TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/2 L524 2148819-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2020
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Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2148819-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2017, Zl. 1081154602-151011887/BMI-BFA_SZB_RD, betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.05.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 05.08.2015 erfolgte eine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 27.01.2017 war die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).

Mit Bescheid des BFA vom 06.02.2017, Zl. 1081154602-151011887/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 20.05.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer besuchte ca. zwölf Jahre die Schule und war ab dem Jahr 2007 als Fliesenleger berufstätig. Er spricht Kurdisch.

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise aus dem Irak mit seinen Eltern und Geschwistern in Suleymaniah. Der jüngere Bruder des Beschwerdeführers arbeitet in einem Restaurant und lebt bei den Eltern. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers ist Busfahrer. Die drei Schwestern des Beschwerdeführers sind verheiratet und haben eigene Familie. Alle Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben in Suleymaniah. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Eltern. In Suleymaniah leben auch noch Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im Juli 2015 den Irak und reiste illegal in Österreich ein, wo er am 04.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er eine Freundhin hatte, die von ihrem Vater ermordet worden, der Vater der Freundin den Beschwerdeführer töten wolle und der Beschwerdeführer wegen der Ermordung der Freundin mit Haftbefehl gesucht werde, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Haftbefehl ist eine Fälschung.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandte in Österreich, ist nicht verheiratet, führt keine Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Eine im März 2020 von der Volkshochschule durchgeführte Spracheinstufung des Beschwerdeführers ergab das Niveau A1. Eine Deutschprüfung hat er bislang nicht abgelegt. Der Beschwerdeführer spielt Fußball. Im August 2020 hat er ein Gewerbe angemeldet (Reinigung). Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dahuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Um in die Provinzen Erbil und Sulaimaniya einzureisen, wird kein Sponsor benötigt. Bestimmungen bezüglich einer erforderlichen Bürgschaft, um in die Verwaltungsbezirke Erbil und Sulaimaniya auf dem Luftweg oder über Binnengrenzen einzureisen, wurden Anfang 2019 aufgehoben. In den Provinzen Erbil und Sulaimaniya müssen Personen, die nicht aus der Autonomen Region Kurdistan stammen, den lokalen Asayish in jenem Viertel aufsuchen, in dem sie sich niederlassen möchten, um eine Aufenthaltskarte zu erhalten. Sie brauchen keinen Sponsor. Ledige arabische und turkmenische Männer benötigen jedoch eine feste Anstellung und müssen einen Unterstützungsbrief ihres Arbeitgebers einreichen, um eine erneuerbare Aufenthaltskarte für ein Jahr zu erhalten. All jene, die keine feste Anstellung haben, erhalten lediglich eine erneuerbare Aufenthaltskarte, die für einen Monat ausgestellt ist. Besitzern einer einmonatigen Aufenthaltskarte fällt es aufgrund ihrer kurzen Aufenthaltserlaubnis schwer, eine feste Anstellung zu finden. (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019)

In der ersten Septemberwoche 2019 gab es insgesamt 39 sicherheitsrelevante Vorfälle. In der zweiten Septemberwoche 2019 ereigneten sich weniger Vorfälle als in der Vorwoche, nämlich insgesamt 30. In der dritten September 2019 gab es 23 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Alle diese Vorfälle ereigneten sich in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din. In Suleymaniah gab es in dieser Zeit keinen Vorfall. (Musings on Iraq, 17.09.2019, 23.09.2019 und 01.10.2019)

In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es drei sicherheitsrelevante Vorfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der folgenden Woche waren es 14 sicherheitsrelevaten Vorfälle in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din. In Suleymaniah gab es in dieser Zeit keinen Vorfall. (Musings on Iraq, 22.10.2019)

Im Oktober 2019 begann eine Protestbewegung in Bagdad und in den südlichen irakischen Provinzen und setzt sich aus Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts zusammen. Die DemonstrantInnen drücken auf der Straße ihre Frustration über hohe Jugendarbeitslosigkeit, mangelhafte öffentliche Dienste und chronische Korruption im Land aus. Insbesondere Studenten entwickelten sich laut Al Jazeera zum Rückgrat der Protestbewegung. Die Demonstrationen breiteten sich in Provinzen im Süd- und Zentralirak aus, darunter Babil, Dhi-Qar, Diyala, Karbala, Maysan, Muthana, Nadschaf, Qadisiya und Wasit. Die kurdischen Regionen im Norden, sowie die sunnitischen Mehrheitsgebiete im Westen blieben größtenteils ruhig. Die erste Phase der Protestbewegung dauerte vom 1. bis zum 9. Oktober an. Laut eines Sprechers des Innenministeriums hatten DemonstrantInnen 51 öffentliche Gebäude und acht Parteizentralen während dieser ersten Protestphase in Brand gesetzt. Eine zweite Protestwelle brach am 24. Oktober in Bagdad und Provinzen Süd- und Zentraliraks aus. Die Demonstrationen dauerten im Dezember weiter an, mit tausenden Protestierenden im Südirak, die nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi einen unabhängigen Kandidaten forderten. Die Protestbewegung, die eine Revision des politischen Systems im Irak forderte, setzte sich im Jänner fort. Zeitgleich führten US-Angriffe gegen die vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF), sowie der tödliche Angriff auf den iranischen General Qasem Soleimani nahe des Flughafens Bagdad am 3. Jänner 2020 zu separaten Demonstrationen, die von pro-iranischen Gruppierungen angeführt wurden und die sich gegen amerikanischen Einfluss im Land richteten. Premieminister Adel Abdel Mahdi zeigte sich öffentlich von Beginn der Proteste um eine Lösung bemüht. Am 8.Oktober 2019 stimmte das Parlament über ein Maßnahmenpaket ab, das unter anderem Ausbildungsprogramme für junge Arbeitslose und die Bereitstellung einer monatlichen Unterstützungsleistung für Familien unter der Armutsgrenze ermöglichen sollte. Der Ministerrat legte daraufhin ein zweites 13-Punkte-Paket vor, das sich unter anderem mit Subventionen und der Bereitstellung von Wohnraum für Arme befasste. Am 16. Oktober kündigte der Oberste Justizrat die Einrichtung eines zentralen Strafgerichtshofs zur Korruptionsbekämpfung an. Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat seitdem damit begonnen, gewissen benachteiligten Familien monatliche Auszahlungen zukommen zu lassen. Am 29. November 2019 beugte sich Adel Abdel Mahdi dem innenpolitischen Druck sowie dem Wunsch der DemonstrantInnen und kündigte seinen Rücktritt als Ministerpräsident an. Am 24. Dezember 2019 verabschiedete das irakische Parlament ein neues Wahlgesetz, doch ein neuer Premierminister war noch nicht gefunden worden. Am 1. Februar 2020 wurde Mohammed Tawfiq Allawi, ein ehemaliger Kommunikationsminister, zum Premierminister ernannt. Die genaue Zahl der bei Protesten Getöteten und Verletzten ist unklar. Human Rights Watch berichtet, dass laut irakischem Gesundheitsministerium die Zahl der Todesopfer Mitte Dezember 2019 511 Menschen erreicht habe. Laut der irakischen Menschenrechtskommission wurden bis Ende Dezember mindestens 490 DemonstrantInnen getötet. Amnesty International geht mit 23. Jänner 2020 von mehr als 600 Menschen aus, die seit Oktober 2019 im Zusammenhang mit den Protesten ihr Leben verloren haben. (ACCORD, Aktuelle politische Entwicklungen – Protestlage, 04.03.2020)

