄTEN:
Diskrete Tonussteigerung rechts
Beim Positionsversuch Absinken beidseits, Kraft seitengleich reduziert KG 4
Die PSR und ASR sind rechts mehr als links auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
SENSIBILITÄT: Dysästhesie rechte OE und UE
KOORDINATION:
Ataxie beim FNV rechts KHV nicht durchführbar.
Dysdiadochokinese rechts, Feinmotilität rechts reduziert.
Freies Sitzen möglich.
Romberg und Unterberger Versuch: nicht durchführbar
Gesamtmobilität – Gangbild: Mit Unterarmstützkrücke langsam ataktisch Stiegensteigen mit Anhalten nicht alterierend
Status Psychicus: Allgemeintempo unauffällig, Orientierung in allen Qualitäten gegeben, Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen unauffällig, Spontan- und Konversationssprache unauffällig, Alt- und Kurzgedächtnis sind ungestört, Stimmungslage euthym, Ductus kohärent, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, die Affektlage ist ausgeglichen, ausreichende Affizierbarkeit
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Zustand nach komplikationsloser Nierentransplantation 2011
2
Posttraumatische Kontusionsmyelopathie bei Zustand nach Verkehrsunfall und Laminektomie C4 bis C6
3
Zeitweise Vorhofflimmern
4
Degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: gleichbleibend zum Vorgutachten
(…) Dauerzustand (…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen durch Leiden 2 Bewegungseinschränkungen vor, jedoch kann eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden, wie dies auch im Befund Optimamed Kittsee 04.03.2020: ‚Kürzere Strecken 600-700m kann sie ziemlich stabil ohne Anhalten machen, längere Strecken sind problematisch mit 2 NW Stöcke‘ beschrieben wird. Es war ‚keine akute oder chron. Schmerzbelastung explorierbar.‘ In der Untersuchungssituation wird der Rhomberg- und Unterberger Versuch nicht durchgeführt (wegen Fallneigung), jedoch bei der FA für Neurologie Dr. XXXX 12/2019 war der Rhomberg Stehversuch sicher. Ein Ein- und Aussteigen und Anhalten sowie ein sicherer Transport sind möglich, da bei diskreter Kraftminderung der rechten oberen Extremität keine Funktionsdefizite der linken oberen Extremität festzustellen waren. Die Orientierung war sowohl in der Untersuchungssituation als auch in beiden vorliegenden Befunden immer uneingeschränkt.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme: Somit kann von medizinischer Seite keine maßgebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bestätigt werden.“
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 15.06.2020 wies das Sozialministeriumservice die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorliegen. Begründend wurde auf das aufgrund der Beschwerde eingeholte Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.06.2020 [gemeint: 12.06.2020] verwiesen.
Gegen diesen Bescheid stellte die Beschwerdeführerin rechtzeitig einen Vorlageantrag und übermittelte einen Arztbefund der FÄ für Neurologie Dr. XXXX vom Juni 2020 sowie eine ergotherapeutische Stellungnahme XXXX vom 28.05.2020.
Das Bundesverwaltungsgericht holte aufgrund des Vorlageantrages in weiterer Folge eine nervenfachärztliche aktenmäßige Stellungnahme der bereits beauftragten Fachärztin für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 08.10.2020 ein, die Folgendes ergab:
„(…) Ein Arztbefund einer Fachärztin für Neurologie Juni 2020 und eine ergotherapeutische Stellungnahme Mai 2020 wurden vorgelegt.
Vorgutachten: Dr XXXX , 04.06.2020: unveränderter GdB zum Vorgutachten Dr. XXXX , Allgemeinmedizin 14.01.2020. Bezüglich der beantragten Zusatzeintragung: konnte eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden, war keine akute oder chronische Schmerzbelastung explorierbar, eine diskrete Kraftminderung der rechten oberen Extremität lag vor, jedoch keine Funktionsdefizite der linken oberen Extremität festzustellen, somit war auch ein Ein- und Aussteigen, Anhalten und damit der sichere Transport gegeben.
Vorlagenantrag - Befunde:
Dr. XXXX . Fachärztin für Neurologie 09. Juni 2020: sie geht mit Begleitperson ca. bis 500m; Motorik: AHV durchführbar, BHV bds, Absinken, Parese im Bereich der rechten OE Kraftgrad 4 von 5, Paresen für Kleinfingerbeugen rechts Kraftgrad 3 von 5, Faustschluss rechts kraftgemindert, im Bereich der UE Fuß- und Zehensenkung voll kräftig, darüber hinaus Paresen Kraftgrad 5- von 5, keine Atrophien, Muskeltonus unauffällig, Sensibilität Hypästhesie und Hyperpathie am rechten Unterarm und an den Beinen, Rhomberg Stehversuch sicher, Dysdiadochokinese rechts, Gangbild leicht unsicher ataktisch, Hackenstand rechts kraftgemindert, Zehenstand bds angedeutet durchführbar.
