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VwGGNorm
ABGB §283Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Kramer, Dr. Knell und Dr. Dorner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Csaszar, in der Beschwerdesache des EF und des Dr. GH, beide in B, beide vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Jänner 1980, Zl. 9-122 Ma 128/1-1980, betreffend den Ersatz von Sozialhilfekosten durch die vollentmündigte AB, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 1.200,-- (insgesamt S 2.400,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
AB, in deren Namen die Beschwerde eingebracht worden ist, ist voll entmündigt; sie ist in einem Pflegeheim untergebracht. Soweit die Kosten ihrer Unterbringung nicht aus eigenen oder Fremdmitteln beglichen werden können, werden sie auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides vom Land Steiermark aus Mitteln der Sozialhilfe getragen. Zuletzt mit Beschluß des Bezirksgerichtes C als Pflegschaftsgericht vom 5. März 1979, GZ P 59/51-35, wurde die Bezirkshauptmannschaft D zum Kurator bestellt.
Die Steiermärkische Landesregierung ersuchte mit Schreiben vom 12. Februar 1979 das Bezirksgericht C als Pflegschaftsgericht unter Berufung auf § 39 Z 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977 (SHG), um Freigabe des in Verwahrung dieses Gerichtes erliegenden Sparbuches des Pfleglings.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 21. November 1979 wurde ausgesprochen, daß die voll entmündigte AB, vertreten durch das Jugendwohlfahrtsreferat der Bezirkshauptmannschart D, gemäß §§ 39 Z 1 und 46 Abs. 1 SHG verpflichtet sei, dem Land Steiermark bzw. dem Sozialhilfeverband D als Sozialhilfeträger einen Betrag von S 45,340,87 für bereits entstandene Sozialhilfekosten zu ersetzen.
Gegen diesen Bescheid erhoben der mit Beschluß des Bezirksgerichtes C vom 11. Dezember 1979, GZ. P 59/51-43, zum Kollisionskurator der AB bestellte EF sowie der Pflegschaftsrichter GH, beide namens der AB, Berufung mit dem Antrag, den genannten Bescheid aufzuheben, in eventu neuerlich zu entscheiden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhang mit den §§ 39 lit. 1 und 46 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes. Der Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 1. Februar 1980 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob Rechtsanwalt Dr. IK namens der „voll entmündigten AB ..., vertreten durch den mit Beschluß des Bezirksgerichtes C als Pflegschaftsgericht vom 11.12.1979 bestellten Kollisionskurator EF und den Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes C Dr. GH als mit der Führung dieser Pflegschaft befaßten Richter“ wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes Beschwerde.
Mit Berichterverfügung vom 27. Jänner 1981 wurde der einschreitende Rechtsvertreter aufgefordert, „die Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwaltes durch den Kurator der Beschwerdeführerin, die Bezirkshauptmannschaft D, nachzuweisen, da die Funktion des Kollisionskurators EF im Beschluß des Bezirksgerichtes C vom 11.12.1979 auf die Einbringung eines Rechtsmittels (Berufung) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 21.11.1979 beschränkt wurde und der Pflegschaftsrichter Dr. GH nicht Vertreter der Beschwerdeführerin im Sinne der zufolge § 9 AVG anzuwendenden privatrechtlichen Bestimmungen ist“.
Daraufhin legte der einschreitende Rechtsvertreter die mit 6. Februar 1981 datierte Vollmacht der „Bezirkshauptmannschaft C, Jugendwohlfahrtsreferat, als Kurator für die voll entmündigte AB“ vor.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde, nach Erschöpfung des Instanzenzuges, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 sind unter anderen Beschwerden, denen der Mangel der Berechtigung zur Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen; nach § 34 Abs. 3 leg. cit. ist ein Beschluß nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
2.1. In der gegenständlichen Beschwerde wurde vom einschreitenden Rechtsanwalt IK als Beschwerdeführer angeführt: „Voll entmündigte AB ..., vertreten durch den mit Beschluß des Bezirksgerichtes C als Pflegschaftsgericht vom 11.12.1979 bestellten Kollisionskurator EF ... und den Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes C Dr. GH als mit der Führung dieser Pflegschaft befaßten Richter“. Der Beschwerde lag zum Nachweis der Bevollmächtigung des Dr. IK eine von EF und Dr. GH unterfertigte Vollmacht vom 25. Februar 1980 bei. Zum Nachweis der Befugnis des EF, die voll entmündigte AB zu vertreten, wurde der Beschluß des Bezirksgerichtes C vom 11. Dezember 1979, GZ P 59/51-43, vorgelegt, nach dessen Spruch EF - unbeschadet der Funktion der mit Beschluß vom 5. März 1979 zum Kurator der AB bestellten Bezirkshauptmannschaft D als Kurator der Entmündigten , zum Kollisionskurator der voll entmündigten AB bestellt wurde, wobei die Funktion des Kollisionskurators auf die Einbringung eines Rechtsmittels (Berufung) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 21. November 1979 beschränkt wurde, Eine Begründung für die Befugnis des Pflegschaftsrichters zur Vertretung der vollentmündigten AB im verwaltungsgerichtlichen Verfahren findet sich in der Beschwerde nicht.
