TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/24 L521 2147677-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2020
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Entscheidungsdatum

24.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L521 2147677-2/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, 1010 Wien, Schottengasse 3a, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2018, Zl. 1091813301-161299632, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 20.10.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am der Antragstellung folgenden Tag legte der Beschwerdeführer vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Bad Deutsch-Altenburg dar, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Basra geboren und habe dort zuletzt gelebt, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, bekenne sich zum Islam und sei ledig. Er habe von 1998 bis 2009 in Basra die Grundschule besucht. Zuletzt sei er als Elektriker beruflich tätig gewesen. Seine Eltern, fünf Schwestern und ein Bruder seien im Irak aufhältig.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 17.09.2015 legal von Basra ausgehend im Luftweg nach Istanbul in die Türkei verlassen zu haben. Anschließend sei er von Izmir ausgehend schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und habe sich dort nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach Athen begeben. In der Folge sei er mit verschiedenen Transportmitteln über Nordmazedonien, Serbien und Kroatien nach Ungarn gereist. Nach einer dortigen erkennungsdienstlichen Behandlung und einer zwanzigtägigen Anhaltung sei er nach Kroatien abgeschoben worden. Schließlich sei er nach einem etwa zwanzigtägigen Aufenthalt in Kroatien über Ungarn nach Österreich gereist.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt führte der Beschwerdeführer aus, von bewaffneten Milizen entführt und dann mit dem Tode bedroht worden zu sein. Bei einer Rückkehr befürchte er erneut entführt zu werden.

2. Anfang November 2015 beabsichtigte der Beschwerdeführer, freiwillig in den Irak zurückzukehren, und unterfertigte am 02.11.2015 eine entsprechende Erklärung. Der Beschwerdeführer wiederrief diese Erklärung zur beabsichtigten freiwilligen Rückkehr jedoch in weiterer Folge.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete – gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers zur Reiseroute – am 14.01.2016 ein Aufnahmeersuchen an Kroatien gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin III-VO) und Kroatien akzeptierte dieses Aufnahmeersuchen durch Fristablauf gemäß Artikel 22 Absatz 7 Dublin III-VO.

4. Der Beschwerdeführer wurde am 07.07.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache zur Wahrung des Parteiengehöres niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis im Original und einen irakischen Personalausweis im Original in Vorlage.

5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 07.07.2016 den Antrag auf internationalen Schutz vom 20.10.2015 wegen Zuständigkeit Kroatiens zur Führung des Verfahrens gemäß § 5 Absatz 1 AsylG 2005 zurück, ordnete unter einem die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2016 wurde die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Kroatien wurde in der Folge nicht vorgenommen.

7. Am 27.09.2016 stellte der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am Tag der Antragstellung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt gab der Beschwerdeführer an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Basra geboren und habe dort zuletzt auch gelebt, sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung und ledig. Er habe in Basra neun Jahre die Grundschule besucht. Zuletzt sei er als Verkäufer beruflich tätig gewesen. Seine Eltern, fünf Schwestern und ein Bruder seien im Irak aufhältig.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak im September 2015 legal in die Türkei verlassen zu haben. In weiterer Folge sei er nach Griechenland gelangt und von dort über den Balkan nach Österreich gereist.

Zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, als Sunnit in Basra der Minderheit anzugehören. Nach dem Gebet in der Moschee sei sein Cousin von schiitischen Milizen entführt und eine Woche gefangen gehalten worden, woraufhin dieser in den Nordirak geflohen sei. Daraufhin hätten ihn im September 2015 Milizen für einige Stunden festgenommen und von ihm verlangt, den Aufenthaltsort seines Cousins preiszugeben. Aus Angst um sein Leben habe er daraufhin den Irak verlassen.

8. Der Beschwerdeführer wurde am 12.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, im Beisein einer Vertrauensperson und einer geeigneten Dolmetscherin in arabischer Sprache niederschriftlich einvernommen.

Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben und die arabische Sprache zu verstehen.

Zur Person legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in der Stadt Basra geboren und habe dort gemeinsam mit seinen Eltern und zwei Geschwistern gewohnt. Sein Vater besitze als Ingenieur für Landwirtschaft ein eigenes Unternehmen und seine Mutter führe den Haushalt. Er sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe, ledig und kinderlos. Er bekenne sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung und habe von 1996 bis 2013 die Schule besucht. Anschließend habe er von 2013 bis 2014 Ingenieure bei einem Gasunternehmen unterstützt und in der Folge für seinen Onkel als Buchhalter gearbeitet.

Gegenwärtig würden sich seine Eltern und seine sechs Geschwister im Gouvernement Basra im Bezirk XXXX aufhalten. Seine Eltern und zwei Geschwister würden weiterhin an der - gemeinsamen - Wohnadresse leben. Die anderen vier Schwestern würden gemeinsam mit ihren jeweiligen Ehegatten ebenfalls im Bezirk XXXX wohnen. Zudem seien Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins in der Umgebung von Basra aufhältig. Er stehe mit seiner Familie in Kontakt.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates gab der Beschwerdeführer an, von der schiitischen Al Mahdi Miliz bedroht zu sein. Er habe gemeinsam mit seinem Cousin die Moschee zum Abendgebet aufgesucht und seien sie mit zwei Fahrzeugen entführt worden. Die Entführer hätten ihn über seinen Cousin befragt und ihn dabei geschlagen. Nach einer Nacht hätten ihn die Entführer schließlich in der Wüste ausgesetzt. Bereits am nächsten Tag habe er im Einvernehmen mit seinem Vater begonnen, die Ausreise vorzubereiten.

Weitere Angaben zu dem behaupteten ausreisekausalen Sachverhalt machte der Beschwerdeführer nach entsprechenden Fragen durch den Leiter der Amtshandlung.

Im Zuge der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer einen irakischen Reisepass im Original und erneut einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis und einen irakischen Personalausweis - jeweils im Original - in Vorlage.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz – nach der Wiedergabe der Einvernahme des Beschwerdeführers aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder eine solche zukünftig zu befürchten habe.