XXXX , ergotherapeutische Stellungnahme 28. Mai 2020: sie hat wenig Kraft, keine ausreichende Sensibilität in ihrem rechten Arm, Gegenstände fallen aus der Hand, Schwierigkeiten beim Streichen eines Brotes, beim Aufschneiden, beim Zubereiten einer Mahlzeit, beim Tragen von Dingen mit beiden Händen, beim Öffnen und Schließen von Verschlüssen und vieles mehr. Auf Grund des verminderten Bewegungsausmaßes leidet Frau XXXX auch unter Schmerzen. Beim Gehen hat sie ebenfalls immer wieder Schwierigkeiten - So ist es ihr nicht möglich lange Strecken zurückzulegen.
Aktenmäßige Stellungnahme, ob die vorgelegten Unterlagen geeignet sind die getroffenen Einschätzung zu ändern:
Von neurologischer Seite ist auf Grund der vorgelegten Unterlagen keine andere Einschätzung zu treffen. Es ist die Wegstrecke ausreichend (sie geht mit Begleitperson ca. bis 500m). Die Kraft in den oberen Extremitäten reicht aus um sich Anzuhalten (Parese im Bereich der rechten OE Kraftgrad 4 von 5, Paresen für Kleinfingerbeugen rechts Kraftgrad 3 von 5, Faustschluss rechts kraftgemindert). Da keine Funktionsdefizite der linken OE vorliegen ist auch mit links ein Anhalten und damit ein sicherer Transport möglich.“
Im gewährten Parteiengehör gab die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 06.11.2020 zum übermittelten Gutachten eine Stellungnahme ab. Sie übermittelte ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie & Psychiatrie vom 20.10.2020 und führte ohne nähere Darlegung aus, dass daraus hervorgehe, dass die beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass rechtens sei. Zudem weise sie darauf hin, dass es sich bei der Stellungnahme der vom BVwG beauftragten Fachärztin weder um eine gerichtlich beeidete Sachverständige noch eine Fachärztin für Neurologie handle.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 60 von Hundert.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Status:
Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zähne teilsaniert.
Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar.
Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar, rechte Leiste blande Narbe nach NTX. Durchblutung unauffällig.
Extremitäten:
Obere Extremitäten: Diskrete Tonussteigerung rechts. Die grobe Kraft ist rechts diskret vermindert KG 5-. Paresen für Kleinfingerbeugen rechts Kraftgrad 3 von 5. Faustschluss rechts kraftgemindert. Beim Armvorhalteversuch kein Absinken.
Links unauffällig.
Die MER sind rechts mehr als links auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
Untere Extremitäten: Diskrete Tonussteigerung rechts. Beim Positionsversuch Absinken beidseits, Kraft seitengleich reduziert KG 4. Die PSR und ASR sind rechts mehr als links auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
Sensibilität: Dysästhesie rechte OE und UE.
Koordination: Ataxie beim FNV rechts KHV nicht durchführbar. Dysdiadochokinese rechts, Feinmotilität rechts reduziert. Freies Sitzen möglich. Romberg und Unterberger Versuch: sicher.
Wirbelsäule:
HWS: Dorsal blande Narbe nach OP. In allen Ebenen endlagig bewegungseingeschränkt. BWS/LWS: Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts endlagig eingeschränkt. Lasegue beidseits negativ. Finger-Bodenabstand: 30cm.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Mit Unterarmstützkrücke langsam ataktisch. Stiegensteigen mit Anhalten nicht alterierend.
Status psychicus: Allgemeintempo unauffällig, Orientierung in allen Qualitäten gegeben, Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen unauffällig, Spontan- und Konversationssprache unauffällig, Alt- und Kurzgedächtnis sind ungestört, Stimmungslage euthym, Ductus kohärent, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, die Affektlage ist ausgeglichen, ausreichende Affizierbarkeit.
