TE Vwgh Erkenntnis 1962/2/13 0734/60

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Veröffentlicht am 13.02.1962
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L37169 Kanalabgabe Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82009 Bauordnung Wien
L82309 Abwasser Kanalisation Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §129 Abs2
BauO Wr §135 Abs3
Kanalanlagen- und EinmündungsgebührenG Wr §5 Abs2
VStG §5 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Dr. Striebl und Dr. Klecatsky als Richter, im Beisein des Polizeikommissärs Dr. Primmer als Schriftführer, über die Beschwerde der in LL in W, gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 19. Jänner 1960, Zl. M. Abt. 64-140/59-Str., betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den XII. Wiener Gemeindebezirk wurde die Beschwerdeführerin als Verwalterin des Hauses Wien, F-gasse 12 der Übertretung des § 129 Abs. 2 Bauordnung für Wien für schuldig erkannt und über sie gemäß § 135 Abs. 3 der Bauordnung (in der Fassung der Landesgesetze für Wien Nr. 20/1951 und Nr. 28/1956) eine Geldstrafe von S 400, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von 4 Tagen verhängt. Als erwiesen wurde angenommen, die Beschwerdeführerin habe in der Zeit vom September 1956 bis 17. Jänner 1959 unterlassen, den in seiner ganzen Länge und an der Sohle, an seinem Gewölbe und bei der Einmündung in den Hauptkanal schadhaften schliefbaren Hauskanal instandzusetzen. Die Beschwerdeführerin ergriff gegen dieses Straferkenntnis Berufung, über die das Amt der Wiener Landesregierung mit dem namens der Landesregierung erlassenen Bescheid vom 19. Jänner 1960 dergestalt entschied, daß es das erstinstanzliche Straferkenntnis, soweit die Tatzeit den Zeitraum vom 1. Jänner 1957 bis 17. Jänner 1959 umfaßte, bestätigte, das Verwaltungsverfahren jedoch hinsichtlich der den Zeitraum vom September bis Ende Dezember 1956 umfassenden Tatzeit gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG einstellte und die Strafe auf S 350, bei Uneinbringlichkeit 3 Tage und 12 Stunden Arrest ermäßigte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wurde wegen Übertretung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (Gesetz vom 25. November 1929, LGBl. Nr. 11/1930, mit Änderungen) in eine Verwaltungsstrafe genommen. Nach dieser Gesetzesstelle hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen (Vorgärten, Hofanlagen, Einfriedungen u.dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Zufolge § 135 Abs. 3 dieser Bauordnung ist derjenige, der die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Die Beschwerdeführerin bestritt zwar im Verwaltungsverfahren nicht, Verwalterin des Hauses zu sein. Sie ist jedoch nach den Beschwerdeausführungen, mit denen sie eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dartun will, der Meinung, daß sie deshalb nicht hätte bestraft werden dürfen, weil gemäß § 5 Abs. 2 des Kanaleinmündungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1955, die Erhaltung des Hauskanals bis zu seiner Einmündung in den Straßenkanal nach den Bestimmungen des § 129 Abs. 2 der Bauordnung dem Hauseigentümer obliege. Eine Haftung des Hausverwalters sei in dieser Gesetzesstelle nicht vorgesehen; da es sich hier um eine lex specialis handle, sei die Anwendung des § 135 Abs. 3 der Bauordnung verfehlt. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Eine Hauskanalisation ist eine zum Haus gehörige Anlage im Sinne des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, deren Instandhaltung ebenso wie die Instandhaltung des Gebäudes dem Eigentümer obliegt (vgl. das - die gleiche Beschwerdeführerin betreffende - hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1961, Zl. 99/61). Gerade um dies eindeutig klarzustellen, wird im § 5 Abs. 2 des Kanaleinmündungsgesetzes ausdrücklich auf die Bestimmung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung hingewiesen. Handelt es sich bei der Verpflichtung zur Instandsetzung eines Hauskanals um eine dem Hauseigentümer nach der Bauordnung obliegende Verpflichtung, dann ist auch in einem solchen Fall die im § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien unter bestimmten Voraussetzungen normierte Verantwortlichkeit des Hausverwalters für Verletzungen der dem Eigentümer auferlegten Pflichten gegeben. Die von der Beschwerdeführerin behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor.