10. Gegen den dem Beschwerdeführer am 30.01.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2017 erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner gewillkürten Vertretung eine fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

11. Der Beschwerde vom 13.02.2017 gegen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2017 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2018 stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, da sich der Bescheid im Hinblick auf die Feststellungen zur Lage der sunnitischen Bevölkerung in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, insbesondere im Hinblick auf die dort allenfalls von schiitischen Milizen aktuell ausgehende Verfolgung, als mangelhaft erweist. Der Bescheid leidet unter Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität im Fall einer Rückkehr in den Irak aufgrund seines sunnitischen Bekenntnisses und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

12. Am 08.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien Außenstelle Wien, im Beisein seiner gewillkürten Vertretung und eines geeigneten Dolmetschers neuerlich in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs legte der Beschwerdeführer dar, bislang im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben getätigt zu haben und dass ihm alles rückübersetzt und korrekt protokolliert worden sei. Ergänzend merkte der Beschwerdeführer zunächst an, dass es bei der Erstbefragung einen Fehler gegeben habe, wobei dies sein Vertreter wisse. In der Folge revidierte der Beschwerdeführer diese Angaben wiederum und führte aus, dass doch alles gepasst habe.

Zur Person legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX im Gouvernement Basra geboren und habe dort im Bezirk XXXX gemeinsam mit seinen Eltern und zwei Geschwistern gewohnt. Sein Vater besitze als Ingenieur für Landwirtschaft ein eigenes Unternehmen und seine Mutter führe den Haushalt. Er sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe und des Klans XXXX , ledig und kinderlos. Er bekenne sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung und habe neun Jahre die Schule ohne Maturaabschluss besucht. Anschließend sei er für etwa drei Jahre beruflich tätig gewesen. Das Unternehmen habe es ab 2015 nicht mehr gegeben.

Gegenwärtig würden sich seine Eltern und Geschwister noch in Basra aufhalten. Mit Ausnahme einer Schwester, die bei seinen Eltern wohne, seien alle Geschwister verheiratet und würden bei ihren Ehepartnern leben. Seinen Eltern gehe es gut. Er stehe mit diesen jeden zweiten oder dritten Tag telefonisch in Kontakt.

Aufgefordert die Entführung im Detail zu schildern, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass beim Verlassen einer Moschee zwei Fahrzeuge auf sie gewartet hätten. Man habe seinen Cousin festgehalten, diesem die Augen verbunden und in eines der Fahrzeuge gebracht. Anschließend seien sie weggefahren. Selbiges sei ihm passiert. Während der gesamten - etwa eineinhalbstündigen - Fahrt sei er geschlagen worden und habe er nicht reden dürfen. Er sei zu einem Ort in der Wüste gefahren und die gesamte Zeit gefragt worden, was er mit seinem Cousin - einem Scheich - zu tun habe. Die gesamte Zeit seien seine Augen verbunden und seine Hände gefesselt gewesen. Man habe ihn für zwei Stunden befragt und geschlagen. Anschließend habe man ihm mitgeteilt, dass sie ihn umbringen würden, wenn sie ihn noch einmal irgendwo sehen. Danach seien sie noch eine halbe Stunde weitergefahren und hätten sie ihn dann aus dem Fahrzeug geschmissen. Weitere Angaben zu der behaupteten Entführung tätigte der Beschwerdeführer nach entsprechenden Fragen durch den Leiter der Amtshandlung.

Hinsichtlich des Grundes für das Verlassen des Heimatstaates verwies der Beschwerdeführer in der Folge erneut auf diese Entführung. Zudem bezog sich der Beschwerdeführer auch auf die Sicherheitssituation im Irak. Es herrsche keine Sicherheit und habe er Angst um sein Leben.

Abschließend ersuchte der Beschwerdeführer, die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak seiner gewillkürten Vertretung zur Abgabe einer Stellungnahme zu übermitteln. Diesem Ersuchen wurde entsprochen.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer Unterlagen zur – sprachlichen – Integration und zu seinem Privatleben in Österreich vor.

13. Am 22.05.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den ihm zum Parteiengehör übermittelten Länderdokumentationsunterlagen bei der belangten Behörde ein. Im Wesentlichen moniert der Beschwerdeführer im Wege seiner gewillkürten Vertretung unter auszugsweiser Zitierung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2018, dass ihm im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde lediglich das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 24.08.2017 ausgehändigt worden sei. Bereits das Bundesverwaltungsgericht habe nach Durchsicht des 171-seitigen Konvoluts festgestellt, dass dieses zum Abgleich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers ungeeignet sei, da es keine das Vorbringen betreffende Informationen zu seiner Heimatprovinz Basra sowie seiner Heimatstadt enthalte. Anhand dieses Informationsblattes sei ein Abgleich mit dem konkreten Fluchtvorbringen und eine Beurteilung darüber, ob ihm bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit und hinreichender Intensität asylrelevante Verfolgung drohe, nicht möglich. Aus diesem Grund wurde beantragt, die belangte Behörde möge als spezialisierte Behörde individuelle Erhebungen bzw. Recherchen zu den in der Stellungnahme angeführten Punkten durchführen. Aufgrund der im gegenständlichen Fall offensichtlichen Untauglichkeit des Länderinformationsblattes vom 24.08.2017 seien entsprechende Erhebungen mit Sicherheit notwendig.

14. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2018, Zl. 1091813301-161299632, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Bagdad) gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak (Bagdad) gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Irak einer konkreten asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen sei oder eine solche im Fall seiner Rückkehr zu befürchten habe.

Der Beschwerdeführer habe sich bei seinen Darlegungen in Widersprüche verwickelt bzw. das Vorbringen gesteigert. Ferner sei es dem Beschwerdeführer weder am 12.12.2016 noch am 08.05.2018 gelungen, ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen zu seinen Ausreisegründen – etwa zum Ablauf der Entführung – zu erstatten. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb ausgerechnet er und nicht seine gesamte Familie Ziel der Verfolgung gewesen sei, obwohl der Cousin bei seiner Familie zu Besuch gewesen sei. Wäre der Beschwerdeführer von der von ihm genannten Miliz tatsächlich bedroht und verfolgt worden, hätte er sich sicherlich nicht bei nahen Verwandten versteckt, zumal man ihn dort zuerst vermuten würde. Zudem sei die ungehinderte legale Ausreise aus dem Irak nicht nachvollziehbar, zumal bei einem tatsächlichen Interesse an seiner Person durch die von ihm genannte Miliz eine problemlose Ausreise wohl nicht möglich gewesen wäre. Ebenso wenig habe der Beschwerdeführer plausibel darlegen können, weshalb er wegen dieser Bedrohung die Polizei nicht aufgesucht habe.

