TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/18 L516 2233486-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2020
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Entscheidungsdatum

18.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2233486-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Bangladesch, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zahl 1264995404/200509569, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis III wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG hinsichtlich Spruchpunkt IV stattgegeben und der bekämpfte Spruchpunkt IV ersatzlos behoben.

III. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch und stellte am 18.06.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG und erkannte (IV.) einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Der Bescheid samt vollständigen Verwaltungsverfahrensakten langte am 06.08.2020 (OZ 7) beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch, gehört der Volksgruppe der Bengalen sowie der islamischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest. (NS EB 19.06.2020, S 1f; NS EV 29.06.2020, S 3)

Er stammt aus der Stadt XXXX im Verwaltungsbezirk Madaripur und besuchte in Bangladesch zwölf Jahre die Schule. Er hat in der Landwirtschaft seines Vaters und auch als Lieferant bei seinem Vater gearbeitet. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In seinem Herkunftsort leben nach wie vor die Eltern und die beiden Schwestern des Beschwerdeführers, alle weiteren Verwandten des Beschwerdeführers leben ebenfalls in Bangladesch (NS 02.06.2020, S 3; NS EB 19.06.2020, S 2, 3; NS EV 29.06.2020, S 3)

Der Beschwerdeführer verbrachte die letzten vier bis fünf Monate vor seiner Ausreise aus Bangladesch in Dhaka. Während dieser Zeit besuchte er seine Eltern zwei bis drei Mal. Im Jänner 2019 bzw im März 2019 reiste der Beschwerdeführer legal mit dem Flugzeug nach Dubai, ehe er über weitere Länder nach Griechenland weiterreiste, wo er sich einige Monate aufhielt. Danach reiste er weiter in Richtung Serbien wo er sich vier Monate lang aufhielt, bevor er nach Österreich weiterreiste. (NS 02.06.2020, S 3; NS EB 19.06.2020, S 5; NS EV 29.06.2020, S 4)

1.2 Zu den Lebensverhältnissen in Österreich

Anfang Juni 2020 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein und wurde umgehend vom öffentlichen Sicherheitsdienst aufgegriffen. Er befindet sich seither in einem Anhaltezentrum in Schubhaft. Seit Antragstellung auf internationalen Schutz am 18.06.2020 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf. Er spricht kein Deutsch. Er ist strafrechtlich unbescholten. (SIM-Akt, S 7ff; ZMR; IZR; Strafregister der Republik Österreich)

Mit Bescheid des BFA vom 04.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, es wurde gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei, gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und dass einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (EAM-Akt, AS 41ff). Jener Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 04.06.2020 persönlich übergeben (EAM-Akt, AS 111). Mangels Erhebung eines Rechtsmittels wurde dieser Bescheid mit Ablauf des 02.07.2020 rechtskräftig.

Am 18.06.2020 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (SIM-Akt, AS 49; ggst Akt, AS 27). Die Erstbefragung nach dem AsylG dazu fand am 19.06.2020 statt, Einvernahmen vor dem BFA fanden am 29.06.2020 und am 15.07.2020 statt. Bereits am 02.06.2020 wurde er im Rahmen des erstmaligen Aufgriffes durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt (SIM-Akt, AS 1-5).

1.3 Zum Gesundheitszustand

Der Beschwerdeführer ist gesund (NS EV 29.06.2020, S 2; NS EV 15.07.2020, S 2)

1.4 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz - zusammengefasst - vor:

In einer Befragung durch den öffentlichen Sicherheitsdienst am 02.06.2020 gab der Beschwerdeführer zunächst an, er habe familiäre und politische Probleme in Bangladesch. Er sei bei der „NASIM“ Partei und die regierende „KAHN“ Partei wolle ihn tot sehen. Er wolle hier arbeiten, schön leben und seine Familie nachholen. (NS 02.06.2020, S 4, 5)

Im Rahmen der Erstbefragung gem § 19 AsylG zum Antrag auf internationalen Schutz durch den öffentlichen Sicherheitsdienst gab der Beschwerdeführer an, er sei Angehöriger der politischen Partei BNP (Bangladesh Nationalist Party). Die Mitglieder der Awami League [AL] hätten ihn Ende 2018 geschlagen und er sei stark verletzt worden. Danach habe er Anzeige gegen die Mitglieder der Partei erstattet. Daraufhin sei er mit dem Umbringen bedroht worden. (NS EB 19.06.2020, S 6)

