Entscheidungsdatum
28.08.2020Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W144 2219524-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA von Afghanistan, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Teheran vom 19.02.2020, Zl. TEHERAN-OB/KONS/0385/2020/, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 35 Abs. 1 und 5 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger stellte am 28.12.2017 bei der österreichischen Botschaft in Teheran (im Folgenden: ÖB) schriftlich einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG, wobei als Bezugsperson (BP) ausdrücklich die mit Bescheid des BFA vom 05.10.2017, Zl. 1102959010/160104981, als Flüchtling anerkannte XXXX , XXXX geb., als Ehegattin des BF genannt wurde.
In der Folge wurde der BF am 27.03.2018 persönlich bei der ÖB vorstellig und übergab das ausgefüllte „Befragungsformular im Einreiseverfahren gem. §35 AsylG 2005“. In diesem Formular führte der BF hingegen seinen Schwager XXXX , XXXX geb. als Bezugsperson an.
Mit Bescheid vom 05.12.2018, zugestellt am 10.12.2018, verweigerte die ÖB das Visum mit der Begründung, dass das BFA im Hinblick auf den Schwager als Bezugsperson, der nicht dem Kreis der Familienangehörigen iSd § 35 Abs. 5 AsylG zuzurechnen sei, an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe.
Dieser Bescheid wurde letztlich mit Erkenntnis des BVwG gem. Art. 35 Abs. 1, 3 und 5 AsylG behoben, da der Behörde spätestens nach der Gewährung des Parteiengehörs durch die Stellungnahme des BF vom 04.09.2018 klar sein hätte müssen, dass seinem Antrag (richtigerweise) als Bezugsperson die von ihm als Ehegattin bezeichnete XXXX , XXXX geb., zugrunde liegt.
Das fortgesetzte, gegenständlichen Verfahren bezieht sich somit auf die Bezugsperson XXXX . Diesbezüglich wurde vorgebracht, dass XXXX am XXXX geboren und die Ehe mit dem BF am 23.10.2002 nach muslimischem Ritus geschlossen worden sei.
In der Folge übermittelte die ÖB den Antrag und Sachverhalt an das BFA zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an den BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.
Mit Mitteilung und Schreiben jeweils vom 22.01.2020 erstattete das BFA eine solche Stellungnahme an die ÖB und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Zuerkennung des Status nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe mangels (staatlicher) Registrierung nicht bereits vor Einreise der BP bestanden habe.
Mit Schreiben vom 26.01.2020 wurde der BF seitens der ÖB aufgefordert, zur gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 07.02.2020 erstattete der BF im Wege seiner Vertretung eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass das Bundesverwaltungsgericht im ersten Rechtsgang von der Familienangehörigeneigenschaft der Ehegattin des BF ausgegangen sei, weshalb die Entscheidung der ÖB verfehlt sei. Zudem wurde ausgeführt, dass in Afghanistan auch Ehen, die nicht staatlich registriert worden seien, volle Gültigkeit besitzen. Zudem hätten der BF und die BP gemeinsame Kinder, was mittels DNA-Analyse nachgewiesen werden könnte und wofür sich der BF ausdrücklich ausspreche, weshalb nicht nachvollziehbar sei, weshalb nun die aufrechte Ehe angezweifelt werde. Der Stellungnahme beigeschlossen waren diverse Hochzeitsfotos, auch Fotos der Kinder und Unterlagen betreffend die Kinder.
Mit Schreiben via e-mail vom 18.02.2020 teilte das BFA der ÖB in einer neuerlichen Stellungnahme u.a. Folgendes mit:
„Weiters wird ausgeführt, dass die angebliche Eheschließung am 23.10.2002 in Iran stattgefunden habe, es würde sich somit hier auch um eine Kinderehe handeln, da die Ehefrau im Jahr 1987 geboren ist und somit mit 15 Jahren verheiratet wurde. Auch in Afghanistan wären Eheschließungen rechtlich erst mit 16 Jahren für Frauen erlaubt. Weder im Iran, noch in Afghanistan hätte diese Ehe mangels Registrierung Rechtsgültigkeit.“
Mit Bescheid vom 19.02.2020, zugestellt am 20.02.2020, verweigerte die ÖB das Visum mit der Begründung, dass die Ehe zwischen dem BF von der BP nicht bereits vor Einreise der BP bestanden habe, weshalb der Antragsteller kein Familienangehöriger im Sinne des vierten Hauptstücks des AsylG sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 18.03.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In inhaltlicher Hinsicht führte er unter anderem „Zur vernachlässigbaren Relevanz des Alters der Bezugsperson bei der Eheschließung 2002“ aus, dass die ÖB geltend mache, dass die vorliegende Ehe keine Gültigkeit besitze, da es sich aufgrund des Alters der BP von 15 Jahren bei der Eheschließung im Jahr 2002 um eine Kinderehe handle. Auch nach afghanischem oder iranischem Recht wäre die Bezugsperson nicht ehemündig gewesen. Dem sei entgegenzuhalten, dass sich bereits aus der Registrierung der Ehe in Afghanistan ergebe, dass die Ehe offenbar in Afghanistan anerkannt worden sei.