Eine Rückkehr in den Irak sei dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, zumal er dort aufgrund seiner mehrjährigen Berufserfahrung seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten könnte und zudem über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen würde.

15. Mit Verfahrensanordnungen vom 20.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

16. Gegen den dem Beschwerdeführer am 22.06.2018 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der gewillkürten Vertretung eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid bezüglich der Spruchpunkte IV. bis VI aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt werde. Eventualiter wird zudem ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der Beschwerde wird ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. In der Sache bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, das belangte Bundesamt habe die angefochtene Entscheidung auf unzureichende Feststellungen zur Lage im Irak gestützt und insbesondere die Gefährdungslage von in der Stadt Basra beheimateten Sunniten und von Familienangehörigen von religiösen Glaubensführern nur unzureichend beleuchtet. Insoweit werden im Beschwerdeschriftsatz zur aktuellen Sicherheitssituation in Basra und zur Bekräftigung der Gefährdung aufgrund der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams über mehrere Seiten hinweg Auszüge aus mehreren Anfragebeantwortungen von ACCORD, zwei Berichten des britischen Innenministeriums, einem Bericht des Außenministeriums der Vereinigten Staaten, einem Bericht des Danish Immigration Service, einem Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und weiteren Länderberichten wiedergegeben, die sich auf die Sicherheitslage im Gouvernement Basra, die Mahdi-Armee, die Aktivitäten schiitischer Milizen, die Lage der Sunniten im Herkunftsstaat und die politische Situation im Irak im Jahr 2018 beziehen. Staatlicher Schutz sei im Irak nicht zu erwarten und stünde dem Beschwerdeführer im Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Ferner sei im Verfahren vor der belangten Behörde der Grundsatz des Parteiengehöres verletzt worden, zumal sich im angefochtenen Bescheid ergänzende Quellen befänden, zu welchen dem Beschwerdeführer zu keiner Zeit des Verfahrens die Möglichkeit eingeräumt worden sei, Stellung zu nehmen. Was die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides betrifft, so habe die belangte Behörde mit keinem Wort erwähnt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen beider Einvernahmen authentisch und inhaltsgleich geschildert habe, was ihm im Irak zugestoßen sei. Die Beweiswürdigung des belangten Bundesamtes erweise sich im Übrigen als mangelhaft, da der Beschwerdeführer ein detailliertes und lebensnahes Vorbringen erstattet habe. Die Verwertung von Widersprüchen zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme sei nach der Rechtsprechung nicht zulässig und würde sich die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides vorrangig darauf stützen. Darüber hinaus müsse auch der psychische und physische Zustand des Asylwerbers bei der Erstbefragung besonders berücksichtigt werden. Auch der Beschwerdeführer sei bei der Erstbefragung durch die Polizei von der Situation eingeschüchtert gewesen. Er habe zuvor ein Verfahren wegen der Zuständigkeit Österreichs gehabt und sich in einem dauerhaft angestrengten Zustand befunden, nicht wissend was mit ihm passieren würde. Am Tag der niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizeiinspektion zum Folgenantrag habe der Beschwerdeführer nicht gewusst, was mit ihm passieren würde. Der Beschwerdeführer habe die Situation als erschöpfend empfunden und habe sich die Kommunikation mit dem Dolmetsch schwierig gestaltet. Auch in der ersten niederschriftlichen Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er bei der Erstbefragung müde gewesen und die Befragung sehr schnell gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch auch damals vorgebracht, dass er und sein Cousin zur gleichen Zeit mit zwei verschiedenen Fahrzeugen entführt worden seien und er erst später von seinem Vater erfahren gehabt habe, dass sein Cousin nach einer Woche freigelassen worden sei. Insoweit die belangte Behörde die Unglaubwürdigkeit auch auf Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers stütze, hätten sich diese bei näherer Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers leicht auflösen lassen.

Dem Umstand Rechnung tragend, dass der Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion von schiitischen Milizen, welche den Beschwerdeführer bereits einmal entführt und misshandelt hätten, aus religiösen und politischen Gründen verfolgt werde bzw. als Sunnit einer Gruppenverfolgung durch Schiiten ohne Aussicht auf staatlichen Schutz und innerstaatliche Fluchtalternative ausgesetzt sei, lasse für ihn die Definition eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zutreffen. Wie aus den in der Beschwerde zitierten Länderberichten und den Aussagen des Beschwerdeführers hervorgehe, drohe dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Islam sunnitischer Prägung unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung durch anhaltende Diskriminierungen bis zu Eingriffen in seine körperliche Integrität. Eine Verletzung des Artikel 3 EMRK würde im gegebenen Fall der Abschiebung in den Irak auf jeden Fall vorliegen und mache jene somit unzulässig. Schließlich sei der bekämpfte Bescheid inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde verkannt habe, dass durch eine Rückkehrentscheidung der Beschwerdeführer in seinen Rechten nach Artikel 8 EMRK verletzt werde. Die belangte Behörde habe eine mangelhafte Interessenabwägung vorgenommen und sei daher zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die Verhängung einer Rückkehrentscheidung zulässig wäre.

Der Beschwerde sind - abgesehen von bereits in Vorlage gebrachten Unterlagen zur Integration - ein ÖSD-Zertifikat A1 vom 11.06.2018, ein Zertifikat über die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme im Rahmen des Projekts „Start Wien Flüchtlinge – Integration ab Tag 1“ Deutschkurse vom 17.05.2018, eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs Niveau A1 von 16.10.2017 bis 31.01.2018, eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs Niveau A2 von 30.07.2018 bis 22.10.2018 und eine Bestätigung über die Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeiten vom 15.05.2018 angeschlossen.

17. Die Beschwerdevorlage langte am 24.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

18. Die gewillkürte Vertretung des Beschwerdeführers übermittelte am 22.10.2018 eine Meldebestätigung vom 04.10.2018 und eine undatierte Bestätigung über die Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeiten.

19. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.06.2020 wurde erfolglos versucht, dem Beschwerdeführer aufgrund der dynamischen Lageentwicklung im Herkunftsstaat aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage im Irak und insbesondere zur Lage im Gouvernement Basra, im Speziellen den Country of Origin Information Meeting Report von EASO vom Juli 2017 zum Irak, den Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend gezielte Gewalt gegen Individuen, das Kapitel zur Lage in den südlichen Provinzen des Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Sicherheitslage, das Kapitel zur Lage in Basra des Country of Origin Information Report von EASO vom Februar 2019 betreffend Iraq Body Count – civilian deaths 2012, 2017-2018, den Country of Origin Information Report von EASO vom Februar 2019 zum Irak betreffend „Zentrale sozioökonomische Indikatoren“, den Informationsbericht von EASO vom Februar 2019 zum Irak betreffend „Interne Mobilität“, den Bericht des British Home Office vom Juni 2017 betreffend Sunni (Arab) Muslims, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der belangten Behörde vom 31.01.2019 betreffend einer chronologischen Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der belangten Behörde vom 02.12.2019 betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in den Provinzen Najaf und Basra, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der belangten Behörde vom 12.09.2018 betreffend die Lage der Sunniten in Basra und der Sunniten aus dem Süden in Mossul, den Bericht „Die „Volksmobilisierung“ im Irak“ der Stiftung Wissenschaft und Politik, die Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge "International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq" vom Mai 2019, das ACCORD-Themendossier zur aktuellen politischen Lage im Irak/ Protestlage vom 19.02.2020, den Länderreport 25 – Irak des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2020 und das ACCORD-Themendossier zum Irak bezüglich schiitischer Milizen vom 05.05.2020 sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 28.07.2017 betreffend die Aktivitäten der Jaish-al-Mahdi-Miliz, zur Wahrung des Parteiengehöres zu übermitteln.

20. Die gewillkürte Vertretung des Beschwerdeführers übermittelte mit Eingabe vom 09.07.2020 mehrere - zum Teil bereits vorgelegte - Unterlagen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass aufgrund der ehrenamtlichen Tätigkeit im Verein XXXX und der dadurch geknüpften Bande mit den Vereinsvorständen einer diesen zwei Personen den Beschwerdeführer zur Verhandlung begleite. Diesbezüglich wurde beantragt, den Vereinsvorstand zeugenschaftlich zum Beweis einzuvernehmen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls eine intensive Bindung zu Österreich und - sobald er einen Arbeitsmarktzugang habe - einen gesicherten Arbeitsplatz habe. Zudem hätten sich bereits enge Freundschaften mit Vereinsmitgliedern und eine Beziehung zu XXXX entwickelt. Der Beschwerdeführer sei seit mehreren Jahren sozial engagiert und werde als sehr hilfsbereit, motiviert, warmherzig und offen beschrieben.

21. Am 16.07.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, einer Vertreterin der gewillkürten Vertretung, eines Vertreters der belangten Behörde, einer Vertrauensperson und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer neuerlich die Gelegenheit eingeräumt, seine Ausreisegründe und seine Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen. Zudem wurde die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der unter Punkt I.19. angeführten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes teilte in diesem Zusammenhang mit, dass im Vorfeld der Verhandlung versucht worden sei, die Länderberichte dem Beschwerdeführer zur Abgabe einer Stellungnahme zuzumitteln, jedoch der Zustellversuch am 28.06.2020 gescheitert und die Sendung anschließend – aus nicht nachvollziehbaren – Gründen dem Bundesverwaltungsgericht retourniert worden sei. Der gewillkürten Vertretung wurde das Kuvert ausgefolgt und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen freigestellt. Der bzw. die im Vorfeld angekündigten Zeugen des Vereins XXXX erschienen ungeachtet der erfolgten Ankündigung nicht zur Verhandlung.

22. Mit Eingabe seiner gewillkürten Vertretung vom 31.07.2020 erläuterte der Beschwerdeführer, dass im Laufe der mündlichen Verhandlung eine Frist von drei Wochen zur schriftlichen Stellungnahme bezüglich der Länderberichte und zur Vorlage von Integrationsunterlagen gewährt worden sei. Um die Ergebnisse einer dem Modul 1 gemäß § 9 IntG entsprechenden Prüfung (Termin am 08.08.2020) dem Bundesverwaltungsgericht übermitteln zu können, wird nun beantragt, diese Frist um drei Wochen zu erstrecken.

Der Eingabe ist eine unleserliche Prüfungsanmeldebestätigung vom 28.07.2020 angeschlossen.

23. Das Bundesverwaltungsgericht teilte dazu mit Schreiben vom 04.08.2020 mit, dass sich die eingeräumte Frist von drei Wochen auf die in der Verhandlung ausgefolgten Länderberichte beziehe. Dem Antrag könne nicht entnommen werden, weshalb diese Frist unzureichend sei. Die Frist zur Stellungnahme zu den ausgefolgten Länderberichten könne daher nicht verlängert werden. Hinsichtlich der Vorlage von Integrationsunterlagen sei keine Frist eingeräumt worden und es könne diese daher auch nicht verlängert werden. Vielmehr würden sämtliche Integrationsnachweise berücksichtigt werden, die bis zur Genehmigung der Entscheidung vorgelegt würden. Zur Vollständigkeit wurde darauf hingewiesen, dass die vorgelegte Prüfungsanmeldung unleserlich sei, weshalb diese per E-Mail neuerlich übermittelt werden möge, um die Anmeldung zur Prüfung jedenfalls feststellen zu können.

24. Dem Ersuchen um erneute Übermittlung der Prüfungsanmeldebestätigung wurde seitens des Beschwerdeführers entsprochen.

25. Am 07.08.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den ihm in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Wesentlichen bekräftigt der Beschwerdeführer unter auszugsweiser Zitierung der ihm zur Kenntnis gebrachten Quellen bezüglich der Protestbewegungen, der allgemeinen Sicherheitslage im Irak und der Situation von Sunniten sowie mutmaßlichen Mitgliedern/Sympathisanten des Islamischen Staates die Richtigkeit des eigenen Verfahrensstandpunktes. Zudem werden in der Stellungnahme zur Sicherheitssituation in Bagdad und Basra, zur Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und zur Bekräftigung der Gefährdung aufgrund der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams Auszüge aus einem ACCORD-Bericht vom 23.06.2020 und einem Artikel der Tageszeitung „Der Standard“ wiedergegeben, die sich auf die Sicherheitslage in den Gouvernements Basra und Bagdad und die Gefährdung durch die COVID-19-Pandemie beziehen. Schließlich wird in Bezugnahme auf die in der Beschwerdeverhandlung thematisierte Verwendung von Namen für spezifische schiitische Milizengruppen auf die Beschwerde vom 20.07.2018 und die dort zitierten Berichte verwiesen und diese abermals auszugsweise angeführt.

