TE OGH 2020/12/10 4Ob186/20m

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der verbundenen Rechtssache der Klägerin und Widerbeklagten V***** GmbH, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagte und Widerklägerin A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Auskunft und Zahlung (Streitwert 65.000 EUR) sowie Erteilung einer Nutzungsbewilligung (Streitwert 43.200 EUR), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2020, GZ 5 R 42/20p-33, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Dezember 2019, GZ 53 Cg 21/18m-29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen deren mit 2.391,84 EUR (darin 398,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt, soweit der Berechtigte ein Rundfunkunternehmer ist. Dabei handelt es sich insbesondere um das Recht der Weitersendung von Rundfunksendungen einschließlich Satellitensendungen mit Hilfe von Leitungen gemäß § 59a UrhG.

[2]       Die Beklagte bietet ihren Kunden unter anderem Sprachtelefonie, Internetzugang und digitales Kabelfernsehen an.

[3]       Zwischen den Streitteilen bestehen Verträge über die integrale Weitersendung von Rundfunksendungen in Mobilfunknetzen und die integrale Kabelweitersendung von Rundfunkprogrammen in IP-basierten Netzwerken.

[4]       Die Klägerin begehrte, die Beklagte zur Auskunft darüber zu verpflichten, wie viele ihrer Kunden den von ihr angebotenen TV-Dienst als Zusatz zu einem Mobilfunkvertrag abonniert haben, sowie Zahlung des aus dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Mobil-TV-Vertrag geschuldeten Entgelts, beginnend mit dem Abrechnungsmonat August 2015.

[5]       Die Beklagte wendete ein, die Klägerin begehre Zahlungen auf Basis eines Vertrags für ein nicht mehr existierendes Produkt. Sie habe ein neues Produkt auf den Markt gebracht, für das sie eine Nutzungsbewilligung für die integrale Weitersendung des Programmportfolios der Klägerin benötige. Diese verweigere jedoch den Vertragsabschluss ohne triftigen Grund und erhebe stattdessen Ansprüche auf Basis eines veralteten und unangepassten Vertragstextes. Sie verstoße damit gegen das Gebot von Treu und Glauben nach § 36 VerwGesG.

[6]       Mit ihrer Widerklage begehrte die Beklagte/ Widerklägerin, die Klägerin/Widerbeklagte zu verpflichten, ihr für die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Weitersendung von Fernsehprogrammen der von ihr vertretenen Rundfunkunternehmen standortunabhängig an identifizierte und authentifizierte, mobile oder stationäre Endgeräte (…) mittels drahtloser und/oder drahtgebundener Übertragungstechnologien, insbesondere Mobilfunk, Übertragung mittels Leitungen in geschlossenen und offenen Netzen, mit oder ohne WLAN, für das Produkt A1 Now (…) ab August 2015, in eventu ab sofort, eine nicht ausschließliche Nutzungsbewilligung auf unbestimmte Zeit zu angemessenen Bedingungen (…) zu erteilen.

[7]            Das Erstgericht verband beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Der Mobil-TV-Vertrag betreffe die Weitersendung [von Sendungen] der Bezugsberechtigten der Klägerin über die eigenen UMTS-Kommunikationsnetze der Beklagten. Das von der Beklagten zu zahlende Entgelt sei anhand der Meldung über die Anzahl der Nutzer des Dienstes zu berechnen. Die Beklagte übertrage den neuen TV-Dienst A1 Now weiterhin über ihr eigenes UMTS-Kommunikationsnetz. Zwar erfolge die Weitersendung nicht ausschließlich, allerdings vorwiegend über dieses Netz. Der Dienst werde außerdem als Zusatz zu einem Mobilfunkvertrag der Beklagten angeboten. Die Weitersendung des TV-Dienstes A1 Now über das UMTS-Netz der Beklagten wäre vertragsgemäß zu melden und zu bezahlen gewesen. Mit ihren Meldungen und Zahlungen ab August 2016, die die Beklagte ausdrücklich nicht als dem Mobil-TV-Vertrag zugehörig ausgewiesen habe, habe sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Es bestehe kein Anspruch der Beklagten auf Erteilung einer Nutzungsbewilligung zu angemessenen Bedingungen (im begehrten Umfang). Der Begriff Leitung sei zwar technologieneutral auszulegen, aber die Weitersendung über das Internet sei jener über Leitungen oder ein UMTS-Kommunikationsnetz nicht gleichzuhalten, weil beim Internet-Streaming eine beliebige, fremde Infrastruktur genutzt werde. Da der TV-Dienst A1 Now sowohl über das eigene UMTS-Netz der Beklagten als auch über Fremdnetze gesendet werde, sei keine geschlossene Infrastruktur gegeben und es handle sich nicht um ein durchgehend von der Beklagten kontrolliertes Kommunikationsnetz. Somit sei die Weitersendung von A1 Now über das Internet unter Nutzung fremder Kommunikationsnetze von § 59a UrhG nicht umfasst. Die Klägerin verfüge ferner gar nicht über die Rechte zur Erteilung einer Werknutzungsbewilligung in dem von der Beklagten begehrten Umfang. Ihr sei nur das Recht zur klassischen Kabelweitersendung über ein geschlossenes Netz, nicht jedoch jenes zur Weitersendung als sogenannter OTT-Stream über fremde Netze eingeräumt worden.