2.2. Gemäß § 23 Abs. 1 VwGG 1965 können die Parteien, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, ihre Sache vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst führen oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Insoweit die Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie gemäß der nach § 62 VwGG 1965 auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden, den Bestimmung des § 9 AVG von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Der Beurteilung unterliegt nach dieser Vorschrift aber nicht nur die Frage der Handlungsfähigkeit von Beteiligten, sondern auch die Frage, wer für handlungsunfähige Beteiligte zur Vertretung befugt ist. Gemäß § 3 Entmündigungsordnung steht eine voll entmündigte Person hinsichtlich ihrer Handlungsfähigkeit einem Kind vor vollendetem siebenten Lebensjahr gleich. Zur Fürsorge für die Person und das Vermögen ist ein Kurator zu bestellen. Ihm kommt gemäß § 282 ABGB in Verbindung mit den §§ 244, 245 sowie den §§ 151 und 152 ABGB grundsätzlich die alleinige Vertretung der voll entmündigten Person zu, sofern sie nicht, was im Beschwerdefall nicht in Betracht kommt geschäftsfähig ist oder der Kurator nicht für einen Teilbereich von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist. Mit dem obgenannten Beschluß des Bezirksgerichtes C vom 11. Dezember 1979 wurde nun zwar EF zum Kollisionskurator der voll entmündigten AB bestellt (und damit das grundsätzliche Vertretungsrecht der Bezirkshauptmannschaft D als Kuratorin insoweit eingeschränkt), seine Vertretungsbefugnis wurde allerdings auf die Einbringung eines Rechtsmittels (Berufung) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 21. November 1979 beschränkt. Wenn nun auch dieser eingeschränkte Wirkungskreis den Kollisionskurator auch zur Vertretung der Vollentmündigten im Berufungsverfahren selbst befähigte, so vermag dieser Beschluß doch nicht die Befugnis des EF zur Vertretung der Vollentmündigten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu decken, da unter der „Einbringung eines Rechtsmittels (Berufung)“ nicht auch die Einbringung einer verwaltungsgerichtlichen Beschwerde, die sich im übrigen gegen einen anderen als den genannten Bescheid der Erstbehörde richtet, subsumiert werden kann. Das Amt des Kollisionskurators endete daher gemäß § 283 ABGB ipso iure mit der Zustellung des angefochtenen Bescheides (vgl. zur Endigung einer Kollisionskuratel im behördlichen Verfahren: Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, S. 265, mit weiteren Belegstellen). Im Zeitpunkt der Erhebung der gegenständlichen Beschwerde war somit EF nicht mehr gesetzlicher Vertreter der voll entmündigten AB und daher zur Einbringung einer Beschwerde in ihrem Namen nicht berechtigt.
2.3. Mangels jeglicher Rechtsgrundlage war aber auch der Pflegschaftsrichter nicht zur Vertretung der Vollentmündigten im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren befugt.
3.1. Der im Beschwerdefall einschreitende Rechtsvertreter der genannten Personen hat nun zwar auf Grund der obgenannten Berichterverfügung eine mit 6. Februar 1981 datierte Vollmacht der „Bezirkshauptmannschaft D, Jugendwohlfahrtsreferat, als Kurator für die voll entmündigte AB“ vorgelegt; aus dem Akt ergibt sich aber, daß weder zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist (am 14. März 1980) zwischen ihm und der Bezirkshauptmannschaft D in ihrer Eigenschaft als Kuratorin der Vollentmündigten ein Vollmachtsverhältnis begründet wurde und daher die vorgelegte Vollmachtsurkunde nicht als bloß nachträgliche Beurkundung eines bereits während der Beschwerdefrist begründeten Vollmachtsverhältnisses angesehen werden kann. Denn nach der Aktenlage erfuhr die Bezirkshauptmannschaft D erst auf Grund des Schreibens des Pflegschaftsrichters vom 9. April 1980, bei der Bezirkshauptmannschaft D eingelangt am 10. April 1980, von der Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde.