Somit komme Bagdad nicht als interne Schutzalternative in Frage, da selbst bei kurzfristiger Konsolidierung der Sicherheitslage, eine Niederlassung nicht vernünftigerweise erwartet werden könne und die notwendige Nachhaltigkeit der Sicherheitslage keinesfalls gegeben sei.

Der Stellungnahme sind eine Bestätigung bezüglich der ehrenamtlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers und eine bedingte Einstellungszusage angeschlossen.

26. Die gewillkürte Vertretung des Beschwerdeführers übermittelte am 28.08.2020 einen Arbeitsvorvertrag über eine Tätigkeit beim Verein „ XXXX im Ausmaß von 40 Wochenstunden. Des Weiteren teilte die gewillkürte Vertretung des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer am 08.08.2020 an der dem Modul 1 gemäß § 9 IntG entsprechenden Prüfung teilgenommen habe, wobei noch keine Ergebnisse vorliegen würden. Sobald eine Bestätigung über die Erfüllung des Moduls vorliege, werde diese nachgereicht. Am 31.08.2020 langte außerdem eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs auf dem Niveau A2 im Ausmaß von 15 von 33 angebotenen Unterrichtseinheiten im Februar bzw. März 2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX im Gouvernement Basra geboren und lebte dort im Bezirk XXXX gemeinsam mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in einem im Eigentum seines Vaters stehenden Haus. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Arabisch, etwas Englisch und etwas Deutsch (dazu näher unten 1.3.1.).

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Der Beschwerdeführer besuchte im Irak mehrere Jahre die Schule. Anschließend ging er bis zu seiner Ausreise mehreren beruflichen Tätigkeiten als Verkäufer, Elektriker bzw. Mechaniker und Buchhalter zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nach. Die genaue Dauer bzw. der genaue Umfang seiner schulischen Ausbildung kann ebenso wenig wie die genaue zeitliche Abfolge seiner beruflichen Tätigkeiten festgestellt werden.

Seine Eltern und ein Bruder sowie eine unverheiratete Schwester leben weiterhin – an seiner alten Adresse – im Bezirk XXXX im Gouvernement Basra. Sein Vater bestreitet seinen Lebensunterhalt aus Mieteinkünften und seine Mutter führt den Haushalt. Sein Bruder besucht noch die Schule. Zudem befinden sich vier weitere – verheiratete – Schwestern und deren Familien im Gouvernement Basra. Der Beschwerdeführer unterhält zu seiner Familie, insbesondere zu seinen Eltern, regelmäßigen Kontakt.

Am 17.09.2015 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal vom Internationalen Flughafen Basra ausgehend im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und in der Folge mit verschiedenen Transportmitteln über Nordmazedonien, Serbien und Kroatien nach Ungarn und weiter nach Österreich, wo er am 20.10.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 07.07.2016 den Antrag auf internationalen Schutz wegen Zuständigkeit Kroatiens zur Führung des Verfahrens zurück, ordnete unter einem die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Kroatien zulässig sei. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2016 wurde die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Kroatien wurde in der Folge nicht vorgenommen.

Am 27.09.2016 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten - den verfahrensgegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz, dieser wurde am selben Tag zugelassen.

Der Beschwerdeführer verfügt über irakische Ausweisdokumente (Reisepass, Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis) im Original.

1.2. Zu den Ausreisegründen des Beschwerdeführers und zur Rückkehrgefährdung:

1.2.1. Der Beschwerdeführer gehörte in seinem Herkunftsstaat keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit oder aufgrund seines sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/ oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise Drohungen oder Übergriffen einer schiitischen Miliz, etwa der der ehemaligen Mahdi-Miliz (nunmehr Saraya al-Salam), oder eines ihrer Mitglieder ausgesetzt war bzw. er der Gefahr von Übergriffen durch schiitische extremistische Gruppierungen oder psychischer und/oder physischer Gewalt seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Zudem wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion oder nach Bagdad nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden. Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion oder nach Bagdad auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Islam sunnitischer Prägung ausgesetzt.

Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass wider den Beschwerdeführer im Irak ein Haftbefehl besteht oder er in anderer Weise von zivilen oder militärischen Behörden oder Gerichten gesucht würde oder ihm im Fall einer Rückkehr in den Irak Strafverfolgung drohen würde.

Er hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit physischer Gewalt aufgrund einer allfälligen Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen zu rechnen.

1.2.2. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder terroristische Anschläge im Irak.

Die irakische Hauptstadt Bagdad ist im Luftweg mit Linienflügen (Schwechat - Istanbul oder Doha oder Amman - Bagdad) direkt und gefahrlos erreichbar. Ebenso ist die Stadt Basra im Süden des Irak im Luftweg mit Linienflügen (Schwechat - Doha - Basra) direkt und gefahrlos erreichbar.

1.2.3. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener Schulbildung und einer Berufserfahrung als Verkäufer, Elektriker bzw. Mechaniker und Buchhalter. Der Beschwerdeführer verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion in Gestalt seiner dort lebenden Eltern und Geschwister. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar. Er verfügt über eine unentgeltliche Wohnmöglichkeit im Haus seines Vaters in XXXX , seine Kernfamilie ist im Hinblick auf eine Unterstützung des Beschwerdeführers leistungsfähig und leistungswillig.

1.2.4. Ihm steht im Falle einer Rückkehr in den Irak im Hinblick auf eine Bedrohung und/oder Verfolgung durch schiitische Milizen oder die Milizen des Islamischen Staates auch eine zumutbare und taugliche Aufenthaltsalternative in einer Großstadt wie Bagdad und dort in einem sunnitischen Stadtviertel zur Verfügung. Dort wäre die existentielle Lebensgrundlage des Beschwerdeführers angesichts der finanziellen Unterstützung durch seine im Gouvernement Basra lebenden Familienmitglieder – etwa durch Überweisungen – oder durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit gesichert. Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad nicht statt und kann von einer weiteren Stabilisierung der Sicherheitslage ausgegangen werden. Die Stadt Bagdad ist für den Beschwerdeführer – wie zuvor festgestellt – auch direkt erreichbar.