Abgesehen davon wäre der geltend gemachte Formalmangel im konkreten Fall auch nach österreichischem Recht heilbar. Diesbezüglich wurde auf § 22 EheG verwiesen, wonach die Ehe von Anfang an als gültig anzusehen sei, wenn der Ehegatte nach Eintritt der Ehefähigkeit zu erkennen gebe, dass er die Ehe fortsetzen wolle. Im konkreten Fall sei die Bezugsperson 33 Jahre alt, habe mit dem BF drei gemeinsame Kinder und habe im Verfahren den Willen kundgetan, dass Familienleben mit dem BF fortzusetzen. Somit wäre der Mangel der Ehefähigkeit auch nach österreichischem Recht geheilt. Allein aufgrund der Altersstruktur der Ehegatten könne somit bei Betrachtung der Umstände kein Verstoß gegen den ordre public gesehen werden.
Im Übrigen wurden Ausführungen zu Art. 8 EMRK und dem Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens zwischen dem BF und der BP sowie zur Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse in Bezug auf die gemeinsamen Kinder erstattet.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 21.07.2020 wurde am 27.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.) Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.
Zudem wird festgestellt, dass der BF die Bezugsperson XXXX , XXXX geb., afghan. StA, der mit Bescheid des BFA vom 05.10.2017 Asyl gewährt wurde, in Afghanistan am 23.10.2002 traditionell-muslimisch nach Scharia-Recht geheiratet hat.
Zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung war die am XXXX geborene Bezugsperson erst 15 Jahre und 9 Monate alt.
2.) Beweiswürdigung:
Die Festgestellungen ergeben sich aus dem Akt der ÖB.
Die Daten der Eheschließung ergeben sich dabei aus dem eigenen Vorbringen des BF im Befragungsformular iVm der vorgelegten Heiratsurkunde, die ein Eheschließungsdatum 23.10.2002 ausweist, und der Reisepasskopie der BP, aus der sich ihr Geburtsdatum XXXX ergibt.
Der Umstand, dass die BP zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung noch keine 16 Jahre, sondern erst 15 Jahre und 9 Monate alt war, ergibt sich unzweifelhaft aus einem Vergleich ihres Geburtsdatums mit dem Datum der Eheschließung und wurde im Verfahren auch nicht bestritten.
3.) Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
§16 [ … ]
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
§§ 11, 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) lauten wie folgt:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1.
gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2.
das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3.
im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 16 und 6) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:
Form der Eheschließung:
§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 1,2, 3 und 17) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:
Recht der Eheschließung
A. Ehefähigkeit
§ 1. (1) Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind ehemündig.
(2) Das Gericht hat eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, auf ihren Antrag für ehemündig zu erklären, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und sie für diese Ehe reif erscheint.
Geschäftsunfähigkeit
§ 2 Wer geschäftsunfähig ist, kann eine Ehe nicht eingehen.
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und des Erziehungsberechtigten
§ 3 (1) Wer minderjährig oder aus anderen Gründen in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
(2) Außerdem bedarf er der Einwilligung desjenigen, dem seine Pflege und Erziehung zustehen.
(3) Werden die nach den Abs. 1 und 2 erforderlichen Einwilligungen verweigert, so hat das Gericht sie auf Antrag des Verlobten, der ihrer bedarf, zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
Form der Eheschließung:
§ 17 (1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
D. Nichtigkeit der Ehe
I. Nichtigkeitsgründe
§ 20. Eine Ehe ist nur in den Fällen nichtig, in denen dies in den §§ 21 bis 25 dieses Gesetzes bestimmt ist.
Mangel der Form
§ 21 (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch § 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, daß bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
Mangel der Ehefähigkeit
§ 22. (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung nicht ehefähig war und nicht der Aufhebungsgrund des § 35 vorliegt.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn der Ehegatte nach Eintritt der Ehefähigkeit zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson die in Österreich Asylberechtigte XXXX , XXXX geb., als Ehegattin des BF genannt.
Die BP war zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung mit dem BF noch keine 16 Jahre, sondern erst 15 Jahre und 9 Monate alt war.