3.2. Gemäß der zufolge § 62 VwGG 1965 auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Rechtsanwälte als Vertreter von Beteiligten und ihren gesetzlichen Vertretern anzuwendenden Bestimmung des § 10 Abs. 1 AVG 1950 haben sich diese Rechtsvertreter durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen. Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 13 Abs. 3 leg. cit. von Amts wegen zu veranlassen. Da in dieser Bestimmung nur vom „Inhalt und Umfang“ der Vertretungsbefugnis, nicht aber auch vom Bestand des Vollmachtsverhältnisses die Rede ist, bezieht sich die in dieser Bestimmung vorgesehene Behebung von Formmängeln nach vorherrschender Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur auf die Frage des Inhaltes und des Umfanges der Vollmacht, nicht aber auch auf den Bestand des Vollmachtsverhältnisses selbst. Wird daher im Falle einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Ablauf der Frist zwischen dem die Verfahrenshandlung Vornehmenden und der Person, für die diese Verfahrenshandlung vorgenommen werden soll, ein Vollmachtsverhältnis begründet (und nicht bloß ein schon früher - nämlich zum Zeitpunkt des Verwaltungshandelns - bestehendes Vollmachtsverhältnis nur nachträglich beurkundet), so vermag dies, auch wenn damit die nachträgliche Genehmigung der gesetzten Verfahrenshandlung bezweckt werden sollte, die Rechtswirksamkeit der Verfahrenshandlung nicht zu begründen (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1955, Slg.N.F.Nr. 3781/A, und vom 10. November 1964, Slg.N.F.Nr. 6482/A, Beschluß vom 7. November 1969, Zl. 144/68; sowie die Erkenntnisse vom 17. Oktober 1973, Zl. 615/73, und vom 23. Oktober 1978, Zl. 322/77). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 30. Juni 1976, Zl. 1523/75 und vom 29. September 1978, Zlen. 45/78, 559/78, die Zulässigkeit der Sanierung eines bestehenden Vollmachtsmangels durch nachträgliche Genehmigung nicht ausgeschlossen; diesen Erkenntnissen lagen aber insofern anders gelagerte Sachverhalte zugrunde, als in beiden Fällen die damaligen Parteien schon während der für die Vornahme der Verfahrenshandlung gesetzten Frist die Absicht zu erkennen gegeben hatten, die von den ohne Bevollmächtigung handelnden Vertretern vorgenommenen Verfahrenshandlungen für sich gelten zu lassen.
3.3. Im Beschwerdefall vermochte daher die erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von der Bezirkshauptmannschaft D in ihrer Eigenschaft als Kuratorin der Vollentmündigten erteilte Vollmacht an den einschreitenden Rechtsvertreter - unbeschadet der Frage, ob überhaupt ein verbesserungsfähiger Formmangel vorlag und die Bezirkshauptmannschaft D zur Vertretung der voll entmündigten AB - im Beschwerdefall (mangels Beendigung der bestehenden Kollision) befugt war - nicht die Zurechnung der gegenständlichen Beschwerde an die voll entmündigte AB zu begründen.
4. Obwohl somit in der Beschwerde als Beschwerdeführerin die voll entmündigte AB angeführt wurde, ist die Beschwerde aus den angeführten Gründen doch nicht ihr, sondern den in der Beschwerde als ihre angeblichen Vertreter angeführten Personen, nämlich EF und Dr. GH zuzurechnen; sie sind somit als Beschwerdeführer im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG 1965 anzusehen (vgl. zu einem rechtsähnlichen Fall das Erkenntnis vom 15. September 1975, Slg.N.F.Nr. 8883/A). Dies hat aber zur Konsequenz, daß ihre Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war, da im angefochtenen Bescheid nur über die Rechte der voll entmündigten AB, nicht aber auch über die Rechte der als Beschwerdeführer zu wertenden Personen, abgesprochen wurde und sie somit nicht im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG in ihren Rechten verletzt sein konnten.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 und 51 sowie 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. B Z 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Da nach den Darlegungen zu Punkt 4 als Beschwerdeführer EF und Dr. GH anzusehen sind, war auch der Ersatz des Aufwandes des Landes Steiermark ihnen zu gleichen Teilen aufzutragen.
6. Soweit in diesem Erkenntnis Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 26. Jänner 1982
Schlagworte
Ende Vertretungsbefugnis Entmündigung Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit Kurator Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters nachträgliche Vollmachtserteilung Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter ZurechnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1980000577.X00Im RIS seit
23.02.2021Zuletzt aktualisiert am
23.02.2021