1.3. Zur Lage des Beschwerdeführers im Bundesgebiet:

1.3.1. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa Mitte Oktober 2015 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Im Erstverfahren hielt sich der Beschwerdeführer bis zur Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2016 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seit der Zulassung des Folgeantrages vom 27.09.2016 hält sich der Beschwerdeführer wieder rechtmäßig als Asylwerber im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer bezieht seit 21.10.2015 regelmäßig Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber, er erhält für seine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Sozialmarkt außerdem gratis Lebensmittel. Ein- oder zweimal erhielt der Beschwerdeführer finanzielle Unterstützung von seinem im Irak lebenden Vater.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet bislang nicht legal erwerbstätig. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage bzw. einen (dem Bundesverwaltungsgericht weitgehend unleserlich vorgelegten) mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt aufschiebend bedingten Arbeitsvorvertrag über 40 Wochenstunden bezüglich einer „Planstelle“ in einem Sozialmarkt des Vereines „ XXXX “.
Der Beschwerdeführer geht seit Anfang Juli 2018 einer ehrenamtlichen Tätigkeit beim Verein „ XXXX “ in einem Sozialmarkt nach. Des Weiteren verrichtet(e) er zusätzlich unentgeltlich unterstützende Tätigkeiten im Rahmen einer früheren Unterkunft für Asylwerber. Beispielsweise übernahm der Beschwerdeführer die wöchentliche Reinigung der Vereinsräumlichkeiten und verrichtete verschiedene Hilfstätigkeiten, etwa die Unterstützung bei Besorgungen und den Transporten von Möbeln, handwerkliche Tätigkeiten in den vom Unterkunftgeber betreuten Wohnungen, die Strukturierung und Sortierung von Lagerräumen sowie das Aufstellen von Tischen und Stühlen im Generationenzentrum XXXX .

Der Beschwerdeführer besuchte am 12.05.2017 das StartWien Info-Modul „Gesundheit“, am 19.05.2017 das StartWien Info-Modul „Wohnen“, am 25.05.2017 das StartWien Info-Modul „Bildung“ und am 01.06.2017 das StartWien Info-Modul „Soziales“. Des Weiteren absolvierte er am 14.06.2017 eine Beratung zur Erhebung seines Deutsch-Sprachniveaus.

Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache auf unterschiedlichem Niveau. Er hat von 21.08.2017 bis 29.09.2017 einen Deutschkurs „Deutsch Alphabetisierung“ der Wiener Volkshochschulen GmbH, von 08.08.2017 bis 05.09.2017 einen LieLa-Intensivdeutschkurs des Vereins the Connection, von 16.10.2017 bis 31.10.2017 den Kurs „VHS.2.15.1.14_FK Integration ab Tag 1_Deutsch_A1_Schleifen_05 Integration ab Tag 1“ der Wiener Volkshochschulen GmbH im Ausmaß von 33 Unterrichtseinheiten, von 05.02.2018 bis 18.05.2018 den Kurs „VHS.2.15.1.14 Deutsch A1“ der Wiener Volkshochschulen GmbH im Ausmaß von 195 Unterrichtseinheiten und von 24.02.2020 bis 09.03.2020 den Kurs „19fc0013 Deutsch A2+“ der Wiener Volkshochschulen GmbH im Ausmaß von 15 Unterrichtseinheiten von 33 Unterrichtseinheiten besucht. Er brachte ferner Anmeldebestätigungen für einen Deutschkurs „VHS.2.15.1.05_FK Deutschkurs A1“ von 16.10.2017 bis 31.01.2018 an der Volkshochschule 15 und einen Deutschkurs „VHS.3.16.04 Deutschkurs A2“ von 30.07.2018 bis 22.10.2018 an der Volkshochschule Ottakring, eine Rechnung für den Kurs und eine Bestätigung über die Anmeldung für eine ÖIF-Integrationsprüfung A2 am 08.08.2020 in Vorlage. Zuletzt nahm der Beschwerdeführer vom 24.02.2020 bis zum 09.03.2020 am Deutschkurs „19fc0013 Deutsch A2+“ der Wiener Volkshochschulen GmbH auf dem Niveau A2+ teil und besuchte 15 von 33 Unterrichtseinheiten.

Eine Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 legte er erfolgreich ab. Was die Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 am 08.08.2020 betrifft, wurde bislang noch keine Bestätigung über eine diesbezüglich erfolgreich abgelegte Prüfung in Vorlage gebracht. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihm erlauben, eine einfache Unterhaltung in deutscher Sprache zu führen.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat in Österreich keine nahen Verwandten. In Linz leben entfernte Verwandte seiner Sippe. Er pflegt normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Der Beschwerdeführer hat mehrere Empfehlungsschreiben vorgelegt. Mitarbeiterinnen eines früheren Unterkunftgebers attestierten dem Beschwerdeführer Freundlichkeit, Höflichkeit, Lebendigkeit, Engagement, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit und Sauberkeit. Des Weiteren bescheinigten sie ihm von den vereinsinternen Deutschkursen regelmäßig Gebrauch gemacht und Hilfstätigkeiten in der Unterkunft bzw. für das Betreuungsteam übernommen zu haben sowie eine ausgeprägte soziale Komponente und ein Bestreben nach Integration. Weitere Unterstützer, insbesondere eine ehemalige „Freundin“, attestieren ihm ebenfalls Freundlichkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und darüber hinaus Hilfsbereitschaft, Ausgeglichenheit, Fleiß, Ausdauer, eine zuvorkommende und offene Art sowie ein gepflegtes Äußeres und ein stetes Bemühen beim Erlernen der deutschen Sprache. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung. Der Beschwerdeführer frequentiert ein Fitnessstudio. Ein vereinsmäßiges Engagement des Beschwerdeführers ist nicht feststellbar.

1.3.2. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur gegenwärtigen Lage in den südlichen Provinzen des Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Für die südlichen Provinzen wurden 2018 die folgenden Bevölkerungsschätzungen vorgenommen: Babil: 2.065.042, Basra: 2.908.491, Thi Qar: 2.095.172, Kerbala: 1.218.732, Maisan: 1.112.673, al-Muthanna: 814.371, Nadschaf: 1.471.592, al-Qadisiyya: 1.291.048, al-Wasit: 1.378.723.1485. Nach Schätzungen des norwegischen Flüchtlingsrates (NRC) leben in der Provinz Basra etwa 4,5 Millionen Menschen.