[8]            Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zur Auslegung von § 59a UrhG zulässig sei. Der TV-Dienst der Beklagten könne auch über ihr Mobilfunknetz bezogen werden. Jene Kunden, die den TV-Dienst der Beklagten gemeinsam mit einem Mobilfunkvertrag abonniert hätten und diesen daher über deren Mobilfunknetz konsumieren könnten, seien Mobil-TV-Kunden im Sinne des bestehenden Vertrags zwischen den Streitteilen. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Auskunft im Umfang des von ihr erhobenen Urteilsbegehrens. Die Weiterleitung von Rundfunksendungen über das offene Internet (OTT) sei nicht vom Begriff der Kabelweiterverbreitung iSd § 59a UrhG umfasst. Andererseits verfüge die Klägerin auch nicht über die Rechte zur Einräumung einer Nutzungsbewilligung für die Weitersendung über fremde Netze. Damit unterliege sie auch nicht dem Kontrahierungszwang, sodass dem Widerklagebegehren nicht Folge zu geben sei.

[9]       Die Beklagte beantragt mit ihrer Revision, die Klage abzuweisen und dem Widerklagebegehren stattzugeben.

[10]           Die Klägerin beantragt mit ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- bzw abzuweisen.

[11]     Die Revision ist, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[12]     1. Zur Klage

Rechtliche Beurteilung

[13]     1.1. Entscheidende Bedeutung kommt der Auslegung des zwischen den Streitteilen bestehenden Mobil-TV-Vertrags zu. Ob ein Vertrag richtig ausgelegt wurde, ist eine Frage des Einzelfalls und bildet von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung nach § 502 ZPO (RIS-Justiz RS0042776, RS0044358).

[14]           1.2. Die Auslegung der Vorinstanzen, dass der Vertrag nicht produktbezogen ist, sondern jegliche Weiterleitung über UMTS erfasst, ist vertretbar. Nach der am Anfang stehenden Auslegung nach dem Wortlaut (vgl RS0017797) ist maßgeblich, dass im gesamten Vertrag das konkrete Produkt nicht genannt, sondern vielmehr eine Übertragungsform lizenziert wird. Insofern ist es keine grobe Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht den Vertrag als nicht produkt-, sondern übertragungsformbezogen verstanden hat. Die dagegen von der Revision eingewandten Argumente zeigen ebenfalls keine unvertretbare Beurteilung auf (vgl RS0042776 [T23]).

[15]           Es steht fest, dass die Beklagte auch über UMTS überträgt, worauf sich der Vertrag bezieht. Das Rechnungslegungsbegehren ist ausdrücklich nur auf solche Kunden gerichtet, die das TV-Angebot als Zusatz zu einem Mobilfunkvertrag abonniert haben. Zu einer unzulässigen Mehrfachvergütung kann es insoweit nicht kommen, als die Klägerin nur jenen Teil der Vergütung fordern kann, der der jeweiligen im Vertrag vereinbarten Form der Kabelweiterleitung (hier: UMTS) entspricht. Insoweit ist auch darauf zu verweisen, dass die Beklagte mit der Klägerin neben dem Mobil-TV-Vertrag auch einen IPTV Vertrag abgeschlossen hat. Den Parteien stand daher bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine gespaltene Vergütung für verschiedene Formen der Kabelweiterleitung vor Augen. Eine Bekanntgabe von „aktiven Teilnehmern“ wird nicht begehrt, sodass auch die von der Revision eingewandte Überwachung der Kunden nicht notwendig ist (vgl zudem 4 Ob 72/20x [3.2.]).

[16]     1.3. Zusammenfassend ist die Auslegung des Mobil-TV-Vertrags durch die Vorinstanzen vertretbar. Eine erhebliche Rechtsfrage wird nicht aufgezeigt.

[17]     2. Zur Widerklage

[18]           2.1. Die maßgebliche Rechtsfrage hat der Senat zu 4 Ob 149/20w beantwortet. Dort wurde ausgesprochen, dass ein Dienst, der im Wesentlichen jenem der hier Beklagten entspricht, zwar eine Kabelweiterleitung ist (II.), dass aber die Rundfunkunternehmer der Klägerin die Verwertungsrechte hinsichtlich OTT-TV nicht übertragen haben, weil sie bereits der VG Media nicht übertragen wurden [3.1.]. Damit steht fest, dass die Klägerin nicht zur Erteilung einer Lizenz für OTT-TV berechtigt ist, weshalb auch hier das Widerklagebegehren vertretbar abgewiesen wurde. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt (nicht mehr) vor (vgl RS0112769; RS0112921).

[19]           2.2. Im Übrigen ist auf die Entscheidung 4 Ob 185/20i zu verweisen, wo dasselbe Produkt streitgegenständlich war und sich die Rundfunkunternehmer und die hier Beklagte gegenüberstanden.

[20]     3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Mobil-TV-Dienste / A1 Now,

Textnummer

E130431

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00186.20M.1210.000

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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