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt im Irak das Projekt „Arbeitsplätze schaffen neue Perspektiven“. Ziel ist es, dass Binnenvertriebene, Geflüchtete, Rückkehrer/innen und die Bevölkerung in den aufnehmenden Gemeinden Dohuk, Erbil, Sulaymaniya und Halabja Zugang zu Einkommen und Einkommen schaffenden Maßnahmen haben. Um bedürftige Haushalte zu unterstützen, schafft das Vorhaben zeitlich befristete Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten in den kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil, Sulaymaniya und Halabja. Geflüchtete, Rückkehrer/innen, Binnenvertriebene und bedürftige Einwohner/innen haben die Möglichkeit, für maximal 40 Tage zu arbeiten. So erwirtschaften sie ein Einkommen und zugleich sind die Gemeinden entlastet. Mit diesen Einkommen können sie selbständig ihre Grundversorgung sichern. Mittels dieser direkt entlohnten Arbeit („Cash for Work“-Aktivitäten) werden soziale Dienstleistungen erbracht und die öffentliche Infrastruktur in den Camps und aufnehmenden Gemeinden instandgesetzt, so zum Beispiel Straßen, Schulen, Wasserleitungen, Abwasserkanäle und Freizeitanlagen. Zusätzlich unterstützt das Vorhaben bedürftige Haushalte dabei, eigenständig mittel- und längerfristige Einkommen zu erwirtschaften. Das geschieht beispielsweise durch arbeitsmarktorientierte Trainings- und Ausbildungsmaßnahmen, Praktika in der Privatwirtschaft und die Förderung von Existenzgründungen. (GIZ, Arbeitsplätze schaffen neue Perspektiven)

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt im Irak das Projekt „Privatsektorentwicklung und Beschäftigungsförderung / Entwicklungsorientierte (Re-)Integration der irakischen Jugend“ durch. Das Vorhaben unterstützt die irakische Regierung dabei, Wirtschaftsreformen zu entwickeln und Investitionsanreize zu schaffen. Es steht in engem Austausch mit politischen Partnern, zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Privatwirtschaft. Grundlegend für die Reformen sind neustrukturierte Prozesse für die Politikentwicklung und empirische Daten, die unter anderem Wirtschaftsforschungsnetzwerke zur Verfügung stellen. Dadurch kann die Regierung wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen, die auf Fakten basieren. Ziel ist es, die Regulierungen für Investitionen zu vereinfachen, transparenter zu gestalten und dadurch vor Korruption zu schützen. Um den Ausbau der Privatwirtschaft zu fördern, sind Unternehmensgründungen nötig. Das Projekt unterstützt die irakische Regierung dabei, eine Vereinfachung von Regularien umzusetzen und Gründer/innen einen Zugang zu Finanzmitteln zu schaffen. In Zusammenarbeit mit Universitäten führt das Projekt Gründerwettbewerbe durch, bei denen Studierende Unterstützung für die ersten Schritte als Gründer/in erhalten. Das Vorhaben arbeitet außerdem mit Ausbildungseinrichtungen zusammen, um arbeitsmarktorientierte Qualifizierungsangebote zu entwickeln. Weiterbildungen und die Vermittlung von Praktika und Jobs werden kombiniert, um jungen Menschen den Einstieg auf dem Arbeitsmarkt zu erleichtern. Frauen und Rückkehrer/innen bilden dabei einen besonderen Schwerpunkt. Bei der Entwicklung und Umsetzung der Schulungsangebote arbeitet das Projekt zum Teil auch mit internationalen Unternehmen zusammen. Dadurch sollen Trainingsinhalte optimal auf die Bedarfe der Arbeitgeber/innen abgestimmt werden und Teilnehmer/innen gezielt auf ihre Tätigkeiten vorbereitet werden. Damit mehr Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft entstehen, arbeitet das Projekt eng mit lokalen Kammern und Industrieverbänden zusammen. Gemeinsam werden Beratungsleistungen zu Themen wie Buchführung, Marketing und Darlehensverwaltung entwickelt, die sich gezielt an kleine und mittelständische Firmen richten. Durch die Beratungen können Unternehmen ihre Geschäftstätigkeiten verbessern und ausweiten, um dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen. In Branchen mit einem besonders starken Wachstumspotenzial unterstützt das Projekt Unternehmen bei der Markteinführung innovativer Produkte und Dienstleistungen. Das betrifft beispielsweise die Solarenergie oder die Abfallaufbereitung. Dadurch erschließen die Unternehmen neue Geschäftsfelder und gleichzeitig entstehen neue Jobs in den entsprechenden Bereichen. (GIZ, Förderung der Privatwirtschaft – Investitionen und Jobs für neue Perspektiven)