Zunächst besteht Einwand, dass das Bundesverwaltungsgericht ersten Rechtsgang davon ausgegangen sei, dass eine rechtsgültige Ehe zwischen dem BF der Bezugsperson vorliege, nicht zu Recht, da Grund der aufhebenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich der Umstand war, dass die ÖB erkennbar eine Prüfung im Hinblick auf die falsche Bezugsperson vorgenommen hat, ohne dass hiebei eine nähere oder gar abschließende Beurteilung der (Un-)Wirksamkeit der Eheschließung zwischen dem BF und der richtigen BP vorgenommen worden ist.
In Fällen einer Ehe, die von einer unter 16-jährigen Person geschlossen wurde, hat das BVwG in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BVwg vom 25.05.2020, W144 2227681-1/2E) bereits bisher ausgeführt:
„Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz internationales Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 (IPRG), ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem die Person angehört. § 9 Abs. 3 IPRG regelt, dass das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, das Recht des Staates ist, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§ 5 IPRG) ist unbeachtlich. Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Gemäß § 16 Abs. 2 IPRG ist die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Nach österreichischem Recht ist eine Ehe, die von einer unter 16-Jährigen geschlossen wird, keinesfalls gültig, da eine solche Kinderehe den Grundwerten der österr. Rechtsordnung widerspricht.
Der Oberste Gerichtshof hat jeweils unter Verweis auf Art. 16 Haager Minderjährigenschutzabkommen und § 6 IPRG in seinen Entscheidungen OGH 7Ob 600/86, 9 Ob 34/10f und 6 Ob 138/13g dargelegt, dass außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen etwa die Einehe, das Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, der Schutz des Kindeswohles im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlichen und sozial schwächeren Partei zum Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts zählen.
Es ist daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass keine rechtskonforme Ehe der BF gemäß dem Internationalen Privatrechtsgesetz mit der Bezugsperson in Österreich besteht. Nach § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechtes dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Eine Kinderehe widerspricht eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung, und folgt aus § 6 IPRG, dass die von der BF und der Bezugsperson geschlossene Ehe hier keinen Rechtsbestand hat.
Auch aus der Entscheidung des EGMR vom 08.12.2009 (Case of Munoz Diaz vs. Spain, No. 49.151/07) geht hervor, dass keine Verpflichtung besteht, Eheschließungen auf Grundlage fremder Rechtsordnungen anzuerkennen, die den Grundwerten der nationalen Rechtsordnung widersprechen.
Die oben zitierten Erwägungen der ÖB zur Kinderehe und stehen im Einklang mit der ständigen Judikatur des BVwG wie oben ausgeführt. Damit erweist sich jedoch eine Schutzgewährung an die BF im Rahmen eines Familienverfahrens gem. § 34 ASylG als unwahrscheinlich und war der Einreisetitel daher gem. § 35 Abs. 2 und 4 AsylG zu versagen.“
Mit der Frage der (Un-)wirksamkeit von Kinderehen hat sich auch der VwGH jüngst in seinem Erkenntnis vom 03.07.2020, Ra 2020/14/0006-11, auseinandergesetzt und diesbezüglich wie folgt (auszugsweise) erwogen (Hervorhebungen im Original nicht enthalten):
„Es ist daher hier geboten, auch auf die Frage der Anerkennung der Gültigkeit der Ehe aus dem Blickwinkel des ordre public einzugehen.
42 Voranzustellen ist den folgenden Überlegungen, dass sich die hier maßgeblichen Vorgänge im Tatsächlichen, sofern sie nicht allein die Einhaltung von Formvorschriften des Ortes der Eheschließung (§ 16 Abs. 2 zweiter Halbsatz IPRG) betreffen, sondern auch einen Bezug zum Personalstatut aufweisen (vgl. § 16 Abs. 2 erster Halbsatz, § 17 IPRG), nach dem Vorbringen (Feststellungen, die im Gegensatz dazu eine andere Beurteilung geboten hätten, wurden vom Bundesverwaltungsgericht nicht getroffen) zu einer Zeit ereignet haben, als sich der von der Revisionswerberin für die nach dem AsylG 2005 angestrebte Familienzusammenführung als Bezugsperson angeführte Ehemann in seinem Heimatland aufgehalten hat und in Österreich noch nicht als Flüchtling anerkannt war. Ein späterer Statutenwechsel ist somit für die hier anstehende Beurteilung nicht weiter relevant (sh. § 7 IPRG, vgl. zur personenrechtlichen Stellung eines in Österreich als Flüchtling anerkannten Fremden nach Art. 12 GFK und der Unanwendbarkeit des § 9 Abs. 3 IPRG sowie dazu, dass die Sonderbestimmungen für Flüchtlinge der Festigung ihrer Rechtsstellung im Aufnahmestaat dienen, aber eine einmal gültig geschlossene Ehe nicht ungültig machen und spätere Änderungen des Formstatuts unbeachtlich sind, VfGH 9.6.2008, B 860/07 u.a.; vgl. weiters OGH 26.6.2018, 10 Ob 40/18g, [Pkt. 3.1. der Begründung] wonach für die persönliche Rechtsstellung von „Konventionsflüchtlingen“ im Sinn der GFK und des Flüchtlingsprotokolls [BGBl 1974/78] gemäß § 53 Abs. 1 IPRG und Art. 12 Z 1 GFK das Sachrecht des Wohnsitzstaats bzw. Staats des gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich ist).
