Index
L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Stadt Wien, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Jänner 1995, Zl. VII/1-F-34.044/4-94, betreffend Ersatzanspruch gemäß § 44 Niederösterreichisches Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 14. September 1990 richtete der Magistrat der Stadt Wien, MA 17, an die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf folgendes
Schreiben:
Betreff: ...
wh: 2263 Dürnkrut
...
Frau ... stand vom 27.6.1988 bis 3.3.1989 im KH-Floridsdorf. Ab 5.7.1988 wurden die Kosten von der NÖ-Gebietskrankenkasse mit der Begründung "Pflegefall" abgelehnt.
Von der Patientin selbst wurde für den Krankenhaus-Aufenthalt eine Parteizahlung in der Höhe von S 59.426,-- geleistet, somit haftet der Betrag von S 606.712,-- noch unberichtigt aus.
Die Magistratsabteilung 17 ersucht um bescheidmäßiges Anerkenntnis der Erstattungspflicht."
Am 11. Februar 1993 modifizierte der Magistrat der Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, dieses Ansuchen wie folgt:
"Mit do. Schreiben vom 20.1.93 wurde die Übernahme der für Frau ... in der Zeit vom 27.6.88 bis 3.3.89 noch restlich aufgelaufenen Pflegegebühren von S 449.041,-- inklusive 10 % USt abgelehnt.
Der BH Gänserndorf wurde mittels Anzeige zur Hilfeleistung vom 13.9.88 nachweislich mitgeteilt, daß ab 5.7.88 für das Jahr 1988 täglich S 2.739,-- (inklusive 10 % USt) wegen Asylierung auflaufen.
Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Sozialhilfeträgers ist durch den ordentlichen Wohnsitz der Frau ... in 2263 Dürnkrut ... bis 7.7.88 gegeben.
Der Wiener Krankenanstaltenverbund (vormals MA 17) als Rechtsträger der Wiener Krankenanstalten ersucht in seiner Eigenschaft als "ersatzberechtigter Dritter" im Sinne des § 44
(2) NÖ SHG um bescheidmäßige Erledigung."
Mit Schreiben vom 24. März 1993 wurde das Ansuchen in dieser Form mit der (einzigen) Abweichung, daß der Betrag von S 449.041,-- unter Hinweis auf den Abzug einer Parteizahlung durch den Betrag von S 439.615,-- ersetzt wurde, wiederholt.
Da die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf das Ansuchen nicht bescheidmäßig erledigte, machte der Magistrat der Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, mit Schreiben an die belangte Behörde vom 27. September 1994 den Übergang der Entscheidungspflicht geltend.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:
"IHR ANTRAG vom 14. September 1990 an die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, modifiziert durch die nachfolgenden Anträge vom 11. Februar 1993 und 24. März 1993, in welchem Sie unter Berufung auf § 44 des NÖ SHG als ersatzberechtigter Dritter den Ersatz der Kosten des Aufenthaltes von Frau ... im Krankenhaus Floridsdorf in der Höhe von S 439.615,-- begehren, WIRD ABGELEHNT.
Rechtsgrundlagen: §§ 6, 56, 73 Abs. 1, 2 AVG 1991, BGBl. 1991/51 i.d.g.F., §§ 8, 44, 52, 53 NÖ SHG, LGBl. 9200-11, Art. 12 Abs. 1 Z. 1 und Art. 15 Abs. 6 B-VG."
Begründend stellte die belangte Behörde zunächst den Inhalt des Devolutionsantrages dar. Daran schlossen sich Feststellungen darüber, daß die Patientin ihren Wohnsitz am 6. Juli 1988 von Dürnkrut nach Wien verlegt und sich vom 27. Juni 1988 bis 3. März 1989 im Krankenhaus Floridsdorf befunden habe, wobei seitens der NÖ Gebietskrankenkasse ab dem 5. Juli 1988 wegen Asylierung keine Kosten mehr übernommen worden seien. Im Anschluß daran sei die Patientin infolge eines schon am 21. Juni 1988 (von ihrer in Wien lebenden Tochter) an den Magistrat der Stadt Wien, MA 12, gerichteten Heimaufnahmeantrages am 3. März 1989 in ein Wiener Pflegeheim überstellt worden, wo sie am 21. März 1989 verstorben sei.
Nach einer Darstellung des Schriftwechsels zwischen der Antragstellerin und der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf seit dem 13. September 1988 hielt die belangte Behörde fest, der Antrag stütze sich auf § 44 Niederösterreichisches Sozialhilfegesetz (NÖ SHG). Gemäß § 53 Abs. 2 NÖ SHG obliege die Entscheidung über Ersatzansprüche Dritter gemäß § 44 NÖ SHG in erster Instanz der Bezirksverwaltungsbehörde, in zweiter Instanz der Landesregierung. Da die Frist für die Entscheidung über den zuletzt am 24. März 1993 modifizierten Antrag verstrichen sei, sei die Zuständigkeit zur Entscheidung über schriftliches Verlangen der Antragstellerin auf die belangte Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen.