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt im Irak das Projekt „Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) – Neue Job-Perspektiven für eine moderne Jugend im Irak“ durch. Die Bevölkerung des Irak ist eine der jüngsten weltweit. Fast zwei Drittel aller Irakerinnen sind jünger als 25 Jahre, viele von ihnen sind Binnenvertriebene im eigenen Land oder Geflüchtete aus den Nachbarstaaten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie kaum Beschäftigungsperspektiven haben; jede/r Fünfte von ihnen ist arbeitslos. Bei den größten Arbeitgebern des Landes, der Erdölindustrie und dem öffentlichen Dienst, finden sich immer weniger Erwerbsmöglichkeiten. Die Erdölförderung macht 99 Prozent der irakischen Staatseinnahmen aus, trotzdem sind hier nur ein Prozent aller landesweit Erwerbstätigen beschäftigt. Mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist im öffentlichen Dienst tätig, der jedoch mit sinkenden Staatseinnahmen aufgrund des fallenden Ölpreises keine langfristige Perspektive bietet. Die Privatwirtschaft ist hingegen bislang kaum entwickelt. Junge Iraker/innen interessieren sich zunehmend für den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als mögliches Berufsfeld. Die Grundvoraussetzungen dafür sind gut: Mobiles Internet in Breitbandqualität ist nahezu landesweit verfügbar und ermöglicht somit eine flexible Arbeitsweise. Allerdings entsprechen weder die verfügbaren Weiterbildungsangebote, noch die Lehrpläne der angebotenen Studiengänge den Anforderungen des irakischen Arbeitsmarkts. Ein eigenes Unternehmen zu gründen scheitert oft an fehlenden staatlichen Unterstützungsstrukturen und dem mangelnden Zugang zu Krediten oder Kapital von Investoren. Junge Arbeitssuchende, vor allem Frauen, Binnenvertriebene und Geflüchtete sollen von besseren Beschäftigungsperspektiven im Bereich IKT profitieren. (GIZ, Startup your future – Irakische Jugend als Tech-Gründer)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP’s) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 31.10.2019 wurden 1,4 Millionen IDPs (240.750 Haushalte), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Aktuell sinkt die Zahl der IDPs rasch. Im September und Oktober 2019 wurde ein Rückgang von 180.414 IDPs verzeichnet, mit den höchsten Rückgängen in Ninewa (-99.828), Salah al-Din (-10.908) und Anbar (-9.048), verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,4 Millionen (743.468 Haushalte) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Während des Beobachtungszeitraumes September und Oktober 2019 wurden zusätzliche 110.658 Rückkehrer verzeichnet, was einen doppelt so hohen Anstieg wie im vorangegangenen Beobachtungszeitraum entspricht. Die meisten kehrten nach Anbar (42.180), Ninewa (42.090) und Salah al-Din (16.980) zurück. Nahezu alle Haushalte (95%, 4.247.574 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.180) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (141.054) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben die meisten in den Distrikten Mossul (31.476), Baji (10.020) und Tikrit (9.462). (Displacement Tracking Matrix, Round 112, November 2019)

Im Irak gibt es 6.439 bestätigte Covid-19-Fälle, 3.078 aktive Fälle, 205 Todesfälle, 3.156 genesene Personen. Insgesamt wurden beinahe 228.000 Tests durchgeführt. Elf Prozent der Fälle ereigneten sich in der Autonomen Region Kurdistan. Während des Ramadan und der Feiern zum Eid al-Fitr wurden die strengen Ausgangsbeschränkungen gelockert und danach wieder verschärft. Der Irak gehört zu jenen Ländern, auf die sich der Global Humanitarian Response Plan (GHRP) für Covid-19 bezieht. Bis zum 01.06.2020 hat er Irak 16,9 Millionen US-Dollar für die Bekämpfung von Covid-19 erhalten. (UNOCHA, Iraq: Covid-19, Situation Report No. 14, 01.06.2020)

Die internationalen Flughäfen Bagdad, Najaf und Basra wurden am 23. Juli für kommerzielle Linienflüge wiedereröffnet. Die dänische Regierung hat in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) dem Irak ca. 870.000 USD zugesagt, um die irakische Regierung bei der Bekämpfung der globalen COVID-19 Pandemie zu unterstützen. Ab Donnerstag, dem 4.6.2020, dürfen alle Tourismusstandorte in der Provinz Erbil wieder geöffnet werden, jedoch unter strengen Gesundheitsauflagen. Die Regionalregierung Kurdistan (KRG) hat beschlossen, die Maßnahmen zu lockern und etwa die Wiedereröffnung der Märkte unter bestimmten Bedingungen zuzulassen. In Kurdistan bleiben alle Ministerien weiterhin geschlossen, bis auf Apotheken und Bäckereien. Die Weltbank hat, als Unterstützung für das irakische Gesundheitssystem, einer Umverteilung von USD 33,6 Mio. des aktuellen Projekts „Notfalloperation für Entwicklung“ (EODP-750 Mio. USD) zugestimmt. (WKO, Coronavirus: Situation im Irak, 28.07.2020)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Fliesenleger gearbeitet hat, ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht (AS 91 und 93 und Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Widersprüchliche Angaben machte der Beschwerdeführer jedoch dahingehend, von wem er das Handwerk gelernt haben will. So erklärte er vor dem BFA, dass er bei seinem älteren Bruder das Handwerk gelernt habe und bei seinem Bruder gearbeitet habe (AS 93). Hingegen brachte er in der mündlichen Verhandlung vor, dass er bei seinem Onkel, der seit 1975 Fliesenleger sei, das Handwerk gelernt habe. Auch sein Bruder habe beim Onkel das Handwerk gelernt (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Über weiteres Befragen zu seiner beruflichen Tätigkeit gab der Beschwerdeführer an, dass auch sein Bruder für den Onkel gearbeitet habe. Der Widerspruch, bei wem der Beschwerdeführer das Handwerk gelernt habe, löste sich aber nicht auf (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Diese Angaben, bei wem der Beschwerdeführer seinen Beruf erlernt hat, sollten jedoch im gesamten Verfahren konsistent sein, handelt es sich hierbei doch um statische persönliche Verhältnisse und nicht um einmalige, allenfalls nur flüchtig wahrgenommene Ereignisse oder nur kurz andauernde Erlebnisse. Dass die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich sind, lassen erhebliche Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit aufkommen.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, sein Fluchtvorbringen in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA, der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern, weshalb ihm eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist.