In dem der Ausführung der Verfahrensrüge gewidmeten Teil der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, die Feststellung, daß sie ohne Veranlassung und Vorwissen der Eigentümer es unterlassen habe, den Hauskanal instandzusetzen, sei nicht nur aktenwidrig, sondern stelle überdies eine bloße Behauptung ohne Beweisergebnisse dar. Wie aus ihrer Berufung gegen das Straferkenntnis hervorgehe, habe sich die Beschwerdeführerin „wegen der Durchführung der Ersatzarbeiten“ um die entsprechenden Vollmachten bei den Hauseigentümerinnen KR und IL vergeblich bemüht. Die Hauseigentümerinnen hatten also Kenntnis von der Notwendigkeit der durchzuführenden Reparaturarbeiten gehabt. Auch dieses Vorbringen ist verfehlt. Bei den genannten von der Beschwerdeführerin in ihrer Rechtfertigung als „Mehrheitseigentümer“ bezeichneten Personen handelt es sich um Miteigentümerinnen der in Rede stehenden Liegenschaft, welche nach den Angaben in der Berufung der Beschwerdeführerin im Ausland leben und zum Teil unerreichbar seien. Die Beschwerdeführerin hat in der Berufung zwar davon gesprochen, daß ihr seitens dieser Personen die notwendigen Vollmachten für eine Kreditaufnahme fehlen. Sie hat aber nicht behauptet, daß die erreichbar gewesenen Miteigentümer von dem Baugebrechen durch die Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt worden wären, die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten jedoch - etwa durch Verweigerung einer hiezu erforderlichen Zustimmung oder durch eine besondere Anordnung - verhindert hätten. Da nach der Lage des Falles dies allein - falls es erwiesen wäre - die Feststellung, es habe die Beschwerdeführerin die Instandsetzung des Hauskanals ohne Veranlassung und Vorwissen der Hauseigentümer unterlassen, als leere Annahme würde erscheinen lassen, derartiges aber nicht behauptet wurde, ist der Vorwurf der Beschwerdeführerin, es liege in diesem Punkt eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme bzw. eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes vor, nicht stichhältig (vgl. im übrigen zur Frage der Verantwortlichkeit des Hauseigentümers im Sinne der bezogenen Gesetzesstellen das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1959, Zl. 1401/58 und 1402/58).

Die Beschwerdeführerin meint weiters daß die belangte Behörde bei Prüfung der Frage, ob sie ein Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG treffe, Verfahrensvorschriften außer acht gelassen habe, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen müssen. Sie führt hiezu aus, daß sie alles getan habe, um die zur Instandsetzung des Hauskanals erforderlichen Arbeiten durchführen zu lassen. Sie habe vorgebracht, daß sie die zur Aufnahme eines hypothekarischen Darlehens bei einem Kreditinstitut erforderlichen Vollmachten nicht erhalten habe und eine entsprechende Mietzinsreserve nicht zur Verfügung gestanden sei. Ein solches Vorbringen hätte nicht - wie dies die belangte Behörde getan habe - mit dem Hinweis auf seine Irrelevanz unberücksichtigt gelassen werden dürfen.

Zu diesem Vorbringen ist folgendes zu sagen: Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides einen gleichgearteten Einwand der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren entgegengehalten, daß bei Liegenschaften, die im Miteigenturn mehrerer Personen stehen, die Möglichkeit bestehe, im Gerichtsweg die Bestellung des Verwalters der gemeinsamen Sache zu betreiben, der die nötigen Schritte zur Aufnahme eines Darlehens in die Wege leiten könne, sofern sich die Beschwerdeführerin nicht selbst dazu ermächtigt erachte. Damit wollte die belangte Behörde offensichtlich zum Ausdruck bringen, daß es der Beschwerdeführerin mit dem erwähnten Vorbringen nicht gelungen sei, den Beweis für ein der Geldbeschaffung für die Instandsetzungsarbeiten entgegenstehendes, unüberwindbares Hindernis zu erbringen. Darin ist der belangten Behörde Recht zu geben. Dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß einen entsprechenden Antrag an das Gericht nur ein Hauseigentümer stellen könne und daß einer Hausverwalterin auch nicht zumutbar sei, die für ein derartiges Vorgehen erforderlichen Rechtskenntnisse zu besitzen, ist entgegenzuhalten, daß das Vorhandensein solcher Kenntnisse bei einer konzessionierten Gebäudeverwalterin bei Bedachtnahme auf die Bestimmungen der § 5 Abs. 2 und 6 Abs. 1 der Ministerialverordnung, BGBl. Nr. 203/1932, sowohl in der ursprünglichen als auch in der Fassung der Ministerialverordnung BGBl. Nr. 36/1955 vorausgesetzt werden darf.

Unter dem Gesichtspunkt eines unberücksichtigt gebliebenen Einwandes in der Frage des Verschuldens bringt die Beschwerdeführerin noch vor, daß sie mit der Durchführung der Instandsetzungsarbeiten einen befugten Baumeister beauftragt habe, von dem Zeitpunkt der Auftragserteilung somit für die Verzögerung der Instandsetzungsarbeiten allein der Baumeister die Verantwortung trage. Zu diesem Vorbringen genügt es - ohne auf Einzelheiten eingehen zu brauchen - auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1961, Zl. 99/61, hinzuweisen, in dem ausgeführt wurde, warum die bloße Auftragserteilung an einen Gewerbetreibenden, das Baugebrechen zu beheben, nicht als Erfüllung der Pflicht zu dessen Beseitigung angesehen werden kann. Daraus folgt, daß der Hauseigentümer (Hausverwalter) für die zeitgerechte Durchführung der Arbeiten Sorge zu tragen hat, sich daher nicht - wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist - auf eine Äußerung des Gewerbetreibenden verlassen darf, wonach für die Verzögerung der Arbeiten angeblich ein berechtigter Grund vorliege. Es zeigt sich somit, daß die belangte Behörde im Recht war, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck brachte, daß der Beschwerdeführerin der ihr im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsbeweis nicht gelungen sei.

Die in allen Punkten unbegründete Beschwerde war mithin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abzuweisen.

Wien, 13. Februar 1962

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1962:1960000734.X00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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