Gemäß § 44 NÖ SHG seien einem Hilfeleistenden auf Antrag unter bestimmten, näher dargestellten Voraussetzungen im gebotenen Umfang Kosten zu ersetzen. Der Kompetenztatbestand "Sozialhilfe" falle hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Daraus folge, daß der Landesgesetzgeber nur "in bzw." für seinen eigenen Bereich Regelungen treffen könne.
Hieran schlossen sich folgende Rechtsausführungen der belangten Behörde:
"Die Frage, welches Gesetz im konkreten Fall anwendbar ist (das SHG des Landes Wien oder jenes des Landes NÖ) hängt davon ab, in welchem Bundesland der Hilfesuchende sich aufhält (Territorialitätsprinzip). Dies hat auch für den ersatzberechtigten Dritten im Sinne des § 44 NÖ SHG nach ha. Rechtsauffassung Gültigkeit.
Gemäß § 52 Abs. 1 NÖ SHG richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde grundsätzlich nach dem ordentlichen Wohnsitz des Hilfesuchenden. Einem Hilfeempfänger ist gemäß § 8 Abs. 2 NÖ SHG grundsätzlich nur solange Sozialhilfe zu gewähren, als er seinen ordentlichen Wohnsitz in NÖ hat.
Da in einem Landesgesetz nicht die örtliche Zuständigkeit der Behörde eines anderen Bundeslandes normiert werden kann, ergibt sich eindeutig, daß gemäß § 44 NÖ SHG nur für Hilfeleistungen Dritter im Bereich des Landes NÖ Ersatz geleistet werden muß. Das Land NÖ muß demnach für Hilfeleistungen eines Krankenhauses der Stadt Wien keinen Ersatz gemäß § 44 NÖ SHG leisten.
Gemäß § 6 AVG 1991 hat eine Behörde, wenn sie sich zur Entscheidung über das bei ihr eingelangte Anbringen für unzuständig hält, den Antrag zurückzuweisen."
Der Antragstellerin sei der maßgebliche Sachverhalt von der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden. Die Antragstellerin habe dazu in näher dargestellter Weise Stellung genommen, doch genügten auch diese Ausführungen nicht, um die schon von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf aufgeworfenen Fragen (näher dargestellt) zufriedenstellend zu klären.
Der Rest der Bescheidbegründung lautete wie folgt:
"Bei Vorliegen einer Zuständigkeit der NÖ Sozialhilfebehörde hätte von dieser die Unterbringung in einem Heim bzw. die Bereitstellung eines Pflegeplatzes erfolgen müssen. Die Sachwalterin von Frau ..., Frau ..., hat den Antrag auf Heimaufnahme jedoch am 21. Juni 1988 an die Wiener MA 12 gerichtet. Die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf hat erst durch die Anzeige vom 6. März 1989, bei ihr eingelangt am 9. März 1989, erfahren, daß Frau ... per 3. März 1989 in das Pflegeheim Liesing überstellt wurde.
Auch bei Vorliegen einer Zuständigkeit der NÖ Sozialhilfebehörde wären somit die (materiellen) Anspruchsvoraussetzungen für den Kostenersatz gemäß § 44 NÖ SHG nicht erfüllt, weshalb ein diesbezüglicher Antrag abzuweisen wäre.
Abgesehen davon ist Ihren Ausführungen jedoch entscheidenderweise entgegenzuhalten, daß sie für die Beurteilung der Frage des Ersatzanspruches eines Wiener Krankenhauses gemäß § 44 SHG irrelevant sind.
Da in einem Landesgesetz nicht die örtliche Zuständigkeit der Behörde eines anderen Bundeslandes normiert werden kann, ergibt sich daraus, daß auch nur für Hilfeleistungen Dritter im Bereich des Landes NÖ Ersatz geleistet werden muß. Demnach trifft das Land NÖ vom Grundsatz her keine rechtliche Verpflichtung, für Hilfeleistungen eines Krankenhauses der Stadt Wien Ersatz gemäß § 44 NÖ SHG zu leisten. Ein diesbezüglicher Antrag ist demnach mangels Zuständigkeit zurückzuweisen.
Die Kosten der Sozialhilfe hätten vom Land Wien richtigerweise auf der Grundlage der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe angesprochen werden müssen.