In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Probleme im Irak und keine Fluchtgründe habe. Er habe nur weggehen und nach Europa kommen wollen (AS 15). In der Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer einen Fluchtgrund vor und behauptete, dass die Erstbefragung unmittelbar nach seiner langen Reise erfolgt sei, er durcheinander gewesen sei und das Protokoll nicht rückübersetzt worden sei. Weiters behauptete der Beschwerdeführer vor dem BFA, dass ihm bei der Erstbefragung nicht bewusst gewesen sei, worüber er einvernommen werde. Er habe gesagt, dass er keine Probleme habe, weil er gedacht habe, mit der Frage sei gemeint, ob er zum Zeitpunkt der Einvernahme Probleme hätte. Er habe nicht gewusst, dass damit gemeint gewesen sei, ob er in Kurdistan Probleme habe (AS 85). Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht gefragt wurde, ob er Probleme habe, sondern vielmehr wurde er gefragt, warum er sein Land verlassen habe. Auf diese Frage antwortete er: „Ich habe keine Probleme im Irak und keine Fluchtgründe. Ich wollte nur weggehen und nach Europa kommen.“ (AS 15). Es kann daher zu keinem Missverständnis dahingehend gekommen seien, ob gemeint gewesen sei, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einvernahme Probleme hätte. Die Frage richtete sich nämlich ausdrücklich darauf, warum er das Land verlassen hat. Außerdem wurde der Beschwerdeführer auch gefragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchtet. Auf diese Frage erklärte er: „Ich befürchte nichts, wenn ich in meine Heimat zurückkehren.“ (AS 17). Diese Frage ist eindeutig und unmissverständlich. Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich Probleme im Irak gehabt, so hätte er dies spätestens bei dieser Frage angeben müssen. Weiters ist noch darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer unter anderem ein Merkblatt über die Pflichten und Rechte von Asylwerbern und eine erste Information über das Asylverfahren auf Kurdisch-Sorani übersetzt wurden (AS 9). Es ist daher nicht im Geringsten glaubhaft, dass der Beschwerdeführer nicht gewusst haben soll, worum es bei der Erstbefragung gegangen sein soll. Auch die Behauptung, dass die Erstbefragung unmittelbar nach der langen Reise erfolgt sei und er durcheinander gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen. Der Beschwerdeführer stellte nämlich den Antrag am 04.08.2015 und die Erstbefragung erfolgte erst am nächsten Tag um 10 Uhr. Wenn der Beschwerdeführer daher erstmals in der Einvernahme vor dem BFA einen Fluchtgrund schildert, ist dies nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. Außerdem hat der Beschwerdeführer jede Seite des Protokolls der Erstbefragung unterschrieben und damit dessen Richtigkeit bestätigt. Weiters ist festzuhalten, dass gemäß § 15 AVG, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Fallbezogen sind Einwendungen des Beschwerdeführers weder aktenkundig, noch wird behauptet, der Beschwerdeführer hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem Vorbringen keine konkreten Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift auf (vgl. VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0381). Zweifel an der Niederschrift der Erstbefragung bestehen daher nicht.

Als Fluchtgrund bringt der Beschwerdeführer vor dem BFA vor, dass er eine Freundin gehabt habe, die von ihrem Vater ermordet worden sei. Der Beschwerdeführer war aber nicht in der Lage, zu seiner Freundin und dem fluchtauslösenden Vorfall in der Einvernahme vor dem BFA, in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmende Angaben zu machen, was letztlich dazu führt, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seinen vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer brachte im gesamten Verfahren übereinstimmend vor, dass er ein Mädchen kennen gelernt habe, welches er heiraten habe wollen. Damit sei ihre Familie aber nicht einverstanden gewesen. Seinen Angaben zufolge habe er das Mädchen in der Abendschule/beim Hilfsunterricht im Jahr 2014 kennengelernt. Hinsichtlich der näheren Details hierzu machte der Beschwerdeführer aber im gesamten Verfahren widersprüchliche Angaben, so dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist.

Vor dem BFA erklärte er, dass er „vermutlich“ im März 2015 zu seinem Vater gesagt habe, er solle bei der Familie seiner Freundin um deren Hand anhalten. Der Vater und der Bruder seiner Freundin seien gegen eine Hochzeit gewesen. Seine Familie habe seither zweimal versucht, mit der Familie der Freundin in Kontakt zu treten, einer Hochzeit sei aber nicht zugestimmt worden. (AS 99). Diese Aussage des Beschwerdeführers kann nun so verstanden werden, dass sein Vater zweimal oder dreimal bei der Familie seiner Freundin u deren Hand angehalten hat. Durch die folgenden Angaben des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung wird diese Unklarheit jedoch nicht aufgeklärt, sondern stellt sich sein Vorbringen schließlich als widersprüchlich dar. In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater und sein Bruder „insgesamt dreimal“ vergeblich bei der Familie seiner Freundin und deren Hand angehalten hätten (AS 279). In der mündlichen Verhandlung behauptet der Beschwerdeführer aber, dass er zweimal über seinen Vater versucht habe, um die Hand Mädchens anzuhalten (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).

Nicht nur hinsichtlich der Anzahl der Heiratsanträge machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben, sondern auch dahingehend, wer um die Hand des Mädchens angehalten habe. Während er in der Einvernahme vor dem BFA vom Vater bzw. von seiner Familie sprach (AS 99), gab er aber in der Beschwerde an, dass der Vater und sein Bruder um die Hand angehalten hätten (AS 279) und brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass nur der Vater um die Hand angehalten habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).

Der Beschwerdeführer konnte auch keine eindeutigen und übereinstimmenden Angaben dazu machen, wann um die Hand seiner Freundin angehalten worden sei. In der Einvernahme vor dem BFA äußerte der Beschwerdeführer die Vermutung, dass er im März 2015 seinen Vater darum gebeten habe, um die Hand seiner Freundin anzuhalten. Seitdem habe es die Familie zweimal vergeblich versucht (AS 99). In der mündlichen Verhandlung konnte er nicht konkret angeben, ob es im zweiten oder im dritten Monat 2015 war. Der Beschwerdeführer wurde zweimal dazu befragt und er gab folgendes an: „Im Monat 2 oder 3 im Jahr 2015 hat er ihn zweimal besucht und diesen Antrag gestellt.“ sowie „Vielleicht mitten im zweiten Monat, ich kann es nicht mehr genau sagen.“ (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nur widersprüchlich, es ist auch nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer nicht merken kann, wann um die Hand seiner Freundin angehalten haben will.

Auch zum Grund, weshalb eine Heirat von der Familie des Mädchens abgelehnt worden sei, machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA führte er als Grund an, dass Heirat in der Familie geregelt werde. Liebe dürfe nicht im Spiel sein. Er gab außerdem an, dass seine Freundin keiner anderen Person versprochen gewesen sei und behauptete, er sei der Erste gewesen (AS 101f). Dazu in völligem Widerspruch stehen die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde. Hier wird vorgebracht, seine Freundin habe ihm gestanden, dass sie bereits einmal verheiratet gewesen und geschieden worden sei. Nunmehr sei sie einem Cousin versprochen, den sie aber nicht möge und den sie auch nicht heiraten wolle (AS 290). Sowohl zu den Angaben vor dem BFA als auch zu jenen in der Beschwerde widersprüchlich ist das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Hier behauptete er, der Grund für die Ablehnung einer Heirat sei gewesen, dass das Mädchen zum Zeitpunkt des Antrags verheiratet gewesen sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Diese völlig konträren Angaben im gesamten Verfahren lassen das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Freundin nicht glaubhaft erscheinen. Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung auch keine plausible Erklärung für seine widersprüchlichen Angaben tätigen. Auf den Vorhalt, dass er vor dem BFA nichts von einem älteren Ehemann seiner Freundin erzählte, versuchte er den Leiter der Einvernahme vor dem BFA für seine widersprüchlichen Angaben verantwortlich zu machen und meinte, dass er nicht [danach] gefragt worden sei. Dass der Beschwerdeführer nicht konkret danach gefragt wurde, überrascht nicht, zumal es auf Grund der davor getätigten Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme keine Veranlassung dafür gab, den Beschwerdeführer zu fragen, ob seine Freundin vielleicht schon verheiratet ist. Seine Begründung ist daher nicht geeignet, die Widersprüche in seinem Vorbringen zu erklären. Zudem wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA gefragt, welches Problem gegen die Hochzeit sprach, worauf der Beschwerdeführer nur antwortete, dass Heirat in der Familie geregelt werde und Liebe nicht im Spiel sein dürfe. An dieser Stelle hätte er angeben können und müssen, dass die Frau bereits verheiratet war, was er aber nicht getan hat. Diese vor dem BFA gestellte Frage wurde dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch vorgehalten, worauf er aber nur ausweichend meinte, dass die Art der Fragestellung anders gewesen sei. Seine weiteren Ausführungen beziehen sich wieder auf den Leiter der Einvernahme vor dem BFA, dem er sodann mangelnde Erfahrung vorwarf. Wenn es, wie der Beschwerdeführer behauptet, vor dem BFA so gewesen sein sollte, dass er aufgefordert worden sei, nur die Fragen zu beantworten, hätte er auf die Frage nach dem Problem, das gegen die Hochzeit sprach, eben antworten müssen, dass die Frau zu dem Zeitpunkt schon verheiratet war und nicht, wie er es tat, dass eine Heirat in der Familie geregelt werde und Liebe nicht im Spiel sein dürfe. Seine Erklärungsversuche für die widersprüchlichen Angaben sind daher keinesfalls überzeugend (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls).

Alle Angaben des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Freundin waren unkonkret, vage und widersprüchlich, so dass es nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich diese Freundin hatte.

Der Beschwerdeführer behauptete auch, dass seine Freundin in einem Frauenhaus gewohnt habe, doch auch hierzu machte er im Verfahren widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA meinte der Beschwerdeführer, dass seine Freundin nach den erfolglosen Heiratsanträgen von ihrem Vater mit dem Tode bedroht worden sei. Sie habe dann in einem Frauenhaus Schutz gesucht (AS 99). Dies behauptete er auch noch in der Beschwerde (AS 279), was er aber noch weiter vorbrachte war, dass seine geschiedene Freundin den für sie ausgesuchten Cousin als Ehepartner nicht akzeptieren wollte und auch aus diesem Grund im Frauenhaus Zuflucht gesucht habe (AS 291). Demgegenüber behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass sie vor ihrem Ehemann, der viel älter als sie gewesen sei, davongelaufen sei (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Aus den Angaben vor dem BFA und in der Beschwerde ergibt sich, dass die Freundin des Beschwerdeführers erst während der laufenden Beziehung im Frauenhaus Zuflucht gesucht habe. Damit stimmen seine Angaben in der Verhandlung nicht überein. Hier behauptete er nämlich, dass die Freundin schon zum Zeitpunkt des Kennenlernens im Frauenhaus gelebt habe (Seiten 9 und 12 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese eklatant widersprüchlichen Angaben sprechen gegen eine Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer führte vor dem BFA aus, dass es Frauenhäuser, wie es sie in Österreich gebe, auch im Irak gebe. Der Beschwerdeführer habe seine Freundin in dem Frauenhaus auch besucht (AS 99). In Frauenhäusern finden Frauen Schutz, die vor Gewalt fliehen. Um diesen Schutz gewährleisten zu können, ist in Österreich die Adresse von Frauenhäuser nicht bekannt. Wenn es Frauenhäuser auch im Irak gibt, erscheint es dem Zweck einer solchen Einrichtung widerstreitend, wenn die Adresse des Hauses öffentlich bekannt ist und dort sogar Besuche von Männern möglich sein sollen. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer seine Freundin in dem Frauenhaus besucht haben will.

Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass er vom Vater seiner Freundin bedroht worden sei. Konkrete Angaben hierzu konnte er aber nicht machen. Auf die Frage, wie oft er bedroht worden sei gab er an, dass dies „ständig“ gewesen sei, etwa zwei bis drei Mal pro Woche. Er konnte auch nicht angeben, wann konkret diese Bedrohungen begonnen hätten. Hier gab er nur an, dies habe begonnen, als er den Antrag gestellt habe. Wie bereits aber weiter oben ausgeführt, war der Beschwerdeführer nicht in der Lage konkret anzugeben, wann er den Antrag gestellt habe (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Auch die Gründe für die Bedrohung weichen voneinander ab. Vor dem BFA erklärte er, die Familie seiner Freundin habe gewollt, dass sie die Beziehung beenden. Weitere Angaben machte er nicht (AS 99). Hingegen behauptete er in der mündlichen Verhandlung, er sei bedroht worden, weil seine Freundin bereits verheiratet sei und eine Frau dürfe neben einem Mann keine weitere Beziehung haben (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese unkonkreten und widersprüchlichen Angaben lassen das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen.

In der Verhandlung konnte der Beschwerdeführer zu der angeblichen Heirat seiner Freundin keine weiteren Angaben machen. Er war nicht in der Lage anzugeben, seit wann sie mit dem Mann verheiratet war (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Auch dieses Unvermögen des Beschwerdeführers spricht gegen eine Glaubhaftmachung seines Vorbringens.

Zur Ermordung seiner Freundin erklärte der Beschwerdeführer vor dem BFA, dass er mit seiner Freundin in einem Park gewesen sei. Sie hätten den Vater im Park gesehen. Er sei ohne Vorahnung auf sie zugekommen und habe auf seine Tochter, die Freundin des Beschwerdeführers, geschossen. Er habe insgesamt drei Schüsse abgegeben, einmal in die Luft und zweimal auf die Freundin. Der Beschwerdeführer sei sofort weggegangen (AS 99). Weitere Aussagen tätigte der Beschwerdeführer zu diesem schließlich fluchtauslösenden Vorfall nicht. Die Schilderungen des Beschwerdeführers beschränken sich auf ein paar wenige Fakten. Von einer lebensnahen Schilderung eines persönlich erlebten Vorfalls kann diesfalls nicht gesprochen werden. Die Schilderungen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA lassen jegliche Darstellungen vermissen, die darauf schließen lassen würden, dass die Beschwerdeführer dies tatsächlich selbst miterlebt hat. Er schildert keinerlei Nebenumstände und auch nicht, was er gefühlt hat, als seine Freundin getötet wurde. Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers lässt nicht annehmen, dass der Beschwerdeführer dies alles selbst miterlebt hat.

Die Schilderungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde weichen von seinen Angaben vor dem BFA ab und sind auch detaillierter. In der Beschwerde wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und das Mädchen auf einer Bank gesessen seien. Bei Herannahen an die beiden habe der Vater einen Schuss in die Luft abgegeben. Vor dem zweiten Schuss habe der Vater zum Beschwerdeführer gesagt, dass dieser ihm die Tochter weggenommen und damit sein Leben zerstört habe und er auch sterben müsse. Nach dieser Äußerung und Abgabe des zweiten Schusses in das Bein des Mädchens sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Er habe den dritten Schuss selbst nicht mehr gesehen, sondern von diesem „aus den Medien etc.“ erfahren (AS 282). Diese in der Beschwerde ausgeführten Schilderungen lassen sich mit den Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht in Einklang bringen. Hier behauptete er nämlich, dass der Vater nach Abgabe des ersten Schusses in die Luft die beiden gewarnt hätte und gesagt hätte, dass sie nicht weglaufen dürften, ansonsten würden sie beide getötet werden. Der Beschwerdeführer behauptete auch, dass das Mädchen ihn aufgefordert hätte, dass er weglaufen solle, wovon er weder vor dem BFA noch in der Beschwerde sprach (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Damit äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend widersprüchlich, was der Vater gesagt habe und zu wem der Vater gesprochen hat, was nicht für die Schilderung von wahren Begebenheiten spricht.

Der Beschwerdeführer äußerte sich auch widersprüchlich dazu, nach welchem Schuss er weggegangen bzw. weggelaufen sei. In der Beschwerde ist die Rede davon, dass er nach dem zweiten Schuss weggelaufen sei (AS 282). In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, dass er nach dem ersten Schuss (in die Luft) weggelaufen sei: „Ihr Vater kam über den Zaun und schoss einmal in die Luft. …. „Ich lief dann weg und ergriff die Flucht. Er hat mich deswegen nicht treffen können. Er hat aber zwei weitere Schüsse auf seine Tochter geschossen […].“ (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung äußerte sich der Beschwerdeführer dann widersprüchlich dazu und meinte, er habe es gesehen, als der Vater auf die Tochter schoss (Seite 20 des Verhandlungsprotokolls).

Zudem war es dem Beschwerdeführer auch nicht möglich, konkret anzugeben, wie er vom Tod seiner Freundin erfahren habe. Vom Tod der eigenen Freundin zu hören, ist wohl ein Ereignis, das man nicht so schnell vergisst. Es ist daher völlig unverständlich, dass der Beschwerdeführer dazu nicht in der Lage war. Schon in der Beschwerde war das Vorbringen dazu vage, in dem geschildert wurde, dass der Beschwerdeführer vom dritten Schuss, der die Geliebte des Beschwerdeführers getötet habe, nur vom „Hören-Sagen aus den Medien etc.“ wisse (AS 282). In der mündlichen Verhandlung gestalteten sich die Angaben des Beschwerdeführers noch konfuser und lassen daher auch dieses Vorbringen nicht glaubhaft erscheinen (Seiten 21 und 22 des Verhandlungsprotokolls):

„RV: Wann haben Sie persönlich erfahren, dass Ihre Geliebte gestorben ist?

BF: Ich kann das nicht bestätigen. Ich habe das nachher von überall erfahren, dass sie das Leben verloren hat.

RV: Von den Medien, vom Fernsehen?

BF: Am gleichen Tag gab es einen Polizeibericht in den Medien, es wird darüber berichtet und so habe ich davon erfahren.

RV: Haben Sie nicht die Hoffnung gehabt, dass sie vielleicht überlebt hat?

BF: Ich wollte nicht, dass ihr was passiert.

RV: Wollten Sie sich nicht vergewissern? Ich würde aktiv nach Informationen nachfragen.

BF: Wo soll ich nachfragen. Man hört es überall, so eine Sache erfährt man schnell.

RV: Können Sie nicht sagen, wie konkret Sie davon erfahren haben?

BF: Ich habe Schüsse gehört, als ich auf der Flucht war. Wen soll der Vater erschossen haben, außer auf seine Tochter, ich war mir sicher, dass der Vater das Mädchen umbringen wird. Zeugen werden nichts nützen, ich war mit ihr unterwegs und ich habe sie dorthin gebracht. Wer würde mir glauben, dass ich nicht der Mörder bin. In diesem Fall werde ich beschuldigt.“

Obwohl die Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung im Vergleich zu den Angaben vor dem BFA weitschweifig waren, sind sie alleine deshalb aber noch nicht glaubhaft. Die Schilderungen zur Ermordung der Freundin – dem schließlich fluchtauslösenden Ereignis – waren nämlich in Relation zu seinen anderen Angaben in der mündlichen Verhandlung kurz gehalten, alles andere als lebensnah und erweckten so nicht den Eindruck, als schildere der Beschwerdeführer persönlich Erlebtes. Der Beschwerdeführer gab folgendes an: „Ihr Vater kam über den Zaun und schoss einmal in die Luft. Er warnte uns und sagte, dass wir nicht weglaufen dürfen, ansonsten werden wir beide getötet. Wir wussten, dass es ihr Vater ist. Wir haben unsere Hände genommen. Das Mädchen forderte mich mehrmals auf, dass ich weglaufen soll. Sie wusste, dass sie umgebracht wird. Ihr Vater hat sie mit einem Schuss am Bein getroffen. Das war eine Ehrensache, er wollte damit seine Ehre wieder zurückgewinnen. In diesem Moment dachte ich nur an die Flucht. Ich lief dann weg und ergriff die Flucht. Er hat mich deswegen nicht treffen können. Er hat aber zwei weitere Schüsse auf seine Tochter geschossen und die anderen, welche in dieser Umgebung waren, wussten es nicht, dass er der Vater des Mädchens ist.“ (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Der Erzählung des Beschwerdeführers mangelt es an jeglichen Details. Der Beschwerdeführer berichtet von einem im Leben eines Menschen dramatischen Ereignis, aber dennoch fehlt es in seinen Schilderungen der Darlegung jeglicher Emotionen, was nicht nachvollzogen werden kann und gegen eine Glaubhaftmachung spricht.

Im späteren Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer von seinem Vertreter noch einmal zu der Ermordung seiner Freundin befragt. Doch auch hier war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, anschaulich zu schildern, was passiert sein soll. Sein Vertreter versuchte, den Beschwerdeführer zu einer konkreten und detaillierten Schilderung der behaupteten Vorkommnisse zu animieren, was ihm aber nicht gelang. Die Befragung gestaltete sich vielmehr so, dass der Vertreter dem Beschwerdeführer teilweise mit der Frage die (gewünschte) Antwort bereits vorgab oder durch Nachfragen die vom Beschwerdeführer gegebene Antworten in die richtige – nämlich widerspruchsfreie – Richtung lenkte. Dadurch konnte aber eine Glaubhaftmachung der Ereignisse nicht erreicht werden. Die Befragung gestalte sich wie folgt (Seiten 19 bis 21 des Verhandlungsprotokolls):

„RV: Es war ein besonderer Park, als „Mutter“ benannt. Waren in diesem Park auch andere Leute, Zeugen?

BF: Natürlich. Der Park ist nicht so groß, er ist mitten in der Stadt, neben den Straßen. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Auf einer Seite ist eine stark befahrene Straße und hinter dem Park sind Häuser, es ist ein Wohngebiet, mitten in der Stadt.

RV: Gibt es einen Zaun?

BF: Ja, es ist kein normaler Zaun, es ist schon designt, kein Sicherheitszaun. Nachgefragt, man kann überspringen.

RV: Wann sind Sie auf den Täter aufmerksam geworden?

BF: Als er 25 – 30 Meter von uns entfernt war, haben wir ihn bemerkt. Als er geschossen hat, dann haben wir ihn gesehen. Er hatte bereits auf seine Tochter geschossen.

RV: Es war doch der erste Schuss in die Luft?

BF: Ja.

RV: Können Sie das ganz detailliert schildern?

BF: Zuerst als er in die Luft schoss, haben wir ihn nicht gesehen. Wir wurden aufmerksam und haben schnell reagiert.

RV: Stellen Sie sich vor, Sie sind er einzige Zeuge im Mordprozess in Kurdistan.

BF: Ich habe alles im Detail erzählt.

RV: Sie haben das bis heute noch nicht im Detail geschildert oder sehe ich das falsch?

BF: 2 Leute, die sich lieben sitzen beieinander und reden über das Leben, die Liebe und alles was in der Umgebung ist, ist ihnen egal. Es springt jemand über den Zaun, das hört und merkt man nicht. Ich habe das nicht gesehen.

RV: Sie müssen auseinanderhalten was Sie wirklich gesehen oder gehört haben. Ich möchte Ihnen die Chance geben, dass Sie Ihre Geschichte glaubhaft machen können, es ist nicht gegen Sie gerichtet. Sie sagten, dass Sie sich an der Hand gehalten haben und weggelaufen sind, und während Sie gelaufen sind, wurde Ihre Geliebte getötet. Haben Sie diese zwei weiteren Schüsse, welche Sie nannten, noch wahrgenommen?

BF: Ja, ich habe es gesehen, als er auf seine Tochter schoss. Wenn ich sehe, dass er sein eigenes Kind umbringt, dann wird er mich auch umbringen, es geht um die Ehre.

RV: Der erste Schuss ging in ihr Bein.

BF: Ja.

RV: Weitere Schüsse?

BF: Er kam weiter zu uns und schoss weiter aber wo und wie er sie traf, weiß ich nicht.

RV: Wo waren Sie in diesem Moment, als er vorkam und auf seine Tochter schoss?

BF: Neben dem Mädchen. Wenn wir das gewusst hätten, dass er vorhatte einen Mord zu begehen, dann wären wir anders vorgegangen, woher sollten wir wissen, dass er wirklich seine Tochter töten wird.

RV: Haben Sie die todbringenden Schüsse gesehen oder waren Sie schon auf der Flucht?

BF: In dem Moment als sie getötet wurde, die Schüsse fielen, da war ich nicht anwesend.

RV: Wo waren Sie?

BF: Ich war auf der Flucht.

RV: 10 Meter weg oder 20 Meter weg?

BF: Ich lief so schnell wie möglich. Man will nicht mehr umdrehen und kann das auch nicht, ich weiß nicht wie weit ich weg war.