Funktionseinschränkungen: Zustand nach komplikationsloser Nierentransplantation 2011; Posttraumatische Kontusionsmyelopathie bei Zustand nach Verkehrsunfall und Laminekotomie C4 bis C6; Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese beide Kniegelenke mit Funktionseinschränkung geringen Grades; zeitweise Vorhofflimmern, jedoch ohne Hinweis auf maßgebliche Beeinträchtigung der Herzpumpleistung; degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule mit Funktionseinschränkungen geringen Grades.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Bei der Beschwerdeführerin liegen zwar ein Zustand nach komplikationsloser Nierentransplantation 2011, eine posttraumatische Kontusionsmyelopathie bei Zustand nach Verkehrsunfall und Laminekotomie C4 bis C6, ein Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese beider Kniegelenke mit Funktionseinschränkung geringen Grades, zeitweises Vorhofflimmern ohne Hinweis auf maßgebliche Beeinträchtigung der Herzpumpleistung sowie degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule mit Funktionseinschränkungen geringen Grades vor, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken, das objektivierbare Ausmaß der Defizite kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Eine ausreichende Beweglichkeit bzw. Gesamtmobilität ist gegeben, sodass die Beschwerdeführerin sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen kann.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Die Greif- und Haltefunktionen sind ausreichend erhalten. Das Ein- und Aussteigen und Anhalten sowie ein sicherer Transport sind möglich, da bei diskreter Kraftminderung der rechten oberen Extremität keine Funktionsdefizite der linken oberen Extremität festzustellen sind. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 14.01.2020 eingeholt worden. Bereits im zitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Leiden der Beschwerdeführerin führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. So wurde zunächst eine ausreichende Gangsicherheit auch ohne Verwendung einer Gehhilfe festgestellt. Die Beschwerden vor allem im Bereich beider Beine führen zwar zu einer geringgradigen Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und Pausen zurückgelegt werden. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen möglich sind. Die Gesamtmobilität ist nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination sind demnach gut.
Auch in der Stellungnahme derselben Gutachterin vom 23.03.2020 hält sie den - im Rahmen des vom SMS gewährten Parteiengehörs - neu vorgelegten Befunden der Beschwerdeführerin nachvollziehbar entgegen, dass das Festhalten gewährleistet ist und bekräftigte ihre bisherige Einschätzung.
Aufgrund des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin sowie der mit Beschwerde neu vorgelegten Befunde holte das Sozialministeriumservice sodann ein weiteres Gutachten, nämlich einer Fachärztin für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 12.06.2020 ein.
Auch in diesem Gutachten wurde kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Zwar liegen demnach aufgrund der posttraumatischen Kontusionsmyleopathie bei Zustand nach Verkehrsunfall und Laminektomie C4 bis C6 Bewegungseinschränkungen vor, jedoch kann eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden, wie dies auch im Befund Optimamed Kittsee 04.03.2020 beschrieben wird. Demnach sind Wegstrecken von 600-700 m ziemlich stabil ohne Anhalten möglich, während längere Strecken mit 2 Nordic Walking Stöcken problematisch sind. Es war keine akute oder chronische Schmerzbelastung explorierbar. In der Untersuchung bei der Fachärztin wurde der Rhomberg- und Unterberger Versuch zwar nicht durchgeführt (wegen Fallneigung), jedoch war dieser bei der FÄ für Neurologie Dr. XXXX 12/2019 sicher. Das Ein- und Aussteigen und Anhalten sowie ein sicherer Transport sind möglich, da bei diskreter Kraftminderung der rechten oberen Extremität keine Funktionsdefizite der linken oberen Extremität vorliegen. Die Orientierung war sowohl in der Untersuchungssituation als auch in beiden vorliegenden Befunden immer uneingeschränkt.
Die Leiden der Beschwerdeführerin führen auch laut diesem Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Darin wurde im Vergleich zu den Vorgutachten bereits die verminderte grobe Kraft rechts zu Grunde gelegt.
In weiterer Folge legte die Beschwerdeführerin mit Vorlageantrag erneut neue Unterlagen vor, nämlich einen Arztbefund der FÄ für Neurologie, Dr. XXXX , vom Juni 2020 sowie eine ergotherapeutische Stellungnahme XXXX vom 28.05.2020.