Im Südirak lebt eine Vielzahl von ethnischen und religiösen Gruppen. Schiitische Araber machen die große Mehrheit der Bevölkerung der Provinz Basra und der übrigen Provinzen des Südirak aus, jedoch leben hier auch Iraker afrikanischer Abstammung, Faili-Kurden und Sabier/Mandäer. Darüber hinaus leben in der Provinz Basra assyrische und chaldäische Christen. Zudem gibt es in Basra eine große sunnitische Gemeinde.

Im Süden ist eine deutlich geringere demografische Vielfalt zu verzeichnen, als in den übrigen Regionen des Irak. Im Süden gibt es keine Gegend, in der die Sunniten eine kritische Masse erreichen, um religiös homogene Viertel zu bilden. Sunniten, Christen und Sabier/Mandäer leben zwar in der Regel in Vierteln mit Angehörigen einer verwandten Religion zusammenleben, diese Viertel liegen jedoch in mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegenden.

Basra-Stadt ist die drittgrößte Stadt des Landes. In der Provinz Basra liegen die größten Ölfelder des Irak. Diese zählen zu den größten Ölfeldern weltweit. Sie bieten riesige Ölressourcen, die zu geringen Kosten ausgeschöpft werden können. Die Öffnung der Ölreserven für ausländisches Know-how nach dem Sturz von Saddam Hussein brachte einen lang ersehnten Aufschwung für die Wirtschaft mit sich, die durch die während des Zweiten Golfkriegs verhängten Sanktionen einen schweren Zusammenbruch verzeichnet hatte. Die einfache irakische Bevölkerung hatte jedoch kaum oder keinen Anteil an den Früchten dieser Entwicklung, da die Profite in erster Linie korrupten Politikern und lokalen Anführern zugutekamen. Die Ölgesellschaften, die eigentlich Beschäftigungsmöglichkeiten für die örtliche Bevölkerung hätten schaffen sollen, sind nun gezwungen, Mitarbeiter mit guten Beziehungen zu mächtigen Stammesführern und islamistischen Parteien einzustellen. Mittlerweile haben lokale Milizen mit Kontakten zu einflussreichen Politikern und Stämmen eigene Sicherheitsunternehmen aufgebaut, die mit den Tochtergesellschaften ausländischer Ölunternehmen lukrative Verträge über Sicherheitsdienste abschließen.

Sicherheitskräfte in den südlichen Gouvernements des Irak

In einem im November 2018 vorgelegten Bericht stellte das Departement of State fest, dass die Verantwortung für die regionale Sicherheit in Basra ausschließlich in irakischer Hand lag. Ende 2017 wurden drei Brigaden der irakischen Streitkräfte und ein Divisionsstützpunkt in das Gebiet verlegt, um die Ordnung wiederherzustellen. Zwei der Brigaden wurden später zur Ausbildung abgezogen, sodass nur eine Brigade zurückblieb, um für die Sicherheit der Provinz zu sorgen. Zuvor wurden im Jahr 2014 Sicherheitskräfte aus Basra abgezogen und in den Kampf gegen den Islamischen Staat entsandt, diese sind bislang noch nicht zurückgekehrt. Aufgrund der unzureichenden Sicherheitskräfte in den Provinzen kam es zu einer Zunahme der Verbreitung von Waffen sowie von Stammesfehden, Militanz und Schmuggel.

Das Basra Operations Command (BasOC) ist für die Sicherheit im Gouvernement Basra zuständig. Das BasOC besteht aus der 14. irakischen Armeedivision, die wiederum fünf Brigaden umfasst – die 50. bis 53. und die 64. Brigade. Allerdings wurden diese Einheiten mehrheitlich in andere Provinzen verlegt, sodass zu wenig Sicherheitskräfte vor Ort präsent waren. Im Jahr 2016 waren mit Ausnahme der 64. Brigade alle Brigaden der14. Armeedivision außerhalb des Gouvernement Basra stationiert.

Das Babil Operations Command (BabOC) ist für das Gouvernement Babil und den südlichen Bagdad-Gürtel verantwortlich. Dem BabOC untersteht die 8. irakische Armeedivision, deren Einheiten allerdings größtenteils im Gouvernement Anbar stationiert sind. Darüber hinaus hat das BabOC Stützpunkte in Jurf Sakhar sowie in Kerbala und Nadschaf.

Das Mid-Euphrates Operations Command (MEOC) ist für die heiligen Städte Nadschaf und Kerbala sowie den Bezirk an-Nuchaib im Süden des Gouvernement Anbar verantwortlich. Das MEOC ist in erster Linie für den Schutz der schiitischen Pilger und die Sicherung der südlichen Provinzen des Irak verantwortlich.

Das Rafidain Operations (ROC) ist für die Sicherheit in den Gouvernements al-Muthanna, Dhi Qar, Maisan, al-Qadisiyya und al-Wasit zuständig. Es hat mehrere seiner polizeilichen Einsatzbataillone nach Bagdad und Samarra verlegt, um die dortigen Pilgerwege zu sichern, sodass es vor Ort über entsprechend weniger Kräfte verfügt.

Die 4. Division der Bundespolizei ist eine der wenigen Einheiten mit einer ständigen Präsenz im Südirak. Sie hat einen Stützpunkt in Basra, während sich die 16. Brigade (seit Oktober 2016) in erster Linie im westlichen Kerbala sowie im Wüstenbezirk an-Nuchaib aufhält. Darüber hinaus operiert die 16. Brigade in der Provinz al-Wasit (seit Oktober 2016). Die 13. Brigade ist im Gefängnis in Basra präsent (seit Juli 2016), während die 14. Brigade im Gefängnis von Nasiriya in der Provinz Dhi Qar eingesetzt wird (seit Juni 2015).

Zwar waren die südlichen Gouvernements nicht direkt in den Kampf gegen den Islamischen Staat verwickelt, jedoch rekrutierten die PMF-Milizen ihre jungen Kämpfer in erster Linie unter aus dem Südirak stammenden schiitischen Arabern und das insbesondere in Basra. In den Einsatzgebieten des MEOC fungieren die schiitischen Milizen als ergänzende Sicherheitskräfte und stärken ihre Reputation durch die Sicherung der Pilgerwege. Einem Bericht des Institute for the Study of War zufolge zählen die Badr-Miliz, darunter Asa'ib Ahl al-Haqq, die Kata’ib Hisbollah, die Saraya Taila al-Khorasani, die Kataib Jund al-Imam sowie die Saraya al-Salam zu den bekanntesten der in Basra operierenden PMF-Milizen. Diese Gruppen widersetzen sich den Versuchen der irakischen Streitkräfte, ihren Einflussbereich und ihre Handlungsfreiheit zurückzudrängen.