43 Gemäß § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Von dieser Ausnahme ist sparsamer Gebrauch zu machen, keinesfalls ist ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften bereits ein ordre-public-Verstoß. Schutzobjekt sind primär die „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung“ - deren Inhalt lässt sich im Einzelnen nicht definieren und ist auch zeitlichen Veränderungen unterworfen (vgl. OGH 28.8.2013, 6 Ob 138/13g) - und nicht subjektive Rechtspositionen von Inländern. Dabei spielen Verfassungsgrundsätze eine tragende Rolle, wie das Recht auf persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, das Verbot abstammungsmäßiger, rassischer und konfessioneller Diskriminierung; außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen zählen etwa das Verbot der Kinderehe, des Ehezwangs, der Schutz des Kindeswohls im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung zu den geschützten Grundwertungen (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2016/20/0068, mit weiterem Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH und dieser Judikatur folgende weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Zu den Grundwertungen des österreichischen Rechts gehört auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau (vgl. OGH 29.1.2019, 2 Ob 170/18s, wonach ein Abweichen vom Grundsatz der vollständigen Gleichbehandlung der Geschlechter, das sich im konkreten Fall auswirkt, bei einem nicht ganz in den Hintergrund tretenden Inlandsbezug in aller Regel nicht hingenommen werden kann).
44 Weiters ist wesentliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht (vgl. auch dazu VwGH Ra 2016/20/0068).
45 Zu prüfen ist daher einerseits das Verhältnis der (fiktiven) Anwendung des kollisionsrechtlich berufenen Rechts im konkreten Fall zu Grundwertungen des österreichischen Rechts, andererseits das Ausmaß der Inlandsbeziehung. Die beiden Elemente bilden ein bewegliches System. Je stärker der Inlandsbezug, umso geringere Abweichungen vom österreichischen Recht können einen Verstoß gegen den ordre public begründen, und umgekehrt (vgl. OGH 29.1.2019, 2 Ob 170/18s).
46 Demnach ist auch die Ansicht, es sei ausreichend, dass zunächst abstrakt geprüft werden müsse, ob das fremde Recht in seiner Gesamtheit gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts verstoße, und nur bei Bejahung dieser Frage könnte das konkrete Ergebnis der Anwendung als ordre-public-widrig angesehen werden, verfehlt. Maßgebend ist allein das Ergebnis der Anwendung des fremden Rechts im konkreten Fall, nicht dessen abstrakter Inhalt. Denn Zweck der Vorbehaltsklausel ist allein die Verhinderung eines materiell untragbaren Ergebnisses im Einzelfall. Weder führt daher die Unvereinbarkeit der fremden Gesamtregelung eines Rechtsgebiets mit eigenen Grundwertungen zwingend zur Unanwendbarkeit eines Teils dieser Regelung im konkreten Fall, noch ist sie notwendige Voraussetzung dafür (vgl. auch dazu OGH 29.1.2019, 2 Ob 170/18s).
47 [ … ]
48 Der OGH hatte sich in seiner Rechtsprechung noch nicht des Näheren damit zu befassen, wann von einer dem ordre public widerstreitenden Kinderehe auszugehen ist. Er hat allerdings bereits festgehalten, dass es den Grundwertungen des österreichischen Ehe- und Familienrechtes widerspricht, wenn die Mutter einer Minderjährigen ihre Zustimmung zur Verlobung eines ebenfalls Minderjährigen von der Zahlung eines Geldbetrags durch dessen Vater abhängig macht. Entscheidungen über die Eheschließung haben ohne Einschränkung der Willensfreiheit und ohne Anknüpfungen an Bedingungen zu erfolgen; Gleiches muss für das Verlöbnis und nicht nur zwischen den Verlöbnispartnern selbst, sondern auch im Verhältnis zwischen deren Erziehungsberechtigten gelten, weil die angesprochene Willensfreiheit auch dann eingeschränkt ist, wenn die erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters einer Minderjährigen zu einem Verlöbnis mit Geld abgekauft wird. Dass eine solche Zahlung geeignet ist, einen ernsthaften Druck auf die Motivation der Minderjährigen zur Eheschließung auszuüben, liegt auf der Hand. Eine allenfalls in einer ausländischen Rechtsordnung bestehende Norm oder Übung, die eine solche Zahlung für rechtsgültig erklärte, verstieße daher gegen den ordre public im Sinn des § 6 IPRG (vgl. OGH 13.9.2000, 4 Ob 199/00v).