In der daraufhin vom BVwG in Auftrag gegebenen aktenmäßigen Stellungnahme einer Fachärztin für Neurologie vom 08.10.2020 wird schlüssig und nachvollziehbar auf die einzelnen Gutachten der Beschwerdeführerin eingegangen. Die Gutachterin fasst nachvollziehbar zusammen, dass auf Grund der vorgelegten Unterlagen keine andere Einschätzung als im Gutachten vom 12.06.2020 zu treffen waren, da die Wegstrecke auch diesen zufolge ausreichend ist. Zwar liegen demnach eine Parese im Bereich der rechten oberen Extremität, Kraftgrad 4 von 5 und Paresen für Kleinfingerbeugen rechts, Kraftgrad 3 von 5 und ein kraftgeminderter Faustschluss rechts vor, die Kraft in den oberen Extremitäten reicht aber aus, um sich anzuhalten, da keine Funktionsdefizite der linken oberen Extremität vorliegen und auch mit links ein Anhalten und damit ein sicherer Transport möglich ist.
Festzuhalten ist somit, dass der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen möglich ist und das sichere Ein- und Aussteigen, das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken sowie die Benutzung von Haltegriffen möglich sind. Es besteht auch keine erhöhte Sturzgefahr. Die Beschwerdeführerin ist ohne Gehhilfen selbständig mobil und kann Gehstrecken von 300 – 400 selbständig bewältigen. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen daher möglich.
Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der oberen und unteren Extremitäten kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung der eingeholten schlüssigen Gutachten bei der Beschwerdeführerin nicht erkennen.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Es bestehen auch keine wesentlichen kardiopulmologischen Einschränkungen. Zwar liegt ein zeitweises Vorhofflimmern vor, jedoch ohne Hinweis auf eine maßgebliche Beeinträchtigung der Herzpumpleistung.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin im damals vom SMS gewährten Parteiengehör, wonach das Coronavirus die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel stark einschränken würde, da sie Vorerkrankungen aufweisen würde, ist festzuhalten, dass dieses nicht geeignet ist, eine andere Einschätzung herbeizuführen, zumal nur relevant ist, ob die jeweiligen Leiden eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit der Mobilität bewirken. Eine derartige Einschränkung konnte bei den Untersuchungen aber nicht objektiviert werden, sondern vielmehr bloß insgesamt mäßige Einschränkungen der Steh- und Gehleistung. Festzuhalten ist, dass auch dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich erhöhter Sturzgefahr, aufgrund der festgestellten Steh- und Gehleistung sowie der ausreichenden Möglichkeit sich festzuhalten, nicht gefolgt werden kann. Die vorgebrachte Sturzgefahr aufgrund einer Funktionsstörung der rechten Hand konnte nicht festgestellt werden, da das Festhalten mit der linken Hand jedenfalls möglich ist.
Keineswegs nachvollziehbar ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin im vom BVwG gewährten Parteiengehör zur fachärztlichen Stellungnahme vom 28.09.2020, wonach es sich bei der vom BVwG beauftragten Gutachterin nicht um eine Fachärztin für Neurologie handle, zumal es sich zweifelsfrei um eine solche handelt.
Soweit die Beschwerdeführerin moniert, dass es sich nicht um eine "gerichtlich beeidete" Fachärztin handle und sie den Antrag stelle, eine gerichtlich beeidete Sachverständige aus dem Fachgebiet Neurologie zu bestellen, ist auf § 17 VwGVG iVm §§ 52 und 53 AVG zu verweisen, wonach das Verwaltungsgericht in seinem Verfahren primär die ihm zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranzuziehen hat (§ 52 Abs. 1 AVG). Nur wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann das Verwaltungsgericht ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen (Abs. 2). Gemäß Abs. 3 leg.cit. kann das Gericht, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten. Im gegenständlichen Verfahren wurde gemäß Abs. 1 ein zur Verfügung stehender Amtssachverständiger herangezogen. Weder gebietet es die "Besonderheit des Falles" ausnahmsweise einen nichtamtlichen Sachverständigen im Sinne des Abs. 2 heranzuziehen, noch wäre dadurch eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten.
Zum ebenfalls mit diesem Schreiben vorgelegten Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 20.10.2020 ist festzuhalten, dass sich für den erkennenden Senat auch daraus keine Änderung der bisherigen Einschätzung ergibt. So hat die Beschwerdeführerin auch keineswegs dargelegt, inwiefern das vorgelegte Gutachten – angesichts der zahlreichen übereinstimmenden zuvor ergangenen Einschätzungen – geeignet sein sollte, eine andere Einschätzung herbeizuführen. Derartige Ausführungen finden sich in der mit 06.11.2020 datierten Urkundenvorlage auch nicht.
In den eingeholten Sachverständigengutachten wird auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin. Sie ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden die im Rahmen der Beschwerde und des Vorlageantrages vorgelegten Befunde in den eingeholten Sachverständigengutachten und Stellungnahmen mitberücksichtigt und waren diese nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde und vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke,