TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/2 L506 2177391-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2020
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Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2177391-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , Regionaldirektion Salzburg, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.06.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger aus XXXX in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, der schiitischen Religion und der Volksgruppe der Paschtunen zugehörig, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag gab dieser als Grund für seine Ausreise aus Pakistan an, dass sein Bruder bei der Armee in Pakistan gearbeitet habe und bei einer Operation gegen die Taliban ums Leben gekommen sei. Danach hätten ihn die Taliban wegen seinem Bruder mehrere Male bedroht und die Taliban würden alle Schiiten in Pakistan töten.

2. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 13.06.2017 gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Turi-Pashtunen und der schiitischen Religion angehöre. Er sei ledig und habe keine Kinder. Zu seinem Gesundheitszustand befragt gab der BF an, Medikamente zu benötigen und brachte Arztberichte und Befunde in Vorlage. In seinem Heimatland würden sich seine Eltern und Geschwister aufhalten und er stehe in Kontakt zu ihnen. Sein Bruder XXXX sei im März 2015 ermordet worden, sein Bruder XXXX sei in Saudi Arabien aufhältig, der Aufenthalt seines Bruders XXXX sei wegen seiner militärischen Arbeit geheim und der Zwillingsbruder des BF, XXXX , sei beim Militär in einer Spezialeinheit. Der jüngste Bruder, XXXX , halte sich bei den Eltern in XXXX auf. Seine Schwester, XXXX , sei verheiratet. In Österreich habe er keine Verwandten, lebe von der Grundversorgung und sei ehrenamtlich tätig gewesen. Zum Ausreisegrund befragt führte der BF aus, sein Bruder Major XXXX sei an Militäroperationen gegen die Taliban maßgeblich beteiligt gewesen. Er habe den Chef des Haqanni Netzwerkes festgenommen und trotz Aufforderung zur Freilassung erschossen. Daraufhin habe der BF Probleme mit dem Geheimdienst bekommen und es sei am 02.01.2015 auf ihn ein Anschlag verübt worden. Bei diesem Anschlag sei er beschossen und mit einer Rakete angegriffen worden, habe sich aber in einem Fluss verstecken können. Er habe sich dann einen Monat bei seinem Bruder im Militärstützpunkt versteckt, man habe aber versucht, ihn zu entführen. Sein Bruder XXXX sei am XXXX aus Blutrache von einem Sniper erschossen worden, zuvor habe es Bedrohungen gegen seinen Bruder und die Familie gegeben. Bei Rückkehr in sein Heimatland fürchte er den Geheimdienst ISI. Wegen seiner Religionszugehörigkeit habe er nur allgemeine Probleme gehabt, persönlich sei er deswegen nie bedroht worden.

Dem BF wurden die Länderfeststellungen zu Pakistan ausgefolgt und eine Stellungnahmefrist bis 04.07.2017 eingeräumt.

3. Der BF brachte am 21.06.2017 ein Konvolut an Unterlagen (Zeitungsausschnitte, Geburtsurkunde, Fotos und eine Sterbeurkunde, jeweils in Kopie) in Vorlage. Mit am 04.07.2017 eingebrachter Stellungnahme ersuchte der BF um Ergänzung der Länderfeststellungen um Berichte zum Geheimdienst ISI, dem Verbindungen zu militanten terroristischen Organisationen nachgesagt werden würden und verwies auf ein veröffentlichtes Video über die Beerdigung seines Bruders Major XXXX .

4. Auf Veranlassung des BFA erfolgte am 25.09.2017 eine fachärztliche Untersuchung des BF. Dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten zufolge leidet der BF an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F42.3). Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit sei bei diesem Krankheitsbild nicht auszugehen. Im Überstellungsfall nach Pakistan sei eine kurz- bis mittelfristigen Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, es bestehe aber nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten würde.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte fest, dass die Identität des aus Pakistan stammenden BF nicht feststehe, dieser schiitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Turi-Paschtunen angehöre. Zu seinem geltend gemachtem ausreisekausalen Vorbringen stellte das BFA fest, dass nicht glaubhaft sei, dass der BF wegen einer Bedrohung durch die Taliban sein Land verlassen habe oder vom Geheimdienst verfolgt werde. Eine reale Gefahr im Falle der Rückkehr des BF in seinen Heimatstaat habe ebenso nicht festgestellt werden können.

Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass das Vorbringen des BF, er sei in seinem Heimatland von den Taliban und/oder dem Geheimdienst verfolgt worden, widersprüchlich und unplausibel und somit nicht glaubhaft sei.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zum Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

6. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 20.10.2017 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch innerhalb von 2 Wochen in Anspruch zu nehmen.

7. Gegen den oa. Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter binnen offener Frist vollumfänglich Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Nach kurzer Darlegung des Sachverhaltes wurde unter Anführung diesbezüglicher Berichte darauf verwiesen, dass der Geheimdienst ISI seit Jahren mit den Taliban kooperiere und verknüpft sei, weshalb die beweiswürdigenden Ausführungen des BFA zu den Aussagen des BF in der Erstbefragung nicht nachvollziehbar seien, zumal der BF die Verfolgung durch die „Taliban“ als Überbegriff verwendet habe. Der BF habe glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt, dass er durch seinen Bruder ins Blickfeld radikal islamistischer Gruppierungen geraten sei. Weiters wurde auf die prekäre Sicherheitslage in der Herkunftsregion des BF verwiesen, auf die problematische Lage für Schiiten und dass für den BF keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe

8. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

9. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.06.2020. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger, schiitischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und des Stammes der Turi. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der BF stammt aus XXXX nahe der Stadt XXXX im Bezirk Kurram Agency in der Provinz Khyber Pakthtunkhwa. In Pakistan hat er die Schule besucht, mit Matura abgeschlossen und absolvierte anschließend ein Universitätsstudium (Bachelor) in Betriebswirtschaft. Er war in Pakistan nicht berufstätig.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Pakistan sind nach wie vor seine Eltern und Geschwister aufhältig. Er hat fünf Brüder und eine Schwester. Ein Bruder ist in Saudi Arabien aufhältig, die anderen Geschwister leben in Pakistan und besteht Kontakt zu diesen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war oder pro futuro ausgesetzt sein wird, weil sein Bruder eine Taliban-Führungsperson festgenommen und getötet hat.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen.

Der BF spricht Deutsch auf dem Niveau B1, führt ein reges soziales Leben in Österreich und besucht die Fachhochschule.

Beim BF leidet an einer Schilddrüsenüberfunktion und nimmt regelmäßig Schilddrüsentabletten ein. In Österreich wurde der BF wegen einer behinderten Nasenatmung aufgrund einer knorpelig-knöchernen Schiefnase operiert. Er wurde ab März 2017 wegen einer erstmaligen depressiven Episode und Durchschlafstörungen behandelt (AS 181). Fachärztlich wurde dem BF eine Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F42.3) attestiert. Nunmehr ist der Beschwerdeführer jedoch abgesehen von der Schilddrüsenüberfunktion gesund und arbeitsfähig.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf; er ist unbescholten.

Es liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Länderspezifische Anmerkungen

Mit 31. Mai 2018 wurden die Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA - Federally Administered Tribal Areas) aufgelöst und in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert. Sofern nicht anders angegeben, bezieht sich im vorliegenden LIB die Bezeichnung Khyber Pakhtunkhwa auf den Gebietsstand der Provinz ab 1. Juni 2018.

KI vom 9.8.2019 : Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir (Betrifft Abschnitte 2. Politische Lage)

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu- Delhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine „Hinduisierung“ des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als „nicht akzeptabel“ und „nicht bindend“ bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der

Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung:

Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war [siehe KI vom 20.2.2019].

Quellen:

• ARTE – (7.8.2019): Kaschmir: Eskaliert der Konflikt zwischen Indien und Pakistan erneut? https://www.arte.tv/de/articles/kaschmir-eskaliert-der-konflikt-zwischen-indien-und- akistanerneut,

Zugriff 8.8.2019

• BBC - British Broadcasting Corporation (6.8.2019): Article 370: What happened with Kashmir and why it matters, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49234708, Zugriff 7.8.2019

• BBC - British Broadcasting Corporation (7.8.2019): Article 370: Kashmiris express anger at loss of special status, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49261322, Zugriff 8.8.2019

