TE Vwgh Erkenntnis 1971/10/22 0581/71

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Veröffentlicht am 22.10.1971
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Wasserrecht
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

WRG 1959 §13 Abs1
WRG 1959 §81 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Penzinger und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter, im Beisein der Schriftführer Magistratsoberkommissär Dr. Thumb und Landesregierungskommissär Dr. Schuszter, über die Beschwerde der Wassergenossenschaft P, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Rechtsanwalt in Lienz, Hauptplatz 18, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 19. Februar 1971, Zl. 28.622-I/1/71 (mitbeteiligte Partei: MF in P), betreffend Einbeziehung in eine Wassergenossenschaft, nach der am 8. Oktober 1971 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters, sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Kurt Galle für Dr. Jakob Oberhofer und des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialsekretär Dr. PF, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.362,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Über Ansuchen der MF in P - der mitbeteiligten Partei des gegenständlichen Verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 8. September 1969 die Beschwerdeführerin gemäß § 81 Abs. 2 WRG 1959 verpflichtet, die Liegenschaft der MF in P, nachträglich in die Wassergenossenschaft einzubeziehen. Die Bezirkshauptmannschaft bezog sich in der Begründung ihres Bescheides u. a. auf nachstehende Erhebungen des Wasserbauamtes Villach:

„Eine am 24. 7. 1969 bei der Gemeinde E durchgeführte Erhebung hat nachstehenden Versorgungsstand für den derzeitigen Versorgungsbereich der Wasserversorgungsanlage P ergeben: 77 ständige Einwohner, 148 private Fremdenbetten, 146 gewerbliche Fremdenbetten, 700 m2 Gartenfläche. Danach errechnet sich der Wasserbedarf für die gegenständliche Wasserversorgungsanlage wie folgt:

77 ständige Bewohner

a 80 l/Tag

148 private Fremdenbetten

a 80 l/Tag

146 gewerbl: Fremdenbetten

a 80 l/Tag

371

a 80 l/Tag = 29.680 l/Tag

70 Stk. Großvieh

a 60 l/Tag = 4.200 l/Tag

64 Stk. Kleinvieh

a 10 l/Tag = 640 l/Tag

700 m² Gartenfläche

a 15 l/Tag = 1.050 l/Tag

Summe ..............

= 35.570 l/Tag.

Der mittlere gegenwärtige Tagesbedarf im Versorgungsbereich der WVA P beträgt 35.570 l, d.s. 0,41 l/sec. An verbrauchsreichen Tagen wird dieser Bedarf um ca. 50 %, d.h. auf 570 x 1,5 = 53.355 l/Tag, d.s. 0,62 1/sec steigen. An Wasserspenden stehen eine Hochquelle (K), sowie ein Tiefbrunnen am östlichen Ortsrand von P zur Verfügung. Da bei der WG. P keine Aufzeichnungen über die Schüttungen der obigen Wasserspenden in Trockenzeiten bestehen, wurde über Ersuchen des Wasserbauamtes Villach am 27. 7. 1969 durch den Obmannstellvertreter, Herrn P., eine Messung beider Wasserspenden durchgeführt. Diese Messung hat für die Hochquelle K eine Schüttung von 0,47 1/sec ergeben, während der Tiefbrunnen einen mittleren Wasserzudrang von 0,39 1/sec aufweist. Das gesamte Wasserdargebot beträgt im gegenwärtigen Zeitpunkt (Messung vom 27. 7. 1969) 0,86 1/sec und reicht somit aus, um den gegenwärtigen rechnerischen Bedarf auch an verbrauchsreichen Tagen zu decken bzw. ist noch ein Überschuß von 0,24 l/sec, d.s. rd. 27,8 m3, vorhanden. Da die Schüttungsmessung vom 27. 7. 1969 in einem relativ trockenen Zeitabschnitt, d, h. nach einer rd. 2 1/2 wöchigen trockenen Hitzeperiode erfolgt ist, erscheint sie als Anhaltspunkt zur Feststellung der Mindestschüttung grundsätzlich geeignet. Gegen den zusätzlichen Anschluß eines Einfamilienhauses (MF) mit einem täglichen Wasserbedarf von rd. 1 m3 bestehen lt. obiger Darlegung keine sachlichen Bedenken, zumal die WG. P für den Ausgleich der täglichen Verbrauchsschwankungen über einen Hochbehälter mit rund 80 m3 Speicherraum verfügt.“

In der gegen diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor eingebrachten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, daß das abgeführte wasserrechtliche Verfahren deshalb mangelhaft sei, weil die Erstbehörde zwar das Wasserdargebot, nicht jedoch den tatsächlichen Wasserverbrauch im Genossenschaftsgebiet gemessen habe.