In der Einvernahme vor dem BFA am 29.06.2020 brachte er vor, er habe im Internet gesehen und es sei ihm auch in Griechenland gesagt worden, dass man in Österreich viel Geld verdienen könne. Er wolle auch seine Eltern unterstützen und er habe auch gehört, dass es ein sicheres Land sei. Er wolle hier nur arbeiten. Er habe viel Geld bezahlt um herzukommen und jetzt wolle er hierbleiben um zu arbeiten. Auch sei er von den Mitgliedern der AL geschlagen worden. Er sei normales Mitglied der BNP und unterstütze diese Partei. Da er die BNP gewählt habe, sei er von AL-Mitgliedern geschlagen worden. Der Angriff sei glaublich Ende 2018 gewesen. Er habe Anzeige erstatten wollen, aber die Polizei habe nicht reagiert, da sie mit der Regierungspartei zusammenarbeite. Von etwa 20 bis 25 Personen sei er mit Eisenstangen geschlagen worden, als er von seinem Elternhaus zum Parteibüro gehen habe wollen. Er sei danach eine Woche im Krankenhaus gewesen. Weshalb er angegriffen worden sei, wisse er nicht. Zwischen dem Angriff und der Ausreise würden ein paar Monate vergangen sein, da es nicht so leicht sei, in ein anderes Land zu gehen, er habe vorher alles mit einem Schlepper organisieren müssen und das habe Zeit gebraucht. In einem anderen Teil von Bangladesch habe er deshalb nicht Schutz gesucht, da es dort nirgendwo Arbeit gebe. (NS EV 29.06.2020, S 5f).

In der Einvernahme vor dem BFA am 15.07.2020 gab der Beschwerdeführer an, die Angaben vom 29.06.2020 aufrecht erhalten zu wollen. (NS EV 15.07.2020, S 2)

1.5 Zur Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens und Gefährdung bei einer Rückkehr nach Bangladesch

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er wegen seiner Mitgliedschaft bei der BNP und wegen des Wählens der BNP geschlagen und bedroht worden sei, ist nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Bangladesch einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.6 Zur Lage in Bangladesch

Sicherheitslage

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kapitel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.7.2019). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist.

Hunderte wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020). Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.7.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt 5).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).

Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgelder für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).

Bewegungsfreiheit

Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (FH 2020; vgl. AA 27.7.2019). Rechtliche Hindernisse, sich in anderen Landesteilen, mit Ausnahme der Chittagong Hill Tracts, niederzulassen, bestehen nicht. Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte (AA 27.7.2019). Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox’s Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 8.2019).

Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020; AA 27.7.2019). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die nur für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerung bei der Reisepassausstellung (ÖB 8.2019). Auch manche Oppositionspolitiker berichten von langen Verzögerungen bei der Erneuerung von Reisepässen, zusätzlich von Belästigungen und Verzögerungen an Flughäfen (USDOS 11.3.2020). Ein Ausreiseverbot besteht für Verdächtige an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 (ÖB 8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020).

Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahre brauchen keinen gesetzlichen Vertreter um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB 8.2019).

Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 8.2019; vgl. AA 27.7.2019). Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 27.7.2019).

Grundversorgung

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 27.7.2019). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 11,3 % der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1,042 %, die Geburtenziffer je Frau bei 2,2 % (AA 1.10.2019).

Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund 6 % gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 13.3.2020). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die Landwirtschaft wird vom Reisanbau dominiert (GIZ 3.2020b; vgl. CIA 13.3.2020). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 3.2020b), auf den 2017 geschätzt 29,3 % des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 % der Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet 2017 mehr als die Hälfte des BIP (CIA 13.3.2020).

Über 10 % Anteil an der bangladeschischen gesamtwirtschaftlichen Leistung haben Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten nach Bangladesch (GIZ 12.2018b), die im Finanzjahr 2016/17 ca. 13 Milliarden US-Dollar ausmachten (CIA 13.3.2020). Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Etwa 10 Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen. (z.B. “BRAC”, “Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees“, “Bangladesh Migrant Centre“, “Bangladesh Women Migrants Association“). Dachverband ist das „Bangladesh Migration Development Forum“ (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 27.7.2019).