Es war daher über Ihren Antrag auf Ersatz der Kosten des Aufenthaltes von Frau ... im Krankenhaus Floridsdorf in der Höhe von S 439.615,-- gemäß § 44 NÖ SHG mangels Zuständigkeit und mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen hat:
Wenn die Beschwerdeführerin sich durch den angefochtenen Bescheid auch in ihrem Recht auf Kostenersatz nach § 61 NÖ SHG in Verbindung mit der Verordnung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. 9200/6-1, verletzt erachtet, so ist dem entgegenzuhalten, daß ein derartiger Anspruch nicht Gegenstand des Verfahrens war. Die Beschwerdeführerin ist nicht als Sozialhilfeträger an ein Vertragsland der mit der erwähnten Verordnung für Niederösterreich in Kraft gesetzten Vereinbarung, im besonderen nicht gemäß Art. 7 dieser Vereinbarung an die Landesregierung dieses Vertragslandes, sondern sie ist mit ihrem ausdrücklich auf § 44 NÖ SHG gestützten Begehren als Rechtsträger der Wiener Krankenanstalten in ihrer Eigenschaft als "ersatzberechtigter Dritter im Sinne des § 44 (2) NÖ SHG" an die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die Patientin ihren ordentlichen Wohnsitz gehabt hatte, herangetreten und hat in bezug auf dieses Begehren den Übergang der Entscheidungspflicht geltend gemacht (vgl. zur Verschiedenheit der Verfahrensgegenstände das Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 87/11/0216; zur Abgrenzung der Hilfeleistung Dritter gegenüber der Gewährung von Sozialhilfe die Erkenntnisse vom 16. Mai 1989, Zl. 88/11/0107, vom 27. Juni 1989, Zl. 88/11/0126, vom 5. Juli 1989, Zl. 89/11/0156, und vom 30. November 1993, Zl. 93/08/0107, und den Beschluß vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0195). Überdies ist nach Art. 1 der Ländervereinbarung (entsprechend durchgeführt in § 61 NÖ SHG) der jeweilige Sozialhilfeträger ersatzberechtigt; dies ist nach § 34 Abs. 1 des Wiener SHG (sieht man von der Trägerschaft der Gemeinde Wien für die sozialen Dienste iS des § 22 Abs. 2 leg. cit. ab) Wien als Land und nicht die beschwerdeführende Stadt Wien.
In bezug auf den geltend gemachten Ersatzanspruch nach § 44 NÖ SHG kann die Entscheidung der belangten Behörde aber nicht Bestand haben. Der von Amts wegen wahrzunehmende Grund dafür liegt darin, daß es sich beim angefochtenen Bescheid - trotz der zweideutigen Formulierung, der Antrag werde "abgelehnt" - nach den Entscheidungsgründen um eine Zurückweisung handelt ("ein diesbezüglicher Antrag ist demnach mangels Zuständigkeit zurückzuweisen"), während die nicht als erschöpfende Beurteilung aufzufassenden Hinweise auf das nach Meinung der belangten Behörde ebenfalls gegebene Fehlen von Anspruchsvoraussetzungen mit der Erläuterung verbunden sind, den diesbezüglichen Argumenten der Beschwerdeführerin sei "entscheidenderweise entgegenzuhalten", sie seien - erkennbar wegen der im Anschluß daran dargestellten Überlegungen zur Zuständigkeit - "irrelevant". Trotz der abschließenden Formulierung, es sei nicht nur "mangels Zuständigkeit", sondern auch "mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen spruchgemäß zu entscheiden" gewesen, kommt damit zweifelsfrei zum Ausdruck, daß es einer inhaltlichen Beurteilung des Begehrens nach Ansicht der belangten Behörde nicht bedurfte und die Entscheidung insgesamt als Zurückweisung aufzufassen ist.
Die dem zugrunde liegende (den einleitenden Rechtsausführungen der belangten Behörde allerdings widersprechende) Ansicht, niederösterreichische Bezirksverwaltungsbehörden seien für die Entscheidung über behauptete Ansprüche nach § 44 NÖ SHG nicht zuständig, wenn die Hilfe nicht in Niederösterreich geleistet wurde und/oder derjenige, der sie geleistet hat, sich nicht in Niederösterreich aufhält, widerspricht dem Gesetz. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über derartige Ansprüche richtet sich nach den §§ 52 und 53 NÖ SHG, die derartige Kriterien nicht vorsehen. Durch die Entscheidung der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin daher in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung über ihr Begehren verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren sei aus prozeßökonomischen Gründen bemerkt, daß ein niederösterreichischer Wohnsitz (Sitz) des HILFELEISTENDEN nach dem insoweit zu keinen Zweifeln Anlaß gebenden Inhalt des § 44 NÖ SHG auch keine Voraussetzung des Ersatzanspruches ist. Der in der Gegenschrift ausdrücklich aufrecht erhaltene Standpunkt, der Ersatzanspruch stehe "nur einem Normunterworfenen des niederösterreichischen Landesgesetzgebers" zu, hat keine Grundlage im Gesetz. Auch auf den Ort der Hilfeleistung kann es nur insoweit ankommen, als dadurch - indirekt - der Anspruch des Hilfeempfängers auf Leistungen nach dem NÖ SHG berührt wurde. Die belangte Behörde wird dies zu berücksichtigen und das Begehren der Beschwerdeführerin dementsprechend einer umfassenden, nicht an der Anwendung des Territorialprinzips auf den ersatzberechtigten Dritten, sondern an den Kriterien des § 44 (i.V.m. § 8 Abs. 2) NÖ SHG orientierten Beurteilung zu unterziehen haben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
sachliche Zuständigkeit örtliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995080079.X00Im RIS seit
13.07.2001