Entscheidungsdatum
23.07.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §45 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde des A. B., C.-gasse, Wien, vom 13.7.2020 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 16.6.2020, Zl. …, betreffend eine Übertretung des § 40 iVm §§ 7 und 17 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, idF BGBl. I Nr. 23/2020 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 15/2020 und der Verordnung BGBl. II Nr. 21/2020
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit o.a. Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer wie folgt zur Last gelegt:
„Sie haben sich - wie durch Organe der Landespolizeidirektion Wien im Zuge der Überwachung von Anordnungen nach dem Epidemiegesetz 1950 festgestellt wurde - am 01.05.2020, um 21:03 Uhr, nicht in der Wohnung in Wien, C.-gasse, aufgehalten, sich somit aus dieser Wohnung wegbegeben, obwohl, wie Ihnen am 01.05.2020 durch ein Amtsorgan der Magistratsabteilung 15, Bezirksgesundheitsamt …, persönlich bekannt gegeben wurde, die Magistratsabteilung 15, Bezirksgesundheitsamt …, Ihre Absonderung an der Adresse Wien, C.-gasse, für den Zeitraum vom 27.04.2020 bis 11.05.2020, zur Verhütung der Weiterverbreitung von 2019-nCoV (‚2019 neuartiges Coronavirus‘) angeordnet hat. Diese Anordnung wurde mit Bescheid der Magistratsabteilung 15, Bezirksgesundheitsamt …, GZ: MA 15-…-2020-8 vom 02.05.2020, schriftlich ausgeführt.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Hiedurch habe er § 40 iVm §§ 7 und 17 Epidemiegesetz 1950 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 15/2020 und der Verordnung BGBl. II Nr. 21/2020 verletzt und wurde über ihn eine Geldstrafe iHv EUR 300,– bzw. im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von acht Stunden verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende, form- und fristgerecht erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.
Diese Feststellungen gründen sich auf den unstrittigen Akteninhalt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134; 12.9.2016, Ro 2016/04/0014).
Auch in – wie hier – Verwaltungsstrafverfahren richtet sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich nach § 27 VwGVG. In diesem Rahmen ist das Verwaltungsgericht auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die im Beschwerdeschriftsatz nicht vorgebracht wurden (vgl. etwa VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22.11.2016, Ra 2016/03/0095, unter Verweis auf § 22 Abs. 1 VStG (idF BGBl. I Nr. 33/2013) ausführlich dargelegt hat, ist die verwaltungsbehördliche Strafbarkeit einer Tat –unbeschadet allfälliger, hier jedoch nicht relevanter abweichender Regelungen in den Materiengesetzen – dann nicht gegeben, wenn jene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. § 22 Abs. 1 VStG stellt dabei ausschließlich auf die „Tat“ ab. Dass die Verwaltungsstrafnorm gegebenenfalls eine andere Schutzrichtung aufweist als die gerichtliche Strafnorm, ändert an dieser Subsidiarität nichts. Ebenso wenig kommt es auf die tatsächliche Einleitung (oder gar den Abschluss) eines Strafverfahrens an oder auf den Umstand, dass die strafgerichtliche Verfolgung der Tat nur auf Verlangen zu erfolgen hat. Auch die Frage, ob der Beschuldigte die Tat verschuldet hat, ist für die Subsidiarität der Verwaltungsstrafdrohung nicht entscheidend.
Die dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zur Last gelegte Tat erfüllt das Tatbild der Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten gemäß §§ 178 und 179 StGB.
Im Lichte der obzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher das Verhalten des Beschwerdeführers nicht verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden, sondern obliegt eine solche Ahndung vielmehr dem ordentlichen Strafgericht (vgl. auch explizit § 40 Epidemiegesetz 1950: „…sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist…“).
Es war daher – schon alleine deshalb – spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041).
Schlagworte
Absonderung; Anordnung; Überwachung; Tat; Zusammentreffen von strafbaren HandlungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.001.016.8713.2020Zuletzt aktualisiert am
28.01.2021