Der Ausbruch der regierungskritischen Proteste, die die südlichen Gouvernements erstmals im Juli 2018 erschütterten, führte dazu, dass zusätzliche Einheiten der irakischen Sicherheitskräfte nach Basra entsandt wurden. Vor ihrer Entsendung hatte ein Bündnis der führenden schiitischen Milizen ihr Vorgehen gegen die gewaltsamen Proteste koordiniert. Berichten zufolge errichteten Gruppen maskierter Männer in Kampfanzügen Kontrollpunkte in der Innenstadt von Basra, dem Epizentrum der Proteste. Im Juli 2018 berichtete die International Crisis Group, dass PMF-Milizen Demonstranten angriffen hätten, um ihre politische Ordnung zu verteidigen. Eine leitende Wissenschaftlerin bei Human Rights Watch erklärte, dass es während der Proteste Augenblicke gab, in denen sich die Großajatollah Ali al-Sistani nahestehenden PMF-Milizen an die Seite der Demonstranten stellten, während die PMF-Milizen mit engen Verbindungen zum Iran auf der anderen Seite standen; dies war insbesondere der Fall, als das iranische Konsulat angegriffen wurde.

Im September 2018 wurden zur Verstärkung Sicherheitskräfte aus Bagdad entsandt, um die Lage zu stabilisieren. Ebenfalls im September 2018 kündigte das PMF-Büro in Basra die Bildung einer Freiwilligenreserve aus zehn Brigaden an. Die Freiwilligenreserve wurde als Reaktion auf die gewaltsamen Proteste während der Demonstrationen geschaffen, im Zuge derer Demonstranten mehrere Büros vom Iran unterstützter PMF-Milizen niedergebrannt hatten. Die Bildung der Freiwilligenreserve provozierte negative Reaktionen von Aktivisten der Zivilgesellschaft, die die zunehmende Präsenz des Iran in Basra ablehnen. In einem Interview erklärten die Aktivisten im September 2018 gegenüber Al Monitor, dass die Bildung der Freiwilligenreserve durch PMF-Milizen nicht nur einen Versuch darstelle, die Gesellschaft zu militarisieren, sondern auch ein Instrument sei, um Proteste gegen die herrschenden Parteien zu unterdrücken, deren militärische Flügel durch die PMU-Einheiten repräsentiert werden. Derzeit sind PMF-Milizen in Basra zwar präsent, jedoch wurden sie nicht in großer Zahl dorthin verlegt und sie betreiben in Basra-Stadt auch keine Kontrollpunkte wie in Bagdad oder in anderen Gouvernements des Nordirak.

Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle:

Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Basra und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und gezielte Tötungen) umfasst.

Insgesamt geht aus den Daten von Iraq Body Count hervor, dass im Süden des Irak die niedrigste Intensität der mit zivilen Todesopfern verbundenen Gewalt (zivile Todesopfer/100 000 Einwohner) zu verzeichnen ist.

Den IBC-Daten für die Provinz Basra zufolge wurden im Jahr 2018 88 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 127 zivilen Todesopfern verzeichnet; dies entspricht einem Anstieg der Intensität von 3,35 im Jahr 2017 auf 4,62 im Jahr 2018. Die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle mit zivilen Todesopfern wurden in den folgenden Bezirken verzeichnet: Basra (42 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 69 zivilen Todesopfern), al-Zubair (16 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 20 zivilen Todesopfern) und Schatt al-Arab (9 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 16 zivilen Todesopfern). Die höchste Intensität der mit zivilen Todesopfern verbundenen Gewalt (Todesopfer je 100 000 Einwohner) war in Schatt al-Arab (9,69) festzustellen, gefolgt von Basra (5,11) und al-Zubair (4,12). Die meisten der im Jahr 2018 von IBC in der Provinz Basra erfassten Vorfälle standen in Zusammenhang mit Schusswaffen (68,2 %) und gezielten Tötungen (25 %).

Der Südirak blieb weitgehend von Aktivitäten des Islamischen Staates verschont, wobei im Jahr 2014 tausende Iraker aus dem Süden in den Kampf gegen den Islamischen Staat zogen. Zwar ist der Südirak sicherer als andere Landesteile, jedoch gibt es auch hier Probleme mit Kriminalität, Drogenmissbrauch und Gewalt zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen, die Milizen und Stammeseinheiten angehören, organisierte Kriminalität durch Milizen sowie Entführung, Erpressung und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Human Rights Watch zufolge sind im Süden nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle zu verzeichnen. An vielen dieser Vorfälle sind Stämme, PMF-Milizen und/oder Banden beteiligt.

Einem Bericht des australischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und Handel (DFAT) vom Oktober 2018 zufolge kommt es im Südirak zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen bewaffneten Schiitengruppen, die meistens mit der Kontrolle über Land und Ölvorkommen in Zusammenhang stehen. Nach Einschätzung lokaler Quellen sind an Gewalttaten zwischen Schiiten in erster Linie Personen beteiligt, die in Milizen oder Stammeseinheiten aktiv sind.

Durch die Entsendung von Sicherheitskräften in den Kampf gegen den Islamischen Staat im Zentral- und Nordirak entstand 2014 in der südlichen Region ein Sicherheitsvakuum, das Auseinandersetzungen zwischen Stämmen, kriminellen Aktivitäten und politisch motivierter Gewalt Tür und Tor öffnete. Die zwischen rivalisierenden schiitischen Stämmen ausgetragenen Kämpfe um Agrarflächen, staatliche Bauaufträge und Grundeigentum untergruben nach und nach die Stabilität in der Region. Die örtliche Polizei zögerte oder war unfähig, diesen Konflikten Einhalt zu gebieten. Selbst in Fällen, in denen ein wirkungsvolles Eingreifen möglich wäre, zögern die Polizeibeamten – von denen viele zu einem der beteiligten Stämme gehören –, weil sie Vergeltungsmaßnahmen fürchten. Die Verbreitung von Waffen begann schon nach dem überstürzten Rückzug der irakischen Armee aus Kuwait nach

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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