49 Der OGH geht sohin in Bezug auf Eheschließungen davon aus, es liege dem nationalen Recht eine nach dem IPRG zu schützende Grundwertung zugrunde, derzufolge gewährleistet sein muss, dass die Entscheidung über die Eheschließung ohne Einschränkung der Willensfreiheit und ohne Anknüpfungen an Bedingungen erfolgt (vgl. auch Verschraegen in Rummel [Hrsg.], Komm. zum ABGB, 3. Aufl., II/6, § 6 IPRG, Rn. 2, wonach die Freiheit der Eheschließung zu den „ordre-public-festen Rechtsgütern“ zu zählen sei). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes weist das schon nach der bisherigen (oben wiedergegebenen) Rechtsprechung als vom Schutzbereich des § 6 IPRG erfasst angesehene Verbot der Kinderehe - ebenso wie das Verbot des Ehezwanges - einen engen Konnex zu diesem Ziel auf. Weiters wurde bereits in der Judikatur festgehalten, dass auch das Kindeswohl zu den zu schützenden Grundwertungen zu zählen ist. Auch mit dem Ziel des Schutzes des Kindeswohls steht das Verbot der Kinderehe in engem Zusammenhang, indem damit die (Persönlichkeits-)Rechte von Minderjährigen gewahrt und sie vor Ausbeutung und unzulässigen Verpflichtungen jeglicher Art geschützt werden sollen (vgl. Melcher, (Un-)Wirksamkeit von Kinderehen in Österreich - Kollisionsrechtliche Beurteilung und ordre public, EF-Z 2018/50). Es kommt zudem in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, denen Österreich beigetreten ist, zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die Vertragsstaaten - darunter auch Österreich - übereingekommen sind, dass der freie Ehewille und die Rechte von Kindern als besonders schützenswert einzustufen sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens über die Erklärung des Ehewillens, das Heiratsmindestalter und die Registrierung von Eheschließungen, BGBl. Nr. 433/1969 idF BGBl. I Nr. 62/2019 [Geltungsbereich], wonach eine Ehe rechtmäßig ohne die freie und uneingeschränkte Willenseinigung beider Verlobten nicht eingegangen werden kann, sowie die Präambel dieses Übereinkommens, wonach die Vertragsstaaten bekräftigen, dass es die Pflicht aller Staaten sei, alles zu unternehmen, jene Bräuche, veraltete Gesetze und Gepflogenheiten in Bezug auf Ehe und Familie, die mit den Grundsätzen, die in der Satzung der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dargelegt sind, unvereinbar sind, insbesondere auch die Kinderehe und die Verlobung junger Mädchen vor dem heiratsfähigen Alter, völlig zu beseitigen; vgl. weiters das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl. Nr. 7/1993 idF BGBl. III Nr. 22/2020 [Geltungsbereich]). Die besondere Schutzwürdigkeit von Kindern geht zudem auch aus verfassungsrechtlichen Vorschriften hervor, so im Besonderen durch die im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kinder, BGBl. I Nr. 4/2011, verbrieften Rechte (vgl. im vorliegenden Zusammenhang etwa dessen Art. 5, wonach u.a. ausdrücklich das Verbot der Zufügung seelischen Leides, sexuellen Missbrauchs und anderer Misshandlungen an einem Kind, sowie der Schutz des Kindes vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung statuiert wird). Allerdings wird aus dem Blickwinkel des § 6 IPRG nicht jedes dem Kindeswohl nicht zuträgliche Ergebnis der Anwendung fremder Rechtsvorschriften einen Verstoß gegen den ordre public begründen können (vgl. Verschraegen, aaO., Rn. 4, die einen solchen Verstoß nur im Fall der eklatanten Gefährdung des Kindeswohls als gegeben annimmt, was etwa dann nicht vorliege, wenn aus dem Widerruf oder Aufhebung einer Adoption der Verlust von Unterhalts- und Erbansprüchen resultiere). Bei der Prüfung, ob die Anwendung fremden Rechts zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung führt, handelt es sich sohin auch insoweit immer um eine Beurteilung des konkreten Einzelfalles (so auch Verschraegen, aaO., Rn. 4).