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt 2018 geschätzt bei 4-6 %, jedoch mit verdeckter weit verbreiteter massiver Unterbeschäftigung. Vor allem in der Landwirtschaft ist Subsistenzwirtschaft ausgeprägt. Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es lediglich im staatlichen Bereich, sowie bei größeren Unternehmen. 85 % der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Einen staatlichen Mindestlohn gibt es nicht. Die Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Standards erfolgt lediglich sporadisch (ÖB 8.2019). Brände und Gebäudeeinstürze mit zahlreichen Toten kommen immer wieder vor; insbesondere in der Textilindustrie, wo Bauordnungen lax sind und gefährliche Chemikalien nicht ordnungsgemäß gelagert werden (Al Jazeera 21.2.2019).

Die Bevölkerung Bangladeschs erfährt seit einigen Jahren einen erhöhten Verteilungs- und Chancenkonflikt, aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitig abnehmenden Landressourcen und fehlenden Alternativen zur Landarbeit, sowie erhöhtem Druck durch Extremwetterereignisse und anderen Konsequenzen des Klimawandels. Die Slums der Städte wachsen, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Bedingungen etwas langsamer. Ebenso konkurriert die Bevölkerung mit einem höheren Bildungsabschluss um Universitätsplätze und besser bezahlte Arbeitsplätze. Die Lebenshaltungskosten in den Städten steigen und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten ist oft lückenhaft bzw. ist ein Anschluss an öffentliche Versorgungsnetzwerke noch nicht vollzogen. Die Strukturen werden zusätzlich temporär belastet, wenn Saisonarbeiter für einige Zeit in die Städte ziehen und dort Arbeitsplätze und Unterkünfte suchen. Die nötige Infrastruktur wird in vielen Gebieten ausgebaut, allerdings kann das Tempo dieses Ausbaus noch nicht mit der Bevölkerungsdynamik mithalten. Aktuell sind ungefähr 60 % aller Haushalte an das staatliche Stromnetz angeschlossen (GIZ 3.2020b).

Mit dem etwas höheren Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre kam es zu einer Beschleunigung der Inflation mit geschätzten 7 %, für 2018 sogar knapp 8 % kam es vor allem seit 2008 zu einer Beschleunigung der Inflation mit 5,6 % für 2018. Die Preissteigerungen bei Lebensmittel von bis zu 70 % treffen besonders den armen Teil der Bevölkerung. Die Regierungen versuchen, mit staatlichen Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen gegenzusteuern, fördern damit aber hauptsächlich Ineffizienz. Allerdings verfügt Bangladesch über ein hervorragendes Netz an Mikrokreditinstitutionen, welche Millionen Bangladeschis effektiv bei ihrem Weg aus der Armut unterstützen (ÖB 8.2019).

Mikrokreditinstitute bieten Gruppen und Individuen ohne Zugang zum herkömmlichen Finanzsystem die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen (GIZ 3.2020b). Das bekannteste davon ist die Grameen Bank, die 1976 in Bangladesch durch den späteren Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gegründet wurde. Die Grameen Bank, deren Konzept von zahlreichen weiteren Institutionen aufgegriffen und auch in anderen Ländern umgesetzt wurde, gewährt Kredite ohne die banküblichen materiellen Sicherheiten und setzt stattdessen vor allem auf die soziale Komponente, um die Rückzahlung zu gewährleisten. Die Kreditnehmerinnen, die kaum unternehmerische Erfahrung und zumeist einen sehr niedrigen Bildungsstand haben, sollen auch langfristig beraten und unterstützt werden, um ein realistisches Konzept entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können – so zumindest ist es vorgesehen. Bei seriösen Programmen sind auch Schulungen über Grundlagen der Unternehmensführung enthalten („finanzielle Alphabetisierung“) (IP 6.3.2018).

Sozialbeihilfen

Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 27.7.2019). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen (ÖB 8.2019). Nicht staatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs findet statt (AA 27.7.2019; vgl. ÖB 8.2019), kann aber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 27.7.2019).