• DS – Der Standard (7.8.2019): Kaschmir-Konflikt: Pakistan weist indische Diplomaten aus, https://www.derstandard.at/story/2000107163187/pakistan-weist-indische-diplomaten-austoter- bei-protesten-in-srinagar, Zugriff 8.8.2019

• FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (7.8.2019): Warnungen aus Islamabad, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kaschmir-konflikt-warnungen-aus-islamabad- 16321737.html, Zugriff 8.8.2019

• HP – Huffpost (8.8.2019): India Arrests Over 500 In Kashmir As Pakistan Suspends Railway Service, https://www.huffpost.com/entry/india-arrests-over-500-in-kashmir-as-pakistansuspends- railway-service_n_5d4c19a7e4b09e729742389e?guccounter=1, Zugriff 9.8.2019

• IT – India Today (6.8.2019): Article 370: China says opposed to Ladakh as Union Territory, https://www.indiatoday.in/india/story/china-reaction-jammu-kashmir-article-370-1577915-2019- 08-06, Zugriff 7.8.2019

• NZZ – Neue Züricher Zeitung (5.8.2019): Indien hebt den Autonomiestatus Kaschmirs auf und riskiert, die Spannungen in der Region drastisch zu verschärfen, https://www.nzz.ch/international/kaschmir-indien-provoziert-mit-der-aufhebung-dessonderstatus- ld.1499966, Zugriff 9.8.2019

• ORF – Österreichischer Rundfunk (5.8.2019): Indien streicht Kaschmirs Sonderstatus, https://orf.at/stories/3132670/, Zugriff 5.8.2019

• SCMP – South China Morning Post (7.8.2019): China calls India’s move to scrap Kashmir’s special status ‘not acceptable’ and not binding, https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3021712/china-calls-indias-move-crapkashmirs- special-status-not, Zugriff 7.8.2019

• SO – Spiegel Online (4.8.2019): Pakistan bittet Trump um Vermittlung, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-nach-terrorwarnung-verlassen-tausende- asgebiet-

a-1280384.html, Zugriff 6.8.2019

• TNYT – The New York Times (6.8.2019): In Kashmir Move, Critics Say, Modi Is Trying to Make India a Hindu Nation, https://www.nytimes.com/2019/08/06/world/asia/jammu-kashmirindia. html, Zugriff 7.8.2019

• ZO – Zeit Online (7.8.2019): Pakistan weist indischen Botschafter aus, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer- botschafterausweisung- hasan, Zugriff 8.8.2019

KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militär und PTM (Betrifft Abschnitte Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Ethnische Minderheiten/Paschtunen; Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition; Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Sicherheitslage/Khyber Pakhtunkhwa)

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen – darunter fünf Soldaten – verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die örtliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig, bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen, um ebenfalls am Protest teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren, wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).

In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, PT 27.5.2019), weswegen es schwierig ist, Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).

Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019)

Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klar machte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass „ihre Zeit vorbei“ sei, und dass diese die „roten Linien“ nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine „Kriegserklärung“ sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplant seien (Dawn 30.4.2019).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-killings/, Zugriff 28.5.2019

?        Dawn (26.5.2019): 3 people killed, 5 soldiers injured in exchange of fire at check post in North Waziristan, https://www.dawn.com/news/1484709, Zugriff 28.5.2019

?        Dawn (27.5.2019): MNA Ali Wazir produced before ATC, remanded in CTD custody for 8 days, https://www.dawn.com/news/1484918, Zugriff 28.5.2019

?        Dawn (30.4.2019): Foreign spy agencies fund PTM, says army, https://www.dawn.com/news/1479321/foreign-spy-agencies-fund-ptm-says-army, Zugriff 28.5.2019

?        PT – Pakistan Today (27.5.2019): 3 killed, 15 injured in ‘PTM-Army clash’ in North Waziristan, https://www.pakistantoday.com.pk/2019/05/26/3-killed-15-injured-in-ptm-army-clash-in-north-waziristan/, Zugriff 28.5.2019

?        Standard, der (28.5.2019): Amnesty fordert Untersuchung des Todes von Demonstranten in Pakistan, http://derstandard.at/2000103942873/Amnesty-fordert-Untersuchung-des-Todes-von-Demonstranten-in-Pakistan, Zugriff 28.5.2019

?        VOA – Voice of America (26.5.2019): 3 Killed in Skirmish Between Pakistan Security Forces, Rights Activists, https://www.voanews.com/a/killed-in-skirmish-between-pakistan-security-forces-rights-activists/4933709.html, Zugriff 28.5.2019

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League–Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        AJK PDD – Azad Government of the State of Jammu and Kashmir – Planning & Development Department (2017): Azad Jammu & Kashmir at a Glance 2017, https://pndajk.gov.pk/uploadfiles/downloads/At%20a%20Glance%202017.pdf, Zugriff 4.4.2019

?        CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

?        Dawn (2.7.2018): Mechanism for filling reserved seats seen as flawed, https://www.dawn.com/news/1417406, Zugriff 23.4.2019

?        EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

?        ET - Express Tribune, the (3.8.2018): MQM support gives PTI required majority in NA, https://tribune.com.pk/story/1772639/1-mqm-p-throws-weight-behind-pti/, Zugriff 23.4.2019

?        FH – Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019

?        Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019

?        Khan, Ehsan Mehmood (2017): Constitutional Status of Gilgit Baltistan: An Issue of Human Security, https://www.ndu.edu.pk/issra/issra_pub/articles/margalla-paper/Margalla-Paper-2017/7-Constitutional-Status-Dr-Ehsan-Mehmood-Khan.pdf, Zugriff 4.4.2019

?        PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019

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?        PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

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?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

?        Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

?        Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

?        Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

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?        Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice – Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019

?        USDOS – US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019

Wichtige Terrorgruppen

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener – also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).

Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).

Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa – insbesondere in den ehem. Stammesgebieten – aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als „gute Taliban“ bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement [siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] (PIPS 7.1.2019 S 74f).

Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).

Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).

Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).

Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch [siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).

Quellen:

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

?        PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

Belutschistan

Die Provinz Belutschistan ist in 32 Distrikte mit insgesamt 134 Tehsils (administrative Einheit unterhalb der Distrikte) eingeteilt. Zur Volkszählung 2017 hat die Provinz 12,3 Millionen Einwohner; in der Hauptstadt Quetta leben ca. 1,7 Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Provinz Belutschistan ist mit einer Vielzahl von Konflikten belastet, wie zum Beispiel zwischen dem Staat und Nationalisten (Militär gegen bewaffnete Gruppen), Stammesfehden sowie ethnisch und religiös motivierte Auseinandersetzungen. Diese Konflikte werden durch die Beteiligung ausländischer Staaten mit einem wirtschaftlichen oder politischen Interesse in der Provinz, wie zum Beispiel China, weiter verkompliziert (EASO 10.2018).

Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban (TTP) werden in Belutschistan beobachtet (AA 13.3.2019). Es gibt Anzeichen wachsender Taliban-Präsenz insbesondere in Gebieten mit paschtunischer Bevölkerung (PIPS 10.4.2019). Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v. a. Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die Volksgruppe der Hazara bzw. gegen Christen, die des Missionierens verdächtigt werden (AA 13.3.2019).

Die lokale Presse in Belutschistan wird von der Regierung Pakistans eingeschüchtert. Im November 2017 wurden lokale Journalisten von belutschischen Aufständischen bedroht, die die Journalisten der Kollaboration mit der Armee bezichtigten. Über Militäroperationen wird in Medien kaum berichtet und es gibt große Informationslücken über die Auswirkungen der Militäroperationen auf die Zivilbevölkerung (EASO 10.2018 S 72). Die militärische Führung hat durch Zugangssperren zu bestimmten Regionen u.a. der Provinz Belutschistan sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).

Es gibt Berichte über Binnenvertreibungen in Belutschistan. Wegen des eingeschränkten Zugangs zu betroffenen Gebieten seien die Informationen hierüber aber beschränkt. EASO gibt an, dass bei der Erstellung des Berichtes zur Sicherheitslage Pakistan mit dem Berichtszeitraum 1.6.2017 bis 15.8.2018 nur wenige Quellen zu Binnenvertreibungen in Belutschistan gefunden wurden (EASO 10.2018 S 76).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Belutschistan 29 terroristische Anschläge mit 49 Toten. Belutschische nationalistische Gruppierungen waren für 20 Anschläge verantwortlich und religiöse militante Aufständischengruppierungen, hauptsächlich TTP, für sieben. Weitere zwei Anschläge waren religiös-konfessionell motiviert. Unter den Todesopfern befanden sich 19 Sicherheitskräfte, 23 Zivilisten und sieben Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019).