50 [ … ]
51 Vor dem Hintergrund der besonderen Schutzwürdigkeit Minderjähriger sowie des freien Ehewillens ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof den in der Literatur zu findenden Ansatz, wonach eine Ehe dann als Kinderehe bezeichnet wird, wenn beide Ehepartner im Zeitpunkt der Eheschließung minderjährig waren (so offenbar Garber, Zu den Begriffen ‚Ehe‘ und ‚eingetragene Partnerschaft‘ iS der europäischen Güterrechtsverordnungen, EF-Z 2020/46), nicht teilt. Vielmehr kann eine dem ordre public zuwider laufende Kinderehe auch dann vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung bloß einer der Ehepartner minderjährig war.
52 Gemäß § 1 Abs. 1 Ehegesetz (EheG) ist ehefähig, wer volljährig und entscheidungsfähig ist. § 1 Abs. 2 EheG sieht vor, dass das Gericht eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, auf ihren Antrag für ehefähig zu erklären hat, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und sie für diese Ehe reif erscheint; die minderjährige Person bedarf zur Eingehung der Ehe der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Verweigert dieser die Zustimmung, so hat das Gericht sie auf Antrag der minderjährigen Person, die ihrer bedarf, zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
53 Aus diesen Bestimmungen, die es einem Minderjährigen, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, nicht gänzlich verwehren, eine Ehe einzugehen, ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht jede Eheschließung eines Minderjährigen als eine verpönte Kinderehe ansieht. Als wesentlich ist allerdings hervorzuheben, dass der Gesetzgeber zum einen ein Alter festlegt, das der Minderjährige jedenfalls überschritten haben muss, und zum anderen der minderjährige Ehepartner „für diese Ehe reif“ sein muss. Zudem bedarf es (neben dem - im Fall der ungerechtfertigten Weigerung durch Gerichtsentscheidung ersetzbaren - Einverständnis des gesetzlichen Vertreters zur Eheschließung) einer Entscheidung des Gerichts, den minderjährigen Ehepartner für ehefähig zu erklären.
54 Sind hingegen beide Ehepartner minderjährig oder hat einer von ihnen das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, ist eine Erklärung für ehefähig und sohin auch die Eheschließung nicht möglich.
55 Nach § 22 Abs. 1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung nicht ehefähig war und nicht der Aufhebungsgrund des § 35 EheG (also der Mangel der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters) vorliegt. Die Ehe ist jedoch gemäß § 22 Abs. 2 EheG als von Anfang an gültig anzusehen, wenn der Ehegatte nach Eintritt der Ehefähigkeit zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will.
56 Gemäß § 27 EheG kann sich niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist. Nach § 28 Abs. 1 erster Satz EheG kann, wenn eine Ehe auf Grund des § 22 Abs. 1 EheG nichtig ist, (nur) einer der beiden Ehegatten die Nichtigerklärung begehren.
57 Diese Bestimmungen sind gleichfalls als Ausfluss des dem EheG inhärenten Gedankens des freien Ehewillens anzusehen. Zwar führt das Fehlen der Ehefähigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung seit der Novellierung des EheG mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl. I Nr. 59/2017, gemäß § 22 Abs. 1 EheG zur Nichtigkeit der Ehe (anders als nach der davor geltenden Rechtslage, nach der im Mangel der Ehemündigkeit nur ein schlichtes Eheverbot im Sinn eines Trauungsverbotes für den Standesbeamten gesehen wurde, dessen Verletzung für sich nicht zur Vernichtbarkeit der Ehe führte, vgl. zu dieser Rechtslage Stabentheiner in Rummel [Hrsg.], Komm. zum ABGB, 3. Aufl., II/4, § 1 EheG, Rn. 1). Dennoch ist es nach dem Gesetz dem Ehegatten anheimgestellt, die Gültigkeit der Ehe von Anfang an herbeizuführen, indem er nach Eintritt der Ehefähigkeit zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will (§ 22 Abs. 2 EheG). Auch ist es gemäß § 28 Abs. 1 EheG allein im Bereich der Ehegatten belassen, die Nichtigerklärung der Ehe zu betreiben (vgl. dazu die Materialien zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz zur Änderung des § 28 EheG, RV 1461 BlgNR 25. GP, 61, denen zufolge der Nichtigkeitsgrund des Mangels der Ehefähigkeit nur noch von einem Ehegatten, nicht aber von der Staatsanwaltschaft geltend gemacht werden können solle, weil daran kein öffentliches Interesse bestehe).