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 9. Jänner 1970 wurde der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung keine Folge gegeben, jedoch der Wasserbezug der MF auf 500 1/Tag beschränkt und die Antragstellerin verpflichtet, auf ihre Kosten einen Wassermesser einbauen zu lassen und zu erhalten. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde auf eine Stellungnahme des Amtssachverständigen Bezug genommen, wonach bei einem auf Grund des bisherigen Verfahrens ermittelten Wasserdargebot von 0,86 1/sec und einem Hochbehälter von 80 m3 Nutzinhalt der Anschluß des Anwesens F unter den angeführten Beschränkungen ohne wesentlichen Nachteil für die bisherigen Genossenschaftsmitglieder möglich sei. Hinsichtlich der in der Berufung angeführten Erweiterungsabsichten der Genossenschaftsmitglieder habe sich der Sachverständige dahin geäußert, daß diese Projekte ohne Schaden für die bisherigen Mitglieder nur dann ausgeführt werden könnten, wenn die Wassergenossenschaft um weitere Wassergewinnungsmöglichkeiten besorgt sei.

Der auch gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 19. Februar 1971 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt:

„Unbestritten ist, daß die Liegenschaft der MF im Bereiche der Wassergenossenschaft P liegt. Der Wassergenossenschaft P stehen 2 Wasserspender zur Verfügung: Die Quelle K mit einer Mindestschüttung von 0,47 1/sec (lt. den vom 13. Jänner 1958 bis 9. Juli 1970 durchgeführten Quellenbeobachtungen) und ein Tiefbrunnen mit einer Minimalspende von 0,39 l/s, gemessen am 27. Juli 1969 (nach Angaben des hydrologischen Dienstes keineswegs ein feuchtes, sondern vielmehr als unternormal einzustufendes Jahr), also insgesamt 0,86 l/s, d. s. 74 m3/Tag. Der gegenwärtige maximale Tagesbedarf wurde unter Berücksichtigung des in der Urlaubszeit erhöhten Wasserbedarfes mit 53 m3 angenommen. Daraus ergibt sich, daß im Augenblick ungefähr 28 % mehr Trink- und Nutzwasser als erforderlich zur Verfügung steht. Das Dargebot kann daher zur Zeit als ausreichend angesehen werden. Der der Anschlußwerberin bewilligte Wasserbezug von 500 1/Tag entspricht einer Wassermenge, die auch bei dem angenommenen Mindestdargebot von 74.000 1/Tag nicht ins Gewicht fallen kann. Nach den bisher durchgeführten Erhebungen erscheint es jedoch wahrscheinlich, daß bei dem angenommenen künftigen Wasserbedarf der Wassergenossenschaft diese sich in absehbarer Zeit um ein zusätzliches Wasservorkommen wird umsehen müssen, unabhängig davon, ob MF die ihr bewilligten 500 1/Tag bezieht oder nicht. Zusammenfassend ist sohin abschließend zu bemerken, daß nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren durch den Anschluß der MF an die Wassergenossenschaft P und den bewilligten Bezug von 500 1/Tag den bisherigen Mitgliedern kein wesentlicher Nachteil erwächst, hingegen der Anschlußwerberin ein wesentlicher Vorteil.“

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erwogen:

Nach § 81 Abs. 2 WRG 1959 ist die Genossenschaft verpflichtet, soweit der Zweck der Genossenschaft nicht geändert wird, benachbarte oder im Bereich des genossenschaftlichen Unternehmens befindliche Liegenschaften und Anlagen auf Antrag ihres Eigentümers oder Berechtigten nachträglich einzubeziehen, wenn ihnen hiedurch wesentliche Vorteile und den bisherigen Mitgliedern keine wesentlichen Nachteile erwachsen können.

Die Beschwerdeführerin führt dazu aus, es komme durch die Aufnahme des Wortes „können“ im Gesetzestext eindeutig zum Ausdruck, daß die Nachteile für die bestehenden Mitglieder nicht nach den gegenwärtigen Verhältnissen zu beurteilen seien, sondern auch künftige Änderungen ins Kalkül gezogen werden müßten, also Möglichkeiten einer künftigen Entwicklung zu beachten seien. Das Ermittlungsverfahren habe eindeutig gezeigt, daß bereits in nächster Zukunft, insbesondere durch Modernisierung der Haushalte, durch Neubau von Bädern und Duschen, sowie Verbesserung der sanitären Einrichtungen, Versorgungsschwierigkeiten entstehen könnten.