RV: Was war der Auslöser dafür, dass Sie geflüchtet sind und nicht bei Ihrer Geliebten geblieben sind?

BF: Das Mädchen hat mich gewarnt, sie sagte mir, ich solle laufen, da sie wusste, dass sie getötet werde. Sie beharrte darauf, dass ich weglaufen soll. Stellen Sie sich vor, in dem Moment in dem geschossen wird, es ist die schnellste Entscheidung wegzulaufen. Sie müssen froh sein, dass Sie nicht im Nahen Osten auf die Welt gekommen sind.“

Der Beschwerdeführer legte Zeitungsberichte über den von ihm behaupteten Vorfall vor. Durch die vorgelegten Zeitungsberichte ist zwar belegt, dass eine Frau ermordet wurde, doch wird damit nicht belegt, dass es sich bei dieser Frau um die Freundin des Beschwerdeführers handelte und dass der Beschwerdeführer bei der Ermordung dieser Frau dabei war.

Der Beschwerdeführer zeigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstmals drei Videos auf seinem Mobiltelefon vor, die ihm über einen Nachrichtendienst geschickt wurden und von der Ermordung einer Frau handeln. In einem Video spricht ein Polizeisprecher über die Ermordung einer Frau in einem Park. In diesem Video wird davon gesprochen, dass die Frau verheiratet war, im Jahr 1994 geboren wurde, jemand über einen Zaun gesprungen ist und zuerst in die Luft geschossen hat (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Diese Angaben stimmen mit den Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung überein, nicht jedoch mit seinen Angaben vor dem BFA. Dort sprach der Beschwerdeführer eben nicht davon, dass die Frau bereits verheiratet sei, sondern gerade vom Gegenteil. Auch dass der Täter über einen Zaun gesprungen sei, erwähnte der Beschwerdeführer vor dem BFA noch nicht. Es entstand dadurch der Eindruck, dass der Beschwerdeführer seine in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben an die Darstellung in dem Video angepasst hat, um sein Vorbringen glaubhaft erscheinen zu lassen. Dies ist ihm aber nicht gelungen, da die hierzu widersprüchlichen Angaben vor dem BFA nicht beseitigt werden. Zudem ist noch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren immer von drei abgegebenen Schüssen auf seine Freundin gesprochen hat. In dem Video ist jedoch die Rede davon, dass nach dem Schuss in die Luft und dem ersten Schuss auf die Frau noch drei weitere Schüsse abgegeben worden seien.

Der Beschwerdeführer behauptete vor dem BFA auch, dass der Vater seiner Freundin vermutlich aus Angst vor den anderen Leuten im Park nicht auf den Beschwerdeführer geschossen habe (AS 99). Diese Begründung ist nicht annähernd nachvollziehbar. Weshalb der Vater aus Angst vor den anderen Leuten im Park nicht auf den Beschwerdeführer schießen sollte, nachdem er zuvor seine eigene Tochter tötete, ist völlig unlogisch.

Nicht nachvollziehbar ist auch das Verhalten des Beschwerdeführers, als der Vater der Freundin auf diese geschossen habe. Vor dem BFA erklärte er noch nicht, weshalb er nach dem Auftauchen des Vaters im Park davongelaufen ist und seine Freundin alleine gelassen hat (AS 99). Auch in der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer nicht vor, weshalb er geflüchtet sei (AS 282). In der mündlichen Verhandlung meinte der Beschwerdeführer, „das Mädchen“ habe ihn mehrmals aufgefordert, wegzulaufen (Seiten 10 und 21 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer seine Freundin, die er, wie er mehrfach betonte, geliebt hat, zurücklässt, anstatt den Versuch zu unternehmen, gemeinsam mit ihr vor dem Vater wegzulaufen, erscheint nicht realistisch und nicht nachvollziehbar. Auch dies lässt die geschilderten Ereignisse nicht glaubhaft erscheinen.

Der Beschwerdeführer behauptete vor dem BFA, dass niemand außer ihm im Park gewusst habe, dass der Mörder der eigene Vater des Mädchens gewesen sei (AS 99). Dies behauptete er auch noch in der mündlichen Verhandlung (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). In der mündlichen Verhandlung zeigte der Beschwerdeführer insgesamt drei Videos vor, die sich mit der Ermordung des Mädchens in den Park befassen. In einem dieser Videos sagt jedoch eine Sprecherin, dass das Mädchen von ihrem eigenen Vater getötet worden sei (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Die Behauptung des Beschwerdeführers, niemand hätte gewusst, dass der Mörder der eigene Vater des Mädchens ist, ist mit dem Inhalt des Videos nicht vereinbar.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Vater seiner Freundin nach ihrer Ermordung beim Vater des Beschwerdeführers gewesen sei. Die Angaben hierzu waren jedoch sehr vage. Der Beschwerdeführer erklärte, dass der Vater „oft“ nach ihm gefragt hätte und der Sache „ständig“ nachgegangen sei. Über Nachfrage konnte er diese Behauptungen jedoch nicht konkretisieren. Auf die Frage, wie oft er das gemacht habe, gab der Beschwerdeführer an: „Ich weiß es nicht genau. Es ist auch nicht so, dass mir jede Bedrohung mein Vater erzählt, aber es ist oft passiert.“. Er konnte auch nicht angeben, wann dies zuletzt der Fall gewesen sei. Auch hier erklärte er: „Genau erinnere ich mich nicht. Mein Vater hat immer empfohlen, dass ich schnell die Stadt verlassen muss und ich nicht wieder zurückkehren darf, da ich in Lebensgefahr bin.“. (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Vater des Beschwerdeführers diesem nicht jedes Mal erzählt haben soll, dass eine Bedrohung stattgefunden hat, kann nicht nachvollzogen werden. Eine Bedrohung ist ein schwerwiegender Vorfall, weshalb es unverständlich ist, dass der Vater dem Sohn nicht darüber berichten sollte. Das Unwissen des Beschwerdeführers darüber bzw. seine Erklärungsversuche, dass ihm der Vater nicht jedes Mal darüber berichten sollte, spricht eher dafür, dass die behaupteten Bedrohungen durch den Vater des Mädchens gar nicht stattgefunden haben.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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