58 Daraus ist abzuleiten, dass eine von einem Minderjährigen geschlossene Ehe nicht schon allein wegen der Minderjährigkeit der Ehepartner und eines deswegen gegebenen Fehlens der Ehefähigkeit jedenfalls als eine dem ordre public widerstreitende Kinderehe anzusehen ist. Bei der Beurteilung, ob eine solche verpönte Kinderehe vorliegt, ist nach dem Gesagten darauf Bedacht zu nehmen, ob die Entscheidung über die Eheschließung ohne Einschränkung der Willensfreiheit, insbesondere ob die Ehe selbstbestimmt und ohne Zwang eingegangen wurde, und ohne Anknüpfung an Bedingungen erfolgt ist. Durch die Eheschließung und das im Eheband erfolgte Leben darf zudem der Schutz des Kindeswohles, insbesondere die Wahrung der (Persönlichkeits-)Rechte des Minderjährigen sowie der Schutz vor Ausbeutung und unzulässigen Verpflichtungen jeglicher Art, nicht in wesentlicher Weise beeinträchtigt sein.
59 Dabei wird - neben der stets bei der Prüfung nach § 6 IPRG zu beachtenden Intensität der Inlandsbeziehung - regelmäßig dem Alter der Ehegatten und im Besonderen der daraus resultierenden Einsichtsfähigkeit nicht unwesentliche Bedeutung zukommen. Liegt es doch auf der Hand, dass regelmäßig umso weniger von einer solchen ausgegangen werden kann, je jünger der Minderjährige zum Zeitpunkt der Eheschließung war [vgl. in diesem Sinn auch die Ausführungen in den Materialien zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz betreffend die Änderung von § 1 EheG, RV 1461 BlgNR 25. GP, 60: „Abs. 2 sieht - wie nach bisherigem Recht - die Möglichkeit vor, dass eine Person vor Erreichen der Volljährigkeit, nämlich nach Vollendung des 16. Lebensjahres, die Ehe eingehen kann, wenn sie vom Gericht für ehefähig erklärt wurde. Bei Minderjährigen soll aber trotz vorliegender Entscheidungsfähigkeit (weiterhin) die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich sein. Denn tatsächlich handelt es sich um eine schwerwiegende Entscheidung und der Minderjährige wird grundsätzlich über weniger Lebenserfahrung als ein Erwachsener verfügen. Dem Minderjährigen soll durch die gemeinsame Entscheidung mit seinem gesetzlichen Vertreter eine Unterstützung - auch in der eigenen Willensbildung - zuteilwerden (vgl. auch § 173 Abs. 2 ABGB).“]. Zudem sind der Bestand, die Dauer und die Ausgestaltung der Ehe sowie der Wille des minderjährigen Ehegatten einer näheren Betrachtung zu unterwerfen (vgl. zur Berücksichtigung dieser Faktoren auch Melcher, (Un-)Wirksamkeit von Kinderehen in Österreich - Kollisionsrechtliche Beurteilung und ordre public, EF-Z 2018/50). Aber auch weitere den Einzelfall betreffende Umstände, etwa ob in Bezug auf die Eheschließung eine ernsthafte (und nicht bloß formelhafte) Überprüfung der Reife der Ehepartner und der Bereitschaft, die Ehe aus freien Stücken einzugehen, durch Behörden oder Gerichte stattgefunden hat, werden ebenso Berücksichtigung zu finden haben, wie der Wille des bei Eheschließung noch minderjährigen, aber mittlerweile volljährigen Ehepartners, die Ehe fortzusetzen, und worauf dieser Entschluss zurückzuführen ist.
60 Dabei ist angesichts des verfolgten Zieles der Wahrung der oben angeführten Grundwertungen, denen eine hohe Bedeutung zuzumessen ist, insoweit ein strenger Maßstab anzulegen, als jedenfalls verlässlich ausgeschlossen werden können muss, dass von einer von einem Minderjährigen im Ausland geschlossene Ehe, die Rechtswirkungen im Inland zeitigen soll, eine Gefährdung des ordre public ausgeht, indem eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohl oder des freien Ehewillens vorliegt. [ … ]“
Somit ergibt sich aus den Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes, dass zwar nicht jede Eheschließung einer bzw. eines Minderjährigen per se gegen den ordre public verstößt, dass aber andererseits zur Eingehung einer Ehe jedenfalls das Mindestalter von 16 Jahren überschritten sein muss, andernfalls keine gültige Ehe zustande kommen kann.
Konsequenterweise ergibt sich daraus, dass auch eine Heilung des Mangels der Ehefähigkeit gemäß § 22 Abs. 2 EheG nicht in Betracht kommen kann, wenn die Ehe von einer Person unter 16 Jahren eingegangen worden ist, da eine Heilung nach dieser Bestimmung die Folge hätte, dass die Ehe „von Anfang an“ (!) als gültig anzusehen wäre, was jedoch angesichts obiger Erwägungen zum Schutz von Kindern/Jugendlichen gerade ausgeschlossen sein soll.