Unbestritten ist, daß es sich bei der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei um eine „benachbarte oder im Bereich des genossenschaftlichen Unternehmens befindlichen Liegenschaft“ im Sinne des § 81 Abs. 2 WRG 1959 handelt. Die Verpflichtung zur nachträglichen Einbeziehung dieser Liegenschaft war nach dieser Gesetzesstelle dann auszusprechen, wenn der mitbeteiligten Partei daraus ein unstreitig gegebener - wesentlicher Vorteil erwuchs und den bisherigen Genossenschaftsmitgliedern keine wesentlichen Nachteile erwachsen können. Was unter solchen Nachteilen zu verstehen ist, kann nur aus Art und Umfang des genossenschaftlichen Unternehmens, hier also aus der wasserrechtlichen Bewilligung zur Nutzung eines Quellvorkommens auf fremdem Grund (§ 9 Abs. 2 WRG 1959) und eines Grundwasserbrunnens (§ 10 Abs. 2 WRG 1959) für die Wasserversorgung der Genossenschaftsmitglieder, erschlossen werden.

Somit war vorerst klarzustellen, welches Maß an Wasserbenutzung der Genossenschaft gemäß der ihr erteilten wasserrechtlichen Bewilligung zusteht (§ 11 Abs. 1 WRG 1959). Sollte dieses Maß mangels hinreichender Festlegung zweifelhaft sein, so hätte kraft der Vorschrift des § 13 Abs. 2 WRG 1959 lediglich der zur Zeit der wasserrechtlichen Bewilligung maßgebende Bedarf der Genossenschaft Berücksichtigung zu finden. In diesem Falle könnte die Annahme, daß der Genossenschaft aus dem Eintritt der mitbeteiligten Partei ein wesentlicher Nachteil erwachsen könne, berechtigt sein, wenn der derzeitige Durchschnittsverbrauch den für den Bewilligungszeitpunkt anzunehmenden, für die erteilte Bewilligung maßgebenden Bedarf erreicht oder nicht wesentlich unterschreitet.

Steht das bewilligte Maß aber fest, so ergibt sich daraus im Zusammenhalt mit der Vorschrift des § 13 Abs. 1 WRG 1959 der Schluß, daß im Zeitpunkte der Bewilligung von einem Bedarf der Genossenschaft in solcher Höhe ausgegangen wurde. Entspricht der dermalige Durchschnittsverbrauch annähernd der konsentierten Menge, so wird die Annahme zu rechtfertigen daß das Hinzukommen eines weiteren Verbrauchers einen wesentlichen Nachteil darstellen könnte, während bei einem größeren Abstand zwischen diesen Werten angenommen werden könnte, daß der Bedarf großzügig bemessen worden und deshalb das Hinzutreten eines weiteren Verbrauchers durchaus zumutbar sei. Es ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, daß der „Bedarf des Bewerbers“ im Sinne des § 13 Abs. 1 WRG 1959 im Zeitpunkte der Bewilligung als eine dem betreffenden Vorhaben - auch bei Berücksichtigung einer vorausschaubaren künftigen Entwicklung - angemessene Größe erkannt und umfänglich abgegrenzt worden ist. Eine - wie behauptet - in naher Zukunft bevorstehende Verdreifachung des Wasserbedarfes weist auf die bewilligungsbedürftige Erhöhung des Maßes der Wasserbenutzung hin, wobei auch die Vorschrift des § 13 Abs. 3 WRG 1959 beachtet werden müßte.

Die belangte Behörde hat sich demgegenüber damit begnügt, die tatsächliche Wasserdarbietung dem gegebenen bzw. behaupteten Bedarf gegenüberzustellen und daraus den Schluß auf den Abgang wesentlicher Nachteile im Sinne des § 81 Abs. 2 WRG 1959 zu finden. Dadurch hat sie ihr Verfahren rechtsirrigerweise unzureichend gestaltet, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden müßte.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 48 Abs. 1 lit. a bis d VwGG 1965 und Art. I Z. 1 und 2 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, 22. Oktober 1971

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1971:1971000581.X00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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