Eine Alterspension in der Höhe von 500 Taka [5,5 Euro] wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 700 Taka, wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 % für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 % des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2019).

Medizinische Versorgung

Die Bereitstellung der Gesundheitsfürsorge liegt im Verantwortungsbereich der Regierung (DFAT 22.8.2019). Die medizinische Versorgung in Bangladesch ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 22.3.2020; vgl. DFAT 22.8.2019, AA 27.7.2019). Wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 22.3.2020). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten und von schlechter Qualität (ÖB 8.2019; vgl. DFAT 22.8.2019). Es herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren, Krankenschwestern und Spitalsbetten. Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 8.2019). In der Praxis stellen der Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einen erheblichen Teil der Gesundheitsdienste zur Verfügung (DFAT 22.8.2019).

In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 27.7.2019; vgl. ÖB 8.2019). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladescher und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 27.7.2019). Lokale Kliniken gibt es auf Gemeinde- oder Dorfebene. Diese Einrichtungen unterstützen größere Distrikt- oder Zentralkrankenhäuser (DFAT 22.8.2019). Obwohl staatliche Gesundheitsleistungen kostenlos sein sollen, berichten die Patienten, dass sie im Allgemeinen für den Zugang zu den Diensten zahlen müssen. Die Beratungsgebühren sind oft exorbitant und für die Armen unerschwinglich. Ärzte neigen Berichten zufolge auch dazu, ihre Kunden "übermäßig zu behandeln" und unnötige Tests anzuordnen, um ihr Einkommen zu erhöhen (DFAT 22.8.2019. So ist der Großteil der armen Landbevölkerung auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 8.2019).

Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 27.7.2019).

Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten. Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 27.7.2019). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, z.B. durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat nur eine niedrige Rate an HIV/Aids-Infizierten, gilt aber als potenziell stark gefährdetes Land (ÖB 8.2019).

Neben einer Reihe medizinischer Hilfsprojekte von NGOs gibt es eine rudimentäre, kostenlose medizinische Versorgung durch staatliche Gesundheitsstationen auf dem Land sowie Krankenhäuser. Eine beitragsabhängige medizinische Versorgung niedrigen Standards ist zudem gewährleistet (AA 27.7.2019). Staatliche Gesundheitseinrichtungen, soweit vorhanden, behandeln Patienten gratis oder gegen minimale Gebühren (ÖB 8.2019).

Ein staatliches Sozial- und Krankenversicherungssystem existiert, bis auf geringe Beihilfen zum Existenzminimum an Senioren, nicht (AA 27.7.2019). Das Arbeitsrecht 2006 sieht vor, dass Firmen mit mindestens 300 Arbeitnehmern vor Ort medizinische Einrichtungen bereitstehen sollten. Der Arbeitnehmer zahlt keine Prämie, die gesamten Kosten werden vom Arbeitgeber getragen (USSSA 3.2019).

Rückkehr

Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 27.7.2019) und es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrages staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen (AA 27.7.2019). Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können sie allerdings auch nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Problematisch ist, dass „erfolglose Rückkehrer“ von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden. Soweit Kritiker der Regierung oder rivalisierender politischer Parteien in Bangladesch selbst gefährdet waren, gilt dies auch für ihre eventuelle Rückkehr (ÖB 8.2019).

Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) sind nicht bekannt. Der „International Organization for Migration“ (IOM) ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem sogenannten „General Diary“ gebeten. Nach IOM Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Besondere Vorkommnisse sind anlässlich der Durchführung der Einreisekontrollen nicht bekannt geworden (AA 27.7.2019).

IOM betreut nur Personen, die freiwillig zurückkehren und ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich sind und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dienen. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger, weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen in der Regel nicht auf sich allein gestellt (AA 27.7.2019).

[Beweisquelle: BFA LIB April 2020 mit weiteren Quellennachweisen]

Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

[Beweisquelle: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/]

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf die Verwaltungsverfahrensakten des BFA und den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Bangladesch (oben 1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem öffentlichen Sicherheitsdienst und dem BFA gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage von Identitätsdokumenten im Original konnte seine Identität jedoch nicht abschließend festgestellt werden.

Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, seiner Berufstätigkeit, sowie zu seinen Familienangehörigen in Bangladesch, zu seinem Aufenthalt in Dhaka und zu seiner Ausreise und Reisebewegung vor dem BFA waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.

2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)

Seine Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich erwiesen sich als widerspruchsfrei und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern (IZR, ZMR, Strafregister). Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich von zweieinhalb Monaten und mangels gegenteiliger Angaben wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer kein Deutsch spricht.

Die Feststellungen zum Bescheid des BFA vom 04.06.2020, dessen persönlicher Übergabe an den Beschwerdeführer und zu den abgehaltenen Befragungen des Beschwerdeführers ergeben sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungsverfahrensakten des BFA.

2.3 Zum Gesundheitszustand

Der Beschwerdeführer hat gegenüber dem BFA am 29.06.2020 selbst angegeben, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen und am 15.07.2020 angegeben, psychisch und physisch „natürlich“ in der Lage zu sein, die Befragung durchzuführen. Zweifel an diesen Angaben kamen nicht hervor.

2.4 Zum Vorbringen und zur mangelnden Gefährdung im Falle der Rückkehr (oben 1.4 - 1.5)

2.4.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Befragungen durch den öffentlichen Sicherheitsdienst, den Einvernahmen vor dem BFA und auf seinen schriftlichen Eingaben.

2.4.2 Die Feststellungen dazu, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und seiner Rückkehrbefürchtung nicht glaubhaft ist sowie zu einer mangelnden Gefährdung seiner Person im Falle seiner Rückkehr nach Bangladesch (oben 1.5) waren aus den folgenden Gründen zu treffen:

2.4.3 Das BFA erachtete das festgestellte Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren als nicht glaubhaft und begründete dies im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung folgendermaßen (Bescheid, S 36ff, AS 144ff):

Es sei nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer nicht an das genaue Datum bzw einen genaueren Zeitraum erinnern habe können, in welchem er Ende 2018 von 20 bis 25 Personen mit Eisenstangen angegriffen worden sei und danach eine Woche im Krankenhaus behandelt werden habe müssen. Es könne weiters nicht nachvollzogen werden, dass sich der Beschwerdeführer, wenn er tatsächlich in diesem Ausmaß bedroht worden sei, [Anm BVwG: nach diesem Angriff] in einem Zeitraum von vier bis Monaten [Anm BVwG: als er sich in Dhaka aufgehalten hat] zwei bis drei Mal seine Eltern besucht habe. Es könne auch deshalb nicht von der Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Bedrohung ausgegangen werden, da der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, seinen Herkunftsstaat im März 2019 und somit mehrere Monate nach dem vorgebrachten Angriff verlassen zu haben.

Das BFA wies ebenso darauf hin, dass der Beschwerdeführer den Angriff auf seine Person durch zumindest 20 Fremde erst auf konkrete Nachfrage hin erwähnt habe, jedoch anzunehmen sei, dass er ein solch einschneidendes Erlebnis unverzüglich erwähnt haben würde, würde er dies tatsächlich erlebt haben.

Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er in keinem anderen Teil seines Herkunftsstaates Schutz vor Verfolgung habe suchen können, da es dort nirgendwo Arbeit geben würde. Es entstehe dabei der Eindruck, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner finanziellen Situation ein Leben in einem anderen Teil von Bangladesch ablehnen würde. Dieser Eindruck werde dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, Griechenland deshalb verlassen zu haben, da er dort keine Arbeit gefunden habe. Auch sei Österreich von Anfang an das Zielland des Beschwerdeführers gewesen, da er der Auffassung gewesen sei, hier viel verdienen zu können. Der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung angegeben, in Österreich arbeiten und seine Familie nachholen zu wollen und er habe in der Einvernahme bestätigt, Bangladesch aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Den vorgebrachten Angriff durch Mitglieder habe der AL habe der Beschwerdeführer lediglich gedanklich konstruiert, um einer drohenden Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet entgegenwirken zu können.