§ 22 Abs. 2 EheG ist insofern teleologisch zu reduzieren als sich die Möglichkeit einer Heilung der mangelnden Ehefähigkeit auf jene Eheschließungen von über 16-Jährigen beschränkt, die potentiell – bei Vorliegen besonderer Umstände – gültig sein könnten, andernfalls käme man zu dem unvertretbaren Ergebnis, dass auch Ehen, die beispielhaft von 10-Jährigen geschlossen wurden, einer nachträglichen Heilung gem. § 22 Abs. 2 leg.cit. zugänglich wären, da das EheG lediglich an die Altersgrenze von 16 Jahren normativ anknüpft, aber im Hinblick auf ein Alter unter 16 Jahren nicht mehr weiter differenziert.
Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle weiters auszuführen, dass eine Heilung gemäß § 22 Abs. 2 Ehegesetz voraussetzen würde, dass die Ehegattin nach Eintritt der Ehefähigkeit „zu erkennen gegeben“ hätte, dass sie die Ehe fortsetzen wolle.
Ein „Zu-Erkennen-Geben“ indiziert nach Ansicht des BVwG, dass ein aktives, außenwirksames und unzweifelhaftes Tun gefordert ist, hingegen scheint ein bloß passives Verharren in der Ehe und Familiengemeinschaft diesbezüglich als nicht ausreichend, dies noch umso weniger, als zu bedenken ist, dass, je jünger ein Ehepartner bei der Eheschließung ist, er umso leichter manipulierbar ist und aufgrund gesellschaftlicher bzw. familiärer Einschüchterungen oder wirtschaftlichen Druckes oftmals nicht in der Lage sein wird, eine Beendigung der „Ehe“ aktiv zu betreiben, sodass aus dem bloßen Verharren in der Ehe (noch) nicht geschlossen werden kann, dass es dem freien Willen der betreffenden Person entspricht, die Ehe fortsetzen zu wollen.
Für ein derartiges, zweifelsfreies „Zu-Erkennen-Geben“ an der Ehe festhalten zu wollen, lägen jedoch in casu – selbst wenn man eine Heilung einer Kinderehe als gem. § 22 Abs. 2 EheG rechtlich möglich und damit nicht dem ordre public widersprechend ansehen würde, was hier ausdrücklich verneint wird – keine ausreichenden und konkreten Umstände vor, zumal die Bezugsperson mit den Kindern alleine nach Europa gereist und der BF im Heimatland verblieben ist. Auch die nachfolgende Registrierung einer muslimischen Ehe scheint diesbezüglich nicht zu genügen, zumal eine solche Registrierung grundsätzlich auch nur auf Betreiben von einem Ehepartner vorgenommen werden kann, sodass hieraus nicht notwendigerweise auf den Fortsetzungswillen beider geschlossen werden kann.
Die Beschwerdeeinwendungen zur Heilung der mangelnden Ehefähigkeit der Bezugsperson bestehen somit nicht zu Recht.
Es wird nicht verkannt, dass nach dem oben Gesagten im Einzelfall im Ergebnis unbillige Härten entstehen können, wenn Ehepartner, die traditionell in sehr jungen Jahren verheiratet wurden, in der Folge ein aufrechtes Familienleben, auch mit gemeinsamen Kindern führen, dieses auch führen wollen (!) und jahrelang subjektiv der Ansicht sind, dass sie aus Ihrer Sicht selbstverständlich eine aufrechte Ehe führen würden. In derartigen Fällen wären die Antragsteller lediglich auf das NAG und die dortigen Möglichkeiten zu einer Familienzusammenführung insbesondere im Hinblick auf die Kinder zu verweisen.
Weiters ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, wenn auf die Möglichkeit zur Vornahme von DNA-Analysen im Hinblick auf seine Kinder verweist, da diesen lediglich Asyl im Rahman des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG, abgeleitet von ihrer Mutter, der BP, gewährt wurde, sodass sich der BF auf seine Kinder als Bezugspersonen gemäß § 34 Abs. 6 Z. 2 AsylG nicht berufen kann.
Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.
Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im den vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidungen von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, hinsichtlich derer eine ausdrückliche Rechtsprechung des VwGH fehlt: Nämlich die Rechtsfrage, ob eine Heilung einer (hier traditionell-muslimischen) Ehe, die von einer unter 16-Jährigen geschlossen wurde, gem. § 22 Abs. 2 EheG mit der Wirkung, dass die Ehe als „von Anfang an gültig“ anzusehen wäre, grundsätzlich (wie oben ausgeführt) rechtlich unmöglich ist und die „Ehe“ damit jedenfalls dem ordre public widerspricht.
Schlagworte
Ehe Einreisetitel Gültigkeit Heilung Kinderehe ordre public Revision zulässigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W144.2219524.2.00Im RIS seit
28.01.2021Zuletzt aktualisiert am
28.01.2021