Im Jahr 2018 war Belutschistan bezüglich Opferzahlen die am stärksten von Terrorismus betroffene Provinz. Fast 60 % aller Todesopfer landesweit kamen bei terroristischen Angriffen in Belutschistan ums Leben. Während die Zahl der Terrorangriffe im Vergleich zum Vorjahr um 30 % auf 115 gesunken war, stieg die Zahl der Todesopfer um 23 % auf 354 und die Zahl der Verletzten um 10 % auf 589. Unter den Getöteten waren 237 Zivilisten, 91 Sicherheitskräfte und 26 Aufständische. 261 Personen wurden durch 35 religiös motivierte Angriffe von Gruppen wie Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP), Hizbul Ahrar oder Islamischer Staat (IS) getötet. Belutschische Nationalistengruppen führten 74 Angriffe mit 85 Toten durch. Bei sechs konfessionell motivierten Angriffen wurden acht Menschen getötet (PIPS 7.1.2019 S 40).

Im Distrikt Quetta fanden 38 terroristische Angriffe – etwa ein Drittel – mit 111 Toten statt. In anderen Distrikten wurden 14 Angriffe aus Kech, sieben aus Qilla Abdullah, und je sechs aus Dera Bugti, Kohlu und Mastung gemeldet. Je vier Angriffe wurden in Gwadar, Kharan, Khuzdar, Nasirabad und Qilla Saifullah; je drei in Chagai, Kalat und Lasbela; je zwei in Panjgur und Sibi; je einer in Awaran, Bolan, Pishin und Washuk (jeweils Distrikte) registriert. Am 13. Juli 2018 kamen bei einem Selbstmord-Sprengstoffanschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung in Mastung 150 Menschen ums Leben. Am 25. Juli 2018 wurden bei einem Selbstmord-Sprengstoffanschlag in Quetta, zu dem sich der IS bekannte, 31 Menschen getötet (PIPS 7.1.2019 S 40, 43)

Zusätzlich zu den o. a. 115 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2018 in Belutschistan zu 34 anderen gewalttätigen Vorfällen mit 66 Toten; darunter 15 Militäraktionen gegen Aufständische, acht bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, sieben grenzüberschreitende Zusammenstöße aus Afghanistan oder dem Iran. Sicherheitskräfte konnten 2018 zwei größere Terroranschläge vereiteln (PIPS 7.1.2019).

Im Jahr 2017 wurden aus Belutschistan 165 terroristische Anschläge gemeldet, bei denen 288 Menschen getötet wurden, darunter 193 Zivilisten, 84 Mitglieder der Sicherheitskräfte und elf Aufständische. Belutschische Nationallistengruppen führten 131 Anschläge mit 138 Toten durch, sieben Anschläge mit 17 Toten waren konfessionell motiviert und richteten sich vorwiegend gegen Hazara. In der Hauptstadt Quetta kam es zu 35 Anschlägen mit 90 Todesopfern; 23 Anschläge gab es in Kech, 16 in Dera Bugti, 13 in Gwadar, zwölf in Panjgur, neun in Nasirabad und acht in Mastung. 133 Todesopfer waren 2017 bei 27 terroristischen Anschlägen durch islamistisch-militante Gruppierungen, wie die TTP, Jamaatul Ahrar, IS, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, zu beklagen (PIPS 7.1.2018).

Zusätzlich zu den o.a. 165 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2017 in Belutschistan zu 39 Militäraktionen gegen Aufständische, 13 bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, 13 grenzüberschreitenden Zusammenstößen aus Afghanistan oder dem Iran, fünf stammesübergreifenden Fehden und zwei Fällen von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 237 für die Sicherheitslage relevanten Vorfällen von Gewalt verloren 430 Menschen ihr Leben. Zusätzlich wurden während des Jahres 29 Leichen in der Provinz aufgefunden. In den meisten Fällen sind die Identitäten der Toten sowie ihrer Mörder nicht bekannt. Sicherheitskräfte konnten 2017 insgesamt 17 Terroranschläge vereiteln (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.3.2019): Länderinformationen – Pakistan – Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7, Zugriff 3.4.2019

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

?        PBS – Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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