2.4.4 Die Beschwerde bringt keine weiteren oder detaillierteren Ausführungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vor. Ihr ist ausschließlich zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner politischen Zugehörigkeit zur BNP von Mitgliedern der AL eingeschüchtert und geschlagen worden sei, die Polizei eine entsprechende Anzeige nicht entgegengenommen habe und dass die Beschwerde vollinhaltlich auf das bisher im Asylverfahren vom Beschwerdeführer Vorgebrachte verweise. Er habe hinsichtlich der Gefahrenlage, der Vorfälle in Bangladesch und seiner Beweismittel alles detailliert, nachvollziehbar und glaubhaft in der Einvernahme geschildert. Die Beschwerde moniert auch, dass es das BFA unterlassen habe, dass es die vom Beschwerdeführer abgegebenen Hinweise zur Begründung des Antrages nicht näher hinterfragt und damit seiner Pflicht gemäß § 18 Abs 1 AsylG nicht ausreichend entsprochen habe. Das BFA sei zudem nicht den Anforderungen eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 37f AVG nachgekommen. Die belangte Behörde habe nicht einmal alle zur Beurteilung des Sachverhaltes notwendigen und aktuellen Feststellungen zum Herkunftsstaat und zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers sowie zu möglichen innerstaatlichen Fluchtalternativen getroffen (AS 179-186).

2.4.5 Die Beschwerde beinhaltet keine Gegenargumente zu den beweiswürdigenden Überlegungen des BFA. Den zuvor dargestellten Argumenten des BFA (oben 2.4.3) ist die Beschwerde mit ihren Ausführungen gar nicht entgegengetreten. Insofern die Beschwerde moniert, das BFA sei seiner Ermittlungstätigkeit nicht ausreichend nachgekommen und es seien ihm Verfahrensfehler unterlaufen, so ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Behauptung nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausreichend ist, ohne auch die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (VwGH 23.02.2016, Ra 2016/01/0012). Die Beschwerde unterlässt es aufzuzeigen, welchen Hinweisen des Beschwerdeführers das BFA nicht nachgegangen sei, inwiefern das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ganzheitlich gewürdigt worden sei oder welche Sachverhaltsteile nicht amtswegig ermittelt worden seien, zumal in der Beschwerde – wie bereits erwähnt - nicht die Gelegenheit wahrgenommen wurde, zum bisherigen Vorbringen des Beschwerdeführers individuelle, nähere und präzisere Angaben zu machen oder die Beweiswürdigung konkret zu bekämpfen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich tatsächlich kein verfahrensrelevantes Vorbringen mehr zu erstatten hat, andernfalls dies wohl in der Beschwerde erstattet worden wäre, sowie dass sowohl das Ermittlungsverfahren vom BFA insofern ausreichend korrekt durchgeführt als auch der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollständig erhoben wurde. Mit den Beschwerdeausführungen ist es somit nicht gelungen, die hier zuvor dargestellten Argumente des BFA zu entkräften. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher den dargestellten beweiswürdigenden Argumenten des BFA an, welche von diesem in schlüssiger, vertretbarer sowie vom Beschwerdeführer unentkräftet gebliebener Weise dargelegt wurden.

2.5 Zur Lage in Bangladesch (oben 1.6)

Die Feststellungen zur Lage in Bangladesch ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom April 2020. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Bangladesch Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist dem ihm vom BFA persönlich am 24.06.2020 (AS 71) ausgefolgten Länderinformationsblatt nicht substantiiert entgegengetreten; im Gegenteil, die Beschwerde hat sogar selbst darauf Bezug genommen. Die Feststellungen betreffend die Lage zur Pandemie aufgrund des Coronavirus basieren auf den Informationen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, des Sozialministeriums und der Weltgesundheitsorganisation.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

3.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.3 Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen. (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009)

3.4 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Bangladesch einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.

3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)

3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Bangladesch als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.6). Es liegen keine aktuellen Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat vor. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es ist nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer gehört zu keiner Risikogruppe (siehe oben 1.6); es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Bangladesch kein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, insbesondere in dessen Herkunftsregion, möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.

3.7 Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers befindet sich auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes – derartiges kann trotz der in manchen Landesteilen regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Es kann daher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).

3.8 Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der nach Bangladesch abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, sodass die Abschiebung im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig er

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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