TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/19 LVwG-408-139/2020-R8

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Veröffentlicht am 19.01.2021
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Entscheidungsdatum

19.01.2021

Norm

EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1
EpidemieG 1950 §32 Abs3
B-VG Art49

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Ellensohn über die Beschwerde der P GmbH, D-B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 28.10.2020 betreffend die Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz 1950 (EpiG), zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.04.2020 auf Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950 (WV), idgF, im Hinblick auf den Arbeitnehmer T R, wohnhaft in L, abgewiesen.

2.   In der zeitgerecht eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass in Deutschland die Lohnfortzahlung gesetzlich geregelt sei und das Arbeitsverbot jedoch von einer österreichischen Bundesbehörde angeordnet worden sei sowie das österreichische Recht auch die EU-Gesetzgebung anerkenne, würden sie um erneute Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ersuchen.

3. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Arbeitnehmer T R, wohnhaft in L/Österreich, ist bei der P GmbH mit Sitz in D-B beschäftigt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 23.3.2020 wurde über T R ua gemäß § 7 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950 (WV) idgF, verfügt, dass er sich für den Zeitraum vom 14.03.2020 bis keine Ansteckungsgefahr mehr gegeben ist, ausschließlich am Wohnsitz aufzuhalten habe. T R konnte die Quarantäne am 3.4.2020 beenden.

Mit Eingabe vom 15.4.2020 hat die Beschwerdeführerin die Vergütung des Verdienstentganges beantragt.

4.   Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ist insoweit unstrittig.

5.1. Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 i.d.F. BGBl. I Nr. 114/2013

Artikel 3.

(1) Das Bundesgebiet umfasst die Gebiete der Bundesländer.

(2) Staatsverträge, mit denen die Bundesgrenzen geändert werden, dürfen nur mit Zustimmung der betroffenen Länder abgeschlossen werden.

(3) Grenzänderungen innerhalb des Bundesgebietes bedürfen übereinstimmender Gesetze des Bundes und der betroffenen Länder. Für Grenzbereinigungen innerhalb des Bundesgebietes genügen übereinstimmende Gesetze der betroffenen Länder.

(4) Sofern es sich nicht um Grenzbereinigungen handelt, bedürfen Beschlüsse des Nationalrates über Grenzänderungen gemäß Abs. 2 und 3 der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Artikel 49.

(1) Die Bundesgesetze sind vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, treten sie mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft und gelten für das gesamte Bundesgebiet.

Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950 (WV) i.d.g.F.

§ 7

(1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(2) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheiten können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. (….)

§ 32

(1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbs entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1.   sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2.   ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3.   ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4.   sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5.   sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6.   sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7.   sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfasst ist.

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.

§ 33

Der Anspruch auf Entschädigung gemäß § 29 ist binnen sechs Wochen nach erfolgter Desinfektion oder Rückstellung des Gegenstandes oder nach Verständigung von der erfolgten Vernichtung, der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.

§ 49

(1) Abweichend von § 33 ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurde, geltend zu machen.

(2) Bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen beginnen mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 neu zu laufen.

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ua in seinem Erkenntnis vom 22.11.2017, Ra 2017/03/0082, mit dem räumlichen Geltungsbereich von Bundesgesetzten auseinandergesetzte. Aus Art 3 B-VG ergibt sich, dass das Bundesgebiet in räumlicher Hinsicht regelmäßig den Gebotsbereich (Territorialitätsprinzip) und den Sanktionsbereich bundesrechtlicher Hoheitsakte und damit auch von Bundesgesetzen begrenzt (vgl dazu VwGH 31.5.1990, 87/09/0018, VwSlg. 13214). Zudem erstreckt sich nach Art 49 Abs 1 B-VG die verbindliche Kraft von Bundesgesetzen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, (nur) auf das gesamte Bundesgebiet. Daraus folgt, dass dann, wenn nichts Gegenteiliges angeordnet ist, grundsätzlich der Tatbestand eines Bundesgesetzes nur durch im Inland verwirklichte Sachverhalte erfüllt wird (vgl VwGH 26.3.2008, 2007/03/0221, VwSlg. 17405 A) und nur auf alle im Inland gesetzte Sachverhalte anzuwenden ist (vgl. idZ VwGH 30.6.2004, 2002/09/0118, VwSlg. 16393 A).

Nach § 32 EpiG ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbs entstandenen Vermögensnachteile unter bestimmten Voraussetzungen eine Vergütung zu leisten, wenn dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

Im gegenständlichen Fall ist der durch die Behinderung des Erwerbs entstandene Vermögensnachteil nicht in Österreich entstanden. Daraus ergibt sich, dass entgegen Art 49 Abs 1 B-VG nicht alle erforderlichen Tatbestände des § 32 EpiG in Österreich verwirklicht wurden. Bereits aus diesem Grund kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf § 32 Epidemiegesetz stützen.

In den Erläuterungen zur EpiG-Novelle 1974, BGBl Nr 710/1974, RV 1205 Blg Nr 13 GP. 3, wird angeführt, dass § 32 eine Entschädigung für alle natürlichen und juristischen Personen sowie für die Personengesellschaften des Handelsrechts vorsehe, die durch eine Erwerbsbehinderung infolge der im Gesetz aufgezählten behördlichen Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten hätten. Damit wird klargestellt, dass nur auf das EpiG gestützte Maßnahmen zu einem Entschädigungsanspruch nach § 32 EpiG führen.

Die Auszahlung des Entgeltes an den Arbeitnehmer wurde unbestrittener Maßen nicht im Inland verwirklicht. Eine Ausnahme von Art 49 B-VG liegt nicht vor. Daraus ergibt sich, dass das EpiG auch aus diesem Grund nicht zur Anwendung kommen kann.

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 23.3.2020, mit welchem der in Österreich wohnhafte Arbeitnehmer T R abgesondert wurde, bezieht sich auf einen im Inland verwirklichten Sachverhalt. Die Beschwerdeführerin war aufgrund des Territorialitätsprinzips nach österreichischem Recht allerdings nicht dazu verpflichtet, eine Entgeltfortzahlung zu leisten. In diesem Sinne ist auch das Beschwerdevorbringen selbst zu verstehen, wonach in Deutschland die Lohnfortzahlungspflicht gesetzlich geregelt sei. Insoweit können auch deshalb die Bestimmungen über die Vergütung des Verdienstentganges nicht zur Anwendung gelangen.

Die verfügten Maßnahmen waren in Österreich in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet waren und betroffene Unternehmen hatten insbesondere die Möglichkeit hatten, Beihilfen wie Kurzarbeit, zu erhalten. Auch hat der Gesetzgeber etwa in § 1155 Abs 3 ABGB angeordnet, dass Arbeitnehmer, deren Dienstleistungen aufgrund von Maßnahmen nach dem COVID-19-MaßnahmenG nicht zustande kamen, verpflichtet waren, unter bestimmten Voraussetzungen auf Verlangen des Arbeitgebers in dieser Zeit Urlaub und Zeitguthaben zu verbrauchen (vgl VfGH 14.07.2020, G 202/2020 ua sowie VfGH 26.11.2020, G 3412/2020). Dies Maßnahmen haben allerdings auch nur in Österreich ansässige Unternehmen bzw inländische Arbeitnehmer betroffen.

5.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Der für die Entscheidung maßgebliche unstrittige Sachverhalt stand bereits aufgrund der Aktenlage fest. Im gegebenen Fall hätte auch eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lassen. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

6.   Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Epidemiegesetz, Verdienstentgang, Lohnzahlung im Ausland

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.408.139.2020.R8

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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